ZahnTechnik 8–9/07 Die Anfertigung von Provisorien liegt in der Regel in den Händen des Zahnarztes, der den erforderlichen temporären Zahnersatz mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst rasch und möglichst kostengünstig direkt am Behandlungsstuhl herstellt. In einem überschaubaren Zeitraum wird dieses Provisorium ja ohnehin durch den definitiven Zahnersatz ersetzt. Diese allgemein praktizierte Vorgehensweise hat dazu geführt, den Provisorien eine geringe Bedeutung beizumessen. Muss der Patient aber aus Indikationsgründen die provisorische Versorgung über Monate tragen, empfiehlt es sich, die Rolle der Provisorien aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Das Dentallabor erschließt sich neue Aufgabenfelder Ä sthetisch unzulängliche provisorische Versorgungen können das „AnSehen“ des Patienten nachhaltig beschädigen, wenn sie ihn wenig attraktiv erscheinen lassen und es seiner Umgebung auffällt, dass etwas mit den Zähnen nicht stimmt. Unter Umständen kann im Vorfeld auch seine Einstellung zum definitiven Zahnersatz empfindlich gestört werden. Ein „Vollwertprovisorium“ dagegen entstellt den Patienten nicht, sondern macht deutlich, wie er sich den zukünftigen schönen Zahnersatz vorzustellen hat. Natürlich wird der definitive Zahnersatz das Vollwertprovisorium nochmals toppen. CAD/CAM-GEFERTIGTES „VOLLWERTPROVISORIUM“ MACHT LUST AUF SCHÖNE ZÄHNE Voraussetzung für eine kostengünstige Herstellung von Vollwertprovisorien ist die rationelle Verarbeitungsmethode. So „billig“, wie ein Zahnarzt das Schnellprovisorium produziert, kann es ein Dentallabor nicht anfertigen. Aber die Preisdifferenz gegenüber dem vom Zahnarzt eingesetzten Provisorium darf nicht allzu gravierend ausfallen. Mit den Vita CAD-Temp-Blöcken und der inLab-CAD/CAM-Verarbeitung von Sirona ist ein Weg gefunden, einerseits die Kapazität der bestehenden Installation noch vielfältiger auszunutzen und so zur Amortisation beizutragen, andererseits das Angebotsspektrum des Quelle: DZW ZahnTechnik · Ausgabe 8-9/07 vom 5. September 2007 Labors zu erweitern. Die vorliegende Falldokumentation zeigt den Arbeitsablauf unter besonderer Berücksichtigung der Marketingaspekte dieser Innovation. Im vorliegenden Patientenfall kam es durch die fortgeschrittene Parodontose und den daraus resultierenden Knochenschwund zu einer „Wanderung“ der Zähne 12, 11 und 21, woraus eine signifikante Verschlechterung der Ästhetik resultierte. Die betreffenden Zähne mussten extrahiert werden. Der Zahnarzt setzte sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt mit dem Zahntechniker in Verbindung, um 왘 29 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 auf Abbildung 2 gezeigt. Die Extraktion wurde vorgenommen. Das Zahnfleisch zeigte sich stark entzündet (Abb. 3). Die durch den Zahnarzt erstellte provisorische Schnellversorgung diente der kurzzeitigen Überbrückung, bevor der Patientin das vom Dentallabor erstellte hochwertige Vollwertprovisorium eingesetzt werden konnte (Abb. 4). wurden die beiden Zentralen herausgebrochen und replatziert, die gewanderten Zähne also genau übernommen und lediglich neu positioniert (Abb. 6). Abbildung 7 zeigt das Meistermodell mit dem Gegenbiss und den präparierten Pfeilerzähnen für die Abdrucknahme. Das Modell wurde okklusal ausgewachst und zum Einscannen für das inLabSystem vorbereitet (Abb. 8). 왘 den Fall zu besprechen. Aufgrund des Befundes war an einen unverzüglichen Beginn der prothetischen Versorgung nicht zu denken. Der Zahntechniker schlug daher dem Zahnarzt vor, den Patienten mit einem hochwertigen Langzeitprovisorium zu versorgen, und bot dem Behandler das kürzlich auf den Markt gekommene Vita CAD-Temp-Material an. Abbildung 1 führt die desolate Frontzahnsituation der Patientin deutlich vor Augen. Die Patientin erhoffte sich von der Behandlung eine spürbare Verbesserung ihres Aussehens. Die Zahnfarbe wurde in der Praxis mit dem Vita Toothguide 3D-Master manuell genommen. Der Zahnarzt verfügt über ein sehr gutes Farbsehvermögen, die Zahnfarbbestimmung mit den definierten Helligkeitswerten wird 30 Planung ohne Zeitdruck Zur Fallbesprechung zwischen dem Zahnarzt und dem Zahntechniker wurde ein Situationsmodell vorbereitet. Die Gingivasituation ließ offen, ob der