Einen kompletten Plansatz gibt es nur theoretisch

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Einen kompletten
Plansatz gibt es nur
theoretisch
Die Fassade. Informationen,
die über das Offensichtliche hinausgehen, wurden
vom BND zensiert.
Fotos: Arco Images/Alamy;
rechte Seite: Luca De Giorgi
Jan Kleihues im Gespräch mit Brigitte Schultz und Sebastian Redecke
Welches Gebäude wäre
prädestinierter für ein Gespräch zur Sicherheit als
die neue BND-Zentrale
in Berlin? Hier werden alle
architektonischen und
städtebaulichen AbwehrRegister gezogen. Einige
davon erklärte uns Architekt Jan Kleihues im Gespräch – das nach Prüfung
durch den BND etwas kürzer geraten ist
Herr Kleihues, wie sind Sie zu dem Bauauftrag
BND-Zentrale gekommen?
Wir haben als eins von sechs Büros an einem
Verhandlungsverfahren mit integrierter Mehrfachbeauftragung teilgenommen und wurden
mit der Bauaufgabe beauftragt.
Welche besonderen architektonischen
Anforderungen stellt ein Nutzer wie der BND
an den Entwurf?
Das Gebäude muss funktionieren wie ein lebender Organismus, der extrem schnell auf die
tages- oder weltpolitischen Ereignisse rea gie ren kann. Ganz entscheidend war es daher,
dass die einzelnen Abteilungen innerhalb des
Gebäudes sehr schnell sowohl vertikal als
auch horizontal wachsen und schrumpfen können. Jede Abteilung wiederum arbeitet ge heim.
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Wie ist das im Gebäude gelöst? Gibt es da
Schleusen?
So detailliert darf ich nicht antworten. Aber uns
war von Anfang an wichtig, dass die Beschäftigten, die alle für sich arbeiten, wenigstens dann,
wenn sie aus dem Büro treten, Möglichkeiten zur
Begegnung haben. Deshalb gibt es drei Atrien
als großzügige Gemeinschafts- und Erschließungsbereiche sowie kleinere Kommunikationszonen mit Wendeltreppen für direkte Wegeverbindungen.
Wie erklärt sich die Größe der Anlage? Sie ist
größer als das Bundesinnenministerium.
Mit ungefähr 6000 Mitarbeitern hat der Bundesnachrichtendienst auch dreimal so viele Mitarbeiter wie das Innenministerium. Die haben wir
so effizient wie möglich untergebracht, indem
wir beispielsweise das Fensterraster von den
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damals üblichen 1,35 Meter auf 1,25 Meter verkleinert haben. Trotz der Dichte ist es uns aber
bis ins Einzelbüro hinein gelungen, angenehme
Arbeitsplätze und ein ansprechendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Die Ausstattung der Räume
war uns sehr wichtig – Tür- und Fenstergriffe,
Beleuchtung, Arbeitstische und weitere Ausstattungselemente haben wir speziell für dieses
Projekt entwickelt.
Kennen Sie bei allen Räumen die Funktion?
Was die Agenten in ihren Büros machen, entzieht
sich selbstverständlich meiner Kenntnis. Ich
weiß mittlerweile aber, dass es nicht dem Bild
entspricht, das ich mir als James-Bond-Begeisterter jahrelang gemacht habe (lacht). Letztendlich handelt es sich bei der Dienstzentrale im
Wesentlichen um ein Verwaltungsgebäude mit
etwas üppigerer IT.
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Die Gesamtanlage von Nordwesten. Links die Chausseestraße, im Vordergrund
(linker Bildrand) die Technikzentrale des BND von Henn
Architekten.
Foto: euroluftbild.de/Robert
Grahn/picture alliance
Wie unterscheiden sich die Sicherheitsanforderungen von denen anderer Verwaltungsgebäude?
