Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 391 1. Personalmanagement allgemein/Strategisches Personalmanagement/Steuerung der Personalarbeit Maike Andresen Corporate Universities als Instrument des strategischen Managements von Person, Gruppe und Organisation* Betreuer: 1. Prof. Dr. Michel E. Domsch, Universität der Bundeswehr Hamburg Ausgangspunkt Insbesondere seit den 1990er Jahren wird den als Corporate University bezeichneten firmeneigenen Lerninstitutionen weltweit eine hohe Aufmerksamkeit zuteil, die v.a. auf ihre vielfach propagierte stützende Rolle im Rahmen des strategischen Managements von Unternehmen zurückgeführt werden kann. Zum Ausdruck gebracht wird hier die Einsicht, dass die Mitarbeiter eines Unternehmens der entscheidende Faktor sind, wenn Strategien wirksam werden sollen. Im Rahmen des strategischen Managements streben Unternehmen eine optimale Abstimmung von Umwelt, Strategie, Struktur und Personalpraktiken einschließlich der Lernprozesse an. Bildlich gesprochen ist die Wettbewerbsfähigkeit auf nationaler, aber insbesondere auch auf internationaler Ebene nicht so sehr eine Frage dessen, wie der Wind weht, sondern vielmehr wie man seine Segel setzt. Daher müssen Unternehmen nicht nur in der Lage sein, die Richtung und Stärke des Windes bzw. die Umweltfaktoren, die ihre Geschäftstätigkeit beeinflussen, zu bestimmen, sondern insbesondere auch eine hoch qualifizierte Crew zu entwickeln. Diese muss die Fähigkeiten besitzen, die gegenwärtige und zukünftig gewünschte Position wie auch die übergeordneten strategischen Ziele des Unternehmens zu bestimmen, den zur Erreichung der gesetzten Ziele als günstig erscheinenden Kurs festzulegen und einzuschlagen sowie die Firma zu navigieren. Mit diesem Bild soll verdeutlicht werden, dass eine kooperierende Mitarbeiterschaft, die über ein im Vergleich zu Konkurrenzunternehmen überlegenes Wissen und bessere Kompetenzen verfügt und in der Lage ist, das eigene Unternehmen zu führen und zu transformieren, ein bedeutender Faktor für die Erzielung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorteils ist. * Maike Andresen: Corporate Universities als Instrument des strategischen Managements von Person, Gruppe und Organisation – Eine Systematisierung aus strukturationstheoretischer und radikal konstruktivistischer Perspektive. Dissertation veröffentlicht in der Schriftenreihe „Personalmanagement – Human Resource Management“, hrsg. von Michel E. Domsch, Désirée H. Ladwig, Bd. 7, Lang, Hamburg u.a. 2003. 392 Personalforschung an Hochschulen Corporate Universities werden als zentrales Instrument der Unternehmensführung angesehen, welches genutzt werden kann, um das benötigte unternehmensspezifische Humankapital aufzubauen und über maßgeschneiderte, strategieorientierte Weiterbildungspraktiken mittels der Ressource ‚Mensch’ sowie des in ihr verankerten Wissens Wettbewerbsvorteile zu generieren. 2. Problemstellung Unklar blieb sowohl in der praktischen als auch wissenschaftlichen Diskussion bisher, was konkret unter einer Corporate University verstanden wird und wie mit ihrer Hilfe eine Förderung des strategischen Managements über ein strategisches Lernen in und von Unternehmen erreicht werden kann. Zum Ausdruck kommt dies nicht zuletzt in den zahlreichen in (primär praxisorientierten) Publikationen angeführten Definitionen, die sowohl durch Überschneidungen als auch Widersprüche gekennzeichnet sind. So stellen einige Autoren gar kritisch heraus, dass es sich bei dem Begriff ‚Corporate University’ um einen Etikettenschwindel handelt, hinter dem sich in vielen Unternehmen traditionelle Weiterbildungsmaßnahmen verbergen, welche in der Firmenuniversität integriert sind und sich durch keine grundlegenden inhaltlichen oder strukturellen Neuerungen auszeichnen. Ausgeweitet werden die diesbezüglichen Unsicherheiten durch die Vielzahl an beobachtbaren unterschiedlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Corporate Universities in Unternehmen. Auch Benchmarkingstudien und die mannigfaltigen Beschreibungsmodelle in der Literatur konnten bislang keine Ergebnisse liefern, aus denen sich eindeutige Handlungsanweisungen und Erkenntnisse hinsichtlich dieses Aspekts ableiten lassen. Zur Klärung des Konzeptes fehlt daher eine theoriebasierte, wissenschaftliche Aufarbeitung und Fundierung, welche in der Arbeit geleistet wird. 3. Untersuchungsgegenstand Es wird von der nachfolgenden Definition ausgegangen: Corporate Universities sind firmeneigene Lerninstitutionen, welche das strategische Management in Unternehmen stützen. Sie fördern ein strategisches Lernen, indem die Personalentwicklungsprogramme in verbindliche strategische Entwicklungskonzepte des jeweiligen Unternehmens und damit unmittelbar in das Organisationsgeschehen konkret eingebunden sind. Lernen und strategisches Handeln werden somit als integraler Prozess verstanden. Ziel des Handelns ist die Konzipierung oder Implementierung von Strukturen sowie die Konstruktion von Wissen. Das dadurch aufgebaute Humankapital ist unternehmensspezifisch bzw. dient dem Unternehmenszweck. Obige Begriffsbestimmung bringt einen Perspektivenwechsel zum Ausdruck, demzufolge die Aufgabe der Personalentwicklung nicht länger rein darin gesehen wird, die notwendigen Kompetenzen aufzubauen, um die gegenwärtige Leistung im Unternehmen aufrechterhalten bzw. verbessern zu können und ein Erreichen zukünftiger ökonomischer Leistungsziele zu gewährleisten. Stattdessen werden die Prozesse auf Organisationsebene als Rahmen der Personalentwicklung interpretiert. Die im Geiste vollzogene Trennung zwischen Personalebene und Organisationsebene, die Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 393 bislang auch in der organisatorischen Ausgliederung beispielsweise in Form einer Abteilung für Aus- und Weiterbildung ihren Ausdruck fand, wird damit aufgegeben. Corporate Universities sind daher idealerweise direkt dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung unterstellt und werden als strategische Organisationseinheit verstanden. 4. Zielsetzung und theoretische Basis Im Rahmen des strategischen Managements stellen sich Unternehmen insbesondere zwei Herausforderungen: Erstens müssen die sich in dem dynamischen und komplexen Unternehmensumfeld stellenden Herausforderungen bewältigt werden, indem die Entwicklung des Unternehmens in der Art vorangetrieben wird, dass eine Abstimmung zwischen Unternehmen und Umwelt erreicht wird (Organisationsebene). Zweitens bedarf es einer darauf abgestimmten (ganzheitlichen) Entwicklung der involvierten Mitarbeiter, welche einzeln und in ihrer Gesamtheit die Entwicklungen auf Unternehmensebene vorantreiben (Person-/Gruppenebene). Ziel der Arbeit ist es daher zum einen herauszuarbeiten, wie sich auf Organisationsebene die Handlungsspielräume unternehmerischen Handelns beschreiben lassen, wodurch diese eingegrenzt werden, und wie sie genutzt, aber auch durch das Handeln aktiv beeinflusst werden können. Schließlich soll auch beleuchtet werden, welche Handlungen durch unternehmerische Akteure eingeleitet werden können. Zu berücksichtigen ist hier, dass das gegenwärtige organisationale Handeln nicht allein vom Wissen, sondern zusätzlich von vorhergehenden Handlungsakten einerseits und der Nachwirkung gegenwärtiger Handlungen in der Zukunft andererseits bedingt ist. Die Handlungsprozesse stellen somit eine konstituierende Bedingung bzw. Ausgangspunkte organisationaler Tätigkeit dar. Die Betrachtung derartiger handlungsbedingter und handlungsbedingender Faktoren ist Gegenstand der Analyse vom Wandel der Unternehmen. Die die Organisationsebene betreffenden Aspekte werden mit Hilfe der Strukturationstheorie beleuchtet. Zum anderen soll dargelegt werden, auf welche Weise auf Person-/Gruppenebene diese Handlungsfähigkeit von Individuen aufgebaut und wie über eine Koordination der Handlungen Einzelner zusätzlich eine Handlungsfähigkeit von Organisationen herbeigeführt werden kann. Die diesbezügliche Anleitung und Begleitung der Handelnden kann im Rahmen einer Corporate University erfolgen. Um die auf Person-/Gruppenebene benötigten Lernprozesse erklären zu können, wird auf den Ansatz des radikalen Konstruktivismus zurückgegriffen. Beide Theorien, die aus der Soziologie herrührende Strukturationstheorie und der radikale Konstruktivismus als Lerntheorie, die in dieser Arbeit verknüpft werden, vermögen sich in idealer Weise zu ergänzen, um die Prozesse in Unternehmen umfassend und ganzheitlich zu erklären. Die Arbeit ist folglich trotz eines betriebswirtschaftlichen Ausgangspunkts stark interdisziplinär ausgerichtet. 394 5. Personalforschung an Hochschulen Kernergebnis der theoretischen und empirischen Untersuchung Zur Klärung des komplexen Konstrukts der Corporate University wird ausgehend von einer theoretischen Grundlegung anhand der Strukturationstheorie sowie des radikalen Konstruktivismus einerseits und einer fallstudienbasierten Analyse von 88 Corporate Universities in den USA und Europa andererseits eine Systematik entwickelt. Darauf aufbauend werden mit Hilfe eines Erklärungsmodells die Funktionsweisen bestehender Corporate Universities erklärt, Hinweise für ihre maßgeschneiderte Gestaltung in der Praxis gegeben und Nutzungsmöglichkeiten im Rahmen des strategischen Managements in Gegenwart und Zukunft aufgezeigt. Eines der zentralen Ergebnisse der theorie- und empiriebasierten Analyse ist, dass es nicht die Corporate University bzw. eine begrenzte Zahl von ‚Typen’ gibt, wie in bestehenden Beschreibungsmodellen suggeriert, sondern vielmehr mehrere Bausteine identifiziert werden können, die von Unternehmen entsprechend ihrer unternehmensspezifischen Herausforderungen und Bedürfnisse ausgewählt und in für sie optimaler Weise miteinander kombiniert werden. Verschiedene Einflussfaktoren in der internen und externen Umwelt, welche die Ausgestaltung von Corporate Universities steuern, werden aufgezeigt und des Weiteren die identifizierten Bausteine ausführlich beschrieben sowie deren Zusammenwirken dargestellt. Es handelt sich insofern um einen Beitrag zur anwendungsorientierten Forschung, in deren Rahmen Wissenschaft und Praxis verbunden werden. So soll für den Bereich der Praxis Wissen über den Themenbereich der Corporate Universities erzeugt werden, das dazu befähigt, die zu ihrer Umsetzung benötigten Bedingungen und Voraussetzungen in Unternehmen zu erkennen, bereits bestehende Praktiken kritisch zu analysieren, selbst Handlungen durchzuführen und Probleme zu lösen. Der Mehrwert der Anwendungsorientierung liegt in einer Erfassung und Handhabung der Komplexität der Unternehmenspraxis und der sich dort bietenden Probleme sowie in der Kommunikationsunterstützung über die Bereitstellung eines geeigneten Vokabulars. Für den personalwirtschaftlichen Bereich der Wissenschaft ergeben sich neue Erkenntnisse aus der interdisziplinären Betrachtung des strategischen Lernens in und von Unternehmen im Rahmen der Corporate University. Verknüpft werden betriebswirtschaftliche Aspekte auf Organisationsebene (strategisches Management) mit lerntheoretischen/didaktischen Gesichtspunkten auf Individual-/Gruppenebene (strategisches Lernen). Für die bislang als eher theoriearm angesehene Disziplin Personalwirtschaft soll mittels der für die Personalwirtschaftslehre zugänglich gemachten und miteinander verknüpften Theorien der Strukturation sowie des radikalen Konstruktivismus ein Beitrag zur fundierteren Auseinandersetzung mit personalwirtschaftlichen Fragestellungen in der Zukunft geleistet werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 395 Barbara Brenzikofer Die Reputation von Professoren – Implikationen für das Human Resource Management von Universitäten* Betreuer: 1. Prof. Dr. Bruno Staffelbach, Universität Zürich Problemhinführung und Fragestellung Die Universitäten im deutschsprachigen Raum sehen sich zu Beginn des neuen Jahrtausends großen Umweltveränderungen ausgesetzt. Dies schlägt sich unter anderem in einer Reform der gesetzlichen Grundlagen von Universitäten sowie dem vermehrten Einsatz betriebswirtschaftlicher Grundsätze und Methoden nieder. Mit dem Einsatz betriebswirtschaftlicher Erkenntnisse soll erreicht werden, dass Universitäten unter den veränderten Bedingungen nach wie vor hochwertige Leistungen in den Bereichen Forschung und Lehre sowie Dienstleistungen anbieten können. Diese Leistungen sind, analog zu Dienstleistungsunternehmen, meist sehr eng an die Menschen gebunden, die sie erbringen. Umso erstaunlicher ist es, dass das Personalmanagement bzw. HRM von Universitäten bisher nur im Ausnahmefall Gegenstand wissenschaftlicher Abhandlungen war. Die HRM-Konzepte für Universitäten haben dabei den spezifischen Besonderheiten von Universitäten Rechnung zu tragen. Das Streben nach Reputation, dem v.a. für Professorinnen und Professoren an Universitäten eine große Bedeutung zugeschrieben wird, ist eine solche Besonderheit. Im Zentrum steht deshalb die Analyse der Reputation von Professoren und die Bedeutung der Reputation für das Human Resource Management von Universitäten. Im Einzelnen werden folgende Teilziele verfolgt: einerseits vorerst ein Framework zur systematischen und differenzierten Erfassung des HRM von Universitäten zu entwickeln und mit dessen Hilfe exemplarisch einen Teilbereich des HRM der Universität Zürich zu beschreiben; andererseits im eigentlichen Hauptteil den Begriff sowie die Prozesse der Entstehung, Erhaltung und Auswirkungen der Reputation von Professoren zu analysieren und daraus ein differenziertes Prozessmodell der individuellen Reputation von Professoren zu entwickeln, wobei die disziplinenbedingten Unterschiede zu berücksichtigen sind; * Barbara Brenzikofer: Reputation von Professoren – Implikationen für das Human Resource Management von Universitäten. Personalwirtschaftliche Schriften, hrsg. von Dudo von Eckardstein und Oswald Neuberger, Band 19. ISBN 3-87988-701-2, Rainer Hampp Verlag, München und Mering, 2002, 316 S., € 29,80 396 2. Personalforschung an Hochschulen dabei die besonderen Merkmale der Tätigkeit von Professoren sowie die Bedingungen für ihre Arbeitszufriedenheit und Motivation herauszuarbeiten und daraus den Stellenwert der Reputation abzuleiten; aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse zur Reputation Implikationen für das HRM von Professoren an Universitäten zu formulieren und zu beurteilen. Theoretische Basis Die theoretische Basis ist durch drei Merkmale charakterisiert: Betriebswirtschaftliche Perspektive, Interdisziplinarität und Anwendungsorientierung: Mit der Übertragung der Grundzüge des HRM in Unternehmen auf Universitäten (unter Berücksichtigung von deren Besonderheiten) wird eine betriebswirtschaftliche Perspektive eingenommen. Bei der eingenommenen Perspektive ist Interdisziplinarität konstitutiv, da das komplexe Reputationsphänomen nicht mit einer reduktionistischen, disziplinären Sichtweise adäquat erfasst und erklärt werden kann. Die Betriebswirtschaftslehre ist eine anwendungsorientierte Wissenschaft, der Praxisbezug somit konstitutiv. Das heißt, dass es im vorliegenden Zusammenhang der Zweck einer solchen Wissenschaft ist, den Führungsverantwortlichen der Universität fundiertes Handeln in der Praxis zu ermöglichen Grundlage für die theoretische Herleitung des Prozessmodells der Reputation bildet eine Analyse der relevanten Literatur. Dabei wird zweistufig vorgegangen: Im ersten Schritt wird die Reputation aus ökonomischer, psychologischer und soziologischer Perspektive analysiert. Die Erkenntnisse werden sodann zu einem umfassenden allgemeinen Prozessmodell der individuellen Reputation integriert, das unabhängig von bestimmten Organisationen die Prozesse der Reputationsbildung und -erhaltung sowie deren Auswirkungen erfasst. In einem zweiten Schritt wird zusätzlich universitäts- und wissenschaftsbezogene Literatur in die Analyse miteinbezogen, um das Modell für Professoren zu konkretisieren und nach Aufgaben zu differenzieren. Daraus resultieren schließlich die Prozessmodelle der individuellen Forschungs-, Lehr-, Dienstleistungs- und Selbstverwaltungsreputation von Professoren, die eng miteinander verknüpft sind und insgesamt die Reputation von Professoren modellieren. 3. Empirische Untersuchung Das Hauptziel der empirischen Untersuchung besteht darin, disziplinenbedingte Unterschiede der Reputation von Professoren in Bezug auf das Begriffsverständnis, aber auch bezüglich der Quellen, der Wahrnehmung, der Erfassung sowie der Auswirkungen von Reputation aufzudecken und damit die soziale Konstruktion von Reputation zu beschreiben. Zu diesem Zweck werden Personen aus zwei unterschiedlichen Disziplinen bzw. Fachbereichen befragt. Daneben werden die theoretisch hergeleiteten Erkenntnisse zur Reputation von Professoren anhand konkreter Erfahrungen von Professoren der Universität Zürich auf ihre praktische Relevanz geprüft und ergänzt. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 397 Für die Untersuchung wird ein qualitatives Forschungsdesign gewählt. Als Erhebungsverfahren wird das problemzentrierte Interview eingesetzt, das anhand eines Interviewleitfadens halbstandardisiert und auf eine bestimmte Problemstellung zentriert ist, wobei die Problemstellung vom Interviewer bereits vorher analysiert wurde. Die Befragungen sind gleichzeitig auch Experteninterviews, da themenbezogene „Schlüsselpersonen“ befragt werden, also Personen, die aufgrund eigener Beobachtungen in der Universität mit dem Thema Reputation von Professoren umfassende Erfahrungen gesammelt haben. Diese Schlüsselpersonen – Professoren der Universität Zürich, die gleichzeitig auch Leitungsfunktionen an der Universität innehaben – stammen aus zwei, anhand epistemologischer Kriterien charakterisierter, sehr unterschiedlicher Wissenschaftsgebiete: Betriebswirtschaftslehre und ausgewählte Naturwissenschaften. Neben diesen problemzentrierten Interviews werden weitere empirische Zugänge zum Untersuchungsobjekt eingesetzt: die Erfahrung aus der Mitarbeit in einer universitären Arbeitsgruppe zur Entwicklung einer neuen Personalverordnung für die Universität Zürich (qualitativ-teilnehmende Beobachtung) und das Fallbeispiel der Universität Zürich (Einzelfallanalyse). 4. Ergebnisse der Untersuchung Die Reputation von Professoren beruht auf verschiedenen Quellen: Bezogen auf die Forschungsreputation sind das z.B. Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften und die Zugehörigkeit zu einer renommierten Fakultät, bei der Lehrreputation z.B. Lehrbücher und didaktische Qualifikationen, bei der Dienstleistungsreputation z.B. Referate und Gutachten und bei der Selbstverwaltungsreputation z.B. Zugehörigkeit zu universitären Gremien und verfasste Arbeitspapiere. Die Wahrnehmung dieser Reputationsquellen ist abhängig von den jeweiligen Reputationsbeurteilern – wie Scientific Community, Studierende, Auftraggeber und Universitätsleitung und verwaltung – und verleiht der Reputation einen subjektiven Aspekt. Zudem unterliegt sie verschiedenen Verzerrungen und ist abhängig von der Erhältlichkeit, der Einfachheit und der Konsistenz der reputationsrelevanten Informationen. Die Reputation (als Produkt) resultiert aus der Kombination von Quellen und deren Wahrnehmung. Sie ist definiert als eine subjektiv wahrgenommene, sozial konstruierte, veränderliche Konfiguration von Annahmen über verschiedene, auf der Vergangenheit beruhende, aufgabenrelevante Aspekte eines Professors, die von mehreren Reputationsbeurteilern geteilt und dadurch teilweise objektiviert wird. Von der Reputation eines Professors gehen verschiedene Wirkungen aus. Zu den Auswirkungen auf der Individualebene gehören beispielsweise Karrieremöglichkeiten, eine bessere Ressourcenausstattung und persönliche Befriedigung. Da sich die Reputation eines Professors auf Faktoren auswirkt, die gleichzeitig auch die Quellen der Reputation bilden, entstehen Rückkoppelungseffekte, und ein eigentlicher Kreislauf setzt sich in Gang. So führt z.B. eine bessere Ressourcenausstattung zu besseren Arbeitsbedingungen, die wiederum mehr und bessere Publikationen, Lehrveranstaltungen und Dienstleistungen ermöglichen. Der beschriebene Ablauf (Reputation als Prozess) führt zu verschiedenen Aus- 398 Personalforschung an Hochschulen wirkungen auf der Systemebene: Reputation übernimmt dort insbesondere eine Orientierungs- bzw. Informations- und eine Motivationsfunktion. Daneben führt sie aber auch zu negativen Auswirkungen wie der taktischen Wahl von Themen (Forschungsreputation), der Überbelegung von Lehrveranstaltungen (Lehrreputation) sowie der Vernachlässigung anderer Aufgaben (Dienstleistungsreputation). Zur Erfassung der individuellen Reputation eines Professors existieren in Abhängigkeit der konkreten Teilreputationen verschiedene Indikatoren; die Alternative dazu besteht in der Befragung der entsprechenden Reputationsbeurteiler. Das Verhältnis der Teilreputationen zueinander und ihre Gewichtung für die Gesamtreputation eines Professors hängt von verschiedenen Faktoren ab, die in ihrer konkreten Ausprägung das Resultat eines normativen Entscheides darstellen. Neben anderen Einflussfaktoren nimmt die wissenschaftliche Disziplin dabei eine Schlüsselstellung ein. Die Zugehörigkeit eines Professors zu einem bestimmten Fachgebiet wirkt sich zudem auf die Bedeutsamkeit einzelner Reputationsquellen und Reputationsbeurteiler, auf den Wahrnehmungsprozess, die Auswirkungen der Reputation und auf geeignete Indikatoren zur Erfassung der Reputation aus. Das sind die Schlussfolgerungen aus der empirischen Untersuchung. Die beiden Disziplinen Betriebswirtschaftslehre und ausgewählte Naturwissenschaften unterscheiden sich konkret in folgenden Punkten: Die Naturwissenschaften gewichten forschungsbezogene Aspekte der Reputation stärker. In der Betriebswirtschaftslehre besteht ein größerer Freiraum für die persönliche Gewichtung und insgesamt ein gleichmäßigeres Verhältnis bei der Gewichtung der Teilreputationen aufgrund des höheren Stellenwertes der Dienstleistungsreputation. In den Naturwissenschaften herrscht ein größerer Konsens über Indikatoren zur Erfassung der Reputation. Teamarbeit bzw. die Erarbeitung von Reputationsquellen im Team und Internationalität bzw. die internationale Wahrnehmung von Reputationsquellen sind in den Naturwissenschaften für den Aufbau von Reputation wichtiger. Darüber hinaus deuten insbesondere die empirisch festgestellten Gemeinsamkeiten darauf hin, dass das theoretisch entwickelte Prozessmodell der individuellen Reputation von Professoren von großer praktischer Relevanz ist. Die Erkenntnisse aus der theoretischen und empirischen Analyse der Reputation von Professoren haben diverse Implikationen für das Human Resource Management von Universitäten. Für ein reputationsbasiertes HRM für Professoren von Universitäten lassen sich u.a. folgende Schlussfolgerungen formulieren: Die Unterstützung der Professoren beim Aufbau von Reputation seitens der Universität kann als Anreiz eingesetzt werden. Die individuelle Reputation von Professoren kann – unter Beachtung der beschränkten Validität – bei der Selektion und Evaluation als Informationssubstitut eingesetzt werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 399 Die Wahrscheinlichkeit der Fluktuation ist bei Professoren mit hoher Reputation größer und erfordert ein entsprechendes Retentionsmanagement. Die disziplinenbedingten Reputationsunterschiede erfordern ein differentielles reputationsbasiertes HRM für Professoren nach Fachgebieten. 5. Weiterführende Fragen Die Arbeit liefert einen profunden Beitrag zu einem institutionenspezifischen HRM und thematisiert gleichzeitig für das allgemeine HRM eine neue Fragestellung: Die Reputation. Das entwickelte Modell könnte analog z.B. auch in der Politik oder für Unternehmen genutzt werden. Dabei ginge es dann um die Reputation von Angehörigen des Top Managements oder um die Reputation von Politikern. Wolfgang H. Güttel Die Identifikation strategischer immaterieller Vermögenswerte im Post-Merger-Integrationsprozess: Ressourcen- und Wissensmanagement bei Mergers-and-Acquisitions* Betreuer: Prof. Dr. Dudo von Eckardstein, Wirtschaftsuniversität Wien In der Literatur über Mergers-and-Acquisitions liegen kontroverse Befunde vor. Einerseits wird hervorgehoben, dass Akquisitionen und Fusionen eine einzigartige Möglichkeit darstellen, ein Unternehmen sprunghaft weiterzuentwickeln. Durch die Integration der beiden fusionierten Unternehmen sollen die Marktmacht gesteigert, vorhandene Kompetenzen wechselseitig optimiert oder Synergiepotenziale erschlossen werden. Andererseits zeigen empirische Analysen, dass nach dem Vollzug der Unternehmensvereinigung die Realisierung der erwarteten Vorteile vielfach scheitert und in Folge insgesamt Unternehmenswerte vernichtet werden. Seit der Wende im strategischen Management vom Market-based- zum Resource-based-View wird unternehmensinternen Vermögenswerten die zentrale strategische Bedeutung zur Erringung und zur Sicherung von Wettbewerbsvorteilen zugeschrieben. Gerade hierbei kommt den Human Resources (z.B. dem individuellen und organisationalen Wissen) eine ganz zentrale Rolle zu. Der Erwerb von Kernkompetenzen oder strategischen Ressourcen ist jedoch bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Pa- * Wolfgang H. Güttel: Die Identifikation strategischer immaterieller Vermögenswerte im PostMerger-Integrationsprozess. Ressourcen- und Wissensmanagement bei Mergers-andAcquisitions. Personalwirtschaftliche Schriften, hrsg. von D. von Eckardstein und O. Neuberger, Band 20, ISBN 3-87988-760-8, München und Mering 2003, 261 S., € 24,80. 400 Personalforschung an Hochschulen tente, Lizenzen) nicht über herkömmliche Faktormärkte möglich. Deshalb ist eine Akquisition von Unternehmen bzw. Unternehmensteilen – neben der langfristigen internen Entwicklung oder dem Eingehen von Kooperationen – eine der wenigen Möglichkeiten, strategische Vermögenswerte zu erwerben. Nach dem Vollzug der Akquisition ist für die zielgerichtete Gestaltung des PostMerger-Integrationsprozesses eine Identifikation der strategischen Vermögenswerte notwendig, da der Akquisiteur kaum (Meta-)Wissen über strategisch relevante Elemente der Ressourcen- und Wissensbasis des Akquisitionsobjekts besitzt. Bei der Zusammenlegung von Organisationseinheiten, der Desinvestition von Unternehmensteilen oder bei der Freisetzung von Mitarbeitern ist sicherzustellen, dass wettbewerbsrelevante Kompetenzen nicht unbeabsichtigt zerstört werden. Selbst wenn das akquirierte Unternehmen organisatorisch nicht in die Strukturen des Akquisiteurs eingegliedert wird, also „Stand Alone“ bleibt, kann etwa ein Transfer von Best-Practices und Wissen initiiert werden. Bislang wurde in der Forschung über Mergers-and-Acquisitions der Identifikation der strategischen Vermögenswerte kaum Aufmerksamkeit gewidmet, obwohl damit die Grundlagen für ressourcenorientierte Aktivitäten zur Unternehmensintegration geschaffen werden. In der Arbeit wird deshalb auf jenen Aspekt fokussiert, der für die zielgerichtete Gestaltung der Ressourcen- und Wissensbasis im Post-MergerIntegrationsprozess von grundlegender Bedeutung ist. Das Gesamtziel ist die konzeptionelle Entwicklung von inhaltlichen, methodischen und prozessualen Entscheidungsalternativen für die Gestaltung des Identifikationsprozesses von strategischen immateriellen Vermögenswerten in der Post-Merger-Phase. Für die Beantwortung der Forschungsfrage, welche Alternativen bestehen, um strategische immaterielle Vermögenswerte im Post-Merger-Integrationsprozess zu identifizieren, wird als Bezugsrahmen – der strategischen Bedeutung von unternehmensinternen Potenzialen entsprechend – auf den Resource-based View zurückgegriffen. Die Identifikation fokussiert auf die immateriellen Vermögenswerte von strategischer Bedeutung. Während materielle Vermögenswerte im Post-Merger-Integrationsprozess zum Teil über die Auswertung der Daten der Buchhaltung und der Managementinformationssysteme erfasst werden können, entziehen sich immaterielle Vermögenswerte einer solchen Identifikation. Es existieren in Unternehmen etwa kaum Daten über die Ausprägung und das Wirkungsgefüge von Kernkompetenzen oder Aufzeichnungen über die strategisch relevanten organisationalen bzw. individuellen Wissensbestände im Bereich der Human Resources. Im Detail werden drei Themenbereiche aufgearbeitet. Erstens werden die strategischen immateriellen Vermögenswerte auf Basis des Resource-based View systematisiert, um das Spektrum möglicher Identifikationsinhalte aufzuzeigen. Dadurch wird ein breiter Analyserahmen geschaffen, der zeigt, welche immateriellen Vermögenswerte von strategischer Bedeutung sind (Dynamic Capabilities, Kernkompetenzen, sowie Kompetenzen, organisationale Routinen bzw. Elemente der Ressourcen- und Wissensbasis mit strategischer Relevanz) und anhand welcher Kennzeichen sie identifiziert werden können. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 401 Zweitens wird gezeigt, mit welchen Methoden die verschiedenen strategischen immateriellen Vermögenswerte – auf Basis der erarbeiteten Kennzeichen – erfasst werden können. Dazu wird im Bereich der Dynamic Capabilities auf interpretative Ansätze zur Analyse von Unternehmenskulturen, auf Methoden zur Identifikation von Kernkompetenzen, auf Identifikationsansätze aus dem Resource-based-View sowie auf Methoden der Wissensidentifikation zurückgegriffen. Auf Basis ressourcenorientierter Aktivitäten im Post-Merger-Integrationsprozess wird das Anwendungsspektrum der einzelnen Methoden für die Identifikation strategischer immaterieller Vermögenswerte in der Post-Merger-Phase erläutert. Drittens werden Gestaltungsalternativen für die Prozessarchitektur (z.B. Analyseebenen, Steuerungs- und Vorgehensmodelle) der Identifikation im Post-MergerIntegrationsprozess in Bezug auf die zu identifizierenden strategischen immateriellen Vermögenswerte und die dazu zur Verfügung stehenden Methoden strukturiert aufbereitet sowie deren Anwendbarkeit unter ressourcenorientierter Perspektive diskutiert. Nachfolgende Arbeiten sollten auf empirischer Basis die Identifikation strategischer immaterieller Vermögenswerte bei Mergers-and-Acquisitions analysieren. Es fehlt ferner eine Auseinandersetzung mit der Identifikation und Bewertung der strategischen immateriellen Vermögenswerte im Gesamtprozess der Unternehmensvereinigungen. Gerade bei Mergers-and-Acquisitions ist eine Identifikation und Bewertung der Potenziale des Akquisitionsobjekts auch in der Pre-Merger-Phase (Auswahl des Akquisitionskandidaten) und in der Merger-Phase (Kaufpreisbildung) notwendig. Es ist zu fragen, ob die derzeit existierenden Identifikations- und Bewertungsansätze – etwa strategische und Human-Resource-Due Diligence-Teilreviews – dafür geeignet sind und inwieweit Potenziale, die in der Pre-Merger- und Merger-Phase aus externer Perspektive als solche identifiziert werden, dann in der Post-MergerIntegrationsphase vom Akquisiteur tatsächlich genutzt werden können. 