Zahn 12 ebenfalls noch zu extrahieren sei. Zu diesem Zeitpunkt ließen sich aber Form und Farbe des Zahnersatzes sicher definieren (Abb. 5). Aus dem Situationsmodell Abbildung 9 zeigt den Scan des Modells. Die Präparationslinien wurden eingezeichnet und die Zwischenglieder platziert. Die CADTemp-Brücke wurde bezeichnet, der Gegenbiss durch die Farbe markiert (Abb. 10). Abbildung 11 präsentiert die Frontzahnansicht. Das Schleifen der CAD-Temp-Brücke erfolgte in der inLab-Schleifeinheit (Abb. 12 und 13). Quelle: DZW ZahnTechnik · Ausgabe 8-9/07 vom 5. September 2007 ZahnTechnik 8–9/07 13 14 Auf Abbildung 14 ist die geschliffene CAD-Temp-Brücke von basal zu sehen, um zu zeigen, dass im CAD/CAM-Verfahren eine sauber polierte Oberfläche entsteht – im Unterschied zu den vom Zahnarzt angefertigten Provisorien, die meist mehr recht als schlecht ausgearbeitet sind. Die basale Politur ist zur Schonung des Zahnfleisches von großer Bedeutung. Abbildung 15 zeigt das fertige Vollwertprovisorium auf dem Modell und Abbildung 16 in situ nach einmonatiger Tragezeit (Stand 20. August 2007). Das Zahnfleisch hat sich markant zurückgezogen, so dass sich der Behandler entschlossen hat, noch einen weiteren Monat abzuwarten und die Präparationen noch tiefer zu legen. Die Situation bei 22 hat sich inzwischen gefestigt. Bewertung des Provisoriums Durch das Provisorium wurden zahnfleischschonende, sauber polierte Kronenränder mit gingivalen Auflagen erreicht. Obgleich bereits ansehnlich, kann zu diesem Zeitpunkt noch alles verändert werden. Das Provisorium ist sehr gut für die Vorauswahl von Farbe und Form geeignet. Erfolgt bei längerem Tragen des Provisoriums ein Rückgang der Gingiva, kann unterfüttert werden, bei zu langer Schneidekante kann zum Beispiel gekürzt oder umgekehrt verlängert werden. Das Vollwertprovisorium kann so lange getragen werden, bis sich die orale Situation beruhigt hat und mit der definitiven Versorgung begonnen werden kann. 15 16 den Behandlungsablauf eingebunden und kann davon ausgehen, dass auch die definitive Versorgung ins Dentallabor kommt. Das Labor zeichnet sich zudem dadurch aus, dass es „Nischeninnovationen“ anbietet, die „Mainstream-Arbeiten“ nach sich ziehen. Ein Betrieb kann sich gut im Markt behaupten, wenn stets neue Anwendungsgebiete erschlossen und praxisgerecht umgesetzt werden. Andere Beispiele dafür sind Nylon-Prothesen, Vollkeramiktechnologien in allen Varianten oder innovative Implantatlösungen. Voraussetzung für den Langzeiterfolg des Labors sind eine gleichbleibend gute Qualität, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, der Einsatz fortschrittlicher Technologien und Materialien und last but not least eine exzellente Kommunikation mit der Zahnarztpraxis. ZT Raymond Salathé, Cera-Tech AG Dental Keramik, Liestal, Schweiz ■ Voraussetzung für die Erschließung dieses Arbeitsgebietes sind Vita CAD-Temp-Blöcke und ein inLab-Gerät mit aktueller Software und einem Tank mit einem modifizierten Filtersystem. Auf die Individualisierung der Schneide kann bewusst verzichtet werden, denn auch das Vollwertprovisorium ist nicht mehr als eine Zwischenlösung und steht nicht in Konkurrenz zur definitiven Versorgung. Im behandelten Fall standen nicht – wie zum Beispiel beim Wax up – die ästhetischen Aspekte im Vordergrund. Mindestansprüche konnten aber erfüllt werden. Mit dem CAD-Temp-Provisorium lässt sich vermeiden, dass nach Abschluss der definitiven Arbeit zusätzliche Änderungen erforderlich sind. Der Patient erhält eine gute zwischenzeitliche Versorgung, die dem Gewöhnungsprozess an den Zahnersatz förderlich ist, wobei notwendige Veränderungen, die sich im Verlaufe der Behandlungsdauer ergeben, zu keiner Minderung des Zahnersatzes führen. Der Vorteil für den Zahnarzt besteht in der Risikominimierung bei weiterem Zahnfleischschwund und dem Verlust eines Pfeilerzahnes. All die hier genannten Vorteile rechtfertigen den höheren Preis für das Vollwertprovisorium und sind dem Patienten sicher zu vermitteln. Marketingaspekte für das zahntechnische Labor Das Dentallabor kann sich ein neues Arbeitsgebiet erschließen und der Praxis einen zusätzlichen Service bieten. Es ist von Beginn an in Quelle: DZW ZahnTechnik · Ausgabe 8-9/07 vom 5. September 2007 31