Eine Anforderung ist offensichtlich: Das Hauptgebäude liegt nicht direkt an der Straße, so wie
man es städtebaulich vielleicht als erstes machen würde, um der Chausseestraße ein wohlproportioniertes Straßenprofil zu geben. Aber
an die Straße hätte man nur Nebenräume legen
können, die nicht zum dauerhaften Aufenthalt
bestimmt sind, wie Toiletten, Teeküchen, Putzräume. Doch obwohl der Abstand des Hauptgebäudes zur Straße 30 Meter beträgt, ist es uns
gelungen, den Block zu fassen, indem wir die
Ecken mit der Süd- und Nordbebauung definiert
haben, in der sich die Technik- und Logistikzentrale und das Zentrum für Aus- und Fortbildung
befinden. Die weitläufige Fläche zwischen den
Ecken des Blocks und den Torhäusern, die mittig
an der Chausseetraße liegen, haben wir mit den
für unsere Region typischen Kiefern bepflanzt.
Im Kontext der Stadt und vor dem sehr großen
Komplex bekommen diese eigentlich unvollkommenen Bäume eine ganz eigene Wertigkeit.
Wie ist es Ihnen gelungen, dass die Abschottung des Gebäudes zur Straße hin nicht so
stark sichtbar wird?
Wir waren der Meinung, dass Passanten eher
das Gefühl haben sollten, dass es sich um ein
normales, wenn auch sehr großes Bürogebäude
handelt. Um den fensterlosen Sockel „unsichtbar“ zu machen, haben wir das ganze Gebäude
in einer Art Burggraben versenkt. Von der Straße
aus sieht man jetzt nur die befensterten Bereiche, was vor allem auch der Maßstäblichkeit im
städtebaulichen Kontext zugute kommt.
Wurde das Dach statisch besonders behandelt?
Kein Kommentar.
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Das Gebäude muss funktionieren
wie ein lebender Organismus,
der extrem schnell auf die tagesoder weltpolitischen Ereignisse
reagieren kann
Wie kam die städtebauliche Form zustande?
Wenn man sich klar macht, dass der Reichstag
achtmal auf das Grundstück passen würde, wird
deutlich, dass die städtebauliche Form nicht zuletzt der Größe geschuldet ist. Mit dem städtischen Kontext wäre man eigentlich ganz anders
umgegangen. Ursprüngliches Ziel war es, direkte
Bezüge zur Stadt herzustellen, Hofhäuser zu
planen, Plätze, städtische Räume zu schaffen.
Aber dieses Gebäude ist so riesig, dass eine
kleinteiligere Form einen funktionalen Kompromiss dargestellt hätte. Man braucht direkte horizontale und vertikale Wegeverbindungen und
kann darüber hinaus das Gebäude nicht verstecken. Hier waren wir uns auch mit dem damaligen BND-Präsidenten Dr. August Hanning einig,
der sich ausdrücklich für ein selbstbewusstes
Gebäude in der Stadt ausgesprochen hatte.
Fanden Sie die Entscheidung für die Lage des
Neubaukomplexes in der Innenstadt richtig?
Ich habe mich zunächst gewundert, dass der
Dienst nicht in den Flughafen Tempelhof zieht.
Nach allem, was ich weiß, hätte das Raumprogramm auch dort funktioniert. Aber natürlich
hätte ein Nachrichtendienst an diesem Standort ein Imageproblem. Die Außenwirkung war
ja durchaus Thema beim Entwurf. Eine der Aufgabenstellungen im Wettbewerb bestand auch
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darin, das künftige Fernsehbild als Rendering
zu visualisieren.
Gab es Vorgaben, die die Fassadengestaltung
beeinflusst haben?
Der Öffnungsanteil der Fassade beträgt unter
50 Prozent, da uns neben gestalterischen Überlegungen eine energetisch optimierte Fassade
wichtig war.
Ist die einheitliche Fassade ein Vorteil, da sie
keine Unterschiede der Funktionen in den Räumen erkennen lässt?