402 Personalforschung an Hochschulen Michael Heidecker Wertorientiertes Human Capital Management (WHCM). Zur Steigerung des Unternehmenswertes durch die Personalarbeit* Betreuer: 1. Prof. Dr. Michel Domsch, Universität der Bundeswehr Hamburg Ausgangsfragen: Welchen Beitrag leistet die Personalarbeit zum Unternehmenserfolg und was sind ihre Werttreiber? „Die Mitarbeiter sind unser wichtigster Erfolgsfaktor!“ Diese oder ähnliche Aussagen finden sich in Geschäftsberichten und PR-Broschüren vieler namhafter Firmen. Doch in vielen Fällen vermittelt ein Blick hinter die Kulissen ein anderes Bild: Manager konzentrieren sich mehr auf Statistiken als auf ihre Angestellten, Mitarbeiter werden entlassen, Personalkosten kontinuierlich gesenkt und Personalabteilungen fehlt es an der notwendigen Glaubwürdigkeit, weil ihre Worte nicht mit ihren Taten im Einklang stehen. Vergleicht man, wie professionell viele Unternehmen ihr Finanzkapital managen mit der Art und Weise, wie sie mit ihrem Humankapital umgehen, zeigt sich oft ein himmelweiter Unterschied. Fragt man Praktiker nach den größten Schwierigkeiten der Personalarbeit, lauten die Antworten oft ähnlich: „Wir glauben zwar, dass unsere Mitarbeiter wichtig sind. Aber genau messen können wir ihren Beitrag zum Erfolg des Unternehmens nicht. Und daher werden sie in erster Linie unter Kosten- und nicht Investitionsgesichtspunkten gesehen.“ Ein großes Problem. Denn Kosten gilt es heutzutage zu minimieren. Investitionen leisten dagegen einen messbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg und genießen daher eine viel höhere Aufmerksamkeit seitens des Top-Managements. Vor diesem Hintergrund wurde in der Dissertation vier Kernfragen nachgegangen: 1. Gibt es eine Kausalität zwischen „guter“ Personalarbeit und dem finanziellen Erfolg von Unternehmen? 2. Wenn ja, wie hoch ist der finanzielle Beitrag der Personalarbeit zur Unternehmenswertschaffung? 3. Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren bzw. Werttreiber der Personalarbeit? 4. Wie kann eine am Unternehmenswert orientierte Personalarbeit, ein „Wertorientiertes Human Capital Management (WHCM)“, in die Praxis umgesetzt werden? * Heidecker, Michael (2003): Wertorientiertes Human Capital Management. Zur Steigerung des Unternehmenswertes durch die Personalarbeit. ISBN: 3-8244-7850-1, Gabler Edition Wissenschaft, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 2003, XXVI + 426 S., € 59,90. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 2. 403 Theoretischer Hintergrund: Verbindung von Wert- und Human Capital Management zum „Wertorientierten Human Capital Management“ In der Literatur hat es mit dem „Human Resource Accounting“ und der Forschung zu „High Performance Work Systems“ zwar erste Ansätze gegeben, den Wert des Humankapitals stärker in den Vordergrund zu rücken. Ihre Grundlagen und Messgrößen sind aber noch zu weit von dem entfernt, was die Entscheidungsträger an den Unternehmensspitzen am meisten interessiert: Wie können wir den finanziellen Erfolg und damit die Wertschaffung unseres Unternehmens nachhaltig steigern? Prominent wird diese Frage durch den amerikanischen Shareholder Value-Ansatz adressiert, der mittlerweile auch in vielen deutschen Firmen Einzug gehalten hat. Ziel der Dissertation war es daher, die Methodik und das Kennzahlensystem des Shareholder Value bzw. Wertmanagements mit der Theorie des Human Capital Managements zu verbinden und daraus ein „Wertorientiertes Human Capital Management“ zu konzipieren. Konkret wurden als wichtigste Theoriebausteine das „Total Value Management“ und der „Workonomics“-Ansatz der Boston Consulting Group verwendet sowie die Erkenntnisse der vorwiegend amerikanisch geprägten Forschung zu „High Performance Work Systems“. 3. Untersuchungsdesign und empirische Überprüfung Das Herzstück der Dissertation und gleichzeitig die größte wissenschaftliche Erkenntnis bestand darin, den Wertbeitrag des Human Capital Managements quantitativ zu ermitteln. Denn nur dadurch konnte das Ziel erreicht werden, die Bedeutung des Human- und des Finanzkapitals miteinander zu vergleichen und die Aufmerksamkeit der Unternehmensführer stärker auf den Faktor „Mensch“ zu lenken. Um das Konzept des „Wertorientierten Human Capital Managements“ so valide wie möglich zu gestalten, wurde es auf drei Säulen gestellt: 1. Theorie: Analyse der einschlägigen Literatur zu den Themen Wert- und Human Capital Management sowie der relevanten Studien zum Thema Personal und Unternehmenserfolg. Auf dieser Basis theoretische Verschmelzung beider Disziplinen zum „Wertorientierten Human Capital Management“. Anschließend Operationalisierung des WHCM in einem empirisch überprüfbaren Modell mit personalorientierten Wertkennzahlen (z.B. Value Added per Person) und einem umfangreichen Werttreiberbaum, der alle relevanten Dimensionen der Personalarbeit abdeckt und für die Empirie in einem „Human Capital Valuation Index“ zusammengefasst wurde. 2. Statistik: Mittels Fragebogen wurden, unterstützt durch die Boston Consulting Group, 70 deutsche Unternehmen aus dem CDAX zur Qualität ihrer Personalarbeit befragt. Die Ergebnisse wurden statistisch ausgewertet und mit den maßgeblichen Wertkennzahlen der Unternehmen korreliert. Dadurch konnte der Zusammenhang zwischen der Qualität der Personalarbeit und der Unternehmenswertschaffung überprüft und die relevanten Werttreiber identifiziert werden. 404 Personalforschung an Hochschulen 3. Qualitative Überprüfung in Experteninterviews: Nach Abschluss der statistischen Analysen wurden die Ergebnisse im Rahmen von Experteninterviews mit Personal-Managern sowohl der befragten als auch anderer Unternehmen außerhalb der Stichprobe überprüft. Dadurch wurden drei Ziele erreicht: Erstens konnte die Validität der Antworten in den Fragebögen getestet werden. Zweitens konnte gezeigt werden, dass die Ergebnisse nicht nur statistisch belastbar, sondern auch inhaltlich aus Praktikersicht haltbar sind. Drittens konnten Daten generiert werden, die im Rahmen des Fragebogens und der Statistik nicht erhoben werden konnten. In erster Linie zählten hierzu empirische Belege dafür, dass die Personalarbeit primär den Unternehmenswert beeinflusst und nicht umgekehrt (Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität). Daneben konnten viele interessante Fallbeispiele für erfolgreiche Personalpraktiken gesammelt werden. Basierend auf dem Ansatz einer HR-Scorecard wurde darüber hinaus eine siebenstufige Methodik entwickelt, wie das „Wertorientierte Human Capital Management“ erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden kann. 4. Wesentliche Ergebnisse: Die Qualität der Personalarbeit ist ein signifikanter und großer Hebel, um den Unternehmenswert zu erhöhen Im Rahmen der Dissertation wurde eine Vielzahl an quantitativen und qualitativen Ergebnissen erzielt sowohl zu den Inhalten des „Wertorientierten Human Capital Managements“ als auch zur Methodik, wie man den Wertbeitrag des Humankapitals in der Praxis messen kann. Am wichtigsten waren vor allem die folgenden Erkenntnisse: Es gibt eine statistisch signifikante Korrelation zwischen der Qualität der Personalarbeit (gemessen durch einen umfangreichen Human Capital Valuation Index) und der Wertschaffung von Unternehmen (gemessen durch den Value Added per Person und die Aktienrendite – auch „Total Shareholder Return“ genannt). Die primäre Kausalbeziehung geht hierbei von der Personalarbeit aus und nicht vom Unternehmenserfolg. Die Hebelwirkung des WHCM ist ökonomisch relevant: Wenn Unternehmen die Qualität ihrer Personalarbeit signifikant entlang der ermittelten Werttreiber verbessern, können sie ihren „Value Added per Person“ und ihre Aktienrendite im zweistelligen Prozentbereich erhöhen. Die ermittelten Werttreiber sind vielfältig und unterschiedlich gewichtet. Sie erstrecken sich nicht nur über den gesamten Personalprozess von der Rekrutierung bis zum Outplacement, sondern schließen auch Faktoren wie Unternehmenskultur, Führungsstil und Organisation des Personalbereiches ein. 5. Fazit und Ausblick Mit den Ergebnissen der Dissertation wurden Wissenschaftlern und Praktikern vor allem zwei Dinge an die Hand gegeben: Ein empirischer „Business Case“ für die Bedeutung der Personalarbeit sowie eine einfache und mit Praktikern zusammen entwickelte Vorgehensweise zur Implementierung eines „Wertorientierten Human Capi- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 405 tal Managements“. Für die zukünftige Forschung gibt es jedoch viele Ansatzpunkte, um die Theorie des WHCM weiter auszubauen: Hierzu gehören u.a. Analysen zu den spezifischen Kausalketten zwischen einzelnen Personalwerttreibern und dem Unternehmenserfolg, die Untersuchung des Einflusses von „Irrationalitäten“ und Mikropolitik auf das WHCM oder die Übertragung seiner Methodik auf Bereiche außerhalb der Privatwirtschaft, z.B. den öffentlichen Dienst. In Summe geben die Ergebnisse der Dissertation Mut und Hoffnung für die Zukunft, denn eines wurde ganz klar deutlich: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sitzen im selben Boot und können das Wohl ihres Unternehmens nur dann optimieren, wenn sie eng miteinander kooperieren und sich nicht bekämpfen. Eine erfreuliche Perspektive! Alwine Mohnen Investitionssteuerung, Motivation und Performancemessung* Betreuer: Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Herbert Hax, Universität zu Köln 1. Motivation und Problemstellung Vor dem Hintergrund der gewachsenen Bedeutung von Kapitalmärkten ist die Steuerung von Investitionsentscheidungen im Sinn einer marktwertorientierten Unternehmenssteuerung von großer Bedeutung. Denn es sind vor allem die Entscheidungen von mit Rechten zur Durchführung von Projekten ausgestatteten Managern, die den Marktwert eines Unternehmens beeinflussen. Geht man von der Trennung von Eigentums- und Verfügungsrechten aus, so liegt ein klassisches Agency-Problem vor. Die Eigentümer kennen in der Regel nicht die möglichen Investitionsprojekte oder sind nicht in der Lage, diese fachgerecht zu beurteilen. Aus der Delegation von Entscheidungen folgt die Gefahr opportunistischen Verhaltens seitens des Managements.1 Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, werden erfolgsabhängige Entlohnungssysteme eingeführt. 2. Theoretischer Hintergrund Die Steuerung von Entscheidungen über Anreizmechanismen ist ein in den letzten Jahrzehnten theoretisch viel beachtetes und praktisch relevantes Thema. Bislang lag der Fokus auf der Vertragsform, der Frage also, welcher Funktionsverlauf zu * 1 Erschienen unter dem Titel „Performancemessung und die Steuerung von Investitionsentscheidungen“, 2002, Beiträge zur betriebswirtschaftlichen Forschung, Gabler Verlag und Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden (290 S.). Im Folgenden werden die Begriffe Eigentümer und Principal sowie die Begriffe Manager und Agent synonym verwendet. 406 Personalforschung an Hochschulen wählen ist, wohingegen die Frage, von welcher Erfolgsgröße der Vertrag abhängen sollte, kaum Berücksichtigung fand. Erst in jüngster Zeit widmet sich die Forschung verstärkt der Performancemessung. An diesem Punkt schließt die vorliegende Arbeit an und betrachtet speziell den Fall von Investitionsentscheidungen. Die Maximierung des Shareholder Value, des Marktwerts des Eigenkapitals entspricht der Zielsetzung der Eigentümer. Durch die Durchführung von Projekten mit positivem Kapitalwert wird der Shareholder Value erhöht, folglich dient es dem Interesse der Eigentümer, wenn der Manager solche Projekte durchführt und solche mit negativem Kapitalwert unterlässt. Wie aber nun kann der Manager dazu motiviert werden? Ausgehend von Risikoneutralität maximiert der Manager den Barwert der erwarteten Entlohnungszahlungen über seinen Planungshorizont. Ziel ist es deshalb, Kompatibilität zwischen dem Barwert der Lohnzahlungen und dem Kapitalwert herzustellen. Unterstellt man eine lineare Entlohnungsfunktion bestehend aus einem im Zeitablauf konstanten Fixgehalt zuzüglich einer erfolgsabhängigen Prämie muss Zielkongruenz hinsichtlich des Barwerts der Prämienzahlungen und des Kapitalwerts gelten. Gefordert wird somit eine Kongruenz zwischen Entscheidungs- und Kontrollrechnung. Die Entscheidungsrechnung ,,Kapitalwert“ soll dieselbe Entscheidung induzieren wie die Kontrollrechnung, denn der Manager wird ex ante, also vor Durchführung eines Investitionsprojekts, seine Entscheidung nicht an der Investitionsrechnung ausrichten, sondern sich an der Kontrollrechnung orientieren, da von dieser die Höhe seiner Entlohnung abhängt. 3. Analyse verschiedener Performancemaße Die Analyse verschiedener Performancemaße konzentriert sich auf Größen des Rechnungswesens. Da sich in der Praxis Renditemaße großer Beliebtheit erfreuen, werden diese zunächst diskutiert. Es wird nachgewiesen, dass im Allgemeinen nur im Einperioden-Fall Kompatibilität zwischen Kapitalwert und Renditemaß hergestellt werden kann. Aber auch im Einperioden-Fall werden bezüglich der Investitionspolitik Fehlanreize gesetzt. Der Manager maximiert nämlich die Rendite, indem er nur das Projekt mit der höchsten Rendite durchführt und alle anderen Projekte, auch solche mit positivem Kapitalwert unterlässt. Sofern aber keine Budgetbeschränkungen vorliegen, führt dies nicht zur Maximierung des Kapitalwerts. Als Konsequenz folgt die Ablehnung von Renditen als Performancemaß. Die Analyse absoluter Performancemaße beginnt mit den auch der Investitionsrechnung zugrundeliegenden Ein- und Auszahlungen. Leider weisen auch diese Nachteile auf, wie nun kurz anhand weniger Argumente erläutert wird. Beteiligt man den Manager in jeder Periode mit einem konstanten Prämiensatz an den Cash Flows, dann wird Zielkongruenz zwischen Manager und Eigentümer erreicht, sofern der Manager bei gleichem Planungshorizont den gleichen Diskontierungsfaktor nutzt wie der Eigentümer. Kritisch ist auch, dass keine Eigenmittelbeschränkung des Agent vorliegen darf, denn er muss die Anfangsauszahlung und die sonstigen Auszahlungen aus dem Projekt mitfinanzieren. Beteiligt man den Agent an den kumulierten und bisher realisierten Cash Flows, so kann Zielkongruenz nur erzielt werden, wenn die Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 407 Prämienzahlung proportional zum realisierten Kapitalwert am Ende der Projektlaufzeit gezahlt wird. Manager mit kürzerem Planungshorizont können so nicht zur gewünschten Entscheidung motiviert werden. Bei Sicherheit könnte über den ökonomischen Gewinn nach Zinsen, der alle künftigen Cash Flows einbezieht, und deshalb im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung den Kapitalwert widerspiegelt, die gewünschte Entscheidung induziert werden. Unterstellt man allerdings Unsicherheit, dann eröffnet dieses Erfolgsmaß mannigfache Manipulationsmöglichkeiten. Da hier neben der Zielkongruenz die Manipulationsfreiheit des Performancemaßes am stärksten in die Beurteilung der Performancemaße einfließt, führen auf Cash Flow-basierende Erfolgsgrößen nicht zu den gewünschten Eigenschaften. Nahe liegend ist nun die Betrachtung periodisierter Größen des Rechnungswesens. Ausgehend von Manipulationsanreizen sind die Daten der externen Rechnungslegung denen des internen Rechnungswesens vorzuziehen, denn erstere unterliegen meist einer internen Überprüfung, beispielsweise durch den Aufsichtsrat bei Aktiengesellschaften, und bei allen Kapitalgesellschaften einer externen Überprüfung durch qualifizierte Dritte, den Wirtschaftsprüfer. Das auch dies keine Gewähr für Manipulationsfreiheit ist, zeigen die US-amerikanischen Bilanzskandale der letzten Monate. Da die Daten des externen Rechnungswesens dennoch einen vergleichsweise hohen Grad an Manipulationsfreiheit aufweisen, ist es Ziel, innerhalb dieser Datenmenge eine möglichst zielkongruente Erfolgskennzahl zu bestimmen. Der einfache Gewinn ist aufgrund der Periodisierung der Cash Flows nicht kompatibel zum Kapitalwert. Lücke (1955) zeigte, dass die Berücksichtigung kalkulatorischer Zinsen auf das gebundene Kapital einen Ausgleich schafft und somit Kompatibilität zwischen dem Kapitalwert und dem Barwert der so genannten Residualgewinne geschaffen werden kann. Geht man von einem kurzen Planungshorizont des Managers oder von unterschiedlichen Diskontierungsfaktoren der Vertragspartner aus, reicht die Barwertidentität zwischen Cash-Flows und periodisierten Größen nicht mehr aus. Über das so genannte relative Beitragsverfahren (Rogerson 1997 und Reichelstein 1997) kann hier Abhilfe geschaffen werden. Der Erfolgsausweis ,,Residualgewinn“ weist dann in jeder Periode das gleiche Vorzeichen auf wie der Kapitalwert. Allerdings ist dieses Konzept mit einer Einschränkung verbunden. Neben der Anfangsauszahlung müssen alle anderen Cash Flows das gleiche Vorzeichen haben. In dieser Arbeit wird die genannte Einschränkung durch eine Verallgemeinerung des Belastungsverfahrens aufgehoben. Es wird gezeigt, dass für beliebig schwankende Cash Flows durch eine geeignete Belastungsmethode in jeder Periode der Residualgewinn das gleiche Vorzeichen aufweisen kann wie der zugehörige Kapitalwert. Die Informationsanforderungen dazu sind identisch mit denen bei Rogerson oder Reichelstein. Weiterhin wird gezeigt, dass bei verschiedenen, vielfach geringeren Informationsannahmen der Principal abschätzen kann, ob Zielkongruenz gegeben ist. Hierzu werden verschiedene Szenarien durchgespielt. Aufgrund der hergeleiteten optimalen Belastungsregel bei schwankenden Cash Flows kann das Modell mit realitätsnäheren Annahmen formuliert werden. So kann auch bei beschränktem Investitionsbudget oder sich gegenseitig ausschließenden Projekten die gewünschte Investiti- 408 Personalforschung an Hochschulen onsentscheidung induziert werden. Außerdem wird gemäß den Ansätzen der internationalen Rechnungslegung die Bewertung zu Marktwerten analysiert. Dieser Wertansatz führt dazu, dass der Manager einen Anreiz hat, zum kapitalwertmaximierenden Zeitpunkt aus einem Projekt auszusteigen, was als intertemporale Zielkongruenz bezeichnet wird. In einem separaten Kapitel werden die in der Praxis eingesetzten Konzepte des EVA (Economic Value Added) und seine Varianten sowie die EVA-Bonusbank mit den Ergebnissen der Theorie verglichen und kritisch analysiert. Es werden zur theoretischen Untermauerung der Existenz sowie der Gestaltung der EVA-Bonusbank verschiedene Ansätze hergeleitet. Im letzten Teil der Arbeit werden explizit Agency-Modelle betrachtet. In der bisherigen Arbeit stand zwar ein Principal-Agent-Modell im Hintergrund, doch wurde der Schwerpunkt auf die Bestimmung des Erfolgsmaßes gelegt. Es wird nun gezeigt, dass die Agency-Costs bei Cash Flows als Bemessungsgrundlage höher sind als beim Residualgewinn, wenn von einem höheren Diskontierungszinssatz des Agent ausgegangen wird. Die Betrachtung nichtmonetärer Vorteile, wie Prestige durch große Projekte, wird ebenfalls modelliert. Ausführlich wird der Fall einer kurzen Vertragsdauer betrachtet, wobei hier auch dem Manager die Möglichkeit zur Beeinflussung der Rückflüsse aus dem Projekt nach dessen Aufnahme eingeräumt wird. 4. Resümee Die Arbeit ist weitgehend theoretischer Natur, doch wird in den einzelnen Kapiteln immer wieder die Umsetzbarkeit in der Praxis, insbesondere in der Rechnungslegung angesprochen. Es werden sowohl für die Gestaltung der Erfolgsmessung als auch für die der Rechnungslegung Denkanstöße geliefert. Vor allem die neuen theoretischen Erkenntnisse führen zu einem größeren praktischen Anwendungsbereich. Dana Vosberg Der Markt für Personaldienstleistungen – Ökonomische Analyse von Nachfrage und Angebot Betreuerin: Prof. Dr. Silvia Föhr, Universität Leipzig 1. Problemstellung und Ziel der Untersuchung Die Zahl von Personalberatungen, Personalvermittlern sowie Zeitarbeits- oder Outplacementfirmen in den Industrieländern wächst stetig und die von diesen Unter Dana Vosberg (2003): Der Markt für Personaldienstleistungen – Ökonomische Analyse von Nachfrage und Angebot. ISBN 3-8244-7785-8, DUV Gabler Edition Wissenschaft, Wiesbaden, 296 S., € 49,90. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 409 nehmen angebotenen Personaldienstleistungen werden immer häufiger in Anspruch genommen. Die Frage nach den Gründen für diese Entwicklung ist Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit mit dem Ziel, sowohl die Nachfrage als auch das Angebot von Personaldienstleistungen umfassend zu untersuchen und sowohl theoretisch als auch empirisch zu analysieren. Auf der Nachfrageseite wird herausgearbeitet, für welche Personalfunktionen ein besonders starkes Auslagerungsinteresse besteht und welche Aufgaben des betrieblichen Personalwesens möglicherweise gar nicht extern koordiniert werden können. Gegenstand der Analyse der Angebotsseite ist die Rekonstruktion der Entstehung von Personaldienstleistungsunternehmen. Dabei interessiert nicht nur, inwieweit mögliche Vorteile von Personaldienstleistern dazu beitragen, ihre Existenz zu erklären. Beleuchtet wird auch, welche Marktstrukturen sich herausgebildet haben und für die Zukunft zu erwarten sind. 2. Theoretische Basis der Untersuchung Um die genannten Ziele zu erreichen, werden institutionenökonomische Erkenntnisse sowie markt- und produktionstheoretische Argumente zusammengeführt, weiterentwickelt und auf die Nachfrage und das Angebot von Personaldienstleistungen übertragen. Durch die Kombination der genannten Theoriebausteine wird ein konzeptioneller Rahmen entwickelt, der eine umfassende Untersuchung des gesamten Spektrums angebotener und nachgefragter Personaldienstleistungen ermöglicht. Auf diese Weise kann erstmals in allgemeiner Form die Existenz von Personaldienstleistern und die Inanspruchnahme der von ihnen angebotenen Personaldienstleistungen theoretisch begründet werden. Für die Nachfrageseite wird die Entscheidung zwischen Eigenfertigung oder Fremdbezug von Personalfunktionen auf Basis eines transaktionskostentheoretischen Modells theoriegestützt analysiert und in praxisrelevante Gestaltungsempfehlungen überführt. Unter Berücksichtigung weiterer institutionenökonomischer sowie markt- und produktionstheoretischer Argumente kann für die Angebotsseite rekonstruiert werden, warum Personaldienstleister entstehen und woraus mögliche Vorteile bei der Leistungserstellung und -abwicklung resultieren. 3. Datenbasis und statistische Methoden Die auf der Grundlage der entwickelten theoretischen Basis formulierten Thesen werden mit empirischen Studien zur Nachfrage sowie mit den Ergebnissen zweier im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Primärerhebungen zum Angebot von Personaldienstleistungen in Deutschland und den USA verglichen und auf ihren Erklärungsgehalt hin untersucht. Dazu werden Indikatoren entwickelt, mit denen die gefundenen Merkmale für den Marktauftritt von Personaldienstleistern (Spezialisierungsgrad, Intensität der Zusammenarbeit, Qualitätssicherung) operationalisiert werden können. Mit Hilfe dieser Indikatoren und unter Einsatz nichtparametrischer statistischer Verfahren werden die zur Entstehung von Personaldienstleistern formulierten Thesen überprüft. Mit Hilfe einer Regressionsanalyse wird die Umsatzwirkung dieser Merkmale des Marktauftritts quantifiziert sowie deren Einfluss auf relative Leistungsmaße 410 Personalforschung an Hochschulen qualitativ bestimmt. Dabei können Erfolgsfaktoren herausgearbeitet werden, mit deren Hilfe zwischen sehr leistungsfähigen und weniger leistungsfähigen Personaldienstleistern unterschieden werden kann. Um charakteristische Marktsegmente zu identifizieren, werden die Unternehmen schließlich mittels einer Clusteranalyse hinsichtlich ihrer Tätigkeitsschwerpunkte untersucht und gruppiert. Anhand von Unterschieden zwischen den Vergleichsmärkten wird der Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf das Verhalten der Marktteilnehmer verdeutlicht. 4. Ergebnisse der Untersuchung Es wurde gezeigt, dass Nachfrage nach Personaldienstleistungen entsteht, wenn die marktliche Koordination von Personalfunktionen aufgrund von Produktions- und Transaktionskostenvorteilen kostengünstiger ist als die unternehmensinterne Durchführung personalwirtschaftlicher Transaktionen. Ausgehend von dem dazu entwickelten transaktionskostentheoretischen Modell wurden Regeln abgeleitet, die die Unternehmen bei der Entscheidung über die grundsätzliche Koordination der Personalarbeit unterstützen können. Durch die Differenzierung einzelner personalwirtschaftlicher Transaktionen hinsichtlich ihrer Eigenschaften (Spezifität, Unsicherheit, Häufigkeit) in Verbindung mit den transaktionskostentheoretischen Modellaussagen konnten weiterhin spezielle Koordinationsempfehlungen dafür hergeleitet werden, welche Personalfunktionen im Unternehmen verbleiben sollten und welche als Personaldienstleistungen vom Markt zu beziehen sind. Ausgehend von den durch die Anwendung der beschriebenen statistischen Verfahren gewonnenen Ergebnissen konnten die zum Angebot an Personaldienstleistungen entwickelten Thesen für die befragten deutschen und US-amerikanischen Unternehmen im Wesentlichen bestätigt werden. Sowohl die Art der angebotenen Leistungen als auch die organisatorische Umsetzung des Angebots sprechen dafür, dass die Personaldienstleistungsunternehmen das in ihrem Tätigkeitsfeld liegende Potential zur Senkung von Produktions- und Transaktionskosten nutzen. Für grundlegende Entstehungsbedingungen sind also auf den beiden ausgewählten Vergleichsmärkten kaum Abweichungen zwischen dem laut ökonomischer Analyse zu erwartenden und dem tatsächlichen Verhalten der Akteure festzustellen. Die Gegenüberstellung des deutschen und des US-amerikanischen Angebots an Personaldienstleistungen zeigte aber auch, dass Unterschiede existieren, die sich aus den jeweils geltenden Rahmenbedingungen ergeben. Insgesamt wurden aus den Untersuchungsergebnissen sowohl landesunabhängige Aussagen zur Struktur des gesamten Marktes für Personaldienstleistungen als auch landesspezifische Unterschiede aufgrund unterschiedlicher institutioneller Rahmenbedingungen abgeleitet. 5. Zusammenfassung und weiterer Forschungsbedarf Mit Hilfe der in dieser Arbeit belegten theoretischen und empirischen Ergebnisse konnten die Fragen zur Entstehung von Personaldienstleistungsunternehmen und zur Inanspruchnahme der von ihnen angebotenen Personaldienstleistungen im Wesentlichen beantwortet werden. Damit wurde die bisherige Forschungslücke im Be- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 411 reich dieses Dienstleistungssegmentes erheblich verringert. Gleichwohl besteht hinsichtlich bestimmter Teilprobleme und anknüpfend an einige überraschende Ergebnisse aus den empirischen Erhebungen weiterer Forschungsbedarf. So könnte im Rahmen des entwickelten transaktionskostentheoretischen Modells zur Unterstützung der E/F-Entscheidung für Personaldienstleistungen noch stärker die Kostenwirkung institutioneller Rahmenbedingungen einbezogen werden. Weiterhin könnte die Systematik der Entstehung von Personaldienstleistern um eine Zeitkomponente erweitert und damit die dynamische Entwicklung dieses Marktes stärker zeitbezogen analysiert werden. Schließlich sollten die Untersuchungen zur Nachfrage und zum Angebot von Personaldienstleistungen auf einer breiteren empirischen Basis durchgeführt werden. Dabei wäre es vorteilhaft, einen einheitlichen Katalog nachgefragter und angebotener Leistungen zu entwickeln, um der Komplementarität beider Marktseiten besser zu entsprechen. Auf diese Weise können die aus theoretischer und empirischer Sicht abgeleiteten Erkenntnisse für diesen sehr interessanten und vielfältigen Markt weiter vertieft und präzisiert werden. 2. Theoretische und ethische Grundlagen Sandra Bissels Vertrauen. Eine datenverankerte Theorieentwicklung* Betreuerin: Prof. Sonja Sackmann, PhD, Universität der Bundeswehr München 1. Fragestellung der Untersuchung Ziel der Arbeit ist die empirische Klärung des Konstruktes zwischenmenschliches Vertrauen durch die Entwicklung einer gegenstandsverankerten Theorie. Dadurch soll der mangelnden theoretischen Fundierung von Vertrauenskonzepten in der Forschung entgegengewirkt werden (vgl. z.B. Bigley & Pearce, 1998). Zwischenmenschliches Vertrauen wird dabei nicht als isoliertes Konzept betrachtet, sondern in seinem prozesshaften Charakter und im Kontext von Beziehungen untersucht. 2. Theoretische Basis und verwendete Methoden Die Analyse von zwischenmenschlichem Vertrauen basierte auf dem methodologischen Ansatz der „grounded theory“ nach Strauss und Corbin (1997). Die Daten wurden über Interviews erhoben, die anfangs narrativen Charakter und im Verlauf der * Bissels, Sandra R. (2002). Vertrauen. Eine datenverankerte Theorieentwicklung. Berlin: Mensch und Buch Verlag 412 Personalforschung an Hochschulen Theoriebildung zunehmend problemzentrierter wurden (in der „grounded theory“ verläuft die Datenerhebung und -auswertung nicht sequenziell, sondern zyklisch). Die Auswahl der befragten Vertrauenserfahrungen richtet sich in der „grounded theory“ nicht nach dem klassischen Kriterium der statistischen Repräsentativität, sondern ist theoriegeleitet und strebt kontrastierende und gleichartige Fälle an. Da Vertrauen als konstitutives Element sozialer Bindung und Beziehung gilt (z.B. Erikson, 1968), verlief die Kontrastierung der Vertrauenserfahrungen in dieser Arbeit über das Kriterium der Beziehungsart als kontextuelle Variable (z.B. private versus berufliche Beziehung). Insgesamt wurden 14 Vertrauensfälle (Zahl befragter Beziehungsarten) in den Interviews erfragt. Das Herzstück der Arbeit bildete die datenverankerte Theorieentwicklung zum zwischenmenschlichen Vertrauen aus dem qualitativen Datenmaterial. Die subjektiven Theorien der Befragten wurden mit Hilfe der Analysewerkzeuge offene und axiale Kodierung rekonstruiert und in eine gegenstandsverankerte Theorie integriert (Entwicklung einer Schlüsselkategorie, selektive Kodierung). 3. Ergebnisse der Untersuchung Die Untersuchung zwischenmenschlichen Vertrauens mit Hilfe der „grounded theory“ ergab ein phasenspezifisches Modell zu verschiedenen Formen von Vertrauensbeziehungen, das die phasentypische Rolle von zwischenmenschlichem Vertrauen in der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Beziehungen aufdeckte. Dabei wurden verschiedene Vertrauensformen identifiziert (z.B. erlebtes Vertrauen), die wesentlich die Qualität einer Beziehung definieren. Am Anfang einer Beziehung hat Vertrauen die Qualität einer Entscheidung und des Willens zu vertrauen und ist deshalb als volitionales Vertrauen Basis der beginnenden Beziehung. Trotz meist geringem Wissen über eine Person wird von deren Vertrauenswürdigkeit ausgegangen (kognitives Vertrauen). Ein starkes Interesse an dem Kontakt zu einer Person, z.B. mit Blick auf ein gutes Geschäft, beeinflussen das Entstehen volitionalen Vertrauens. Wird der „Vertrauensvorschuss“ nicht gegeben, wird Kontakt – falls möglich – gemieden oder eine rein formale Beziehung ohne Vertrauen eingegangen. Ein zentraler Unterschied zu späteren Formen von Vertrauen liegt im Grad an Erfahrung mit der Vertrauensperson. Erst das Erleben positiver Erfahrungen über die Zeit resultiert in einem erfahrungsbasierten Vertrauen. Ohne dieses positive Erleben kann das Vertrauen zwar weiterhin als Wille und Kognition verbleiben, entwickelt sich aber mit der Zeit und mit dem Auftreten vertrauenskonfligierender Erfahrungen zunehmend zu einer Vertrauensillusion. Die Illusion von Vertrauen nährt sich aus dem Wunsch und/oder der Notwendigkeit, die Beziehung zur Vertrauensperson aufrechtzuerhalten und dem dazu als notwendig erlebten Bedarf an Vertrauen. Erfahrungen, die nicht mit der zugeschriebenen Vertrauenswürdigkeit der Zielperson vereinbar sind, führen zum Erleben von Inkongruenzen, die über kognitive Dissonanzreduzierung abgebaut werden (z.B. Rechtfertigung von Fehlverhalten), um die Wunschbeziehung aufrechterhalten zu können. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 413 Das Erleben positiver Erfahrungen über die Zeit resultiert dagegen in einem erfahrungsbasierten, sog. erlebten Vertrauen. In dieser Qualität schwindet der Beziehungsaspekt aus dem bewussten Aufmerksamkeitsfokus einer Person und kann dadurch Ressourcen für die Beschäftigung mit persönlichen, arbeitsbezogenen, sozialen Themen etc. freisetzen. Das Erleben positiver Vertrauenserfahrungen in einer Beziehung reduziert die Tendenz, sich gegen Fehlverhalten der Vertrauensperson absichern zu wollen. Dagegen wird in Beziehungen mit rein volitionalem und kognitivem Vertrauen, d.h. am Anfang einer Beziehung und in der Vertrauensillusion, auf Schutzund Kontrollstrategien nicht verzichtet (z.B. Zurückhaltung sensibler Informationen). Das Phasenmodell zeigt, dass zwischenmenschliches Vertrauen kein eindimensionales Konstrukt ist. Nur eine differenzierte Betrachtung der verschiedenen Vertrauensqualitäten (volitionales, kognitives, erlebtes Vertrauen) erlaubt eine Sicht auf die komplexen Wirkungszusammenhänge. In der Literatur werden zwar rationale und emotionale Komponenten von Vertrauen unterschieden und auch kognitive Prozesse als bestimmend für anfängliches Vertrauen angenommen (z.B. rationale Erwägungen der Kosten-Nutzen-Aspekte einer Beziehung, Abschätzung der Vertrauenswürdigkeit; vgl. Lewicki & Bunker, 1996). Wenig Beachtung finden aber die volitionalen Anteile in der Vertrauens- und Beziehungsbildung, die sich in dieser Studie als wesentliche Qualität anfänglichen Vertrauens herausgestellt haben. Die Vertrauensvolition gründet dabei nicht auf rein rationalen Überlegungen, sondern besitzt einen stark emotionalen Charakter und hängt ab von der Kontaktmotivation. Was bedeuten die Ergebnisse für Organisationen? Die Ergebnisse zeigen, dass echte, d.h. erlebte Vertrauensbeziehungen durchaus Vorteile für Unternehmen mit sich bringen können: der Wegfall von Selbstschutz- und Kontrollstrategien, die Freisetzung von Ressourcen für die Aufgabenerfüllung und ein positives Arbeitsklima. Erlebte Vertrauensbeziehungen sind jedoch eher seltene Phänomene, denn Organisationen bieten i.d.R. keine günstigen Rahmenbedingungen für ihr Entstehen. Die in Organisationen oft herrschenden (einseitigen) Abhängigkeiten und die meist strukturell vorgegebenen Kontaktnotwendigkeiten produzieren die Anwendung sog. beziehungserhaltender Strategien und fördern damit eher Entstehung von Vertrauensillusionen als von Vertrauen. Deshalb kann es für Unternehmen und ihre Mitarbeiter von Vorteil sein, realistische Einschätzungen von Arbeitsbeziehungen zu fördern und damit auch „gesundes“ Misstrauen zuzulassen und formale Beziehungsformen zu begünstigen, als (sog.) Vertrauen in den Arbeitsbeziehungen zu propagieren. 4. Weiterführende oder noch offene Fragen Für die Vertrauensforschung steht eine differenziertere Operationalisierung der Vertrauensqualitäten an, um etwa die unzulässige Vermengung von Vertrauensillusion und erlebtem Vertrauen zu vermeiden. Gerade die Identifizierung der Vertrauensillusion erwies sich selbst auf Basis der reichhaltigen und kontextreichen qualitativen Daten als schwierig und stellt eine Herausforderung für weitere Forschung dar. Literatur 414 Personalforschung an Hochschulen Bigley, G.A./Pearce, J.L. (1998): Straining for shared meaning in organization science: Problems of trust and distrust. In: Academy of Management Review, 23, 405-421. Erikson, E. (1968). Kindheit und Gesellschaft. Stuttgart: Klett. Lewicki, R.J./Bunker, B.B. (1996): Developing and maintaining trust in work relationships. R. Kramer/T. Tyler (eds.): Trust in organizations. London: Sage, 114-139. Strauss, A./Corbin, J. (eds.) (1997): Grounded theory in Practice. Thousand Oaks: Sage. Johannes Hütte Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik* Betreuer: Prof. Dr. Wolfgang Weber, Universität Paderborn 1. Problemstellung und Methode Unternehmerisches Handeln sieht sich heute einer Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen und Interessen gegenüber. Neben ökonomisch-systemimmanenten Erfordernissen werden vor dem Hintergrund einer kritischen Öffentlichkeit auch zunehmend systemfremde Ansprüche zu erfolgsrelevanten Parametern erfolgreicher Unternehmensführung. Die durch differenzierte Strukturen und heterogene Anspruchsgruppen gekennzeichneten Einzelkonflikte machen allerdings deutlich, dass es nicht mehr um den prinzipiell lokalisierbaren und damit auch antizipierbaren Konflikt zwischen Arbeit und Kapital geht, sondern dass prinzipielle Steuerungs- und Koordinierungsdefizite von Markt und Recht auftreten, die eine Ergänzung durch eine Wirtschafts- bzw. Unternehmensethik notwendig erscheinen lassen. Als unternehmensethischem Gestaltungsfeld kommt dem Personalmanagement hierbei vor allen anderen betriebswirtschaftlichen Funktionen eine hervorgehobene Rolle zu: Einerseits ist Personalmanagement Objekt unternehmensethischer Geltungsansprüche, andererseits ist Personalmanagement zugleich Subjekt von Unternehmensethik in der Institutionalisierung von Unternehmensethik auf der Ebene unternehmerischer Handlungszusammenhänge. Werden ethische Geltungsansprüche auf der Ebene unternehmerischen Handelns durchaus als konfliktträchtige Problemstellung wahrgenommen, zeigt ein Blick in die einschlägige Fachliteratur, dass dem Thema ‚Unternehmensethik’ sowohl im Personalmanagement als auch im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre insgesamt eine eher randständige Bedeutung zukommt. Als Grund hierfür wird ganz wesentlich der unklare wissenschaftstheoretische Status von Unternehmensethik vor dem Hintergrund ihrer Referenzwissenschaften Ökonomik und Ethik genannt. Darüber hinaus ist es auffallend, dass unternehmensethische Fragestellungen häufig entweder unter den * Johannes Hütte: Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik. ISBN 3-87988676-8, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2002, 272 S., € 27,80. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 415 Kategorien des Moralischen oder unter den Kategorien des Ökonomischen betrachtet werden. Eine interdisziplinäre Analyse mit methodisch-wissenschaftlichem Anspruch bleibt jedoch häufig aus. Genau an diesen Punkt knüpft die Zielperspektive einer Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik an: das In-Beziehung-Setzen einer Theorie der Begründung und einer Theorie der Rechtfertigung als metatheoretischer Hintergrund von Personalmanagementpraxis. Die Rekonstruktion dieser interdisziplinären Perspektive, die sowohl ethische, als auch ökonomische Geltungsansprüche theoretisch-praktisch integriert, verfolgt in der Argumentation für Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik dementsprechend eine dreifach gestufte Perspektive: 1. Analyse der fundamentalen philosophischen, ökonomischen und wissenschaftstheoretischen Bedingungen von Unternehmensethik. 2. Analyse der konzeptionellen Elemente von zwei ausgewählten unternehmensethischen Ansätzen im Hinblick auf methodische und begründungslogische Hintergrundannahmen und ihrer anwendungsorientierten Implikationen. 3. Spezifische Analyse der klassischen Managementfunktion Personal als Gestaltungsfeld für unternehmensethische Überlegungen vor dem Hintergrund einer integrativen Fundierungsperspektive personalmanagementbezogener Anwendungsfragen. 2. Wissenschaftssystematische Parameter von Unternehmensethik Um die Ambivalenz ethischer und ökonomischer Geltungsansprüche – die gerade in der Personalmanagementpraxis und -theorie hervortritt – und den unklaren wissenschaftstheoretischen Status zu überwinden, greift Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik hermeneutisch auf das aristotelische Model praktischer Philosophie zurück: die inhaltliche und strukturelle Interdependenz von Ethik, Politik und Ökonomik. Damit hat Unternehmensethik den Charakter einer ‚GrundrissWissenschaft’, die es ermöglicht, unterschiedliche Fragestellungen aus Ethik und Ökonomie unter ihrem spezifischen Blickwinkel zu integrieren, ohne dass das spezifische wissenschaftstheoretische und forschungslogische Moment der Referenzwissenschaften jeweils in nuce einer differenzierten, reziproken Kritik unterzogen werden muss. Den wissenschaftstheoretischen Unterbau hierfür gewinnt Unternehmensethik aus der möglichen Kongruenz des Falsifikationsprinzips der Betriebswirtschaftslehre und des formal-prozeduralen Diskursprinzips der Ethik. Gerechtfertigte unternehmensethische Geltungsansprüche besitzen von dieser argumentationslogischen Basis aus dann ebenfalls einen methodologisch-wissenschaftstheoretisch fundierten Status, der Grundlage für die Begründung unternehmensethischer Geltungsansprüche sein kann und sein muss. 3. Reparaturethik oder Vernunftethik Im deutschsprachigen Raum sind neben anderen insb. der unternehmensethische Ansatz von Karl Homann et. al. und der von Horst Steinmann et. al. von Bedeutung. Karl Homann argumentiert in seinen Überlegungen zur Unternehmensethik auf der 416 Personalforschung an Hochschulen Grundlage einer ökonomischen Theorie der Moral und mit der Annahme einer vollständigen Substituierbarkeit ethischer Prinzipien durch ökonomische Anreize und Restriktionen. Horst Steinmann hingegen plädiert in seinen Überlegungen zur Unternehmensethik für eine, durch die Diskurstheorie und das ‚Friedensprinzip’ des Konstruktivismus vermittelte, ‚situative Beschränkung des Gewinnprinzips’. Ist die Argumentation einer Ökonomischen Theorie der Moral eher durch eine makroökonomische Perspektive geprägt, so ist eine Unternehmensethik als Dialogethik eher aus einer individualethischen Perspektive heraus darauf angelegt, unternehmensethische Geltungsansprüche vor dem Hintergrund organisationstheoretischer Überlegungen in den unternehmerischen Handlungszusammenhang strategisch zu implementieren. Neben verschiedenen argumentativen Brüchen in den jeweiligen Hintergrundannahmen gelingt es allerdings beiden Ansätzen nicht, auf einer eindeutigen wissenschaftstheoretischen Basis die unterschiedlichen Geltungsansprüche von Ethik und Ökonomik strukturell hinreichend zu integrieren bzw. zu fundieren. Beide Ansätze bleiben insofern hinter dem argumentativen Anspruch einer Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik zurück. 4. Personalmanagement als unternehmensethisches Gestaltungsfeld Nachdem die wissenschaftslogischen Parameter einer ‚Personalmanagementethik’ – wie in den vorangegangenen Ausführungen überblickhaft skizziert – analysiert worden sind, und darüber hinaus die grundsätzlichen Kritikpunkte und argumentativen Schwächen der unternehmensethischen Überlegungen von Karl Homann und Horst Steinmann herausgearbeitet wurden, sind für die weitere Untersuchung der möglichen Grundlegung einer Personalmanagementethik zwei Fragen wesentlich: Können Elemente einer ökonomischen Theorie der Moral bzw. einer Unternehmensethik als situative Beschränkung des Gewinnprinzips für eine unternehmensethische Betrachtung von Personalmanagementtheorie fruchtbar gemacht werden? Wie kann eine unternehmensethisch reflektierte Personalmanagementtheorie und -praxis auf der Grundlage einer Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik rekonstruiert werden und welche forschungsmethodologischen Zugänge und welche Personalmanagementtheorien lassen sich hierbei integrieren? Je nachdem welchen Zugang – beispielsweise einen instrumentell-funktionalen oder einen handlungstheoretischen – man in der Betrachtung von Personalmanagement und Unternehmensethik wählt, ergeben sich unterschiedliche Anknüpfungspunkte für unternehmensethische Geltungsansprüche. Gilt dieses für die Integration von Unternehmensethik in Personalmanagementtheorie und -praxis insgesamt, so auch für Elemente einer ökonomischen Theorie der Moral einerseits und einer situativ das Gewinnprinzip beschränkenden Dialogethik andererseits. Neben den strukturellen theorieimmanent ungelösten Fragen der beiden Ansätze eignen sich diese jedoch auch aus einem weiteren Grund nicht für eine Fundierung von Unternehmensethik als integraler Bestandteil von Personalmanagementtheorie und -praxis: Sie sind Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 417 wechselseitig nicht in der Lage die unterschiedlichen Objekttheorien der Personalmanagementforschung zu integrieren und insofern lassen diese letztlich auf der Ebene der Ableitung möglicher Gestaltungsempfehlungen nur eine Argumentation entweder unter dem Primat der Ökonomik oder der Ethik zu. Wenn Unternehmensethik im unternehmerischen Handlungszusammenhang systematisch ihre Wirkung entfalten soll, ist die theoretische Integration von Ethik und Ökonomik jedoch Voraussetzung. Eine Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik erhebt demgegenüber den Anspruch, grundsätzlich eine ethisch und ökonomisch tragfähige normative Grundlage für ein personalwirtschaftliches Theoriegebäude und in der Ableitung auch für ein moralisches und ökonomisches Personalmanagementhandeln zu sein. In dieser Absicht interpretiert eine Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik Unternehmensethik als Metatheorie des Personalmanagements. Metatheorie meint einerseits, dass der Gegenstandsbereich einer integrativen Personalmanagementtheorie definiert werden soll, und zum anderen, dass der Geltungsbereich der einzelnen (Objekt-) Theorien bestimmt werden soll. Insofern fundiert Unternehmensethik dann nicht nur unterschiedliche Objekttheorien und setzt diese in Beziehung, sondern bindet darüber hinaus Personalmanagementtheorie in eine allgemeine Unternehmensethiktheorie ein. Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik macht damit bereits auf der theoretisch-begründungslogischen Ebene des Personalmanagements die Dualität ethischer und ökonomischer Geltungsansprüche passierbar, ohne ihren spezifischen Erklärungs- bzw. Rechtfertigungscharakter zu nivellieren. 5. Weiterführende Perspektiven Eine Unternehmensethik als Synthese aus Ethik und Ökonomik integriert sowohl betriebswirtschaftliche Handlungsanforderungen als auch moralische Handlungsaufforderungen. Aus dieser Situierung von Unternehmensethik ergeben sich für den unternehmerischen Handlungszusammenhang insgesamt sowohl individuelle, als auch strukturelle Anwendungsperspektiven. Jeder Mitarbeiter ist für die Legitimität seiner Entscheidungen verantwortlich und muss insofern intellektuell und institutionell in die Lage versetzt werden, Entscheidungen moralisch und ökonomisch verantwortlich zu treffen. Das Stichwort hierzu lautet individuelle Verantwortungsübernahme und Demokratisierung von Strukturen. Dass sowohl ein ökonomischrationales Effizienzkalkül als auch eine rational-vernünftige Konsensethik damit durchaus auf ähnliche individuelle und institutionelle Fähigkeiten und Voraussetzungen rekurrieren, kann für die Implementation von Unternehmensethik in den betriebswirtschaftlichen Handlungskontext nur von Vorteil sein. 418 Personalforschung an Hochschulen Matthias Meifert Vertrauen als Organisationsprinzip. Eine theoretische und empirische Studie über Vertrauen zwischen Angestellten und Führungskräften* Betreuer: Prof. Dr. Peter Pawlowsky, Technische Universität Chemnitz Vertrauen besitzt einen großen Stellenwert für das ökonomische Leben. Insbesondere in Organisationen spielt es eine herausragende Rolle. In der gegenwärtigen Organisationstheorie wird innerbetrieblichem Vertrauen der Status eines „Produktionsfaktors“ zugesprochen. Es wird auch als „Fundament einer funktionsfähigen Organisation“ und Bedingung für wirtschaftlichen Erfolg bezeichnet. Vertrauensbeziehungen haben vor allem im Gefolge neuer Managementkonzepte als Regulierungsmechanismen der Binnenbeziehungen in Organisationen an Bedeutung gewonnen. Sie besitzen den Status eines schwer zu imitierenden Wettbewerbsvorteils. Organisationen sind auf die Allokation von Vertrauen angewiesen. Dennoch setzte sich die ökonomische Theorie bisher nur sporadisch mit der Kategorie auseinander. Obwohl sich in den letzten Jahren eine wachsende Anzahl von Ökonomen und Theorierichtungen dem Thema widmete, mangelt es aufgrund der langjährigen disziplinären Nichtbeachtung bis dato vor allem an systematischen Darstellungen, die die Rolle von Vertrauen als Organisationsprinzip analysieren. Die vorliegende Untersuchung will einen Beitrag dazu leisten, diese Lücke zu schließen und einen theoretisch wie auch empirisch fundierten Beitrag zur Vertrauens- bzw. Organisationstheorie liefern. Die Erkenntnisziele und Fragestellungen der Arbeit lauten folgendermaßen: Was ist das Wesen von Vertrauen in Organisationen, d.h. vor allem, welche Dimensionen besitzt es? Welche Bedeutung besitzt Vertrauen theoretisch und empirisch als Organisationsprinzip von Arbeit? Welche Ansatzpunkte existieren für die innerbetriebliche Gestaltung von Vertrauensbeziehungen? * Matthias Meifert: Vertrauensmanagement in Unternehmen. Eine empirische Studie über Vertrauen zwischen Angestellten und ihren Führungskräften. Arbeit, Organisation und Personal im Transformationsprozess. Herausgegeben von R. Lang, Chr. Baitsch, P. Pawlowsky, Bd. 15, ISBN 3-87988-744-6, Rainer Hampp Verlag, München und Mering, 2. Aufl. 2003, 326 S., € 29,80. Die Dissertation ist unter dem Namen Seifert veröffentlicht worden. Inzwischen hat der Autor geheiratet und heißt jetzt Meifert. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 419 Die Arbeit besitzt einen interdisziplinären Blickwinkel. Dieser ist notwendig, da in der Betriebswirtschaftslehre eine Diskrepanz zwischen der zuerkannten Bedeutung und der faktischen Beschäftigung mit dem Thema Vertrauen existiert, aus der ein Forschungs- und Theoriedefizit resultiert. Andere Disziplinen, vor allem die Soziologie und die Sozialpsychologie, haben sich intensiver mit dem Thema befasst. Zweitens rekurriert die Arbeit nicht nur auf einen theoretischen Ansatz, sondern verbindet durch eine integrative Vorgehensweise verschiedene Vertrauenstheorien zu einem neuen Modell. Dieser modus vivendi ist in der Vertrauensforschung nicht unüblich, da die „disziplinäre Situierung“ des Konzepts zwischen Soziologie, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre nicht leicht fällt und ein Hin- und Herwandern zwischen Fachgebieten und Theorien oftmals unumgänglich ist. Vertrauen ist ein vielschichtiges Phänomen. Sein Verstehen erfordert stets neue Anläufe, ein wiederholtes, schrittweises Zugehen von verschiedenen Seiten auf den Erkenntnisgegenstand. Es wird daher zunächst nicht definiert, sondern im Rahmen eines semantisch argumentierenden Kapitels als Konstrukt aus verschiedenen Blickwinkeln beschrieben und organisationstheoretisch verortet. Die Arbeit geht davon aus, dass die von Akteuren infolge ihres Vertrauens getätigten Handlungen, die Strukturen reproduzieren, die auf ihre Vertrauensentscheidungen Einfluss nehmen. (Vertrauens-) Strukturen und (Vertrauens-) Handlungen in Organisationen werden also unter Rückgriff auf die Strukturationstheorie von Giddens als Dualität konzipiert. Sie sind keine antagonistischen Gegensätze, sondern konstituieren und bedingen sich gegenseitig. Mit dem dritten Kapitel beginnt die modellorientierte Aufarbeitung des Wissensgebietes Vertrauen in Unternehmen (vgl. Abb. 1). Das Modell illustriert die Bedingungen, Entscheidungsprozesse und Folgen von Vertrauen. Da die Vergabe von Vertrauen Resultat einer individuellen Entscheidung ist, bildet das Modell diesen Prozess und seine Bedingungen aus Sicht des vertrauenden Individuums ab. Wie andere Modelle auch stellt es einen heuristischen Ordnungsversuch und damit eine Idealisierung dar. Zwar existieren bereits einige Vertrauensmodelle, die mit dem hier entwickelten vergleichbar sind. Sie sind jedoch nicht auf Organisationen zugeschnitten und berücksichtigen daher nicht die Rahmenbedingungen und Strukturen, denen interpersonelle Vertrauensbeziehungen in Organisationen unterliegen. Diese zu identifizieren und in ihrer Wirkung darzustellen, ist eine Besonderheit und der Zweck des vorliegenden Modells. Darüber hinaus geht es darum, mit seiner Hilfe die Forschung zu systematisieren, die Interaktion von Akteur und Vertrauensperson zu verstehen und nicht zuletzt die Wechselwirkung von Vertrauenshandlungen und Strukturen aufzuzeigen. Das Vertrauensmodell beginnt – von links nach rechts gelesen – mit einer Identifizierung der situativen Bedingungen, unter denen Vertrauen in Organisationen relevant wird. Denn nur Kontexte, die sich durch Verhaltensunsicherheit, Verlustgefahr und Entscheidungsfreiheit des Akteurs auszeichnen, erzeugen einen Vertrauensbedarf. Daran anknüpfend wird die Vertrauensentscheidung betrieblicher Akteure als ein Resultat von rationalen, emotionalen und habituellen Prozessen konzipiert. Kal- 420 Personalforschung an Hochschulen küle, Gefühle und Gewohnheiten sind die Grundlage von Vertrauen. Hat sich z.B. ein Angestellter dazu entschlossen, Vertrauen zu vergeben, hegt er bestimmte Erwartung, deren Erfüllung vom Vorgesetzten erwartet wird. Die dreidimensionale Vertrauenserwartung umfasst die Kompetenzen, die Integrität und die Gesinnung von VertrauensempfängerInnen und stellt den inhaltlich-definitorischen Kern des hier zugrundegelegten Vertrauensverständnisses dar. Welche Strukturen innerhalb von Organisationen günstig sind für eine positive Vertrauensentscheidung und die Genese von Vertrauen, wird im Anschluss beleuchtet. Analysiert werden drei Klassen von Vertrauensfaktoren: gesellschaftliche, organisationale und personale Strukturen, die als Vertrauensfaktoren Eingang in die Entscheidung von Akteuren finden bzw. „hinter ihrem Rücken“ gewohnheitsmäßig die Entstehung und Entwicklung von Vertrauensbeziehungen beeinflussen. Zu den gesellschaftlichen Faktoren gehören die Nationalkultur und der Arbeitsmarkt. Organisationale Vertrauensfaktoren sind der Organisationserfolg, die Organisationsgeschichte und -zukunft, Arbeitsorganisation, Leistungspolitik, Unternehmenskultur und der Führungsstil. Als personale Faktoren wurde die Beziehungsart der Akteure und die Reputation von InteraktionspartnerInnen identifiziert. Abb. 1: Vertrauensmodell - Bedingungen, Prozess und Folgen von Vertrauen Vertrautheit Personale Faktoren: VertrauensempfängerIn Spezifik von Vertrauenssituationen Verhaltensunsicherheit Verlustgefahr Entscheidungsfreiheit Gesellschaft Nationalkultur Arbeitsmarkt Vertrauenswürdigkeit/Reputation Art der Beziehung zum Geber/Geberin Vertrauensentscheidung Gewohnheit Kalkül Gefühl Organisationale Faktoren Organisationsgeschichte, -zukunft Organisationserfolg Unternehmenskultur Führungsstil, Leistungspolitik Arbeitsorganisation Vertrauenserwartung Vertrauenshandlung Kompetenz Integrität Gesinnung riskante Vorleistung Kontrollverzicht Dualität der Struktur Hat sich ein Akteur für Vertrauen entschieden oder vertraut er routinemäßig, geht dies zumeist auch mit bestimmten Handlungen einher. Mit den Vertrauenshandlungen, die für Individuen, Teams und Organisationen Bedeutung besitzen, finden die theoretischen Ausführungen ihren Abschluss. Vertrauen lässt sich auf dieser Grundlage folgendermaßen definieren: es ist die gefühlsmäßige, kalkulierte oder habituelle Bereitschaft eines Akteurs, auf die Kontrolle eines anderen zu verzichten und eine Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 421 riskante Vorleistung (Handlung) zu erbringen, die mit der kognitiven Erwartung und dem Gefühl einhergeht, dass der oder die VertrauensempfängerIn kompetent, integer und wohlwollend ist. Vertrauen ist ein problematischer Begriff, der viele Bedeutungen besitzt und nur schwer einzugrenzen ist. Allein mit exakten und immer auch künstlichen Definitionen kann man das Phänomen nicht in den Griff bekommen. Diese Arbeit geht daher einen Schritt weiter, indem sie versucht, es auch empirisch zu erfassen. Die Empirie fungiert dabei als ein Baustein der Modellentwicklung und dient zugleich ihrer Überprüfung. Untersucht werden die wechselseitigen Vertrauensbeziehungen zwischen Vertriebsangestellten und ihren Vorgesetzten sowie GeschäftsführerInnen in vier Unternehmen aus drei Branchen. In diesen Unternehmen wurden 42 Leitfadeninterviews mit Beschäftigten aller Hierarchieebenen geführt. Die Darstellung der vier Betriebe erfolgt in Form von Fallanalysen, wobei sich die Auswertung der Interviews auf die Wirkungsweise der Vertrauensfaktoren und die Beschreibung der Dreidimensionalität von Vertrauen konzentriert. Das erste zum Sample gehörende Unternehmen ist ein in Ostdeutschland angesiedelter metallverarbeitenden Betrieb, der als „low trust“-Organisation charakterisiert wird. Dies liegt vor allem daran, dass sich die betrieblichen Akteure Kompetenzdefizite zuschreiben, deren Grundlage unerfüllte Output- und Reziprozitätserwartungen sind. Der zweite Fallbetrieb gehört der gleichen Branche an, besitzt jedoch aufgrund anderer struktureller Bedingungen ein höheres organisationales Vertrauensniveau, obwohl auch in diesem Unternehmen Vertrauensprobleme – vor allem in der Integritätsdimension – existieren. Ähnlich verhält es sich mit der dritten Firma, die infolge eines vertrauenzerstörenden Führungsstils, verschärfter Wettbewerbsbedingungen auf dem Energiemarkt und struktureller Anpassungen an diese unter der Erosion von Vertrauen – vor allem in der Vertriebsabteilung – leidet. Hervorzuheben sind in diesem Unternehmen die Gesinnungszweifel, die die Beschäftigten gegenüber ihrem Vertriebsleiter hegen. Der vierte und letzte Fall schließlich ist ein seit Jahren sehr erfolgreiches „high trust“-Unternehmen aus Süddeutschland. Eine entscheidende Säule des gegenseitigen Vertrauens sind in diesem Betrieb die erfüllten Gesinnungserwartungen: der Geschäftsleiter kommt seiner Fürsorgepflicht nach („demonstrating concern“), die Beschäftigten entsprechen seinen Loyalitätserwartungen. Den Abschluss der Arbeit bildet die Zusammenfassung und eine synoptische Präsentation der theoretischen und empirischen Ergebnisse. Es wird noch einmal betont, welche essentielle Bedeutung emotional begründetes und gewohnheitsmäßig vergebenes Vertrauen für Unternehmen als Organisationsprinzip von Arbeit hat. Vertrauen ist eine individuelle Erwartungshaltung eines Akteurs und Grundlage seines kooperativen bzw. prosozialen Verhaltens im Umgang mit anderen. Verändert sich das anderen Akteuren entgegengebrachte Vertrauen, ändert sich auch die Beziehung. Die Kategorie beschreibt damit auch die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen, d.h. eine Eigenschaft kollektiver Einheiten, die sich im Wesentlichen aus den Interaktionen ihrer Mitglieder zusammensetzen. Vertrauen ist ein soziales Bindeglied, 422 Personalforschung an Hochschulen das individuelles und kollektives Handeln miteinander verknüpft. Es besitzt einen Subjektbezug – es ist immer ein Akteur, der über die Vergabe von Vertrauen entscheidet – und fungiert zugleich als Organisationsprinzip, denn es organisiert individuelles Handeln zu einem strukturierten sozialen Ganzen. Für die Organisationstheorie ist es daher eine Erklärungsvariable von großem Wert. Das Schlusskapitel der vorliegenden Arbeit betont auch noch einmal, dass Vertrauen für Organisationen einen Nutzen stiftet, vor allem weil es Verhandlungs-, Kontraktentwurfs- und Kontrollkosten reduziert. Ähnlich wie Wissen ist es jedoch ein „intangible asset“, d.h. es ist nur schwer zu messen und nicht nach Belieben manipulierbar. Es ist oft ein „by-product“ von Handlungen, die einen Vertrauenseffekt gar nicht haben sollen. Damit sind betriebliche Akteure jedoch nicht zur Untätigkeit verdammt. Vertrauen wird durch gesellschaftliche, organisationale und personale Faktoren beeinflusst. Insbesondere über die beiden letzteren ist das betriebliche Vertrauensniveau gestaltbar. Die Arbeit schließt daher mit einigen Regeln, die organisationales Vertrauensmanagement zu berücksichtigen hat, wenngleich sie kein Rezept darstellen und keinen Automatismus garantieren. Holger Morick Differentielle Personalwirtschaft – Theoretisches Fundament und praktische Konsequenzen* Betreuer: 1. Prof. Dr. Rainer Marr, Universität der Bundeswehr München Fokussierung des Themas und Ziel der Arbeit Verschiedenheit und Individualität sind grundlegende Phänomene menschlichen Lebens. Dieser Tatsache kann sich auch die Personalwirtschaft nicht verschließen. Doch die Suche nach Bestimmungsgründen für menschliches Leistungsverhalten stellt Wissenschaft wie Praxis immer wieder vor ungelöste Fragen: Warum führen gleiche personalwirtschaftliche Maßnahmen bei Mitarbeitern zu unterschiedlichem Leistungsverhalten? Warum z. B. führt in gleichem Maße gewährter Freiraum bei einem Mitarbeiter zu Unter-, bei einem anderen zu Überforderung? Demographische Entwicklung, Individualisierungstendenzen oder Wertewandel schärfen noch den Blick für die Vielfalt der Mitarbeiter. Die Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen wird zur zentralen personalwirtschaftlichen Herausforde* Holger Morick: Differentielle Personalwirtschaft – Theoretisches Fundament und praktische Konsequenzen. Neubiberg 2002, XII, 334 Seiten, gebunden, 46 Abbildungen und Tabellen, edition gfw, € 29,60, ISBN 3-9807539-3-X. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 423 rung. Können für den Umgang mit diesem Mitarbeiterpotenzial Charakteristika gefunden werden, Konstanten, die Personalverantwortlichen Orientierung bei der Beurteilung und Gestaltung dieses Leistungsverhaltens zu geben vermögen? Allgemeinen personalwirtschaftlichen Aussagesystemen liegt – mit etwas spekulativem Mut – implizit oder explizit folgendes Bild des Normalmitarbeiters zu Grunde: männlich, von mittlerem Alter, körperlich gesund, deutsch, Lehr- oder Meisterqualifikation, Angestellter und nicht zuletzt in traditioneller Vollzeiterwerbstätigkeit. Weil rechtlich herleitbar oder vermeintlich sichtbar werden als „besondere“ Mitarbeitergruppen immer wieder gerne Ältere, Frauen oder etwa Ausländer behandelt – als Abweichungen vom skizzierten Bild. Christo Stojtschkow, Europas Fußballer des Jahres 1994, wird der Satz zugeschrieben: „Es gibt keine jungen oder alten Spieler, es gibt nur gute oder schlechte.