Nein. Der Grund für die Einheitlichkeit war ein
anderer. Das Gebäude ist ja 270 Meter lang und
160 Meter breit. Wenn ich so ein Volumen nur
aus 30 Meter Entfernung betrachten darf, muss
ich als Architekt mit etwas anderem als Fassadendetails spielen. Das hier zugrundeliegende
Prinzip der Reduktion des Details ist auf die
Betrachtung aus der Entfernung angelegt und
bildet die Grundlage für die Entfaltung der skulpturalen Wirkung des Baukörpers. Der Detaillierungsgrad nimmt zu, je kleiner die Distanz zwischen Gebäude und Betrachter wird. Indem
die vielen tausend Fenster in eine Struktur verschmelzen, gibt der Wechsel zwischen kurzen
und langen Flächen dem Straßenraum den gewünschten Rhythmus. Die Materialität der Fas-
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Die Rückseite. An den
geschlossenen Fassadenteilen sind Erweiterungsbauten möglich. Die Palmen
sind Kunst am Bau von
Ulrich Brüschke.
Foto: Alexander Ludwig
Obst & Marion Schmieding
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Die zentrale, deutlich
niedrigere Eingangshalle
Foto: Alexander Ludwig
Obst & Marion Schmieding
sade führt dazu, dass sich im Laufe des Tages
das Erscheinungsbild des Gebäudes extrem
verändert. Wir haben eine Metalllegierung gefunden, die je nach Lichtverhältnissen von einem
eher dunklen Grün zu einem strahlenden Champagnergold wechselt, was besonders aus der
Distanz wahrgenommen wird. Das Gegenstück
bildet ein offenporiger, grob strukturierter Naturstein, der mit seiner haptischen Qualität und
fein strukturierten Plastizität besonders aus
der Nähe wirkt.
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit einem solch besonderen Nutzer?
Ganz anders als gedacht. Wir hatten eine
schwerfällige Behörde mit langen Dienstwegen
erwartet. Das ist nicht der Fall. Der BND ist super
stringent organisiert, das sind kompetente
Leute, die immer lösungsorientiert und offen für
neue Ideen sind.
Alle arbeiten geheim. Wenigstens,
wenn sie aus dem Büro treten,
sollen sie Möglichkeiten zur Begegnung haben
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Der Gebäudekomplex verfügt über zwei gleich große
Atrien. Wie das gesamte
Gelände sind sie nicht öffentlich zugänglich.
Foto: Alexander Ludwig
Obst & Marion Schmieding
Eines der knapp bemessenen Standardbüros, noch
unmöbliert. Wie die Räume
im einzelnen genutzt werden, bleibt geheim.
Foto: Alexander Ludwig
Obst & Marion Schmieding
Gab es besondere Arbeitsabläufe, zum Beispiel
im Umgang mit Plänen und Emails?
Zunächst wurden sämtliche Mitarbeiter im Projekt sicherheitsüberprüft. Das Projektbüro ist
dann in ein Planungshaus gezogen, das nur die
sicherheitsüberprüften Mitarbeiter betreten
dürfen.
Wie funktioniert die Arbeit in dem Planungshaus?
Die Büros der Projektbeteiligten sind vollkommen isoliert, alle Projektserver sind abgeschnitten vom Rest der Welt, Internet gibt es nur auf
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getrennten Einzelrechnern. Um dennoch auf
kurzen Wegen kommunizieren und Daten austauschen zu können, wurde innerhalb des Planungshauses ein Projektkommunikationssystem
eingerichtet, allerdings ebenfalls ohne Anschluss
ans Internet.
Wie funktioniert die Abstimmung mit den anderen Beteiligten?
Die sitzen auch alle in dem Planungshaus: der
Bauherr, der Nutzer, der Statiker, die Haustechniker, die Controller…
Wie ist es für Ihr Team von Architekten, auf
diese Art zu arbeiten?
Das Planungshaus hat große Vorteile. Die Konzentration von Fachkräften an einem Ort macht
die Arbeit dort sehr effektiv.
Und innerhalb des Planungshauses kann man
sich frei austauschen?
Ab einem gewissen Punkt wird es wahnsinnig
aufwändig, denn an die Sicherung der einzel nen Organisationseinheiten innerhalb des Planungshauses werden hohe Anforderungen gestellt und schließlich auch an den Umgang mit
den Daten und Unterlagen selbst. Das schränkt
die sonst gewohnten Freiheiten schon ein wenig
ein.
Was ist mit Plänen auf der Baustelle?
Jeder bekommt immer nur den Teil der Pläne, die
er unbedingt braucht. Einen kompletten Plansatz
mit allen Angaben gibt es nur theoretisch.
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