“ Treffender lässt sich kaum ausdrücken, dass soziodemographische Merkmale nur sehr bedingt aussagekräftig für Leistungsverhalten sind und dass wichtige Orientierungspunkte für Personalverantwortliche eher im Verborgenen liegen. Es gilt also, differenzierter zu denken. Genau dafür bietet sich die Differentielle Personalwirtschaft an – nicht nur vom Namen her in bewusster Anlehnung an die Differentielle Psychologie. Denn im Vordergrund steht die Ergänzung allgemeiner personalwirtschaftlicher Aussagesysteme durch differentielle Aussagesysteme – und dies auf einem soliden theoretischen Fundament. Es geht um weit mehr als eine l’art pour l’art. Denn es ergibt sich damit die Chance, zu Subgruppen von Mitarbeitern zu gelangen, deren Leistungsverhalten zutreffender als bisher prognostiziert werden kann. Aus dieser Erkenntnis heraus lassen sich personalwirtschaftliche Gestaltungsmaßnahmen ergreifen, welche die Effizienz der Personalarbeit (z.B. durch fundiertere Maßnahmenauswahl im o.g. Beispiel) und damit letztlich auch einer gesamten Organisation steigern. 2. Vorgehensweise und Ergebnisse Die Arbeit gelangt in drei Hauptteilen zu ihren Ergebnissen: In Teil I werden die Grundlagen der Differentiellen Personalwirtschaft gelegt: Aus der Diskussion der Relevanz des Themas und der Analyse des aktuellen Standes der Forschung wird dabei deutlich, dass die Betrachtung „gängiger“ Abweichungen vom Bild des Normalmitarbeiters für das Ziel der Arbeit wenig aufschlussreich ist. Andererseits scheint erst durch den angelsächsischen (Re-)Import der DiversityForschung eine breitere Diskussion über die Verschiedenartigkeit von Mitarbeiterbedürfnissen angestoßen zu werden. Denn die gedanklichen Wurzeln einer differenzierteren Betrachtungsweise lassen sich im deutschsprachigen Raum durchaus bis zu Heinrich Nicklisch, Oswald von Nell-Breuning und Guido Fischer zurückverfolgen. Seit den 1970er Jahren lieferten Ulich, Schanz, Drumm oder Marr hilfreiche Problemskizzen. Klar wird: Die Arbeit unternimmt einen Balanceakt zwischen Generalisierung und Individualisierung. In methodischer Hinsicht wird dazu im Sinne einer pluralistischen Vorgehensweise eine interdisziplinär angelegte Modellbau-Strategie verfolgt. Am Ende von Teil I führen die Überlegungen zu einem tragfähigen Rah- 424 Personalforschung an Hochschulen menmodell, das die besonders relevanten Untersuchungselemente zur Entwicklung der Differentiellen Personalwirtschaft zusammenträgt. Diese Modellbausteine werden in Teil II theoretisch untermauert. Gezeigt wird die differentielle Bedeutung von vier Sozialisationsphasen (Mitarbeitergewinnung, integration, -bindung und -loslösung) sowie der vier interdependenten Determinanten menschlichen Verhaltens (Kultur, Motivation, Qualifikation und Struktur): Der Kultur (soziales Dürfen) kommt dabei vorstrukturierende Bedeutung zu. Als Erklärungsansatz für die Motivation (Leistungsbereitschaft) wird die im deutschsprachigen Raum bedauerlicherweise wenig bekannte Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan herangezogen. Diese Motivationstheorie lieferte bereits lange vor Sprengers „Mythos Motivation“ eine wissenschaftliche Begründung für dessen Hauptthese „alles Motivieren ist Demotivieren“. Die Art der motivationalen Prägung eines Menschen und dessen subjektive Wahrnehmung von extrinsischen Anreizen liefern Gestaltungshinweise für die situative Ermöglichung. Vergleichbare Hinweise ergeben sich aus der Betrachtung des Könnens (Leistungsfähigkeit). Mit dem Konstrukt der spontanen Verhaltensoptimierung kann erklärt werden, warum unter sonst gleichen Bedingungen der eine Teil der Mitarbeiter einen effizienteren Lösungsweg bei der Bewältigung von Aufgaben einschlägt als der andere. Mit der Struktur (situative Ermöglichung) werden die objektiven Voraussetzungen zur Leistungserbringung geschaffen, die sich auch kurzfristig gestalten lassen. Der angebotene ganzheitliche Ansatz zur Systematisierung differentiellen Denkens und Handelns wird damit in einem ersten Schritt exemplarisch ausgefüllt durch stabile motivationale und kognitive Persönlichkeitsmerkmale als Differenzierungsvariablen. Ein solcher Differenzierungsansatz jenseits individueller Erfahrungen und schematischer Konventionen zieht verschiedene praktische Konsequenzen nach sich. Teil III liefert Anregungen vor allem zu Fragen der Handhabbarkeit der mit der Differentiellen Personalwirtschaft verbundenen Komplexität: Erste Operationalisierungsansätze zeigen Wege auf, um die Passung zwischen Stelle und Mitarbeiter zu optimieren. Die vorgeschlagene wertmäßige Abbildung des Humanvermögens in Organisationen kann den Nachweis der Effizienz differentieller personalwirtschaftlicher Gestaltungsmaßnahmen erleichtern. Auch werden die Konsequenzen einer unterschiedlichen Mitarbeiterbehandlung unter Gerechtigkeitsaspekten und die Berechtigung persönlichkeitsverändernder Maßnahmen als personalwirtschaftliches Gestaltungsziel thematisiert. Nicht zuletzt lassen sich Aussagen zu den Verantwortlichkeiten für eine differentielle Personalarbeit und den dazu zur Verfügung stehenden Koordinationsmechanismen treffen. 3. Fazit und Ausblick Die Skizzierung von Entwicklungslinien der Personalwirtschaft, die theoretischen Überlegungen, aber auch die abgeleiteten praktischen Konsequenzen führen zu einem Differenzierungsansatz, der im Rahmen der Personalwirtschaft geeignet erscheint, menschlichem Leistungsverhalten besser als bisher gerecht zu werden. An die damit geschaffene Basis können zukünftig Implementierungsüberlegungen an- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 425 knüpfen. In diesem Zusammenhang übernimmt die Differentielle Personalwirtschaft eine Präventivfunktion. Nicht in ihrem Sinne zu differenzieren bedeutet bloße Reaktion auf Managementfehler, die eben dadurch entstehen, dass leistungsrelevante individuelle Unterschiede von Mitarbeitern nicht ausreichend berücksichtigt werden. Damit stellt die Differentielle Personalwirtschaft für Organisationen einen Wettbewerbsvorteil dar. Langfristig muss das Ziel der Differentiellen Personalwirtschaft sein, dass differentielles Denken und Handeln als allgemeine Prämissen Einzug in die Personalwirtschaft finden. Der entwickelte ganzheitliche Ansatz liefert somit letztlich auch für die Personalwirtschaft als wissenschaftliche Disziplin eine theoretische Systematisierung personalwirtschaftlicher Aspekte. Vielleicht sind für die Personalwirtschaft sogar die allgemeinen Aussagen der Selbstbestimmungstheorie – wie selbstbestimmtes Handeln gefördert werden kann und sich mit höherer intrinsischer Motivation und mehr Engagement auch die Qualität des Handelns steigert – von viel größerer Bedeutung als ihre differentiellen Aussagen. Differentielle Personalwirtschaft ist aber unabdingbar. Denn es ist eben von zentraler Bedeutung, die Mitarbeiter nicht dort zu suchen, wo sie aufgrund eines „Schubladendenkens“ nur gedanklich hingestellt wurden, aber nicht wirklich stehen. Entscheidend ist es, die Mitarbeiter dort abzuholen, wo sie sich gegenwärtig befinden. 3. Personal und Arbeitsmarkt Güldem Demirer Unternehmensgründungen aus Hochschulen und der Einfluss von Arbeitsmarktregulierungen. Eine prospecttheoretische Analyse Betreuerin: Prof. Dr. Uschi Backes-Gellner, Universität Zürich, vorher Universität zu Köln 1. Forschungsfrage: Welchen Einfluss haben Arbeitsmarktregulierungen auf die Erwerbsneigung von Hochschülern? Die Entscheidung zur Unternehmensgründung von Hochschülern stellt eine mögliche Alternative der Erwerbstätigkeit nach der Ausbildung dar. Allerdings wird diese Alternative von vielen Hochschülern nicht in Erwägung gezogen, da sie selten mit einem gleich hohen Nutzen im Vergleich zur abhängigen Erwerbstätigkeit bewertet wird. Die Bedingungen, die dazu führen, dass ein Hochschulabsolvent die Funktion des Unternehmers oder des Arbeitnehmers im Wirtschaftsgeschehen auswählt, sind in der vorliegenden Arbeit von besonderem Interesse. Basierend auf der Erkenntnis, dass Selbständige mit Hochschulabschluss häufiger Unternehmen mit Beschäftigung gründen als Selbständige ohne Hochschulabschluss (Moog 2000, 182- 426 Personalforschung an Hochschulen 186), wird vermutet, dass gerade die personalpolitische Flexibilität von Unternehmen ein ausschlaggebendes Kriterium für die Erwerbswahl darstellt. Es stellt sich die Frage unter welchen Bedingungen wirken sich in welcher Form personalpolitisch relevante Regulierungen auf die (latente) Gründungsentscheidung von Hochschülern aus. Es wird unterschieden in die faktische und die wahrgenommene Wirkung institutioneller Regulierungen auf die personalpolitische Flexibilität von Unternehmensgründungen. Die wahrgenommene personalpolitische Flexibilität von Hochschülern wird unterschiedlich stark – in Abhängigkeit des Individuums – von der faktischen personalpolitischen Flexibilität abweichen. Demnach ist das Gründerpotenzial an Hochschulen abhängig von der individuellen Wahrnehmung der Hochschüler. Die individuelle Wahrnehmung ist u.a. abhängig von Informationen über die faktische personalpolitische Flexibilität. In einem ersten Schritt wird die Relevanz der personalpolitischen Institutionen für Hochschulabsolventen, die bereits Unternehmer sind, untersucht. Aufbauend auf den Ergebnissen der faktischen Einflussnahme personalpolitisch relevanter Institutionen auf die unternehmerische Handlungsfreiheit, wird in einem zweiten Schritt deren wahrgenommene Wirkung betrachtet. Die Wahrnehmung personalpolitischer Flexibilität beeinflusst Erwartungen über die abhängige und selbständige Erwerbstätigkeit und damit die Erwerbsentscheidung von Hochschülern. Daraus folgt die Spezifizierung der Forschungsfrage: Welchen Einfluss hat die individuell wahrgenommene personalpolitische Flexibilität auf hochschulinduzierte Unternehmensgründungen? 2. Theoretische Analyse: Prospecttheorie Der Prozess des Entscheidungs- und Vorentscheidungsverhaltens hinsichtlich einer selbständigen oder abhängigen Erwerbswahl wird mittels eines modernen, präskriptiv orientierten Ansatzes der Entscheidungstheorie die Prospecttheorie untersucht. Der Forschungsfortschritt der Prospecttheorie liegt darin, den Entscheidungsprozess in das Kalkül einzubeziehen. Wohingegen die klassische Erwartungsnutzenbewertung (gewichtete Summe bewerteter Konsequenzen) die reine Betrachtung der Outputs einer Nutzenfunktion abbildet. Als zentrale Konzepte der Prospecttheorie sind die referenzpunktabhängige Bewertung und die nichtlineare Wahrscheinlichkeitsgewichtung implementiert. In dieser Arbeit hat die prospecttheoretische Erweiterung der Erwartungsnutzentheorie eine präskriptiv-beratende Funktion in der Analyse der Erwerbsentscheidung von Studierenden. Die Erkenntnisse über die systematisch abweichende Erwerbsentscheidung vom normativen Rationalitätspostulat sollen als Grundlage für eine verbesserte Entscheidungshilfe dienen, in der Form, dass die Verbesserung der Handlungsempfehlungen zu einer verstärkten Aktivierung des Gründungspotenzials an Hochschulen führen. 3. Untersuchungsdesign Im Unterschied zu anderen Studien wird in dieser Arbeit vermutet, dass schon allein die individuelle Wahrnehmung der relevanten Regulierungen – unabhängig da- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 427 von, ob diese der Realität entspricht – eine eigene, direkte Wirkung auf das Entscheidungskalkül hinsichtlich der Erwerbswahl hat. Die folgende Analyse der latenten Erwerbsentscheidung vor dem Hintergrund institutioneller Regulierungen fokussiert drei Faktoren, die im Wirkungszusammenhang zu dem Entscheidungsproblem stehen. Die Analyse ist wie folgt aufgebaut: Es wird ein einfaches ökonomisches Entscheidungsproblem der Erwerbsneigung vorgestellt, auf dessen Basis verschiedene Entscheidungsregeln angewendet werden. Zunächst wird dem klassischen Unternehmermodell folgend, die Erwartungswertregel betrachtet. Der Residualeinkommensempfänger wird hier als risikoneutral definiert, d.h., indifferent gegenüber Einkommensvolatilitäten. Weiterhin differenzieren sich die Entscheidungsträger anhand unterschiedlich wahrgenommener personalpolitischer Flexibilität. Dieser Wahrnehmungsunterschied bildet die Grundlage für die Generierung der ersten Hypothese. Anschließend wird der möglichen Risikoaversion von Unternehmensgründern durch die Erwartungsnutzentheorie Rechnung getragen und darauf aufbauend die zweite Hypothese formuliert. Nachfolgend werden Erkenntnisse über die eingeschränkt rationale Entscheidung von Akteuren, die die Prognosekraft der ökonomischen Modellierung schwächen, aufgearbeitet und in dem Kalkül der Entscheidungsträger durch die Einbeziehung prospecttheoretischer Implikationen in der Antizipierung von Markttendenzen berücksichtigt. Dieses bildet die Grundlage für die Entwicklung der dritten Hypothese. 4. Die empirische Überprüfung Im Rahmen des Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) „Interdisziplinäre Gründungsforschung” wurde das Forschungsprojekt GrünCol! (Gründungen in Cologne!) durchgeführt. Dabei wurde der so genannte GrünCol!-Hochschuldatensatz auf Basis der standardisierten Fragebogenaktion generiert. Ziel der Erstellung des Hochschuldatensatzes war es, das Potenzial an Unternehmensgründern durch die Befragung der Studierenden in Köln zu analysieren. Hierbei lag das Hauptinteresse auf der Vorgründungsphase, wobei insbesondere der Einfluss humankapitaltheoretisch und entscheidungstheoretisch motivierter Überlegungen zur Gründungsneigung von Hochschülern untersucht werden sollte. Aufgrund der absoluten Größe der Nettostichprobe (Zahl der gültigen Fragebögen) mit 5.520 Fragebögen liegt ein für die Fragestellung der hochschulinduzierten Unternehmensgründungen einzigartiger Datensatz vor. Die Analyse der Hypothesen wurde auf Basis einer multivariaten Regressionsanalyse durchgeführt. 5. Ergebnisse der Untersuchung Die Analyse der de facto Wirkung personalpolitisch relevanter Institutionen zeigt, dass der Vorwurf eines zu rigiden Regelkorsetts für Unternehmensgründungen derart pauschal nicht aufrecht erhalten werden kann. Kleine Unternehmen überbieten die rechtlichen Mindestanforderungen sogar freiwillig und viele rechtliche Eingriffe sind, für die typische Unternehmensgründung – aufgrund der Mitarbeitergröße – 428 Personalforschung an Hochschulen nicht verhaltenswirksam. Die multivariate Regressionsalyse hat bestätigt, dass die individuelle Wahrnehmung institutioneller Rahmenbedingungen einen eigenständigen Einfluss auf die Erwerbsneigung der Hochschüler hat. Gerade die Förderung von hochschulinduzierten Unternehmensgründungen bedarf einer Berücksichtigung der Risikopräferenz des Gründers. Häufig wird der Entscheider in der ökonomischen Modellierung als indifferent gegenüber Einkommensvolatilitäten bestimmt. Die daraus resultierenden Empfehlungen zur Förderung der Selbständigkeit und entscheidungsunterstützenden Maßnahmen werden demnach den Aspekt der Risikopräferenz sträflich vernachlässigen. Wenn man robuste Vorhersagen über die Erwerbsentscheidung treffen möchte sowie unterstützende Maßnahmen effizient gestalten will, ist die Einbeziehung der Risikoaversionsgrade in die Analyse für die Gestaltung von Fördermaßnahmen in Hochschulen unumgänglich. Die Fähigkeit des Hochschülers, Marktchancen und -risiken realistisch einzuschätzen, stellt einen ausschlaggebenden Faktor für eine Gründung dar. Die vorliegenden ökonometrischen Ergebnisse bestätigen die prospecttheoretischen Implikationen, dass ein hohes Maß an Kenntnissen über einen Themenkomplex zu geringeren Abweichungen vom rationalen Entscheidungskalkül – im Sinne der Einhaltung normativ-logischer Regeln – führt. Sie deuten auf eine verstärkte Aktivierung des Gründungspotenzials durch die Vermittlung von Praxis- und Marktkenntnissen mittels gründungsrelevanter Inhalte hin. Literatur: Moog, P. (2000): Human Capital and its Influence on Entrepreneurial Success: In: RENT IV - Research in Entrepreneurship and Small Business. Conference Volume Prague November/2000: 182-186. Silke Flegel Die Arbeitssituation von Hochschulabsolventen. Bewältigungsmöglichkeiten in inadäquaten Beschäftigungssituationen* Betreuer: 1. Prof. Dr. Albert Martin, Universität Lüneburg Problemhinführung Der Anteil der Hochschulabsolventen nimmt durch ein geändertes Bildungsverhalten der Bevölkerung ständig zu. Dem steigenden Angebot an Akademikern auf * Silke Flegel: Die Arbeitssituation von Hochschulabsolventen. Bewältigungsmöglichkeiten in inadäquaten Beschäftigungssituationen. Empirische Personal- und Organisationsforschung, hrsg. von W. Weber, A. Martin, W. Nienhüser, Bd. 22, ISBN 3-87988-748-9, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2003, € 27,80. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 429 dem Arbeitsmarkt stehen aber nur gering veränderte Tätigkeitsstrukturen in den Unternehmen gegenüber. Daher sind immer mehr Akademiker gezwungen, auch eine Beschäftigung anzunehmen, die ihrer formalen Qualifikation nicht oder nur bedingt angemessen ist. Empirische Studien beziffern die Größenordnung der „unterwertig“ beschäftigten Akademiker auf bis zu 25%. Dies wirft die Frage auf, wie die Betroffenen mit einer inadäquaten Beschäftigung umgehen können. Hierzu versucht diese Arbeit einen Erklärungsbeitrag zu leisten. In einem theoretischen Teil wird ein eigenständiger kognitiver Ansatz über den möglichen Umgang mit unterwertigen Beschäftigungssituationen entwickelt. Im daran anschließenden empirischen Teil werden die theoretischen Überlegungen überprüft. 2. Theoretischer Zugang und eigener Ansatz Im Rahmen der Arbeit werden vier verschiedene Ansätze vorgestellt, die sich mit der individuellen Auseinandersetzung mit Arbeitssituationen beschäftigen. Thomas und Velthouse untersuchen die Auswirkungen der Wahrnehmungen auf das Verhalten. Weick beschäftigt sich mit dem Prozess des „Sinnmachens“ von Handlungen oder von Situationen. Hackman und Oldham stellen die Ausgestaltung der Tätigkeit in den Vordergrund und untersuchen die Auswirkungen von Arbeitsergebnis, Verantwortung und Bedeutung auf die intrinsische Motivation. Bruggemann untersucht, wie bestimmte Formen der Arbeitszufriedenheit erzeugt werden. In dem hier vorliegenden Ansatz werden einzelne Elemente der dargestellten Ansätze aufgegriffen und zusammengeführt. Die subjektive Wahrnehmung der Individuen wird berücksichtigt und Reaktionsformen auf unterwertige Arbeitssituationen werden heraus gearbeitet. Das Bedürfnis nach sinnvollem oder bedeutungsvollem Tun und die Sinngebung erhalten hierbei eine zentrale Rolle. Dies ist zu betonen, da bislang das Sinnkonzept in der Arbeitszufriedenheitsforschung keine Berücksichtigung gefunden hat. Zentrale Bedeutung für die Herausbildung von Bewältigungsstilen bzw. „Sinntypen“ beim Umgang mit unterwertigen Arbeitssituationen haben individuelle Arbeitsorientierungen, die mit fundamentalen Verhaltensdispositionen verbunden sind. Die kognitive Verankerung dieser Verhaltensdispositionen entscheidet darüber, welche kognitiven Prozesse im Umgang mit der unterwertigen Arbeitssituation zum Zuge kommen. Sie bestimmt damit auch über die Herausbildung bestimmter Bewältigungsstile. Insgesamt werden sieben verschiedene Bewältigungsstile bzw. „Sinntypen“ identifiziert. 430 Personalforschung an Hochschulen Das Argumentationsschema ist in der folgenden Abbildung dargestellt. 3. Empirische Untersuchung In einer empirischen Untersuchung wurden Absolventen der Universität Lüneburg der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre des Zeitraums Juni 1997 bis Oktober 2000 befragt. Mittels Fragebogen wurden neben der beruflichen Situation und der Arbeitszufriedenheit die in der Arbeit behandelten Verhaltensdispositionen erfasst. Außerdem wurden mit Hilfe von zur Auswahl stehenden Selbstbeschreibungen die Bewältigungsstile bzw. „Sinntypen“ erfragt. Für drei der Bewältigungsstile bzw. „Sinntypen“ liegen leider nur geringe Fallzahlen vor, so dass eine Konzentration der Auswertung auf die Typen „Veränderer“, „Optimierer“, „Abwarter“ und „Nischentyp“ erfolgen musste. Es zeigt sich, dass insbesondere Leistungsmotivation und Selbstwirksamkeit mit den Bewältigungsstilen bzw. „Sinntypen“ zusammenhängen. Beispielsweise findet sich die Bewältigungsstrategie „Verändern“ besonders bei Personen mit einer hohen Selbstwirksamkeit. Weiterhin wird deutlich, dass die Arbeitszufriedenheit bzw. -unzufriedenheit eine Funktion von Situation und Person (individuelle Verhaltensdispositionen) ist. Interessant ist, dass Personen mit „aktiverer“ Disposition, d.h. Personen mit hoher Selbstwirksamkeit und Leistungsmotivation sowie Internalisierung von Arbeitsnormen selbst in inadäquaten Situationen zufriedener sind als Personen mit „passiverer“ Disposition. 4. Resümee Ein kognitiver Ansatz über den möglichen Umgang mit unterwertigen Beschäftigungssituationen konnte entwickelt werden. Mit ihrer theoretischen Argumentation liefert die vorliegende Arbeit Anregungen für eine Weiterentwicklung der Arbeitszufriedenheitsforschung. Darüber hinaus leistet sie mit Hilfe der Absolventenbefragung auch einen empirischen Beitrag zur Erforschung des Arbeitslebens. Das theoretische Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 431 Konzept konnte hier nutzbringend für die Beschreibung von Zusammenhängen zwischen der Arbeitssituation und der Arbeitszufriedenheit von jungen Akademikern angewendet werden. 4. Personalentwicklung, Karriere, Kompetenzerwerb und Wissensmanagement Steffen Behler Ermittlung und Entwicklung von Managementkompetenzen in wachstumsorientierten Unternehmen in der Gründungsphase* Betreuer: 1. Prof. Dr. Jean-Paul Thommen, European Business School, Oestrich-Winkel Einleitung Im Zuge des in den letzten Jahren stattfindenden Gründungsbooms stehen einer Vielzahl von erfolgreichen Unternehmensgründungen eine hohe Anzahl von gescheiterten Unternehmensgründungen entgegen. Als ein entscheidender Faktor für den Erfolg bzw. Misserfolg von Unternehmensgründungen ist das Management von Gründungsunternehmen anzusehen, da die Gründer als zentral handelnde Personen die wichtigste Ressource eines Gründungsunternehmens repräsentieren. Alleine die Bereitschaft und Motivation zur Gründung eines Unternehmens sind zur erfolgreichen Umsetzung dieses Vorhabens allerdings nicht ausreichend. Vielmehr müssen Gründer über eine Reihe von Kompetenzen verfügen bzw. sich diese während der Unternehmensgründung verschaffen, um diese erfolgreich zu realisieren. In diesem Zusammenhang eröffnet sich die Frage, welche Managementkompetenzen für Gründer von wachstumsorientierten Unternehmen erfolgsrelevant sind und welche Maßnahmen zur Entwicklung von Kompetenzen genutzt werden können. Die Beantwortung dieser Fragestellung war das Ziel einer explorativen Untersuchung, die in Form einer schriftlichen Befragung von Unternehmensgründern durchgeführt wurde. * Behler, Steffen (2002): Ermittlung und Entwicklung von Managementkompetenzen in wachstumsorientierten Unternehmen in der Gründungsphase, Shaker Verlag, Aachen. 432 2. Personalforschung an Hochschulen Charakterisierung der Untersuchung Als theoretische Grundlage der Untersuchung diente ein situativer Ansatz. Als situative Faktoren, die einen möglichen Einfluss auf die Anforderungen an die Managementkompetenzen von Gründern ausüben, wurden die Strategie, die Gründungsphase, die Unternehmensstruktur sowie das Marktumfeld von Gründungsunternehmen angesehen. Zur Überprüfung der situativen Faktoren wurde eine explorative empirische Untersuchung in Form einer schriftlichen Befragung durchgeführt. Wachstumsorientierte Gründungsunternehmen bildeten als primärer Untersuchungsgegenstand die Hauptstichprobe der Untersuchung (Versand 507 und Rücklauf 50 Fragebögen). Zudem wurden zwei Vergleichsstichproben von unselbständig-wachstumsorientierten (Versand 43 und Rücklauf 10) und selbständig-bestandsorientierten (Versand 55 und Rücklauf 28) Gründungsunternehmen erhoben. Unter der explorativ ausgerichteten Zielsetzung ermöglichte der Rücklauf mit insgesamt 14,6% erste Aussagen zu den Anforderungen an die Managementkompetenzen von Unternehmensgründern. 3. Wachstumsorientierte Gründungsunternehmen Im Mittelpunkt der Betrachtung standen wachstumsorientiert-selbständige Gründungsunternehmen, bei denen natürliche Personen als Gründer und Eigentümer des Unternehmens Träger des unternehmerischen Risikos sind. Die strategische Ausrichtung von wachstumsorientierten Gründungsunternehmen liegt in einem starken und expansiven Wachstum, welches das Unternehmen innerhalb kurzer Zeit der Klasse der Großunternehmungen nahe bringt. Dagegen sind am anderen Ende eines Kontinuums bestandsorientierte Gründungsunternehmen zu sehen, deren Entwicklung im Zeitablauf zum marginalen Überleben als Kleinunternehmen führt. Als wachstumsorientiert wurden Gründungsunternehmen mit einem jährlichen Umsatz- oder Mitarbeiterwachstum von größer als 50% in den letzten drei Jahren eingeschätzt. Einen Schwerpunkt der Untersuchung bildete der Prozess der Gründung, der sowohl alle vorbereitenden und planenden Aktivitäten als auch die ersten Entwicklungsschritte nach dem juristisch vollzogenen Gründungsakt (Eintrag ins Handelsregister oder Gewerbeanmeldung) umfasst. Dabei können drei Phasen unterschieden werden: die Vorgründungsphase (Zeitpunkt vor der juristischen Gründung), die Realisierungsphase (Aufnahme des Geschätsbetriebes) und die Wachstumsphase (Gewinnerzielung und Expansion der Geschäftsaktivitäten). 4. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Im Rahmen der Untersuchung konnte ein stark signifikanter Einfluss der Strategie (Bestands- vs. Wachstumsorientierung) sowie der Phase der Unternehmensgründung auf die Anforderungen an die Managementkompetenzen der Gründer festgestellt werden. Das Marktumfeld und die Unternehmensstruktur (Eigentümerstruktur, Anzahl der Gründer etc.) spielten nur eine geringe Rolle. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 433 In wachstumsorientierten Gründungsunternehmen erscheint aufgrund des expansiven Wachstums ein schneller Aufbau von professionellen Managementstrukturen notwendig. Gründer müssen sich von umsetzungsorientierten „Machern“ zu führungsorientierten „Organisatoren“ entwickeln. Während zu Beginn einer Unternehmensgründung zunächst Umsetzungs- und Innovationskompetenzen in Form von Innovations- und Risikobereitschaft, Durchhaltevermögen, Kreativität sowie Begeisterungs- und Kontaktfähigkeit gefragt sind, um Produkt- und Verfahrensinnovationen zu realisieren, werden im Laufe der Unternehmensentwicklung zunehmend Führungs-, Fach- und Methodenkompetenzen wichtiger. In der Untersuchung wurde auch deutlich, dass nicht alle Kompetenzen bei jedem einzelnen Gründer liegen müssen. Defizite hinsichtlich fachlicher und systemorientierter Kompetenzen können als Teamkompetenzen durch komplementäre Fähigkeiten weiterer (Mit-)Gründer oder externer Personen ausgeglichen werden. Dagegen stellen führungs- und umsetzungsorientierte Kompetenzen Einzelkompetenzen dar, die als Grundlage für die Vernetzung der Teamkompetenzen bei jedem Gründer vorhanden sein sollten, um eine Unternehmensgründung erfolgreich realisieren zu können. Neben der Frage, welche Kompetenzen in der Gründungsphase vorhanden sein müssen, interessieren auch die Möglichkeiten bzw. Maßnahmen, mit denen fehlende oder ungenügend vorhandene Managementkompetenzen entwickelt werden können. Diese variieren sowohl nach Art der fehlenden Kompetenzen als auch in Bezug auf die jeweilige Gründungsphase. Während in frühen Gründungsphasen aufgrund der geringen (finanziellen) Ressourcenausstattung insbesondere Maßnahmen der Kompetenzförderung (Weiterbildung, Beratung und Coaching) sowie Maßnahmen der Integration interner Manager (Teamerweiterung und Einbindung von Kapitalgebern) Anwendung finden, kommt im Laufe der Unternehmensentwicklung zunehmend der Anstellung von externen Managern eine höhere Bedeutung zu. Phasenunabhängig stellt zudem das Outsourcing von betrieblichen Funktionen (Aufgabenerfüllung durch rechtlich selbständige Organisationen wie z.B. Steuerberater) eine geeignete Maßnahme zur Generierung von Kompetenzen dar. Nach der Ermittlung der Anforderungen an die Managementkompetenzen von Gründern erscheint im Weiteren interessant, inwieweit erfolgreiche Gründer bzw. Gründerteams in der Praxis tatsächlich auch über diese Kompetenzen verfügen. Dazu könnten die explorativ ermittelten Anforderungen im Rahmen einer Feldstudie in erfolgreichen Gründungsunternehmen weiter verifiziert werden. Zudem eröffnet sich die Frage, wie eine erfolgversprechende Kompetenzverteilung in Gründerteams aussehen könnte. 434 Personalforschung an Hochschulen Ulrike Kastler Einflüsse auf Bildungseinstellung und Bildungsverhalten in der Erwachsenenbildung, unter besonderer Berücksichtigung des sozialen Kontextes* Betreuer: 1. Prof. Dr. Werner Fröhlich, Donau-Universität Krems Fragestellung, Problemhinführung „Weiterbildung“ ist in ihrer Bedeutung mittlerweile unumstritten. Sie vermittelt das Rüstzeug, um in einer dynamischen, von Globalisierung und immer rascheren Innovationszyklen geprägten Welt zu bestehen. Lebenslanges Lernen hat sich daher als ein unverzichtbares Mittel für die Konkurrenzfähigkeit am Arbeitsmarkt oder – anders ausgedrückt – dafür, den Mitbewerbern immer eine Nasenlänge voraus zu sein, erwiesen. Bei allem (hypothetischen) Wissen um die Wichtigkeit von Fortbildung drängt sich aber eine Frage auf: Welches subjektive Weiterbildungsverhalten prägt jene Person, die diese tatsächlich für sich realisiert? Weit unklarer als die Tatsache, dass Schulungsmaßnahmen ergriffen werden (müssen), ist nämlich, warum diese im Einzelfall tatsächlich ergriffen werden, welche Sorgen, Befürchtungen, aber auch Erwartungen und Hoffnungen diesen vorangehen. Und nicht minder spannend ist die Frage, wie der eingeschlagene Bildungsweg letztlich durch den Teilnehmer verarbeitet wird. (Bestehen Hürden wie Prüfungsangst, Lernschwächen? Inwiefern motiviert das Lernumfeld den individuellen Bildungsfortgang?) In diesem Zusammenhang gilt es auf ein Manko in der existierenden Weiterbildungsliteratur hinzuweisen: Kaum ein empirischer Forschungsbeitrag beschäftigt sich mit sozialen Interaktionen (Berufsumfeld, Familie), die aber zweifellos – wie sich in der Weiterbildungsarbeit immer wieder bestätigte – in wechselseitigem Verhältnis zum Weiterbildungsbesuch stehen. Insbesondere die Familie versteht sich als ein Bindeglied zwischen dem Leben des Einzelnen und den Einwirkungen durch die Umwelt, bildlich gesprochen verkörpert sie eine „Bühne“, auf der sich übergreifende Prozesse und Ereignisse abspielen. Die zugrunde liegende Arbeit bemühte sich nun um eine lebensnahe Schilderung des individuellen Bildungsverhaltens und darüber hinaus um eine ebenso wirklichkeitsgetreue Abbildung der Rolle des sozialen Kontextes. Insbesondere der Konnex * Die Dissertation wird als überarbeitete Fassung unter dem Titel „Weiterbildung im sozialen Kontext. Eine empirische Studie zu fortbildungsbedingten Implikationen innerhalb der Familie“ in der Edition Donau-Universität Krems als Band Nr. 4 der Reihe “Studies in Lifelong Learning“ im Frühjahr 2004 erscheinen. Kontaktaufnahme mit der Autorin unter [email protected]. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 435 der beiden Themengebiete Weiterbildung und Familie konnte durch umfangreiche qualitative Studien gut herausgearbeitet werden. 2. Theoretische Basis Der Bildungsweg wurde als psychosozialer Prozess – quasi von Entscheidungsphase bis zu abschließendem Kursrückblick – in den Rahmen motivations- und volitionstheoretischer Erkenntnisse eingeflochten. Als wissenschaftliches Fundament diente das Konzept der „Kritischen Lebensereignisse“, dessen Kernaussage sich wie folgt formulieren lässt: Wird in den kognitiven Strukturen des Betroffenen eine Disharmonie verursacht, zeichnet ein kritisches Moment dafür verantwortlich. Im Weiterbildungskontext bestünde eine „kritische“ Wirkung beispielsweise in einer Inkonsistenz von intrapersonal gewollter und (beruflich oder gesellschaftlich) erwünschter Bildungsbetätigung. Die Konsequenz dieser Dissonanz ist eine so genannte „Spannung“, ein erhöhter Stresszustand, der unter Mitwirkung externer Unterstützung (z.B. durch die Familie) wieder zu reduzieren versucht wird. Ursprünglich aus der Medizin entstanden, hat dieses Modell mittlerweile große Verbreitung in der Anwendung auf psychologisch-soziologische Lebenssituationen gefunden. Es ist daher auch für die Erklärung des Weiterbildungskontextes im familiären Umfeld besonders gut geeignet: Die Familie versteht sich einerseits als Träger eines konfliktbehafteten Ereignisses, andererseits wirkt sie in ihrer Reaktion unterstützend auf den Partner ein. 3. Untersuchungsdesign Aufgrund der eingangs formulierten Fragestellung ist eine Methodentriangulation naheliegend. Die durchleuchteten Kriterien beinhalten nur zum Teil quantifizierbare Tatbestände (z.B. im Bereich „Familie“) oder entziehen sich aufgrund fehlender Skaleneigenschaften einer Auswertung mittels Inferenzstatistik. Es wurde daher neben quantitativen auf qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung zurückgegriffen, die in Teilbereichen eine bessere Abbildung des Forschungsgegenstandes erlauben. Es ergibt sich somit eine Kombination von quantitativen und qualitativen Verfahren mit dem Bestreben, zu einer Theorieentwicklung und Hypothesengenerierung zu gelangen. Zur Datengewinnung kamen im Wesentlichen zwei Instrumente (Fragebogen, qualitatives Interview) zur Anwendung, wobei eine roulierende Modifikation im Hinblick auf entstehende, bis dato noch nicht erfasste Forschungsfragen sinnvoll erschien. Die Datenauswertung erfolgte zum einen computergestützt (Fragebogenerhebung), zum anderen mittels qualitativer Inhaltsanalyse nach Mayring. Als Probanden wurden ausschließlich Studierende der Donau-Universität Krems herangezogen. Der enge Kontakt zu den Studierenden erwies sich vor allem in der Interviewsituation als unersetzliche Hilfestellung. Durch das persönliche Verhältnis konnte der äußerst sensible Bereich „Familie“ nicht nur behutsam aufgerollt, sondern dank der bereitwilligen Auskünfte auch mit reichhaltigem Datenmaterial unterlegt werden. 436 4. Personalforschung an Hochschulen Ergebnisse Themenkreis „Intrapersonale Bildungsbewältigung“ Aus Sicht der Bildungskandidaten war zunächst zwischen spannungsbedingten und spannungsunabhängigen Konsequenzen zu unterscheiden. Die Analyse der erhobenen Daten ließ erkennen, dass der überwiegende Teil der Befragten keiner oder nur äußerst mäßiger Spannung unterlag. Anders ausgedrückt: Nur eine kleine Minderheit sah sich mit einem erhöhten Stresszustand konfrontiert, der eindeutig dem Ereignis „Weiterbildung“ bzw. den in Frage gestellten kognitiven Denkstrukturen zuzurechnen war. Für 8 von 10 Probanden war „Weiterbildung“ offenbar im Weltbild integriert; der befürchtete „Bildungsschock“ blieb aus. Sofern aber Spannung konstatiert wurde, zeichnete nicht nur die Fortbildung per se, sondern der unternehmerische Entscheidungsprozess (= „Befehl“ von oben, die Weiterbildung besuchen zu müssen) dafür verantwortlich. Somit ließen sich zwei kritische Ereignisse identifizieren: Weiterbildung auf der einen, der Unternehmensbeschluss auf der anderen Seite. Es zeigte sich weiters, dass Letzterer in höherem Maße eine diagnostizierte Inkonsistenz verursachte. Spannungsunabhängige, negative Faktoren traten in Form von Prüfungsstress und unzureichendem Lernverhalten in Erscheinung. Als wesentliche Pluspunkte konnten hingegen die Aspekte „Selbstbestätigung“ sowie „beruflich-materielle Hoffnungen“ (Karriere, Einkommen) identifiziert werden. Themenkreis „Familie“ Wie erwartet, wurden individuelle, weiterbildungsbedingte Befindlichkeiten auf der Seite der Studierenden zu allererst am familiären Schauplatz ausgetragen. Dies betraf sowohl spannungsabhängige als auch -unabhängige Effekte. Geortet wurden innerfamiliäre Auswirkungen auf mehreren Ebenen: zeitlich (oftmalige Abwesenheit, Zeitaufwand für Lernen vermindert Familienzeit) emotional (negativ – Gereiztheit, Überlastung des Partners durch Erziehungsaufgaben; positiv – Kommunikation, Alternativinteressen gesteigerte Beziehungsintensität) materiell (Hoffnung auf zukünftige Steigerung des Familieneinkommens) intellektuell (Bereicherung der Kommunikation um Fachthemen) Während der größte Malus in der Partnerschaft dem knappen Zeitbudget zufiel, betraf das positive Pendant die emotionale Dimension. Diese ging – genauso überraschend wie eindeutig – als „overall winner“ des Weiterbildungsbesuches hervor. Zwar wurden mehrere Faktoren identifiziert, die die partnerschaftliche Stimmung positiv beeinflussten, am häufigsten genannt wurden jedoch die Stichworte „Kommunikation“ und „Alternative Interessen“: Durch die Erlebnisse im Kurs (egal ob fachlicher oder anekdotischer Natur) gab es in der – von Alltagsgesprächen dominierten – Partnerschaft wieder Neues zu berichten, was von beiden Beteiligten als überaus er- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 437 frischend empfunden wurde. Viel gewichtiger erwies sich jedoch noch der Einfluss der „alternativen Interessen“ als Sammelbegriff für die Möglichkeit des Partners, sich frei und ohne schlechtes Gewissen den eigenen Interessen zu widmen. Insbesondere Frauen neigen dazu, ihre Aktivitäten ausschließlich auf Kind und Ehemann auszurichten. Ein (zwangsweise auferlegter) Freiraum – bedingt durch die Abwesenheit des Partners – eröffnete ihnen nun die Chance, längst vergessene Hobbys wieder aufleben zu lassen, befreit dem Shopping nachzugehen oder einfach nur Müßiggang zu betreiben. Ganz augenscheinlich förderte der Weiterbildungsbesuch also in doppelter Weise die persönliche Entfaltung: Zum einen in Bezug auf den Studierenden (vgl. oben), zum anderen hinsichtlich des zu Hause verweilenden Partners. Diese beidseitige „Orientierung am Ich“ entpuppte sich als Balsam für die eigene Seele und wirkte in weiterer Folge auch befruchtend für die Zweisamkeit. Obwohl im Verhältnis zum Kind insgesamt weniger starke Effekte nachgewiesen werden konnten, gilt es die reziproke Wirkung der Weiterbildung hervorzuheben. Während vom Kind – allein durch seine Präsenz – eine ungeheure Kraftquelle auszugehen schien, die dem Vater/der Mutter die anstrengende Lehrgangssituation erleichterte, bewirkte der studierende Elternteil umgekehrt einen Einstellungstransfer. „Weiterbildung ist wichtig und gehört zum Leben dazu“ lautete die Botschaft, die dem Nachwuchs implizit mitgegeben wurde. Von negativen Auswirkungen des Studiums auf das Kind, wie sie in der partnerschaftlichen Beziehung zu vernehmen waren, wurde hingegen nur vereinzelt berichtet. Vielmehr wurde ganz bewusst versucht, Sohn und Tochter nicht in Mitleidenschaft zu ziehen. Fazit: Der Partner musste oftmals als „Blitzableiter“ während des Weiterbildungsbesuches fungieren, konnte allerdings auch den größeren Nutzen für sich und die Partnerschaft verzeichnen. Im Vergleich dazu wurde nur eine bescheidene – jedoch fast immer positive – Auswirkung auf die Kinder registriert. Themenkreis „Beruf“ Der Einfluss des Unternehmens war oftmals problematisch: Mitarbeiter wurden, freilich in bester Absicht (zwecks Qualifikationserwerb), zum Weiterbildungsbesuch entsandt; die Art und Weise, wie die Auswahl der geeigneten Kandidaten erfolgte, erwies sich jedoch mehrfach als misslungen. Nicht wenige der „geförderten“ Mitarbeiter waren mit dem Prozedere der Unternehmensentscheidung nicht einverstanden und daher von Anfang an spannungsbehaftet. Es konnte eindeutig belegt werden, dass diese Spannung wiederum – besonders in den Bereichen „Familie“ und „Intrapersonale Lehrgangsbewältigung“ – die Abfolge der o.a. belastenden Ereignisse zu verantworten hatte. Heikel war die berufliche Situation auch während der Weiterbildungsteilnahme. So konnte dokumentiert werden, dass die Zeitknappheit im Beruf, der Erfolgsdruck, dem die studierenden Mitarbeiter ausgesetzt sind, und 438 Personalforschung an Hochschulen Beschwerden der Kollegen im Unternehmen (aufgrund der Mehrbelastung, die ihnen durch die Abwesenheit des Studierenden zufiel) die Hauptschuld an einem diagnostizierten Belastungszustand tragen. 5. Resümee Als Quintessenz der Arbeit ist die Verzahnung von Weiterbildung und Familie zu unterstreichen: Weiterbildung hinterlässt durchwegs eine positive Bilanz, sowohl was das Verhältnis zum Partner als auch das zum Kind anbelangt. Ich betrachte es als ein wichtiges Ergebnis der vorliegenden Arbeit, diesen Effekt empirisch nachgewiesen zu haben. Vielleicht wurde damit ein Beitrag geleistet, um diesbezügliche Sorgen der Studierenden (und deren Familien) zu zerstreuen und sich etwas befreiter auf das Weiterbildungsvorhaben einzulassen. Denn dieses versteht sich offenbar nicht nur als Antrieb für den beruflichen Fortgang, sondern ebenso als Gelegenheit, neuen Schwung in das Privatleben zu bringen. Cornelia Martin Interkulturelle Kompetenzen und deren Vermittelbarkeit durch Repatriates* Betreuer: 1. Prof. Dr. Dres. h.c. Eduard Gaugler, Universität Mannheim Fragestellung der Untersuchung In Unternehmen mit einem hohen Anteil an internationalen Aktivitäten und daraus bedingten Auslandsentsendungen besteht ein Bedarf an Vorbereitungsmaßnahmen im Vorfeld einer Entsendung. Im Kern zielen diese Bemühungen auf die Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen zur Erleichterung der Interaktion mit fremdkulturell geprägten Geschäftspartnern ab, um eine erfolgreiche Auslandstätigkeit bei dem für die Auslandentsendung vorgesehenen Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen. Gleichzeitig besteht durch zurückgekehrte Auslandsentsandte eine unternehmensinterne Humanressource bei der bedingt durch ihren Auslandsaufenthalt und ihre Bewährung im fremdkulturellen Umfeld die Grundannahme des Erwerbs interkultureller Kompetenzen vorliegt. * Cornelia Martin: Interkulturelle Kompetenzen und deren Vermittelbarkeit durch Repatriates. Profession. Wissenschaftsedition im Rainer Hampp Verlag, Folge 33, ISBN 3-87988-568-0, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2001, 280 S., € 29,65. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 439 Der Ausgangspunkt der Untersuchung besteht darin, die beiden Aspekte internationalen Personalmanagements – Nachfrage und Angebot an interkulturellen Kompetenzen – zusammenzubringen und zu untersuchen, ob und inwieweit reintegrierte Führungskräfte als Ressource zur Bedarfsdeckung dieser spezifischen Qualifizierungsanforderungen einsetzbar sind. Im Mittelpunkt steht damit die Erörterung der Eignung von Repatriates zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen.. Zur Absicherung dieser Fragestellung wurde in einer hinführenden Befragung international agierender Unternehmen erkannt, dass der Themenaspekt des Repatriates als Trainer derzeit kaum Einsatz findet und ein Untersuchungsdefizit vorliegt. 2. Vorgehen Als theoretische Basis für die praxisorientierte Untersuchung dient die Erörterung des Qualifikationsbegriffs „interkulturelle Kompetenzen“ im Unternehmenskontext, fundierend auf dem Kulturbegriff und den Ergebnissen der kulturvergleichenden Managementforschung. Eine Differenzierung in kulturübergreifende, länderkulturspezifische und tätigkeitsabhängige Qualifikationselemente als Einzelcluster des komplexen Qualifikationskonstrukts ermöglicht durch die Heranziehung der didaktischen Dimensionen eine Bewertung der einzelnen Qualifikationsbestandteile. Die hinsichtlich ihrer Vermittelbarkeit bewerteten Einzelaspekte der interkulturellen Kompetenzen sowie ein entwickeltes generelles Anforderungsprofils für Trainer in Vorbereitungsmaßnahmen für Auslandsentsendungen bilden das konzeptionelle Grundgerüst für die Untersuchung der Verwertbarkeit von Repatriates zur Vorbereitung von Mitarbeitern auf Auslandseinsätze. Dabei wird diskutiert, inwieweit Repatriates den formalen Anforderungen der betrieblichen Vermittlungspraxis genügen und welche Erfordernisse an die Vermittlungssituation bestehen, damit eine Einsatzeignung des Repatriates zu erwarten ist. Der zentrale Diskussionspunkt der inhaltlichen Eignungsuntersuchung orientiert sich dabei an der Fragestellung, inwieweit verschiedene Typen von Repatriates während ihrer vorgelagerten Entsendung interkulturelle Kompetenzen erwerben konnten. Interkulturelles Lernen während des Auslandseinsatzes wird dabei über das Beziehungsgeflecht der exogenen und endogenen Determinanten der Person des Repatriates, des Unternehmens sowie der Gastlandskultur untersucht. Durch die Untersuchung von Qualifizierungsmethoden zur Vermittlung interkultureller Kompetenzen, die sich hinsichtlich ihrer didaktischen Zugehörigkeit bzw. ihrer inhaltlichen Ausrichtung und deren Gestaltungsbedingungen unterscheiden, werden jeweils Einsatzmöglichkeiten der Repatriates in den Phasen der Vorbereitung und Durchführung der Qualifizierungsmaßnahmen herausgearbeitet und bewertet. Hierbei sind Zielsetzung und Inhalte sowie Zielgruppe der interkulturellen Vorbereitungsmaßnahmen maßgeblich zur Entscheidung der Einsatzbefähigung des Repatriates, wobei unterschiedliche Anforderungen geprüft werden, die durch die Ausgestaltungsmöglichkeiten des Trainings und die vorgesehene Rolle des Repatriates entstehen. 440 Personalforschung an Hochschulen Gestützt und an der praxisrelevanten Realität gemessen wird das theoretische Konstrukt durch eine explorative Studie mit 41 Probanden aus dem Segment großer, international tätiger Unternehmen in Deutschland. 3. Ergebnisse Der vielgestaltige und amorphe Begriff der interkulturellen Kompetenzen erfährt eine Konkretisierung und Systematisierung, welche einen Bezugsrahmen für weiterführende Fragestellungen generiert. Weiterhin werden relevante Parameter herausgearbeitet, die Einfluss nehmen auf den Erwerb und Ausbildung interkultureller Kompetenzen. Auf Grundlage des entwickelten Modells interkultureller Kompetenzen werden Empfehlungen zur Strukturierung von Methoden interkulturellen Trainings entwickelt. Weiterhin liefert das Modell einen Orientierungsrahmen für die Durchführung interkultureller Trainingsmaßnahmen, bei welchem Repatriates zum Einsatz gelangen. Das entwickelte Modell kann dazu dienen, Entscheidungssituationen zur Auswahl von Repatriates sowie zur Beurteilung deren spezifischer Eignung und Einsatzmöglichkeiten im didaktischen Vermittlungsprozess interkultureller Kompetenzen zu strukturieren. Birgit Renzl Wissensbasierte Interaktion – Selbst-evolvierende Wissensströme in Unternehmen* Betreuer: 1. Prof. Dipl.-Ing. Dr. Hans H. Hinterhuber Problemstellung und theoretischer Hintergrund Die Errungenschaften der Informations- und Kommunikationstechnologie ebneten den Weg für die Wissensgesellschaft und üben einen maßgeblichen Einfluss auf die Unternehmensumwelt aus. Die Technik bietet die Möglichkeit, Grenzen in Bezug auf Raum, Zeit und Geschwindigkeit zu überwinden. Eine immer größer werdende Menge von Daten und Informationen kann in immer kürzen Zeitabständen verarbeitet werden. Die menschliche Informationsverarbeitungskapazität ist beschränkt. Es gilt, aus der Flut an Informationen, die tagtäglich auf ein Unternehmen hereinstürzt, das Relevante herauszufiltern, dieses zu verarbeiten, in die Produkte und Leistungen einfließen zu lassen und neues Wissen zu kreieren. * Renzl, Birgit: Wissensbasierte Interaktion – Selbst-evolvierende Wissensströme in Unternehmen, erschienen in der Reihe Strategisches Kompetenzmanagement, DUV, Wiesbaden 2003, 263 S., € 49,90. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 441 Wissen stellt eine Quelle von Wettbewerbvorteilen für Unternehmen dar, insbesondere aus ressourcenorientierter Perspektive, die sich in der Diskussion der strategischen Unternehmensführung etabliert hat. Innerhalb des ressourcenorientierten Ansatzes ist die Performance eines Unternehmens nicht primär abhängig vom Marktverhalten und der Marktstruktur, sondern von den unternehmenseigenen, besonderen Leistungspotenzialen. Im Vordergrund stehen daher Aufbau und Kultivierung der Ressourcen einer Organisation. Dabei nimmt die Ressource Wissen eine Sonderstellung ein und bildet die Grundlage für eine wissensorientierte Perspektive. Demzufolge vermögen Unternehmen durch einzigartige Fähigkeiten und Fertigkeiten Wettbewerbsvorteile gegenüber den Mitbewerbern zu generieren. Unternehmensindividuelle Kompetenzen basieren auf Wissen, das in der Organisation zirkuliert. Aufgabe der Organisation ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die einen optimalen Wissensfluss innerhalb des Unternehmens ermöglichen und fördern. Im Umgang mit der Ressource Wissen sind dessen spezifische Charakteristika zu berücksichtigen. Wissen umfasst zwei komplementäre Dimensionen, einen expliziten und einen impliziten Anteil. Explizites Wissen ist formalisier- und artikulierbar, stellt jedoch nur die Spitze des Eisberges des gesamten Wissensvolumens dar. Implizites Wissen wird oftmals über persönliche Erfahrungen erlangt, ist häufig unbewusst und stellt das Fundament, die Wissensbasis dar. Durch die Interaktion zwischen implizitem und explizitem Wissen mehrer Individuen bzw. Gruppen von Personen entsteht neues Wissen. Eine weitere Unterscheidung ist jene in individuelles und kollektives Wissen. Wettbewerbsvorteile entstehen durch die Organisation des kollektiven Wissens. Kollektives Wissen ist eine Mischung aus explizitem und verborgenem Wissen, es ist in ein Netz von Beziehungen so eingebettet, dass man es nicht in Einzelteile zerlegen und als solche imitieren oder erwerben kann. Die Übermittlung von Wissen im Unternehmen wird durch diese Kontextgebundenheit erschwert. Diesem Umstand wird in der Literatur nicht ausreichend Rechnung getragen. Die erste zentrale Forschungsfrage lautet daher: „Wie kann Wissen vor allem dessen implizite Dimension innerhalb der Organisation transformiert, i.e. ausgetauscht und weiterentwickelt werden?“ Wissen wird nicht als objektiv gegebener Inputfaktor verstanden, sondern wird in den Prozessen der Interaktion konstruiert. Wissen entsteht durch das Zusammenspiel zwischen den beteiligten Personen. Dieses Zusammenspiel ist abhängig vom zugrunde liegenden Kommunikationsprozess, wie sich die Individuen untereinander verständigen und ihre Ideen erklären können, wie sie Informationen selektieren und interpretieren. Bereits vorhandenes Wissen wird in den Prozessen der Interaktion zwischen den Organisationsmitgliedern ausgetauscht und weiterentwickelt, sodass Wissen transformiert wird und neues Wissen entsteht. Es besteht allerdings Unklarheit über den Ablauf der zugrunde liegenden Prozesse. Daraus ergibt sich die zweite Forschungsfrage: „Welche Faktoren beeinflussen die Prozesse der wissensbasierten Interaktion?“ 442 Personalforschung an Hochschulen In den Interaktionsprozessen handeln die Individuen gemäß ihrer kognitiven Konstrukte oder mentalen Modelle. Diese Denk- und Verhaltensmuster, die Selektion und Interpretation von Informationen beeinflussen und handlungsleitend wirken, sind zumeist unbewusst und dennoch von entscheidendem Einfluss auf die Wissenstransformation. Faktoren, die menschliches Verhalten beeinflussen, rücken dabei ins Zentrum des Interesses. Entscheidend für die Transformation von implizitem Wissen sind Intuition, Fingerspitzengefühl und emotionale Befähigung – typisch menschliche Eigenschaften bei denen die technischen Errungenschaften an ihre Grenzen stoßen. Diese Prozesse finden in der Literatur zur Wissensorganisation jedoch kaum Berücksichtigung. Die dritte zentrale Forschungsfrage heißt daher: „Wie können die Prozesse der wissensbasierten Interaktion beeinflusst werden, um die Entwicklung von selbst-evolvierenden Wissensströmen im Unternehmen zu ermöglichen?“ 2. Aufbau der Arbeit und empirische Vorgehensweise Wissen in Organisationen wird in der vorliegenden Arbeit auf der Grundlage einer konstruktivistischen Definition des Wissensbegriffs bearbeitet. Dies stellt für das Management von Wissen eine neue Herausforderung dar. Es gilt, etwas Unbekanntes, nicht Greifbares zu organisieren, zu steuern und zielgerichtet zu lenken. Dabei steht der wichtigste Einflussfaktor, das Individuum und sein Verhalten bei der Wissenstransformation, im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die Prozesse der wissensbasierten Interaktion stellen die zentrale Analyseebene dieser Arbeit dar. Im Vordergrund stehen Art und Ablauf der Interaktionsprozesse, die von den mentalen Modellen und kognitiven Konstrukten der handelnden Akteure beeinflusst werden. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist der ressourcenorientierte Ansatz und die besondere Rolle der intangiblen Ressourcen. Es wird auf die besonderen Charakteristika von Wissen und die daraus abgeleiteten Anforderungen für Wissen in Organisationen hingewiesen. Die Bedeutung der impliziten Wissensdimension wird dargelegt und gezeigt, dass Wissen immer aus den beiden komplementären Anteilen des expliziten und impliziten Wissens besteht, und wie diese beiden Dimensionen zusammenwirken. Wissen stellt sich als ein Prozess dar, indem bewusst oder unbewusst unterschiedliche Aspekte des Wissens zu einem kohärenten Ganzen integriert werden. Das bedeutet, dass Wissen nicht als statisches Objekt erachtet wird, sondern der dynamische Prozess des Wissens im Vordergrund steht, der immer auf eine konkrete Situation oder Problemstellung bezogen ist. Wissen ist mit der konkreten Problemstellung der wissenden Personen verknüpft und wird innerhalb des sozialen Gefüges konstruiert. Darauf aufbauend werden die Prozesse der Wissenstransformation, wie Wissen ausgetauscht und weiterentwickelt wird, näher betrachtet. Dabei zeigt sich, dass die Prozesse der Interaktion der beteiligten Personen von zentraler Bedeutung für die Wissenstransformation sind. Die wissensbasierte Interaktion stellt den Mittelpunkt der Wissensprozesse dar. Es wird daher die Interaktion thematisiert und auf den Ein- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 443 fluss der kognitiven Strukturen der beteiligten Personen hingewiesen. Es werden sieben Thesen formuliert und die damit verbundenen Implikationen für die Organisation von Wissen in Unternehmen abgeleitet. Die Thesen stellen eine Zusammenfassung jener kritischen Faktoren dar, die es auf dem Weg zu selbst-evolvierenden Wissensströmen zu berücksichtigen gilt. In der empirischen Analyse wird eine konstruktivistische Annäherung an die Thematik gewählt und Fallstudien durchgeführt. Aufbauend auf die Methode des Cognitive Mapping wird eine Vorgehensweise konzipiert, die durch die Intervention in die Prozesse der wissensbasierten Interaktion Möglichkeiten der Kultivierung der Ressource Wissen bietet und selbst-evolvierende Wissensströme in Unternehmen anregt. Claudia Thielmann-Holzmayer Die interne Bildung von Personalvermögen durch integratives Personalentwicklungsmarketing: Theoretische Begründung und konzeptionelle Bedingungen zur Übertragung des Marketings auf die Personalentwicklung als personalwirtschaftliche Aufgabe* Betreuer: 1. Univ.-Prof. Dr. Dr. Gerhard E. Ortner, FernUniversität Hagen Problemstellung und Zielsetzung Der unternehmerische Erfolg hängt entscheidend von der zielgerichteten Nutzung geeigneter Qualifikationen und Motivationen der Mitarbeiter, ihren individuellen Personalvermögen, ab. Dem Bilden und Bereitstellen der für den unternehmerischen Leistungserstellungsprozess benötigten und oftmals knappen Personalvermögen kommt so im betriebswirtschaftlichen Kontext eine große Bedeutung zu. Hierdurch lässt sich Personalentwicklung als eine wichtige personalwirtschaftliche Teilaufgabe zur möglichst optimalen unternehmensinternen Bildung von Personalvermögen begründen. Dieser wissenschaftlichen Arbeit liegt aufbauend auf diesem Verständnis ein streng betriebswirtschaftliches Erkenntnisinteresse, bezogen auf das Erfahrungsobjekt „Personal“, zugrunde. Ein solches unterlag in der Vergangenheit vielerlei Kritik und ist auch bislang in Theorie und Praxis noch nicht ohne Vorbehalte * Claudia Thielmann-Holzmayer: Interne Bildung von Personalvermögen durch integratives Personalentwicklungsmarketing, ISBN 3-8244-7722-X, Deutscher Universitäts-Verlag GmbH (DUV), Reihe GABLER Edition Wissenschaft, Wiesbaden 2002, € 54,90. 444 Personalforschung an Hochschulen legitimiert. Dieses hängt auch damit zusammen, dass es lange Zeit an einem operationalen Ansatz für die Personalwirtschaft im Allgemeinen und die Personalentwicklung im Besonderen fehlte, der ein Wirtschaften im marktorientierten Verständnis ermöglicht, nach welchem Unternehmen und Mitarbeiter als Tauschpartner interpretiert und ihre Tauschgüter eindeutig bestimmt werden können. Die Autorin unternimmt es daher in ihrer Arbeit, zwei aktuelle Topoi der gegenwärtigen Personaltheoriediskussion auf ihre Eignung als Theoreme einer Personalwirtschaftslehre i. e. S. zu überprüfen. Die beiden von ihr hierfür ausgewählten komplexen Themenbereiche sind „Personalentwicklung“ einerseits sowie „Personalmarketing“ andererseits. Das Ziel besteht darin, auf theoretischer Ebene einen Ansatz einer operationalen marktorientierten Personalwirtschaft(-slehre) speziell für den Teilbereich der Personalentwicklung herzuleiten und zu begründen. Daran anknüpfend wird der Frage nachgegangen, ob Marketing zur unternehmenszielbezogenen, möglichst optimalen Gestaltung und Steuerung der Bildung benötigter Qualifikationen und Motivationen von Mitarbeitern beitragen kann. Hierzu werden aus personalwirtschaftlicher Sicht konzeptionelle Bedingungen für ein integratives Personalentwicklungsmarketing formuliert. 2. Theoretische Basis Die Bearbeitung des Themas erfolgt insgesamt im Rahmen einer umfangreichen wissenschaftlichen Literaturarbeit. Die Arbeit basiert auf dem von Ortner begründeten PersonalvermögensKonzept, welches das Verfolgen eines streng personalwirtschaftlichen Erkenntnisinteresses unter Zugrundelegung einer Marktorientierung ermöglicht, losgelöst von anthropologischen, ethischen oder sonstigen Vorbehalten. Es erweist sich daher sowohl für die personalwirtschaftliche Theorie(-bildung) als auch für die personalwirtschaftliche Praxis als operational. Die sich anschließende Konzeption eines integrativen Personalentwicklungsmarketing knüpft an die Marketing-Konzeption nach Becker an und bezieht ferner Aspekte des Personalmarketing, des (Weiter-)Bildungsmarketing sowie des internen Marketing mit ein. 3. Inhaltliches Vorgehen Ausgehend von der grundlegenden Annahme, dass bestimmte individuelle Qualifikationen und Motivationen der Mitarbeiter ein wichtiges und in bestimmten Wirtschaftsbereichen zunehmend knapper werdendes Gut bzw. einen zentralen (Produktions-)Faktor im unternehmerischen Leistungserstellungsprozess zur Erreichung der jeweilig verfolgten Unternehmensziele darstellen, wird – aufbauend auf dem Personalvermögens-Konzept – ein streng personalwirtschaftliches Erkenntnisinteresse abgeleitet. Die personalwirtschaftliche Aufgabe wird als zielgerichtete Bereitstellung benötigter und knapper Qualifikationen und Motivationen für den unternehmerischen Leistungserstellungsprozess unter Berücksichtigung des ökonomischen Denkens und Handelns auf Basis marktorientierter Tauschprozesse definiert. Sie wird hierdurch Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 445 von anderen, nicht streng ökonomischen Erkenntnisinteressen bezogen auf das Erfahrungsobjekt „Personal“ bzw. „personale Arbeit im Unternehmen“ abgegrenzt. Der von Ortner geprägte Begriff „Personalvermögen“ wird dazu ausführlich anderen in Theorie und Praxis gebräuchlichen Begriffen, wie „Human-/Arbeitskapital“ und „Human-/Arbeitsvermögen“, gegenübergestellt und in seiner Relevanz für die personalwirtschaftliche Erkenntnisgewinnung im marktorientierten Verständnis erläutert. Personalentwicklung wird als eine wichtige personalwirtschaftliche Aufgabe mit investivem Charakter betrachtet und themenbezogen vor dem Hintergrund des Personalvermögens-Konzeptes unter Berücksichtigung der Gesamtheitlichkeit erläutert. Aus diesem Verständnis leitet sich die in dieser Arbeit vorgenommene intensive Beschäftigung mit der gesamtheitlichen internen Personalvermögensbildung ab, die als bedarfs- und potentialorientierte, zielgerichtete Erschließung von individuellen Personalentwicklungsvermögen im Unternehmen unter ausgewogener Berücksichtigung von Unternehmens- und Mitarbeiterzielen verstanden wird. Im weiteren Verlauf wird der Frage nachgegangen, ob es plausibel ist, gesamtheitliche interne Personalvermögensbildung im Sinne von Austauschbeziehungen zu interpretieren. Es wird dazu ein Marktverständnis hergeleitet, nach welchen Beziehungen zwischen Unternehmen und Mitarbeitern als Kunden-LieferantenBeziehungen aufgefasst werden können. In diesem marktorientierten Zusammenhang werden Problembereiche herausgearbeitet, die Ungleichgewichtszustände im Rahmen der gesamtheitlichen internen Personalvermögensbildung begründen können. Daran anschließend wird analysiert, inwieweit es möglich und personalwirtschaftlich legitimierbar ist, zur Optimierung dieser personalvermögensbasierten Tauschbeziehungen Marketing einzusetzen. Nach Darstellung allgemeiner Charakteristika des Marketing werden das Personalmarketing, das (Weiter-)Bildungsmarketing sowie das interne Marketing, von denen jeweils ein enger Bezug zur internen Personalvermögensbildung durch Personalentwicklung angenommen wird, hinsichtlich ihrer Ziele aus personalwirtschaftlichem Erkenntnisinteresse vor dem Hintergrund des Personalvermögens-Konzeptes analysiert und bewertet. Als ein wichtiges Teilergebnis wird herausgearbeitet, dass diese Aspekte aufweisen, die durchaus zur Optimierung der internen Personalvermögensbildung genutzt werden können. Darauf aufbauend wird ein integratives Personalentwicklungsmarketing-Konzept entwickelt. Es wird gezeigt, dass es möglich ist, klassische Marketinginstrumente auf die, für ein integratives Personalentwicklungsmarketing charakteristische Absatz- und Beschaffungsorientierung zu übertragen und im personalwirtschaftlichen Verständnis zu gestalten. Von der Ziel- über die Strategieformulierung sowie dem Aufzeigen von Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich des Marketing-Mix bis hin zu einer personalwirtschaftlichen Bewertung wird eine in sich geschlossene, vollständige Marketingkonzeption entwickelt, von der ein positiver Beitrag zur mittel- bis langfristigen Optimierung der internen Personalvermögensbildung erwartet wird. 446 4. Personalforschung an Hochschulen Zusammenfassung und Ausblick Durch die in dieser wissenschaftlichen Arbeit zugrunde gelegte marktorientierte Perspektive im Zusammenhang mit personaler Arbeit im Unternehmen wird schlüssig begründet, dass Marketing zur unternehmenszielgerichteten Gestaltung und Steuerung der internen Bildung von Personalvermögen eingesetzt werden kann. Dieses marktorientierte, streng betriebswirtschaftliche Verständnis aufbauend auf dem Personalvermögens-Konzept wird von der Autorin als richtungsweisend betrachtet, um zukünftig der personalwirtschaftlichen Aufgabe, wie jeder anderen betriebwirtschaftlichen Aufgabe auch, erfolgreich und ohne Vorbehalte unter dem Primat ökonomischen Denkens und Handelns gerecht werden zu können. Erst hierdurch scheint es nach Ansicht der Autorin möglich, die Personalwirtschaft gleichberechtigt neben die übrigen betriebswirtschaftlichen Teilfunktionen treten zu lassen. Dieser Ansatz erlaubt es zudem, Mitarbeiter und Unternehmen als gleichberechtigte Vertragspartner zu interpretieren. Dieses ermöglicht eine moderne partnerschaftliche Betrachtung und Behandlung von Beziehungen zwischen Unternehmen und Mitarbeitern als KundenLieferanten-Beziehungen, was dem Gedanken einer modernen Dienstleistungswirtschaft entspricht. 5. Anreize und Kompensation Joachim Prinz Why Are Wages Upward Sloping with Tenure? An Empirical Test from the Professional Team Sports Industry Betreuer: 1. Prof. Dr. Bernd Frick, Universität Witten-Herdecke Introduction and Research Question Why is there a link between a worker’s wage and job seniority, and what is the role of productivity between this relation? During the past 40 years, several economists have worked out theories that explain this finding. Since Becker’s (1964) pioneering work on human capital investment, a multitude of alternative explanations have emulated Becker’s theory. Lazear’s (1981) delayed compensation and Jovanovic’s (1979a) matching approach are the most prominent of these competing theories. Generally, these researchers argue that workers with more job seniority earn more than other workers with identical years of total labor market experience and similar education. Thus, the upward-sloping and concave age-earnings profile as theorized, is one of the most stylized facts in modern labor economics. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 447 This finding is rather unspectacular, because intuitively it seems to be reasonable that workers’ wages are a function of the time spend in the labor market and in particular of the length devoted with one and the same employer. While this positive correlation is a commonly accepted result, a lot of controversial talk over the interpretation of the noticed association between earnings and tenure has grown up over the past two decades, as the authors derived their findings from very different assumptions. Even years before the emergence of the two rival theories, Mincer (1974) questioned the human capital model, if an empirical test would fail to show that wage growth correlates with productivity progress. The first of the countless studies which were to follow on that attempted to answer the question whether wages actually increase with productivity via tenure was Medoff/Abraham (1980,1981) who concluded that the human capital theory might not be adequate in explaining the upward-sloping age-earnings profile but instead the Lazear style model is more appropriate. Over time, progress has been made concerning the debate which researcher’s theory (or combination of theories) provides the best explanation for the positive wage-tenure relationship. In the mid 80’s Jovanovic’s matching model was favored while the other two alternatives were discredited. Two very influential papers, Abraham/Farber (1987) and Altonji/Shakotko (1987) concluded that wages slope upwards due to unobserved individual and match heterogeneity and not due to job seniority. In a subsequent work, Topel (1991) disproved these results and argued that when the formers’ econometric problems were solved for, findings were supportive of the human capital pattern. Altonji/Williams (1997) stroke back, reexamining and defending the Altonji/Shakotko findings from 1987. To date, there is still an ongoing empirical dispute, seeking to clarify the relationship between wages and tenure. Indeed, as noted by Felli/Harris (1996), this debate remains an open question in the empirical analysis of labor markets. While even the latest bulk of empirical work has tested whether or not one particular theory can indeed explain the upward-sloping age-earnings profile (see Neumark/Taubman (1995) and Azfar/Danninger (2001)) studies that aimed to discriminate between all three competing hypotheses has not been conducted yet. In this respect, previous empirical evidence is suggestive but inconclusive, because of the difficulties in measuring precisely and objectively individual worker productivity. The principal objective of this paper is to pave the road in order to gain a full understanding of the question which one theory provides the best explanation why wages increase with seniority. The fact, that empirical studies have not yet tackled the obvious question of checking all three major theories versus each other using data from one single industry with homogenous job characteristics is somewhat surprising. Due to this deficit, I believe that there is considerable room for improvement. Consequently, it’s time to breath new life into the puzzle that emerged more than 20 years ago. 448 2. Personalforschung an Hochschulen A Brief Review of the Theories The most recognized explanation of the wage-tenure profile is the theory of human capital. Generally, the theory suggests that the accumulation of skills and knowledge leads to an increase in productivity which, in turn leads to an increase in wages over the lifetime of a worker. The rising productivity is either due to firm-specific or general human capital aggregation. If on the one hand the investment in human capital is general it is productive in raising productivity at every firm by the same amount. Thus, the wage mimics productivity. If on the other hand the investment was made in specific human capital, the worker’s output will only increase in the present firm because it is useless in any other. As such, a worker’s wage profile is initially higher and after a certain (training) period lower than his productivity. Alternatively, the theory of incentive wage, which suggests that backloading payment is used as a worker discipline device. Workers are undercompensated early in their career but are motivated to work hard in order to stay with the firm and reap their due compensation that comes with longer tenure. This results because holding out payment until late in the individual’s lifetime alters the worker’s incentives to reduce his effort on the job. According to theory, incentive wages are most likely to be found where monitoring costs are high. As implicated above, human capital and incentive wage theories agree on the fact that earnings rise with additional tenure, but they differ in whether productivity rises faster or slower than does the wage, assuming performance rises at all. The matching story proposes that due to information asymmetries recently hired workers earn less than observationally similar employees whose performance is known to the employer. As the employer learns a worker’s „real“ productivity, he either lays him off or pays him a wage that reflects his true productivity. As the percentage of workers whose productivity is unknown to the employer decends over time, wages rise with tenure. Whether the effect of tenure on wages is substantial was questioned by several economists due to the problem of unobserved heterogeneity across individuals and across job matches in panel settings. Briefly, they stress that this problem causes upward biased estimates of the tenure coefficient in a traditional OLS specification, because of the likely correlation between tenure and unobserved individual and job match specific effects. In order to remedy this distortion it is necessary to purge the estimation via a procedure that employs a specific instrumental variable for tenure that is correlated with it, but has actually nothing to do with the error term. As a result, the estimation will produce consistent returns to tenure. Testing these competing theories empirically is difficult, because most often real productivity measures are simply not available. The analysis accounts for this setback. 3. Data, Models and Empirical Findings A unique database from a single professional sports industry, the National Basketball Association (NBA) is used to test the superiority of one model over others in explaining basketball players upward sloping age-earnings profiles. The data set is Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 449 drawn from two primary sources, the Sporting News Official NBA Register and the Sporting News Official NBA Guide. It consists of all players that appeared in at least one regular season game in any of the ten consecutive NBA-seasons 1990/911999/2000. The total number of observations is about 4.500, with some players being active in all ten seasons and others in only one of them. While player performance figures (games played, minutes, field goals, free throws, three points, rebounds, assists, blocks, turnovers, steals etc.) and individual characteristics (age, career duration, years with current team, draft number, participation in all star games and a player’s height) are available for all athletes, this is not the case for player salaries. This information is missing for approximately 3% of the population. As indicated, empirical support for one or the other theory is rather comme ci comme ça, because these investigations rely on proxies for worker productivity that are more or less accurate. Since the professional sports scene provides the relevant data, a reliable test of the various theories seems feasible. In an attempt to set a specification that tests the different theories, a traditional Mincer-type wage equation is used that tries to identify the determinants of player salaries via OLS regression analysis. More precisely in this equation, players’ log earnings is used as dependent variable, wheras the regressors such as human capital variables (experience and tenure), performance parameters and other controls try to explain the variance in players’ salaries. According to human capital, player wages are determined solely on the basis of productivity improvements through the acquisition of general and/or specific training. If this would be the case we would observe all coefficients in the wage equation except of the performance coefficients to be zero: Productivity equals earnings. Controversely, the shirkling-threat model, which forecasts a positive correlation between tenure and wage, independent of performance. Or more simply: The magnitude of the tenure effect in the wage equation should be materially reduced after plugging in performance statistics. However, if this is not being the case there exists an „isolated“ tenure effect which cannot be justified via productivity improvements. Bringing in matching theory complicates the analysis, due to the problem of individual and job match specific effects. Thus, a valid instrument for tenure is used that purges the equation from estimation errors. If job match specific effects do indeed play a substantial role in determining a player’s wage, wage growth is rather a function of match quality than a function of performance improvements as postulated by human capital through the accumulation of tenure. My prefered 2SLS overall model suggests that shirking and job matching theories in concert provide the best explanation for the upwards sloping age-earnings profiles of NBA players. Returns to tenure are found to be significant but it’s magnitude is reduced by 43%, when the spurious bias – stemming from OLS – is controlled for. The fact that tenure remains considerably large – unaffected of productivity – but is simultaneously substantially reduced due to job match specific effects, is in harmony with incentive and matching arguments. 450 4. Personalforschung an Hochschulen Final Thoughts The empirical findings refute to some extent the human capital model, a result that comes in rather surprisingly. While matching theory seems appealing it is not apparent why the shirking model holds to be true in an environment that is characterized by little monitoring costs. In this situation – which is most likely the case for NBA players – a piece rate compensation scheme a la Stiglitz (1975) would simply be employers’ best response. An explanation why this is not observed comes from Blass (1992) who argues that piecemeal contracting causes high transaction costs for employers and workers. Moreover, income „undiversified” players would not agree to such a compensation system due to it’s inherited risk that is in particular relevant in the world of sports. Thus, the best „compromise” between principal and agent is a deal that induces players to work hard and takes away some of the risk players are exposed to. This is elegantly achieved via a relatively flat but upwards gradient age-earnings profile. Lars Reichmann Entgeltflexibilisierung: Betriebswirtschaftliche und rechtliche Möglichkeiten an Beispielen der IT-Branche Betreuer: 1. Prof. Dr. Walter A. Oechsler, Universität Mannheim Problemhinführung Mit einer Flexibilisierung von Entgeltsystemen werden in erster Linier zwei Ziele verfolgt. Zum einen sollen Personalkosten in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens flexibilisiert werden und leistungsunabhängige Entgeltsteigerungen vermieden werden. Zum anderen sollen wirksamere Anreize zu Produktivitäts- und Qualitätssteigerungen gesetzt werden. Innerhalb der Diskussionen um eine Flexibilisierung von Entgelten, wie auch um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt, werden das deutsche Arbeitsrecht und insbesondere die bestehenden Tarifverträge immer wieder als Standortnachteile bezeichnet. Trotz der vielfach beklagten rechtlichen Probleme einer Flexibilisierung von Entgelten in Deutschland haben erste Untersuchungen jedoch auch gezeigt, dass es einigen Unternehmen durch innovative Entgeltsysteme auch innerhalb des gegenwärtigen rechtlichen Regelungsrahmens vergleichsweise gut ge- Diese Arbeit ist 2002 unter dem Titel „Entgeltflexibilisierung: Betriebswirtschaftliche und rechtliche Möglichkeiten an Beispielen der IT-Branche“ im Josef Eul Verlag erschienen. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 451 lingt, sich Flexibilisierungspotentiale im Entgeltbereich zu verschaffen, während andere Unternehmen die ihnen rechtlich zur Verfügung stehenden Spielräume nicht nutzen. Angesichts der von vielen Seiten beklagten mangelnden Flexibilität der Entgeltsysteme stellt sich somit die Frage, ob diese vornehmlich auf die beanstandeten rechtlichen Hemmnisse oder auf ein mangelhaftes Angebot geeigneter betriebswirtschaftlicher Lösungsansätze im Bereich der Entgeltgestaltung zurückzuführen ist. Weiterhin kann die mangelnde Flexibilität bestehender Entgeltsysteme auch auf eine ungenügende Nutzung des aus betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Sicht zur Verfügung stehenden Spielraums bei der flexiblen Gestaltung von Entgelten zurückzuführen sein. 2. Theoretischer Zugang der Untersuchung Um den Spielraum für eine Flexibilisierung von Entgelten und dessen Nutzung ermitteln zu können, bedarf es eines Analyserahmens, der neben den aus einem strategischen Human Resource Management erwachsenden Anforderungen und Einflussfaktoren auch weitere Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren auf die Flexibilisierung von Entgelten, insbesondere das im deutschen Kontext bedeutende System der industriellen Beziehungen, mit einbezieht. Als Ansatz für die Untersuchung dient eine modifizierte Form des aus der Industrial-Relations-Forschung stammenden Strategic-Choice-Ansatzes, mit dessen Hilfe sowohl die Handlungsoptionen für eine Flexibilisierung innerhalb des Systems der industriellen Beziehungen, als auch die aus der Wahl der Akteure resultierenden Flexibilitätswirkungen analysiert werden. 3. Untersuchungsdesign Ziel der Arbeit ist es, die bestehenden Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Entgelten in Deutschland aufzuzeigen und deren Nutzung in der Unternehmenspraxis kritisch zu hinterfragen. Entsprechend des gewählten konzeptionellen Rahmens werden zunächst die bestehenden rechtlichen Handlungsspielräume aufgezeigt, die den Akteuren innerhalb des Systems der industriellen Beziehungen grundsätzlich zur Verfügung stehen. Im nächsten Schritt werden den rechtlichen Spielräumen die in der Betriebswirtschaft, und hier im Speziellen der Personalwirtschaft, zum gegenwärtigen Zeitpunkt bestehenden Optionen für die Gestaltung von Entgeltsystemen gegenübergestellt. Basierend auf den aufgezeigten bestehenden rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Handlungsspielräumen wird deren Nutzung anhand der Untersuchung von Beispielen aus der Informations- und Kommunikationsbranche analysiert. 4. Die empirische Überprüfung Zur Untersuchung der Nutzung der theoretisch bestehenden Handlungsspielräume werden qualitative Fallstudien eingesetzt. Entsprechend des Strategic-ChoiceAnsatzes wird hierbei die Nutzung der bestehenden Handlungsspielräume unter Be- 452 Personalforschung an Hochschulen achtung der wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den betrachteten Unternehmen analysiert. Die Arbeit verzichtet mit Blick auf das komplexe und noch weitgehend unerforschte Feld der Entgeltflexibilisierung auf eine empirisch breit angelegte Untersuchung. Stattdessen werden vier Fallstudien mit explorativem Charakter durchgeführt, in denen insbesondere auf die Zusammenhänge zwischen bestehenden wirtschaftlichen Situationen der Unternehmen, den jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen und der Flexibilisierung von Entgelten eingegangen wird. Die Datenerhebung erfolgte aus Dokumenten wie Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen sowie über qualitative Interviews mit Personalverantwortlichen in den Unternehmen. 5. Zielerreichung Anhand des gewählten konzeptionellen Rahmens wurden zunächst die theoretischen rechtlichen und personalwirtschaftlichen Handlungsspielräume deutscher Unternehmen für eine Flexibilisierung von Entgelten herausgearbeitet. Anhand der Fallstudien wird deutlich, welche unterschiedlichen Strategien zur Flexibilisierung von Entgelten in der Praxis bestehen. Die Arbeit macht dabei deutlich, dass das Ausmaß der Flexibilisierung von Entgelten nicht generell durch arbeitsrechtliche Hemmnisse verhindert wird, sondern von komplexen Zusammenhängen von Faktoren innerhalb und außerhalb des Unternehmens bestimmt wird. Sie zeigt zudem beispielhaft verschiedenen Wege innerhalb des Systems der industriellen Beziehungen auf, wie Unternehmen zu einer Flexibilisierung von Entgelten gelangen können und macht deutlich, dass eine optimale Lösung stets nur durch auf die spezifische Situation des Unternehmens zugeschnittene Lösungen erreicht werden kann. 6. Resümee Innerhalb der Diskussion um eine Flexibilisierung von Entgelten wird das deutsche Arbeitsrecht immer wieder als Standortnachteil bezeichnet, da der durch die hohe Regelungsdichte des deutschen Systems der industriellen Beziehungen im internationalen Vergleich stark eingeschränkte Gestaltungsspielraum im Bereich des Personalmanagements die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen am Standort Deutschland einschränke. Aus theoretischer Sicht besteht jedoch sowohl aus juristischer als auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine Reihe von Möglichkeiten zur Flexibilisierung von Entgelten. Auf der faktischen Seite stehen den ungenutzten rechtlichen Möglichkeiten von den Unternehmen ausgehende Restriktionen gegenüber. Diese betreffen in erster Linie die Strategien, Werte und gewachsenen Strukturen in den Unternehmen. Aus diesen resultieren zum einen unterschiedliche Flexibilitätsbedarfe in den Unternehmen, zum anderen eine Einschränkung der sinnvollen Handlungsalternativen. Insbesondere zeigt sich hier, dass eine Flexibilisierung nicht um jeden Preis verfolgt wird. In ratio- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 453 nal begründeten Kalkülen wird hier häufig den guten Beziehungen zu Arbeitnehmervertretern auf betrieblicher und tariflicher Ebene der Vorzug gegenüber einer harten Flexibilisierungsstrategie gegeben, um ein angenehmes und produktivitätsförderndes Arbeitsklima zu gewährleisten. Für eine weitere Flexibilisierung von Entgelten besteht eine Reihe von Ansatzpunkten, die alle beteiligten Akteure betreffen können. Gewerkschaften und Betriebsräte können durch eine offenere Haltung zu flexiblen Entgelten eine verstärkte Nutzung flexibler Komponenten fördern. Die Rechtsprechung und die Gesetzgebung können durch eine Klärung unzureichend oder ungenau gelöster Probleme gerade bei einzelvertraglichen Flexibilisierungsinstrumenten deren Einsatz erleichtern. Die entscheidende Rolle bei einer weiteren Flexibilisierung müssen jedoch in jedem Fall die Unternehmen spielen. Nur wenn hier Flexibilisierungsstrategien mit entsprechendem Nachdruck verfolgt werden und bestehende Spielräume genutzt werden, kann eine Flexibilisierung erfolgreich vorangetrieben werden. Axel Schlinghoff Karriereanreize für deutsche und amerikanische Hochschullehrer – eine personalökonomische und empirische Untersuchung des langfristigen Forschungsoutputs Betreuerin: Prof. Dr. Uschi Backes-Gellner, Universität Zürich, vorher Universität zu Köln 1. Fragestellung Immer wieder hört man, dass das deutsche Hochschulsystem im internationalen Vergleich einen verhältnismäßig geringen Forschungsoutput hat. Wenn man Indikatoren wie Nobelpreise pro Einwohner, Veröffentlichung in internationalen Spitzenzeitschriften oder die Anzahl der erhaltenen Zitate betrachtet, so kann tatsächlich festgestellt werden, dass sich das deutsche Hochschulsystem bestenfalls im internationalen Mittelfeld der Rankings, an deren Spitze das US-amerikanische, das britische und kleinere europäische Hochschulsysteme stehen, bewegt. Ebenso fällt aber auf, dass der Abstand abnimmt, je breiter Forschungsoutput gemessen wird. Hiermit ist oft der Hinweis verbunden, dass deutsche Hochschullehrer insbesondere nach der ersten Berufung zu wenige Anreize hätten, um ihre Forschungsleistungen zu steigern. Vor der ersten Berufung stand bisher die Habilitation, die angeblich die Eigenständigkeit der Nachwuchswissenschaftler und damit das Ausschöpfen ihrer Produktivität behindern soll. Da auch im internationalen Vergleich kurzfristige explizite Anreize für Hochschullehrer wenig üblich sind, untersucht die vorliegende Arbeit die Anreize, 454 Personalforschung an Hochschulen die aus der Gestaltung von Karrierepfaden für Hochschullehrer hervorgehen und deren Auswirkungen auf den Forschungsoutput im Verlauf der Karriere. 2. Leistung- und Qualifizierungsturniere als Erklärung für die Produktivitätsschwankungen im Karriereverlauf Analytisches Hilfsmittel sind Alterspublikationsprofile, bei denen der Forschungsoutput gegen eine Zeitachse abgetragen wird. Solche Alterspublikationsprofile zeigen typischerweise einen Anstieg zu Beginn der Karriere und einen Abfall zum Ende hin. Bei amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlern ist dieser Anstieg stärker ausgeprägt und gefolgt von einem Abfall nach ca. sechs Jahren. Anschließend bleibt der Forschungsoutput auf etwa gleichem Niveau, bevor er zum Karriereende hin abfällt. Bei deutschen Wirtschaftswissenschaftlern bleibt der Forschungsoutput auf dem Niveau des ursprünglichen Anstiegs und fällt dann zum Karriereende hin ebenfalls langsam ab. In individuellen Alterspublikationsprofilen beobachtet man neben diesem Verlauf auch das Auftreten deutlicher Spitzen des Forschungsoutputs. Ausgehend vom Grundmodell der Tournamenttheorie nach Lazear/Rosen (1981) sollen die oben beschriebenen stilisierten Fakten für den Verlauf von Alterspublikationsprofilen erklärt werden. Die Tournamenttheorie postuliert, dass ein Arbeitnehmer sich vor Beförderungen umso stärker anstrengt, je größer der mit der Beförderung verbundene Preis ist und je besser er durch sein Verhalten die Chancen einer Beförderung steigern kann. Entsprechend wird auch der Output vor einer Beförderung erhöht sein. In einer Modellerweiterung wird zugelassen, dass der Arbeitnehmer auch in Humankapital investieren kann, das seine Produktivität und bei variabler Vergütung auch die Verdienstmöglichkeiten steigert. Für die Beförderungsentscheidung werden nun gewichtete Leistungs- und Qualifikationskriterien herangezogen. Zu Beginn der Karriere zieht ein Arbeitnehmer Leistungsanstrengungen gegenüber Qualifizierungsanstrengungen umso stärker vor, je größer der Gewinn aus der unmittelbar nächsten Beförderung ist, je stärker Leistungskriterien gewichtet werden und je weniger variabel das Einkommen nach der Beförderung ist. Entsprechend ist dann auch der Output stärker vor dem Karriereereignis konzentriert. Anderfalls ist zu erwarten, dass der Arbeitnehmer eher in Humankapital investiert und der Output dem traditionellen Muster der Humankapitaltheorie folgt. Hochschullehrer konkurrieren ebenfalls im Rahmen von Turnieren um Berufungen. Sie können Forschungsleistungen produzieren oder in weitere Qualifikationen investieren. Um die vorstehenden Überlegungen auf Berufungsturniere zu übertragen, bedarf es zunächst einiger Operationalisierungen, die im anschließenden Abschnitt beschrieben werden. 3. Empirische Untersuchungen zu Karrieren von Hochschullehrern und ihren Anreizwirkungen Die zu erklärende Variable ist der Forschungsoutput eines Hochschullehrers zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Forschungsoutput wird dabei operationalisiert als (gewichteter) Publikationsoutput. Publikationsoutput als Maß für die Forschungsproduktivität ist vergleichsweise einfach und Zeitpunkt bezogen verfügbar und kann Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 455 Qualitätsunterschiede berücksichtigen. Deutschsprachige und internationale Veröffentlichungen werden jeweils einer von drei Kategorien zugeordnet: Artikel in Spitzenzeitschriften, in sonstigen Zeitschriften und in Sammelwerken. Anhand von selbsterstellten, auf Zitationsanalysen beruhenden Rankings wurden jeweils vier deutschsprachige Spitzenzeitschriften der BWL und VWL ermittelt. Die Rankings sind im Zeitverlauf stabil, so dass einheitliche Kategorien für den gesamten Untersuchungszeitraum verwendet werden können. Analog wurden aus bestehenden Rankings je 12 internationale Spitzenzeitschriften der BWL und VWL ermittelt. Die Anzahl der Zeitschriften wurde dabei so ermittelt, dass deutsche und amerikanische Forscher gleiche Chancen haben, in deutschsprachigen bzw. internationalen Spitzenzeitschriften zu veröffentlichen. Die Veröffentlichungen von je drei Jahren werden zu einem Beobachtungspunkt zusammengefasst. Koautorenschaften werden umgekehrt proportional zur Anzahl der Autoren gewichtet. Um unbeobachtete Heterogenität (Fächereigenschaften, Produktivitätsunterschiede aufgrund von Talenten) herauszurechnen, wurde der Forschungsoutput eines Hochschullehrers standardisiert. Der standardisierte Forschungsoutput gibt somit an, ob der betreffende Hochschullehrer zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr oder weniger als im Durchschnitt seiner Karriere produziert hat. Preise stellen in Berufungsturnieren einerseits monetäre Zugewinne dar. Die erste Berufung eines Nachwuchswissenschaftlers bewirkt eine Steigerung des monatlichen Grundgehalts um ca. € 1400, während Folgerufe aus dem Inland eine Steigerung um maximal € 599 bedeuten. Da mit der ersten Berufung bisher auch eine Verbeamtung auf Lebenszeit verbunden ist, gewinnt der Nachwuchswissenschaftler, der zuvor in der Regel in befristeten Arbeitsverhältnissen steht, ein großes Potenzial an Arbeitsplatzsicherheit dazu. Auch der Statuszugewinn einer Professur kann zum Preis bei Gewinn eines Berufungsturniers gezählt werden. Der Statusgewinn wird umso höher sein, je prestigeträchtiger der berufende Fachbereich ist. Insgesamt sind in Deutschland die Zugewinne einer ersten Berufung höher einzuschätzen als die von Folgerufen. Entsprechend wird erwartet, dass vor Erstberufungen der Forschungsoutput stärker konzentriert ist als vor Folgerufen. Im amerikanischen Hochschulsystem sind Beförderungen zum Full Professor finanziell deutlich attraktiver als Beförderungen zum Associate Professor, die meistens mit der Entscheidung über die Tenure einhergeht. Andererseits bedeutet Tenure, dass der Hochschullehrer eine ähnliche Arbeitsplatzsicherheit genießt wie verbeamtete Hochschullehrer in Deutschland. Es kann hier nicht vorhergesagt werden, ob die Tenure-Entscheidung oder die Beförderung zum Full-Professor stärkere Anreize induziert. Erwartet wird hier eine ähnliche Wirkung auf den Forschungsoutput. Wie kann ein Wissenschaftler seine Chancen beeinflussen, einen Ruf zu erhalten? Hierzu wurde anhand von 102 Wirtschaftswissenschaftlern, die sich zu Beginn der neunziger Jahre habilitierten, ermittelt, wie sich in der Folgezeit Berufene von Nicht-Berufenen unterscheiden. Sowohl anhand von Mittelwertvergleichen als auch mit Hilfe von logistischer Regression kann gezeigt werden, dass Berufene einen deut- 456 Personalforschung an Hochschulen lich höheren Forschungsoutput während der Zeit vor der Berufung haben. Insbesondere Artikel in deutschsprachigen Top-Zeitschriften und sonstigen deutschsprachigen Zeitschriften haben einen signifkanten Einfluss auf die Berufungswahrscheinlichkeit. Weiterhin hat auch die Reputation der Herkunftsfakultät eines Habilitierten einen deutlich positiven (wenn auch nicht signifikanten) Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, einen Ruf zu erhalten. Hier findet sich mit der Habilitation im deutschen System ein Qualifizierungsindikator. Signifikant ist weiterhin die fachspezische Arbeitsmarktsituation für Professoren. Für die Entscheidung über Tenure amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler ist vor allem der Forschungsoutput in der Zeit als Assistant-Professor bedeutend, während Indikatoren für weitere Qualifizierung nach dem Ph.D. keine Rolle spielen. Ebenso ist die Entscheidung über die Beförderung zum Full-Professor vom Forschungsoutput während der Zeit als Associate-Professor abhängig. Qualität spielt hierbei noch einmal eine besondere Rolle. Während amerikanische Forscher in reinen Leistungsturnieren konkurrieren, sind deutsche Forscher eher in kombinierten Leistungs- und Qualifizierungsturnieren anzutreffen. Entsprechend wird erwartet, dass der Forschungsoutput bei amerikanischen Forschern vor den Karriereereignissen besonders konzentriert ist, während bei deutschen Forschern auch ein humankapitaltheoretischer Verlauf feststellbar ist. Amerikanische Hochschulen können in eher forschungs- und eher lehrorientierte Institutionen unterschieden werden. Da an den forschungsorientierten Hochschulen das Gehalt stärker vom Forschungsoutput abhängig ist, ist zu erwarten, dass Forscher an diesen Hochschulen früh in der Karriere mehr in Humankapital investieren als Hochschullehrer an lehrorientierten Hochschulen. Um diese Zusammenhänge empirisch zu überprüfen, wurden von 189 deutschen und 112 amerikanischen Hochschullehrern Lebensläufe und Publikationsverzeichnisse im Rahmen von Internetrecherchen ausgewertet. Die erfassten Hochschullehrer sind bezüglich Alter und Fächerverteilung repräsentativ. Wenn ein Karriereereignis wie vermutet Anreizwirkungen entfaltet, dann sollte der Forschungsoutput in der Periode bevor das Karriereereignis auftritt, erhöht sein und sich in der Periode danach wieder auf durchschnittlichem Niveau bewegen. Es wird versucht, dieses Schema mit Hilfe von linearen Regressionstechniken, bei denen der standardisierte Publikationsoutput – einmal gewichtet, um die Qualität des Forschungsoutput zu berücksichtigen, und einmal ungewichtet, um reine Quantitätsunterschiede zu erfassen, – die abhängige Variable darstellt, nachzuvollziehen. 4. Ergebnisse Der Ausgangsbefund, dass deutsche Wissenschaftler vergleichsweise wenig in internationalen, insbesondere hoch renommierten Zeitschriften veröffentlichen, kann zunächst auch anhand der hier gesammelten Publikationsdaten bestätigt werden. Bezieht man jedoch alle Zeitschriften ein, so haben deutsche Hochschullehrer einen Output von 0,66 Artikeln im Jahr und amerikanische Hochschullehrer einen durchschnittlichen Output von 0,57 Artikeln. Unter Einbeziehung von Beiträgen in Sam- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 457 melwerken veröffentlichen deutsche Hochschullehrer (1,41) sogar noch mehr als ihre amerikanischen Kollegen (0,782). Es kann festgestellt werden, dass sowohl Erst- als auch Folgeberufungen keinen Einfluss auf den ungewichteten Publikationsoutput haben. Jedoch nimmt wie erwartet der gewichtete Forschungsoutput vor Erstberufungen zu und fällt dann wieder auf das Durchschnittsniveau ab. Für Folgerufe kann ein entsprechendes Muster nicht festgestellt werden. Signifikante Auswirkungen auf den Forschungsoutput haben bei deutschen Wirtschaftswissenschaftlern scheinbar nur Erstberufungen. Aufgrund der höheren Preise wurden hier auch stärkere Anreizwirkungen erwartet. Die zusätzlichen Anstrengungen werden dabei vor allem zur Erhöhung der Qualität der Forschungsergebnisse verwendet. Bei amerikanischen Hochschullehrern kann ein Anstieg des ungewichteten Forschungsoutputs vor der Tenureentscheidung festgestellt werden. Der gewichtete Forschungsoutput ist sowohl vor der Tenure-Entscheidung als auch vor der Beförderung zum Full-Professor signifikant erhöht. Auch hier reagieren die Hochschullehrer wieder effizient auf die jeweiligen Entscheidungskriterien. Weiterhin stellt man fest, dass der relative Erklärungsgehalt von Karriereentscheidungen für den Forschungsoutput bei den amerikanischen Hochschullehrern höher ist, was auf eine stärkere Konzentration vor den Karriereereignissen bei den amerikanischen Forschern hindeutet. Durch Einbeziehung der wissenschaftlichen Berufserfahrung und der quadrierten Berufserfahrung in die Schätzgleichung soll der Einfluss von Qualifizierung auf den Output geschätzt werden. Hier erhält man das erwartete Ergebnis, dass Qualifizierung im deutschen Hochschulsystem eine größere Rolle spielt als an forschungsorientierten amerikanischen Hochschulen und dort wiederum eine größere Rolle als an lehrorientierten. Abschließend werden anhand der gewonnenen Resultate Rückschlüsse auf die Wirkungen der Dienstrechtsreform gezogen. Die Einführung der Juniorprofessur bedeutet, dass die Zeit zwischen Promotion und Berufung auf eine Lebenszeitprofessur weniger qualifikatorischen und mehr leistungsbezogenen Charakter als bisher hat. Prognostiziert wird, dass Nachwuchswissenschaftler mehr Anstrengungen unternehmen, die in die Produktion kurzfristigen, gegebenenfalls qualitativ hochwertigen eingehen. Der Erwerb von Wissen wird abnehmen und dazu führen, dass der Forschungsoutput in späteren Karrierephasen sinkt. Die Einführung einer variablen Vergütung in der zweiten Karrierephase könnte dies wieder ausgleichen. Hier stellt sich die Frage, ob durch Folgerufe nicht ein geeignetes Instrument schon vorhanden ist. Auf jeden Fall müssen die monetären Anreize hinreichend hoch sein, um entsprechende Anreizwirkungen generieren zu können. Letzteres widerspricht jedoch der Intention die Dienstrechtsreform kostenneutral durchzuführen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde die Lehre als zweite wichtige Aufgabe von Hochschullehrern vollkommen ausgeklammert. Zwei Sichtweisen sind denkbar. Forschung und Lehre eines Hochschullehrers sind einerseits Kuppelprodukte. Dann sind die hier gewonnenen Erkenntnisse in ähnlicher Form auf die Lehre übertragbar. Sind Forschung und Lehre anderseits zwei Produkte, die um den Einsatz von Ressourcen konkurrieren, stellt sich die Frage, wie Hochschullehrer ihr Zeitbud- 458 Personalforschung an Hochschulen get auf die beiden Aktivitäten aufteilen. Die Vermutung ist, dass sie jeweils die Aktivität verstärkt ausüben, die bei der nächsten Beförderungsentscheidung stärker gewichtet wird. So veröffentlichen Hochschullehrer auch an lehrorientierten amerikanischen Hochschulen vor der Gewährung von Tenure relativ viel, da eine gewisse Anzahl an Veröffentlichungen notwendig ist, um Tenure zu erhalten. Später konzentrieren sie sich dann aber auf die Lehre, da Lehrevaluationen für folgende Einkommenssprünge eher ausschlaggebend sind. 6. Arbeitsverhalten (und Mikropolitik) Renate Ortlieb Betrieblicher Krankenstand als personalpolitische Arena. Eine Längsschnittanalyse Betreuerin: 1. Prof. Dr. Gertraude Krell, Freie Universität Berlin Ausgangsproblem und Ziel der Analyse Der betriebliche Krankenstand ist „umkämpftes Terrain“: Zum einen werden in der Wissenschaft, der betrieblichen Praxis und der öffentlich-politischen Diskussion unterschiedliche Positionen vertreten, wenn es um das Ausmaß, die Ursachen und Maßnahmen zur Reduktion des Krankenstandes geht. Zum anderen ist der Krankenstand selbst zugleich Medium und Ergebnis verschiedener Aushandlungsprozesse auf individueller, betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene. Konkretes Ausgangsproblem der Analyse ist die Variation des betrieblichen Krankenstandes im Zeitverlauf, ein Phänomen, das in allen Krankenstandsstatistiken beobachtet werden kann. Ziel ist es, einen Beitrag zur Erklärung dieser Variation zu leisten. Der Fokus liegt dabei zum einen auf der längerfristigen Variation, das heißt, auf Schwankungen in einem Zeithorizont von mehreren Jahren (und nicht etwa von einzelnen Jahren, Monaten oder Wochen), und zum anderen auf der Meso-Ebene der Organisation, das heißt, auf bis zu Gruppen- oder Organisationsebene aggregierten Krankenstandsdaten (und nicht auf Nationen-, Branchen-, intra- oder interindividuellen Unterschieden). Renate Ortlieb (2003): Betrieblicher Krankenstand als personalpolitische Arena. Eine Längsschnittanalyse. Betriebliche Personalpolitik, hrsg. von Gertraude Krell, mit einem Geleitwort von Gertraude Krell und Werner Nienhüser. Wiesbaden: DUV Gabler Edition Wissenschaft. ISBN 3-8244-7786-6, 227 Seiten, € 49,90. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 2. 459 Bezugsrahmen Die personalpolitikorientierte Perspektive Aus einer personalpolitikorientierten Perspektive wird zunächst gezeigt, dass der Krankenstand Ergebnis von interessengeleiteten Aushandlungsprozessen ist, die innerhalb eines bestimmten Herrschaftsrahmens stattfinden und diesen zugleich verändern können. Hierfür werden in einem ersten Schritt die Konstellationen und Positionen der Akteurinnen und Akteure in der Arena des betrieblichen Krankenstandes herausgearbeitet. Sodann werden Interessen, Ressourcen, Spielzüge und rhetorische Mittel der Unternehmensleitungen und Arbeitgeberverbände, der Beschäftigten und Gewerkschaften sowie der staatlichen Akteure analysiert. Außerdem wird die Debatte über den betrieblichen Krankenstand – insbesondere auch die These vom Missbrauch von Sozialleistungen (hier: im Wesentlichen bezogen auf die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) – ideologiekritisch rekonstruiert. Das austauschtheoretische Konzept von Gibson Der theoretische Bezugsrahmen für die empirische Untersuchung knüpft eng an diese politikorienterte Analyse an: In dem austauschtheoretisch orientierten Konzept zur Erklärung von krankheitsbedingtem Fehlen von R. Oliver Gibson (1966) wird krankheitsbedingtes Fehlen am Arbeitsplatz auf eine bestimmte Beurteilung der Austauschbeziehung zwischen Individuum und Organisation – des so genannten psychologischen Vertrags – zurückgeführt. Unter der Voraussetzung, dass Individuen über einen gewissen Verhaltensspielraum verfügen, fehlen sie ceteris paribus eher dann, wenn sie die Austauschbeziehung als unausgeglichen beurteilen oder der psychologische Vertrag durch die Organisation gebrochen worden ist. Denn in diesem Fall können sie krankheitsbedingtes Fehlen gegenüber sich selbst und gegenüber der Organisation besser legitimieren. Das Konzept von Gibson integriert sowohl ökonomische als auch psychologische und soziologische Ansätze und erscheint nach verschiedenen Präzisierungen (insbesondere in Zusammenhang mit dem Konstrukt des psychologischen Vertrags) als besonders fruchtbar für eine Analyse des betrieblichen Krankenstandes. Da dieses Konzept allerdings nicht unmittelbar auf eine Längsschnittbetrachtung ausgerichtet ist, wird es mit dem methodisch orientierten Konzept der Kohortenanalyse integriert. Das methodisch orientierte Konzept der Kohortenanalyse Nach dem Konzept der Kohortenanalyse lässt sich die Variation einer abhängigen Variable im Zeitverlauf auf das gleichzeitige Wirken von individuellen Alterungs- oder Reifungsprozessen (hier: speziell in Bezug auf die Betriebszugehörigkeitsdauer) sowie von Veränderungen des historischen Kontextes zurückführen. Neben diesen so genannten Betriebszugehörigkeitsdauer- und Periodeneffekten werden außerdem Kohorteneffekte berücksichtigt, die sich als eine Kombination aus diesen beiden Effekten bzw. aus der Betriebszugehörigkeitsdauer und dem historischen Kontext ergeben. Eine besondere Stärke dieses methodischen Ansatzes ist, dass Verände- 460 Personalforschung an Hochschulen rungen auf der Mikro-Ebene (in Form der Alterungsprozesse) gleichermaßen betrachtet werden wie Veränderungen auf der Makro-Ebene (in Form der Veränderungen des historischen Kontextes). Für den Bezugsrahmen der empirischen Analyse werden das Konzept von Gibson und das Konzept der Kohortenanalyse integriert, indem die drei im Rahmen der Kohortenanalyse unterschiedenen Effekte inhaltlich durch das Konzept von Gibson ausgefüllt werden. Dabei übernimmt das Konzept der Kohortenanalyse eine hypothesengenerierende Funktion, und das Konzept von Gibson dient der inhaltlichen, theoretischen Fundierung der Untersuchungshypothesen und damit auch der Ergebnisinterpretation. Die Untersuchungshypothesen beziehen sich daher im Wesentlichen auf die Existenz der drei Effekte („Es existiert ein Betriebszugehörigkeitsdauereffekt.“, „Es existiert ein Periodeneffekt.“, „Es existiert ein Kohorteneffekt.“). 3. Datenbasis und Methoden Die empirische Analyse basiert auf einer Vollerhebung der An- und Abwesenheitstage von insgesamt 624 Beschäftigten eines mittelständischen Unternehmens der Werkzeug- und Maschinenbaubranche im Zeitraum zwischen Januar 1962 und Dezember 1998. Ergänzt werden diese Daten um die individuelle Betriebszugehörigkeitsdauer sowie – zur statistischen Kontrolle von Alterseffekten – um das individuelle Lebensalter der Beschäftigten. Zur Abbildung des historischen Kontextes dienen folgende Indikatoren: erstens das monatliche Volumen der Auftragseingänge im betrachteten Unternehmen (teilweise substituiert durch die relative Personalbestandsveränderung im betrachteten Unternehmen), zweitens die lokale Arbeitslosenquote, drittens ein Verkleinerungsprozess, der zu Beginn der 1990er Jahre in dem betrachteten Unternehmen stattfand, sowie viertens die Änderungen der gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Oktober 1996. Die Kohorten wurden gebildet, indem jeweils diejenigen Beschäftigten zu einer Kohorte zusammengefasst wurden, die während derselben Phase des wirtschaftlichen Auf- oder Abschwungs in das betrachtete Unternehmen eingetreten sind. Dieses Datenmaterial hat gegenüber den in bisherigen Studien analysierten Daten vielerlei Vorzüge, insbesondere durch die kontinuierliche (und nicht stichtags-bezogene) Erhebung der Abwesenheitszeiten auf Individualebene (und nicht nur Unternehmensebene) sowie die Nähe der verwendeten Indikatoren für den historischen Kontext zu den betrachteten Personen. Bei der Wahl der Analysemethoden wurde – neben der inhaltlichen und statistischen Angemessenheit – insbesondere auf Übersichtlichkeit und Einfachheit geachtet. Daher haben zum einen grafische Verfahren einen hohen Stellenwert. Zum anderen wurden (größtenteils multiple) lineare Regressionsmodelle, teilweise mit Dummy-Variablen, geschätzt. Soweit notwendig und möglich wurde überprüft, ob zentrale Annahmen des Regressionsmodells eingehalten werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 4. 461 Ergebnisse Grundsätzlich lassen sich alle drei Effekte – ein Betriebszugehörigkeitsdauer-, ein Perioden- und ein Kohorteneffekt – identifizieren. Dabei zeigt sich sowohl in bivariaten als auch in multivariaten Analysen stets ein verhältnismäßig starker Periodeneffekt. Insbesondere können ein (positiver) Einfluss der wirtschaftlichen Lage des betrachteten Unternehmens und des damit zusammenhängenden Verkleinerungsprozesses (d.h., mit zunehmendem Volumen der Auftragseingänge und während des Verkleinerungsprozesses steigt der Krankenstand) sowie ein (negativer) Einfluss der Arbeitsmarktlage (d.h., mit zunehmender Arbeitslosenquote sinkt der Krankenstand) festgestellt werden. Diese Zusammenhänge lassen sich vor dem Hintergrund des Konzeptes von Gibson in einer sehr plausiblen und konsistenten Weise interpretieren, denn diese Aspekte des historischen Kontextes beeinflussen sowohl die Tauschbeziehung zwischen Individuum und Organisation als auch die Tauschalternativen unmittelbar. Ein Einfluss der Änderungen der gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Oktober 1996 lässt sich nur bedingt zeigen. Insgesamt scheint der Periodeneffekt klar zu dominieren, allerdings nicht für alle Betriebszugehörigkeitsdauerjahre bzw. nicht für alle Kohorten gleichermaßen. So ist beispielsweise während des Verkleinerungsprozesses, der in dem Unternehmen stattgefunden hat, der Krankenstand der älteren Kohorten deutlich höher als der Krankenstand der jüngeren Kohorten. Außerdem lässt sich ein (negativer) Einfluss der Betriebszugehörigkeitsdauer zeigen (d.h., mit zunehmender Betriebszugehörigkeitsdauer sinkt der Krankenstand). Und auch ein Kohorteneffekt kann identifiziert werden, d.h., der Krankenstand einiger Kohorten unterscheidet sich deutlich vom Krankenstand anderer Kohorten. Allerdings lässt sich das Muster solcher Unterschiede nur schwer interpretieren, und der Kohorteneffekt ist insgesamt verhältnismäßig schwach. 5. Fazit Vor allem die Befunde in Zusammenhang mit dem Periodeneffekt zeigen, dass die Varianz des Krankenstandes keineswegs nur über individuelle Unterschiede, sondern unabhängig davon zu einem guten Teil über – viele Personen gleichermaßen betreffende – Situationsdifferenzen erklärt werden kann. Dies legt nahe, den Fokus von häufig vorfindbaren Argumentations- und Attributionsweisen sowie von betrieblichen Praktiken zu verlagern – nämlich weg von bestimmten Personen und Personengruppen hin zu bestimmten Situationen. Außerdem ist wegen der zentralen Rolle der situativen – auch außer-organisationaler – Situationsvariablen fraglich, inwieweit der betriebliche Krankenstand grundsätzlich managebar ist. Das heißt, vermutlich ist der Krankenstand über Gestaltungsmaßnahmen, die auf der Individualebene ansetzen, in erheblich geringerem Ausmaß veränderbar, als man nach der Lektüre gestaltungsorientierter Literatur meinen sollte. Sowohl das (präzisierte) Konzept von Gibson als auch das Konzept der Kohortenanalyse erweisen sich in der Analyse als fruchtbar, dennoch wird weiterer Präzisierungsbedarf deutlich: In Bezug auf das Konzept von Gibson betrifft dies insbeson- 462 Personalforschung an Hochschulen dere die Integration von gesundheitsbeeinträchtigenden Arbeitsbelastungen, die den individuellen Verhaltensspielraum für krankheitsbedingtes Fehlen mitunter stark beeinflussen, sowie Entstehungs- und Diffusionsprozesse von Normen über krankheitsbedingtes Fehlen. Ferner ist empirische Forschung zu konkreten Inhalten von psychologischen Verträgen – insbesondere auch zu Gerechtigkeitsempfindungen in Zusammenhang mit krankheitsbedingtem Fehlen – notwendig. Im Hinblick auf die Kohortenanalyse gilt es insbesondere das Kohortenkonzept selbst zu spezifizieren. So bleibt beispielsweise noch zu klären, welche Rolle Interaktionen zwischen Kohortenmitgliedern oder auch eine Art Kohortenidentität für das Herausbilden von Normen über krankheitsbedingtes Fehlen und für das Verhalten der Kohortenmitglieder spielen. Auch hier besteht neben theoretisch-konzeptionellem Forschungsbedarf auch (qualitativ-)empirischer. Roland Röder: Kooperation an Schnittstellen – Eine empirische Untersuchung* Betreuer: 1. Prof. Dr. Rolf Bronner, Universität Mainz Problemstellung und Ziele In den letzten Jahren ist in Organisationen eine Tendenz zur Verflachung von Hierarchien und damit einhergehend eine Delegation von Verantwortung zu beobachten. Mit dieser Entwicklung wird zunehmend auch der vormals durch die Hierarchie gedeckte Koordinationsbedarf zwischen Teileinheiten als kooperativ zu lösende Aufgabe den Teileinheiten selbst aufgegeben. Die Gestaltung der Beziehungen zwischen Teileinheiten an den so genannten Schnittstellen einer Organisation wird so zu einem kritischen Einflussfaktor für den Unternehmenserfolg. Betriebswirtschaftliche Forschungsarbeiten zum Management von Schnittstellen sind überwiegend an der Gestaltung konkreter aufgaben- oder funktionsbezogener Phänomene orientiert. Soziale, speziell gruppenbezogene Effekte sind dagegen in der Literatur zwar erwähnt, werden aber in der Betriebswirtschaftslehre nur sehr vereinzelt systematisch untersucht und stehen daher im Mittelpunkt der Arbeit. Teileinheiten in Organisationen sind überwiegend multipersonal besetzt. Sie bilden soziale Gruppen und werden von deren Mitgliedern und Nichtmitgliedern auch als solche wahrgenommen. Als Folge der sozialen Kategorisierung in Eigen- und Fremdgruppe ergeben sich gruppenbezogene Phänomene des Strebens nach sozialer * Die Arbeit wurde 2001 im Peter Lang-Verlag, Frankfurt/Main et al. (ISBN 3-631-38417-3) veröffentlicht. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 463 Geltung. Unter deren Einfluss erwachsen psychologische Barrieren, die sich in einer wechselseitigen sozialen Abgrenzung und Vorteilsorientierung zwischen den Teileinheiten äußern können. Das konkrete Forschungsinteresse zu den gruppenbezogenen Phänomenen des Strebens nach sozialer Geltung kann in folgenden allgemeinen Fragen ausgedrückt werden: Wie lassen sich die Einflüsse der Kategorisierung in Eigen- und Fremdgruppe in die Betrachtung der Kooperation an Schnittstellen integrieren? Sind diese Einflüsse immer negativ beziehungsweise dysfunktional? Bestehen Wechselwirkungen mit zentralen aufgabenbezogenen Einflussfaktoren? Wann und wie bestehen Auswirkungen auf das Ergebnis, speziell die Effektivität der Kooperation an Schnittstellen? 2. Theoretischer Unterbau und Forschungsbedarf Die für das Verständnis von Beziehungen zwischen kooperierenden Gruppen wichtigsten sozial- und organisationswissenschaftlichen Erklärungs- und Forschungsansätze werden referiert. Dabei handelt es sich zunächst um die verwandten Ansätze Theory of Social Comparisson Processes, Realistic Conflict Theory, Social Identity Theory sowie Theory of Embedded Groups. Diese eher sozialwissenschaftlichen Erklärungsansätze werden mit Beiträgen der Kooperationsforschung erweitert. Anschließend wird der Stand der empirischen Forschung beschrieben und weiterer theoretischer und empirischer Forschungsbedarf begründet. Dabei zeigt sich aus theoretischer Sicht Bedarf für die Integration der sozial- und organisationswissenschaftlichen Forschungsgebiete zur Übertragung auf den betriebswirtschaftlichen Kontext. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, wie und unter welchen Bedingungen der durchaus als pathologisch zu bezeichnende und praktisch bedeutsame Fall eintritt, dass gruppenbezogene Phänonmene dynsfunktionale Wirkung auf die Aufgabenerfüllung besitzen. Aus der Zusammenführung der Theorien wird ein Rahmenmodell der Schnittstellen-Kooperation in Organisationen erarbeitet. Die Aufarbeitung des empirischen Forschungsbedarfs lässt erkennen, dass in der bisherigen – stark sozialpsychologisch geprägten – Forschung Einflüsse auf die Leistungserstellung der Gruppen nur unzureichend untersucht wurden. Dies gilt besonders für die Wirkung der Identifikation mit der Teileinheit. Zudem besteht Forschungsbedarf für die Untersuchung von Ressourcen- oder Aktivitätsverkettungen bei der Leistungserstellung. Diese Interdependenz stellt den Rahmen für den daraus resultierenden Kontakt zwischen Teileinheiten. Darüber hinaus liegen bislang nur wenige empirische Arbeiten zur Untersuchung der Wirkung von Persönlichkeitsmerkmalen in diesem Kontext vor. Die Beziehungen an Schnittstellen in Organisationen werden auch durch individuelle Neigungen zu Kooperation und Wettbewerb bestimmt. 464 Personalforschung an Hochschulen Den empirischen Forschungsbedarf aufgreifend werden die zuvor isoliert betrachteten Erklärungsvariablen in ihrer Entstehung und Wirkung beschrieben. Die Wirkungsbeschreibungen werden zu Hypothesen verdichtet. 3. Untersuchungskonzeption Als Untersuchungsmethode wurde das Laborexperiment gewählt. An der Untersuchung nahmen 30 Gruppen, besetzt mit studentischen Versuchspersonen zu je drei Personen, teil. Die zugrunde gelegte, komplexe Untersuchungsaufgabe bestand in der Bewertung der Forschungs- und Lehrqualität in zwei universitären Fachbereichen anhand einer Fülle von vorgegebenen Informationen, die Gegenstand der allgemeinen Diskussion um Hochschulreformen sind. Die Identifikation mit der Teileinheit wurde über die Zugehörigkeit zu den jeweiligen Fachbereichen operationalisiert. Die Aufgabeninterdependenz wurde über den Grad der wechselseitigen Abhängigkeit bei der Erfüllung von Teilaufgaben gesteuert. Zur Untersuchung der Wirkung individueller Kooperations- und Wettbewerbsmotivation ist die Diagnose der individuellen Ausprägungen dieser Motivationen erforderlich. Dabei kam ein eigens entwickeltes und in der Arbeit vollständig dokumentiertes, vollstandardisiertes Testinstrumentarium zum Einsatz. 4. Wesentliche Ergebnisse der Untersuchung Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung bestätigen deutliche Auswirkungen auf die Kooperationseffektivität, die wechselseitige Wertschätzung der Teileinheiten und die Bereitschaft für künftige Zusammenarbeit. Die theoretisch wie auch empirisch bedeutendste der untersuchten Variablen ist die Identifikation mit der Eigengruppe. Bei hoher Identifikation tritt eine Wahrnehmungsverschiebung bei den Kooperationspartnern zugunsten von zwei unterschiedlichen Gruppen statt einer zusammengehörenden Kooperationsgruppe ein. Außerdem konnte eine Wechselwirkung von Identifikation und Aufgabeninterdependenz nachgewiesen werden. Besonders umfangreich wurde versucht, die Wirkung der Identifikation auf die Effektivität der Kooperation zu erfassen. Sowohl für niedrige wie auch für hohe Aufgabeninterdependenz ergab sich ein Effektivitätsverlust anhand der Bezugspunkte Leistungsresultat, Leistungshandlung und Leistungsbewertung. Die vermutete belastungssteigernde Wirkung der Identifikation konnte nur bei hoher Aufgabeninterdependenz nachgewiesen werden. Ebenso wurde eine Beeinträchtigung der Bereitschaft für künftige Kooperationen bei hoher Identifikation bestätigt. 5. Implikationen der Untersuchung Aus den Ergebnissen werden Rückschlüsse auf die Weiterentwicklung der verwendeten Theorien gezogen sowie weiterer empirischer Forschungsbedarf begründet. Darüber hinaus werden konkrete Gestaltungsempfehlungen für das Management von Schnittstellen entwickelt. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 465 Michael Schiffinger Zur Messung mikropolitischer Taktiken im Zusammenhang mit Karriereerfolg und Karrierekontext Betreuer: Prof. Dr. Johannes Steyrer und Prof. Dr. Helmut Kasper, beide Wirtschaftsuniversität Wien Das zentrale Thema der Dissertation sind mikropolitische Taktiken sowie die Zusammenhänge zwischen dem Einsatz dieser Taktiken und karrierebezogenen Variablen, nämlich Karriereerfolg und Karrierekontext. Der Schwerpunkt liegt dabei nicht auf einer theoretischen Erörterung der verschiedenen Spielarten mikropolitischen Verhaltens und unterstellter Zusammenhänge mit Karriereerfolg oder Karrierekontext, sondern einerseits auf der Entwicklung eines Konzepts (bzw. in weiterer Folge verschiedener daraus abgeleiteter Zugänge) zur Operationalisierung mikropolitischer Taktiken, andererseits auf einer empirischen Analyse der Zusammenhänge zwischen dem Einsatz dieser Taktiken und Karriereerfolg sowie Karrierekontext. Konkret soll sich die durch diese Arbeit repräsentierte Forschungsaktivität in drei Bereichen ausdrücken: Im theoretisch-konzeptuellen Bereich lag das Ziel darin, auf Basis vorhandener Literatur eine Konzeption mikropolitischer Taktiken zu schaffen, die auf einer theoretisch fundierten Struktur basiert, wobei die theoretische Aufarbeitung auch den „Rahmen“ umfasst, in den diese Taktiken später eingebettet wurden (Karriere, bzw. Karriereerfolg und Karrierekontext). Im Bereich der Skalenkonstruktion sollte dieses Konzept sowohl literaturgestützt als auch in weiterer Folge unter Zuhilfenahme statistischer Verfahren operationalisiert, verschiedene Zugänge zur Operationalisierung genauer ausgearbeitet und die Eigenschaften der verschiedenen Operationalisierungen näher analysiert werden. In diesem Bereich liegt auch der thematische Schwerpunkt dieser Arbeit. Auf der empirischen Ebene i.e.S. sollten schließlich verschiedene Varianten der Operationalisierung auf Zusammenhänge mit Karriereerfolg und Karrierekontext hin untersucht werden. Neben einer explorativen Untersuchung wurden auch auf Basis bisheriger empirischer Studien Annahmen über Zusammenhänge zwischen einzelnen Karrieretaktiken und Karriereerfolg sowie Karrierekontext getroffen und überprüft. Im theoretischen Teil der Arbeit wird – nach einigen kurzen Ausführungen zu Karriere und Karrierekontext – der Begriff mikropolitischer Taktiken genauer definiert und drei Varianten mikropolitischen Verhaltens vorgestellt: Einflusstaktiken, Impression-Management-Taktiken und Networking-Taktiken. Jede dieser drei Varianten wird auf Basis einschlägiger Literaturquellen weiter in einzelne Taktiken differenziert, zu denen dann jeweils Items formuliert wurden. Insgesamt umfasste der literaturbasierte Fragenpool 19 Skalen mit insgesamt 148 Items. Dieser Itempool wurde einer Stichprobe von 201 Berufstätigen vorgelegt. Die Stichprobe bestand hauptsächlich aus Personen aus der österreichischen Privatwirt- 466 Personalforschung an Hochschulen schaft; das Geschlechterverhältnis war beinahe ausgewogen – 101 Frauen und 100 Männer. Auf Basis der erhaltenen Ergebnisse wurden einerseits die literaturbasierten Skalen bezüglich ihrer psychometrischen Eigenschaften analysiert (Skalenkonsistenz, Rohwerteverteilung) und teilweise optimiert. Andererseits wurde auf empirischem Weg untersucht, inwieweit sich die theoriebasierte Einteilung durch statistische Verfahren reproduzieren lässt. Des Weiteren wurde eine Faktorenanalyse über den gesamten Itempool gerechnet und die erhaltenen Faktoren ebenfalls bezüglich ihrer Skalenkonsistenz optimiert. Abschließend wurden die verschiedenen Skalen zur Erfassung mikropolitischen Verhaltens zum Karriereerfolg (und auch zum Karrierekontext) der Probanden in Bezug gesetzt. Da die Erhebung für unterschiedliche Karriereumfelder gültig sein sollte, erschien die in empirischen Studien häufig gewählte Operationalisierung von Karriereerfolg durch „erreichte hierarchische Stufe“, „Anzahl der Beförderungen“ o.ä. nicht geeignet. Auch auf die Erfragung des Einkommens wurde insbesondere mit Augenmerk auf den Rücklauf verzichtet.1 Stattdessen wurde auf Basis der erhobenen Variablen Berufsbezeichnung, Alter, der Frage nach einer etwaigen Führungstätigkeit und deren Dauer sowie der Frage nach einer etwaigen selbständigen Tätigkeit auf heuristischem Weg eine Unterteilung in drei Gruppen vorgenommen, wobei die erste Gruppe (keine Führungsposition) den „niedrigsten“ Karriereerfolg aufwies und beispielsweise Berufe wie „Sachbearbeiter“ oder „Verkaufsunterstützung“ umfasste; in der zweiten Gruppe (meist Innehabung einer Führungsposition) waren hingegen Berufe wie „Assistenz der Geschäftsführung“ oder „Product Manager“ vertreten; die dritte und „erfolgreichste“ Gruppe umfasste Berufe wie „Leiter des Finanz- und Rechnungswesens“, „Geschäftsführer“ oder „Vorstand“ mit langer Führungstätigkeit. Die Unterscheidung bezüglich Karrierekontext basierte auf der Beschäftigungsform (angestellt vs. selbständig) und der branchenüblichen Verweildauer innerhalb derselben Organisation. Auch hier wurden die Probanden in drei Gruppen eingeteilt – jene mit einer sicheren und dauerhaften Bindung an einen Job, jene, die zwar angestellt aber dennoch in unsteteren Verhältnissen tätig sind, und schließlich jene, die wirtschaftlich selbständig arbeiteten. Die Analyse der Zusammenhänge zwischen mikropolitischen Taktiken und Karriereerfolg nach der oben erwähnten Operationalisierung ergab für die meisten Taktiken einen signifikanten Zusammenhang mit dem Karriereerfolg – d.h. fast alle Taktiken wurden von den „erfolgreicheren“ Gruppen stärker eingesetzt. Besonders auffällig war, dass es nicht die am stärksten eingesetzten Taktiken waren, die den deutlichs- 1 Der Fragebogen war gleichzeitig ein Pretest-Instrument für die Entwicklung eines allgemeineren Fragebogens zu Karrieretaktiken im Rahmen des FWF-geförderten Vienna Career Panel Project der IVM der WU Wien (http://www.vicapp.at). Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 467 ten Zusammenhang mit dem Karriereerfolg aufwiesen, sondern eher schlecht beleumundete Taktiken wie offenes Pochen auf die eigene Positionsmacht, opportunistisches Bemühen um andere je nach deren potentieller Nützlichkeit für die eigene Karriere, „einschleimendes“ Sich-anbiedern und aggressives Einschüchtern des sozialen Umfelds. Mit dem Karrierekontext ergaben sich hingegen nur in wenigen Fällen aussagekräftige Zusammenhänge, was auch daran liegen mag, dass die „Selbständigen“ im Sample in den meisten Fällen langgediente Führungskräfte waren, für die die Selbständigkeit wohl eher ein Ausdruck beruflicher Selbstverwirklichung ist als ein Ergebnis allzu unsicherer Beschäftigungsverhältnisse. Auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern fielen nur gering aus, was die am stärksten und am wenigsten eingesetzten Taktiken betraf, allerdings waren die Taktiken mit dem deutlichsten Erfolgszusammenhang bei den Männern andere als bei den Frauen. 7. Führung und Führungskräfte Jürgen Michael Bischoff „Vom nächsten Sprung ins kalte Wasser“. Sozialisationsund Strukturationsprozesse bei der Übernahme der ersten Führungsfunktion im mittleren Management Betreuer: Prof. Dr. Oswald Neuberger, Universität Augsburg Die über 600 Seiten lange Arbeit (ergänzt durch ein 56-seitiges Literaturverzeichnis und einen kleinen Anhang mit den verwendeten Fragebögen und Interviewleitfäden) untersucht folgende Leitfragen: Wie lassen sich interaktionale Strukturations- und Sozialisationsprozesse bei der Übernahme der ersten Führungsfunktion beschreiben und erklären? Wie werden diese Prozesse von den neuen Führungskräften erlebt? Welche Auswirkungen haben die Strukturations- und Sozialisationsprozesse auf die beteiligten Organisationen und Personen? Um diese Fragen zu beantworten, entscheidet sich der Autor für ein qualitatives Vorgehen, bei dem er einen Methodenmix einsetzt [Interviews, Fragebögen, teilnehmende Beobachtung (und implizit: Dokumentenanalyse)]. Die Datenerhebung fand in zwei Unternehmensbereichen eines Großunternehmens der Informations- und Telekommunikationstechnik statt. Sie erstreckte sich über einen Zeitraum von 5 Jahren (1994-1998). In Querschnittserhebungen wurde mit teilstandardisierten schriftlichen Fragebogen gearbeitet, die auf eine engere Thematik eingeengt waren (Eruierung des Qualifikationsbedarfs). Den Kern der Arbeit macht eine Längsschnittstudie aus, bei der 10 neue Führungskräfte, deren Vorgesetzte, jeweils ein Mitarbeiter und in zwei Fällen auch Kollegen sowie noch drei „Experten“ 468 Personalforschung an Hochschulen interviewt wurden (insg. also 35 Personen). Es gab mehrere Untersuchungswellen: die TeilnehmerInnen wurden kurz vor oder unmittelbar nach der Übernahme der neuen Position und im Verlauf weiterer zwei Jahre mehrmals (im Schnitt dreimal) interviewt (S. 213). Die Auswertung der Interviews orientiert sich am Konzept von Froschauer & Lueger, deren programmatische Empfehlungen und Interpretationsschema dargestellt werden. Das umfangreiche empirische Material wird auf dem Hintergrund eines elaborierten theoretischen Modells, das durch die Strukturationstheorie Giddens’ inspiriert ist, geordnet. Nicht die Konstatierung empirischer Sachverhalte, sondern die Interpretation ihres Zustandekommens und ihrer Folgewirkungen steht im Mittelpunkt; der Leser erhält jedoch durch die sehr ausführlichen Interviewzitate die Möglichkeit, die theoretischen Einordnungen und Schlussfolgerungen direkt zu überprüfen. Die Diskussion balanciert mehrere Ebenen: eine strukturelle organisationale, eine interaktionale interpersonale und schließlich eine subjektive intrapersonale. Allen drei Strukturationsdimensionen wird Rechnung getragen: der signifikatorischen (sinngebende Wirklichkeitskonstruktion), der legitimatorischen (normative Rechtfertigung) und der autoritativ-ökonomischen (in der es um den Einsatz von Macht und die Allokation von Ressourcen geht). Dieser komplexe Ansatz bewahrt den Autor vor einigen in der Fachliteratur vorfindbaren Simplifizierungen (exemplarisch seien die beliebten Phasenmodelle der Sozialisation genannt). Die Erfahrungen, die die neuen Führungskräfte in der ersten Zeit nach ihrer Ernennung machen, werden entsprechend dem strukturationstheoretischen Rahmenmodell interpretiert: Zuerst werden (1) strukturelle Rahmenbedingungen und Positionsmerkmale behandelt, dann (2) interaktionale Prozesse und Beziehungsnetze und schließlich (3) intrapersonale Prozesse. zu (1): Im Hinblick auf die „übergreifenden“ Rahmenbedingungen werden u.a. folgende Akzentsetzungen berichtet: Neue Führungskräfte erleben deutlich ihre Interdependenz. Sie müssen Netzwerke aufbauen und pflegen und sich selbst als attraktiver (Tausch-)Partner einbringen. Das bedeutet auf der anderen Seite auch, dass die unilaterale hierarchische Linienstruktur (zwischen Vorgesetzten und Unterstellten) durch Verbindungen über die Dienststellengrenzen hinaus erweitert werden muss, wodurch prekäre Balanceakte nötig werden können. Die Beziehungsgeflechte sind andererseits ein Gegengewicht zur dominanten und stets aktiven Dependenz von den höheren Hierarchieebenen, die Strategien und Strukturen definieren, Ressourcen zuteilen und entziehen und zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen verlässliche „executives“ – als die sie die untergeordneten Führungskräfte sehen – haben wollen. Weil die „Hierarchen“ Gatekeeper und Promotoren sind, ist es wichtig, von ihnen gesehen zu werden, positiv aufzufallen, ihre Erwartungen zu dechiffrieren und zu erfüllen. Insofern leben die jungen Führungskräfte in einer belastenden Dauer-Testsituation, die ihnen Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 469 weit mehr als nur normalen Einsatz abverlangt – bei gleichzeitiger Unsicherheit über die Bewährungskriterien im konkreten Fall. Neu ernannte Führungskräfte müssen auch erkennen, dass ihnen zwar die Aufgabe der Personalführung übertragen wird, für die sie kaum vorbereitet werden, dass aber zugleich fachliche Kompetenz und hoher Output weit höher gewichtet werden. Junge Führungskräfte müssen lernen, dass zwar Regeln und Vorschriften zu beachten sind, gleichzeitig aber Spielräume (bis hin zur Regelverletzung) vorhanden sind und genutzt werden müssen, will man den heterogenen und z.T. antagonistischen Erwartungen genügen. Gleichzeitig müssen sie daran arbeiten, ihren Verantwortungsbereich auszudehnen, neue Aufgaben zu finden, in denen sie (ihre Vorgesetzten) überzeugen und ihre Position absichern können. zu (2): Bei den interaktionalen Prozessen wird Folgendes hervorgehoben: Die meisten neuen Führungskräften fühlen sich von ihren unmittelbaren Vorgesetzten (und der Personalabteilung) im Stich gelassen. Nicht selten werden sie „ihrer Mannschaft“ gar nicht richtig vorgestellt, bereits vor der formellen Ernennung mit Führungsaufgaben betraut (ohne offiziell dazu die Kompetenzen zu erhalten) und müssen mit Rivalen um die Abgrenzung ihrer Aufgabengebiete und nötige Ressourcen konkurrieren. Sie werden, kurz gesagt, ins kalte Wasser geworfen. Besonderes Gewicht hat der Aufbau von guten Beziehungen zu den unterstellten MitarbeiterInnen, die oft genug – weil „Beförderung aus den eigenen Reihen“ eine sehr häufige Politik ist – früher KollegInnen waren. In einem manchmal enttäuschungsreichen Prozess müssen die jungen Führungskräfte erkennen, dass sie ihre eigenen Leistungshaltungen nicht generalisieren dürfen, dass sie Aufgaben (die sie selbst besser und schneller lösen könnten) abgeben müssen, dass sie MitarbeiterInnen vertrauen müssen und dennoch mit Rivalität oder Illoyalität fertig werden und sich ab und zu sehr entschieden durchsetzen müssen. Dies alles läuft unter Beobachtung, nicht nur durch den unmittelbaren und die höheren Vorgesetzten, die erwarten – diese Formel zitiert Bischoff des öfteren – dass der oder die Neue keine Probleme macht, sondern Probleme löst. Die vorherrschende Outputorientierung bringt es mit sich, dass sich Führungskräfte trotz unklaren und wechselnden Zielen, selten expliziten Stellenbeschreibungen und Ressourcenausstattungen als verlässliche Ausführungsorgane bewähren sollen und nicht durch „Personalprobleme“ auffallen dürfen. Für die formalen Personalinstrumente (Durchsprachen, Mitarbeitergespräche etc.) werden sie wenig trainiert; zudem erleben sie, dass reale (Personal-)Entscheidungen häufig „von oben“ nach anderen Kriterien getroffen werden, als es die geltenden Leitsätze und öffentlichen Bekundungen proklamieren. Auf diese Weise werden die „Rookies“ dazu gebracht, die mikropolitischen Spielregeln zu lernen und anzuwenden; in ihrem Umfeld, vor allem in den Füh- 470 Personalforschung an Hochschulen rungsebenen finden sie viele Modelle, die ihnen erfolgreiches Taktieren vorleben. zu (3): Nicht nur Rahmenbedingungen und Interaktionen, auch die Personen selbst ändern sich mit dem Übergang in die neue Rolle „Führungskraft“: Die hohen Anforderungen in der Dauer-Testsituation, die Serien von Erfolgen und Misserfolgen, Siegen und Niederlagen wirken sich auch auf die Selbstbilder aus. Neue Führungskräfte müssen lernen, wie ihre Vorgesetzten „cool“ zu werden, den Erfolg der Sache über Gefühle (zu MitarbeiterInnen, zu sich selbst – wie etwa Ängste, Zweifel) zu stellen und eigene Bedürfnisse zu verdrängen oder zumindest zu kontrollieren. Sie müssen sich klar werden, dass sie die Seiten gewechselt haben, nicht mehr durch Fachkompetenz Bestätigung finden, sondern eine Führungskarriere eingeschlagen haben, die – wenn sie weiter erfolgreich verlaufen soll – ihnen Umorientierungen in ihren Lebensplänen sowie den kollegialen und privaten Beziehungen abverlangt: Sie müssen eine „Vorgesetztenidentität“ erwerben. Dabei müssen sie sich nach allen Seiten neu kalibrieren: zu den unmittelbaren und höheren Vorgesetzten, zu den MitarbeiterInnen, zum Unternehmensumfeld. Und all das verändert rekursiv sie selbst. Es ist ein lang anhaltender, von Krisen, Selbstzweifeln und Enttäuschungen, aber auch von Durchbrüchen und Erfolgserlebnissen geprägter Prozess des umfassenden Wandels der eigenen Identität, der Fähigkeiten, Emotionen, Weltsichten und Handlungsprogramme der Führungskraft konditioniert und sie ein „anderer Mensch“ werden lässt. Thomas Bissels Vertrauen zum Vorgesetzten: Konstruktvalidierung und Wirkung auf das Leistungsverhalten der Mitarbeiter* Betreuerin: Prof. Sonja Sackmann, PhD, Universität der Bundeswehr München 1. Fragestellung der Untersuchung In der Literatur wird davon ausgegangen, dass Vertrauen eine wichtige Basis für gelingende Kooperation und Kommunikation sowie für ein hohes Leistungsniveau einzelner Mitarbeiter oder Teams darstellt (vgl. z.B. Tyler & Kramer, 1996). Um so * Bissels, Thomas (2003). Vertrauen zum Vorgesetzten: Konstruktvalidierung und Wirkung auf das Leistungsverhalten der Mitarbeiter. Berlin: Mensch und Buch Verlag. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 471 mehr überrascht, dass es kaum Studien gibt, die die Effekte von Vertrauen konsequent überprüft haben. Insbesondere mit Blick auf den Einfluss von Vertrauen auf individuelle Leistung existieren zwar einzelne Studien, jedoch wurden mit Ausnahme der Untersuchung von Dirks (1999) unterschiedliche Wirkungsmöglichkeiten von Vertrauen auf individuelles Leistungsverhalten (z.B. direkter Einfluss, vermittelter Einfluss oder Einfluss als moderierende Variable) und deren theoretische Begründungen nicht analysiert. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt daher in der systematischen Untersuchung des Einflusses des Vertrauens zum Vorgesetzten auf das Leistungsverhalten einzelner MitarbeiterInnen (vertragliche Arbeitsleistung, Extra-Rollenverhalten). Insbesondere sollen die vermittelnden Mechanismen dieser Beziehung untersucht werden unter dem Blickwinkel, dass Vertrauen etwa soziale Transaktionskosten in der Zusammenarbeit reduziert. Damit liefert die Studie erstmalig eine systematische Überprüfung der zugrundeliegenden Mechanismen der oftmals postulierten Leistungseffekte des Vertrauens zu Vorgesetzten. 2. Theoretische Basis und verwendete Methoden Die vorliegende Arbeit systematisiert zunächst bestehende Ansätze zum interpersonellen Vertrauen in Organisationen. Auf Basis der Literaturanalyse wird ein intentionales Vertrauenskonzept in einem ersten Schritt theoretisch hergeleitet (Vertrauen wird als Verhaltensintention in Anlehnung an die Theorie überlegten Handelns aus der Einstellungsforschung verstanden; Frey/Stahlberg/Gollwitzer, 1993) und in einem zweiten Schritt empirisch überprüft. Dabei wird der Rahmen der Theorie überlegten Handelns durch die explizite Untersuchung von Einflussfaktoren des Vertrauens, die nicht kognitiver Natur sind wie etwa Stimmungen oder die Qualität der Beziehung zu Vorgesetzten, erweitert. Empirisch überprüft wurden die direkten Wirkung des Vertrauens zum Vorgesetzten auf das Leistungsverhalten der MitarbeiterInnen (vertragliche Arbeitsleistung, Extra-Rollenverhalten wie z.B. Unterstützung von Kollegen, Einreichen von Verbesserungsvorschlägen) sowie die indirekten Wirkungen (vermittelt über die Variablen subjektives Wohlbefinden in der Arbeit, Senkung der sozialen Transaktionskosten, vermehrte Anstrengung und Wahrnehmung erweiterter Tätigkeitsspielräume). Dazu wurden MitarbeiterInnen aus 14 Verwaltungsabteilungen eines in Europa operierenden Großunternehmens (n=225) per Fragebogen untersucht (der Fragebogen wurde in einer umfangreichen Vorstudie entwickelt). Die statistischen Analysen wurden mit Strukturgleichungsmodellen berechnet. 3. Ergebnisse der Untersuchung Auf Basis einer kritischen Betrachtung bestehender Ansätze interpersonellen Vertrauens in Organisationen wurde in Anlehnung an Mayer et al. (1995) ein Modell des Vertrauens zum Vorgesetzten und seiner Einflussfaktoren entwickelt und empirisch überprüft, das zwischen Vertrauen, seinen Einflussfaktoren und Konsequenzen 472 Personalforschung an Hochschulen unterscheidet. Faktorenanalysen im Rahmen von Strukturgleichungsmodellen (latente Variablen) lieferten Belege für das intentionale Vertrauenskonzept. Ferner gelang die valide Unterscheidung des Vertrauens zum Vorgesetzten von seinen dispositionellen (Vertrauensneigung), sozial-motivationalen (Qualität der Austauschbeziehung zum Vorgesetzten), kognitiven (wahrgenommene Vertrauenswürdigkeit) sowie affektiven (Stimmungen gegenüber dem Vorgesetzten) Einflussfaktoren. Insbesondere die Vielfalt der Konzepte zur wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit des Vorgesetzten ließ sich bündeln und vereinfachen. Mithilfe multipler Regressionsrechnung (latente Variablen) konnte gezeigt werden, dass die angenommenen Einflussfaktoren das Ausmaß des Mitarbeitervertrauens zum Vorgesetzten tatsächlich bestimmten. Zusammengenommen ließen sich somit erste Belege für die Validität des Modells des Vertrauens zum Vorgesetzten und seiner Einflussfaktoren feststellen. „Does trust matter?“ fragen Zaheer et al. (1998, 141) pointiert. Während bei Dirks (1999) das Vertrauen nicht in Beziehung zu Leistungsindikatoren stand, ergaben sich in der vorliegenden Studie moderate Zusammenhänge zwischen Vertrauen und Leistungsverhalten. Die Daten unterstützen ein Modell, in dem sowohl direkte Effekte des Vertrauens zum Vorgesetzten (Vertrauen Leistungsverhalten) als auch indirekte Effekte über die vier angenommenen vermittelnden Variablen (subjektives Wohlbefinden in der Arbeit, Senkung der sozialen Transaktionskosten, vermehrte Anstrengung und Wahrnehmung großer Tätigkeitsspielräume; Vertrauen zum Vorgesetzten vermittelnde Variablen Leistungsverhalten) eine Rolle spielen. Die Überprüfung einzelner Beziehungen zwischen den Variablen verdeutlichte, dass nur Anstrengung als vermittelnder Mechanismus fungierte, und zwar mit Blick auf die Beziehung zwischen Vertrauen zum Vorgesetzten und Extra-Rollenverhalten. Das heißt, vertraut der Mitarbeiter seinem Vorgesetzten, so strengt er sich stärker an, was wiederum dazu führt, dass der Mitarbeiter ausgeprägteres Extra-Rollenverhalten zeigt (z.B. mehr Verbesserungsvorschläge macht). Somit ließ sich Anstrengung als der zentrale vermittelnde Mechanismus der Effekte des Vertrauens zum Vorgesetzten auf das Leistungsverhalten der Mitarbeiter identifizieren. Für Unternehmen empfiehlt sich deshalb, verstärkt Maßnahmen zur Förderung des Vertrauens zum Vorgesetzten einzusetzen, die nicht auf direkte Leistungseffekte abzielen, sondern die in einer ersten Phase zunächst das Erleben der Arbeit (subjektives Wohlbefinden in der Arbeit, Wahrnehmung erweiterter Tätigkeitsspielräume) und die Qualität der Arbeitsprozesse (Senkung sozialer Transaktionskosten, vermehrte Anstrengung) positiv beeinflussen. Zeitlich versetzt können sich hieran anschließend positive Leistungseffekte – vermittelt über das Erleben der Arbeit und die Qualität der Arbeitsprozesse – einstellen. Als Maßnahmen zur Förderung des Vertrauens zum Vorgesetzten sollten Führungskräfte auf ihre Vertrauenswürdigkeit achten, indem sie als Vorbild fungieren, faire Verfahrensweisen beherzigen und MitarbeiterInnen an Entscheidungen sowie an deren Umsetzung teilhaben lassen. Zudem kann in Selbstmanagementtrainings die Wahrnehmung von (kritischen) Stimmungen bei Mitarbeitern geschult werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 4. 473 Weiterführende oder noch offene Fragen Neben der Überprüfung des intentionalen Vertrauensmodells im Längsschnitt sollte die Wirkung der identifizierten Mediatoren in anderen Kontexten wie z.B. in Verhandlungssituationen oder virtuellen Teams überprüft werden. Literatur Dirks, K.T. (1999): The effects of interpersonal trust on work group performance. In: Journal of Applied Psychology, 84, 445-455. Frey, D./Stahlberg, D./Gollwitzer, P.M. (1993): Einstellung und Verhalten: Die Theorie überlegten Verhaltens und die Theorie geplanten Verhaltens. In: D. Frey & M. Irle (Hrsg.): Theorien der Sozialpsychologie, Band 1: Kognitive Theorien. Bern: Huber, 361-398. Mayer, C.R./Davis, J.H./Schoorman, F.D. (1995): An integrative model of organizational trust. In: Academy of Management Review, 20, 709-734. Tyler, T.R./Kramer, R.M. (1996): Whither Trust? In: R. Kramer & T. Tyler (eds.): Trust in organizations, London: Sage, 1-15. Evelin Dietrich Werte und Wertewandel in gesellschaftlichen Transformationsprozessen – dargestellt am Beispiel Führungskräfte* Betreuer: 1. Prof. Dr. Rainhart Lang, Technische Universität Chemnitz Problemstellung und Ziele Seit Beginn des Transformationsprozesses wurde es möglich, das Thema der Werte unter den Bedingungen gravierender gesellschaftlicher Umbrüche zu untersuchen. Die beobachtbaren Veränderungen in Ostdeutschland wurden dabei sehr zeitig als grundlegender Wertewandel eingeordnet. Bei der Betrachtung theoretischer und empirischer Forschungsarbeiten fällt jedoch auf, dass die Analyse des Wertewandels der wirtschaftlichen Akteure in Ostdeutschland überwiegend erst nach 1990 begann und auf dieser Basis oftmals eine stereotype Kategorisierung der ostdeutschen Akteure erfolgte. Es wird kaum unterschieden zwischen dem Wertewandel, der sich bereits innerhalb der Entwicklungsetappen der DDR vollzog und durch die neuen Rahmenbedingungen offenkundig wird, und dem Prozess der Wertetransformation, der durch die deutsche Wiedervereinigung eingeleitet wurde und seine spezifische Ausprägung Evelin Dietrich: Werte und Wertewandel in gesellschaftlichen Transformationsprozessen dargestellt am Beispiel Führungskräfte. Schriftenreihe: Arbeit, Organisation und Personal im Transformationsprozess, herausgegeben von R. Lang, C. Baitsch, P. Pawlowsky, Bd. 20, ISBN 3-87988-730-6, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2003, 268 S., € 24,80. 474 Personalforschung an Hochschulen durch die Art und Weise des Vereinigungsprozesses erhält. Auch die Annahmen über Werte und deren Wandel im real existierenden Sozialismus sind sehr widersprüchlich und die unterschiedlichen Traditionen der Werteforschung werden weitestgehend ignoriert. Ziel dieser Arbeit ist, die individuellen Werte und Prozesse des Wertewandels der Leiter/Führungskräfte, die in der DDR eine besondere Stellung einnahmen und im Transformationsprozess als wichtige wirtschaftliche Akteure angesehen werden können, systemübergreifend zu analysieren. Wesentliche Fragestellungen dabei sind: Welche individuellen Werte waren bei den Leitern in der DDR vorhanden und welche Werteentwicklungen haben sich bei dieser Gruppe bereits in der DDR vollzogen? Wie veränderten sich die individuellen Werte der ostdeutschen Führungskräfte im Verlauf des Transformationsprozesses? Welche Wertveränderungen der Gruppe der Leiter/Führungskräfte sind Ende der neunziger Jahre im Vergleich zum Ende der achtziger Jahre feststellbar? 2. Aufbau der Arbeit Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet eine Analyse der Ergebnisse der Werteforschung im Transformationsprozess und die Herausarbeitung einer Vielzahl von allgemeinen, strukturellen und methodischen Defiziten des Forschungsfeldes sowie von Problemen einer systemübergreifenden Betrachtung der Werte und des Wertewandels (Abschn. A). Im Anschluss erfolgt ein Blick auf die Definitionen des Begriffs „Wert“ und ein Vergleich der Wertauffassungen aus der Sicht verschiedener Wissenschaftsdisziplinen in Ost- und Westdeutschland (Abschn. B). Im Abschnitt C wird, ausgehend davon, dass der Systemwandel von der Plan- zur Marktwirtschaft ein Veränderungsprozess ist, der sowohl die gesellschaftliche, die organisationale als auch die individuelle Ebene berührt (vgl. Abbildung 1), die Entstehung und Veränderung von Werten, die zentrale Bedeutung individueller Werte und der Zusammenhang gesellschaftlicher und individueller Wertsysteme dargestellt; Dimensionen und Tendenzen des Wertewandels werden aufgezeigt. Mit Hilfe von Exkursen sowie eines Anhangs werden die jeweiligen Spezifika in der DDR bzw. im Transformationsprozess betrachtet. Im empirischen Teil der Arbeit (Abschn. D) wird zunächst die methodische Vorgehensweise diskutiert. Danach werden die Befunde aus zwölf empirischen Studien – fünf davon aus der Zeit vor der Wende – vorgestellt. Die Zusammenstellung und Interpretation der Befunde erfolgt entlang der o. g. Fragestellungen vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen in Ostdeutschland und der Handlungskontexte der Führungskräfte (vgl. Abb. 1). Den Abschluss der Arbeit bildet Abschnitt E, in dem die Ergebnisse kritisch hinterfragt und offene Probleme sowie mögliche Anknüpfungspunkte für die Praxis aufgezeigt werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 475 Abb. 1: Ebenen des Transformationsprozesses1 Gesellschaft (Subsysteme, Strukturen, Kulturen) Werte und Wertsysteme 3. Unternehmen (Branche, Umfeld, Kultur, Struktur) Werte und Wertsysteme Individuum (Sozialisation, Persönlichkeit, Identität, Rollen, Verhalten, Zufriedenheit) Werte und Wertsysteme Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung Beim Vergleich der Wertauffassungen werden Unterschiede sichtbar, z.B. dass die Werteforschung West den Begriff inhaltlich breiter und differenzierter fasst als die Werteforschung Ost und von den Forschern Ost bei der Interpretation ihrer Forschungsergebnisse der ideologische Aspekt besonders zu beachten war, und Gemeinsamkeiten, z.B. dass Werte über Sozialisationsprozesse erworben werden, ein wesentliches Kriterium der Persönlichkeit sind und immer ein subjektives Moment enthalten, Bestandteil einer Kultur sind und unterschiedlichen Wertebereichen zugeordnet werden können. Aus der differenzierten und detaillierten Beschreibung der Werte und des Wertewandels der Leiter in der DDR und der ostdeutschen Führungskräfte im Transformationsprozess sowie systemübergreifender Tendenzen erscheint besonders interessant: In der DDR kam es Ende der siebziger Jahre zu einer Aufwertung der Werte Freizeit und Einkommen und einer Abwertung des Wertes Qualifizierung und Entwicklungsmöglichkeiten. In den achtziger Jahren nahm die Einkommensorientierung ab. Unverändert hoch blieb die Wichtigkeit der Familie, einer interessanten Arbeitstätigkeit und guter kollektiver Beziehungen. Die tradierten sozialen Werte wie Kollektivgeist, Gemeinschaftsleben und das Engagement für den Betrieb behielten eine hohe Bedeutung. Die Zunahme einer kritischen Haltung war besonders auf die Faktoren des Systems gerichtet, durch welche eine selbständige, kontinuierliche und planmäßige Arbeit verhindert wurde. Durch die Verbesserungen im sozialpolitischen Bereich 1 Die Ebenen sind durch Prozesse der Institutionalisierung und Sozialisierung sowie des individuellen und kollektiven Handelns verbunden. Die Werte in Organisationen sind in das kulturelle Muster der jeweiligen Gesellschaft eingebettet, Bestandteil der Unternehmenskultur und nehmen neben anderen Faktoren Einfluss auf Strukturen und Verhalten in Organisationen. Individuelle Werte sind Ergebnis vergangener Sozialisationsumwelten der DDR und der DDRBetriebe und in der Biografie der Führungskräfte verankerte Erfahrungen, die von aktuellen Erfahrungen beeinflusst werden. Den Werten kommt jeweils konstituierende Bedeutung für die Systeme und Strukturen zu; zugleich sichern die Strukturen zumindest tendenziell die Reproduktion und damit eine relative Stabilität der Wertmuster. 476 Personalforschung an Hochschulen gelang es in den achtziger Jahren kaum noch, die Wertentwicklung maßgeblich zu beeinflussen. Im Transformationsprozess nahm bei den arbeitsbezogenen Werten die Wichtigkeit der national-, sozial-, leistungs-, einkommens- und aufstiegsorientierten Werte ab. Wichtiger wurden die familien- und freizeitorientierten Werte. Bei den sog. allgemeinen Werten (Pflicht-, Akzeptanz- und Selbstentfaltungswerte) verlief der Wertewandel bei den Führungskräften der mittleren Altersgruppe als Werteverlust. Besonders stark an Bedeutung verloren haben dabei die Selbstentfaltungswerte. Für die älteren Führungskräfte wurden die Pflicht- und Akzeptanzwerte wichtiger. Bei den jüngeren Führungskräften fand bei den Selbstentfaltungswerten eine Wertsynthese bei gleichzeitiger Bedeutungszunahme der Pflicht- und Akzeptanzwerte statt. Systemübergreifend ist bei den Pflicht-, Akzeptanz- und Selbstentfaltungswerten als Wertegruppen eine hohe Stabilität erkennbar. Im Arbeitsbereich nahm die Wichtigkeit kollektivistischer Werte ab und es erfolgte eine Umorientierung in der sozialen Ausrichtung. Die Betriebsverbundenheit ist nach wie vor stark ausgeprägt. 4. Weiterführende und noch offene Fragen Kritisch angemerkt werden muss, dass bei der Interpretation der Daten als Wertewandel die Veränderungen nach Skalenpunkten teilweise sehr geringfügig sind und sich der Wertewandel, der aus einem vom Probanden anders interpretierten Bezug aufgrund der systemspezifisch unterschiedlichen Konkretisierung und Spezifizierung normativer Werte, wie z.B.: Gleichbehandlung, Selbstverwirklichung, Demokratie und der bereichsbezogenen Thematisierung resultieren könnte, anhand des ausgewerteten Datenmaterials nicht nachweisen lässt. Weiterführende Erkenntnisse könnten durch die stärkere Offenlegung der Referenzsysteme und Bezugspunkte der Werte bei der Interpretation der Daten, Forschungen zur Verankerung der normativen Wertmuster der Gesellschaft in den individuellen Wertstrukturen, die Einbeziehung und Verknüpfung qualitativer und quantitativer Daten und die Ansätze einer kulturvergleichenden Wertewandelsforschung gewonnen werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 477 Nicola Struß Führungswechsel im Management – Eine empirische Analyse innovativer Wachstumsunternehmen* Betreuer: 1. Prof. Dr. Jean-Paul Thommen, European Business School, Oestrich-Winkel Problemhinführung Führungskräfte agieren heute nicht mehr allein, sondern sie steuern im Rahmen von Managementteams die unternehmerischen Prozesse. Die Teams unterliegen als zentrale intangible Unternehmensressource Veränderungen im Zeitablauf, die vor dem Hintergrund der Sicherung unternehmerischer Führungskontinuität kritisch zu betrachten sind. Die personellen Veränderungen der Managementteams in Form von Führungswechseln werden in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt. Während die Wirkungen des Wechsels in der Unternehmensführung in der wissenschaftlichen Literatur bereits thematisiert wurde, sind die Ursachen, die zu einem Führungswechsel im Management führen, bislang weitgehend unbeleuchtet. Die Studie fragt nach den Ursachen, die zu einem Führungswechsel im Management führen. Die empirische Analyse verfolgt dabei das Ziel, den Kenntnisstand über die Determinanten des Führungswechsels in Managementteams innovativer Wachstumsunternehmen zu erweitern. Die wichtigsten Subziele bestehen in der Ermittlung relevanter Einflussfaktoren auf den Führungswechsel im Management, deren Systematisierung und der Analyse des Zusammenhanges zwischen den Strukturen des Managementteams und den Führungswechseln in innovativen Wachstumsunternehmen. Zu diesem Zweck werden idealtypische Formen des Führungswechsels, das Ausscheiden von Teammitgliedern sowie die Erweiterung des Teams um neue Mitglieder, abgeleitet. Neben der Erklärung potenzieller Zusammenhänge zwischen den Variablen der Teamstrukturen und dem Führungswechsel im Management wird angestrebt, anhand der ermittelten empirischen Befunde Implikationen für die Unternehmenspraxis zu formulieren. 2. Theoretischer Zugang zur Untersuchung Auf Basis der Strukturanalyse und des Resource-based View werden in der Arbeit Teamstrukturen im Management analysiert und potenzielle Einflussfaktoren auf den Führungswechsel herausgearbeitet. Um sich der Bestimmung und Analyse der * Nicola Struß: Führungswechsel im Management – Eine empirische Analyse innovativer Wachstumsunternehmen. ebs Forschung – Schriftenreihe der European Business School, Schloß Reichartshausen, hrsg. von K.-W. Schulte, Bd. 42. ISBN 3-8244-0692-6, DeutscherUniversitäts-Verlag, Wiesbaden 2003, 338 S., € 54,90. 478 Personalforschung an Hochschulen Einflussfaktoren des Führungswechsels im Management innovativer Wachstumsunternehmen anzunähern, wird das Phänomen des Führungswechsels aus der Perspektive des Resource-based View betrachtet. Der Resource-based View weist auf die Relevanz und Bedeutung der Humanressourcen insbesondere der Ressourcen des Managements für die langfristige Unternehmensentwicklung hin. Gezeigt wird, dass aus dem Pool der Humanressourcen des Unternehmens die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen der Führungskräfte in Form eines Managementteams („Team of Resources“) zusammengeführt werden können. Aus der Perspektive des Resource-based View werden Veränderungen der Managementteams analysiert und erste Hinweise auf mögliche Determinanten des Führungswechsels abgeleitet. Aufbauend auf diesen Überlegungen wird die Strukturanalyse zur Identifikation einzelner Teamstrukturen im Management herangezogen. Ausgehend von der Systematisierung der sozialtheoretischen Strukturbegriffe wird ein mehrdimensionales Modell der Strukturanalyse entwickelt. Die Differenzierung der Teamstruktur des Managementteams in die Dimensionen der Kommunikations-, der Aufgabenund Rollenstruktur, des Status und der Machtstruktur sowie der Affektstruktur ermöglicht die Analyse und Systematisierung potenzieller Einflussfaktoren des Führungswechsels im Management. 3. Untersuchungsdesign Das Forschungsziel der Untersuchung besteht darin, Charakteristika der Managementteams innovativer Wachstumsunternehmen aufzuzeigen, wesentliche Determinanten ihrer Strukturen zu erklären und mögliche Einflussfaktoren auf den Führungswechsel im Management abzuleiten. Ziel ist es, diese Variablen auf Basis verschiedener theoretischer Ansätze zu erläutern, sie in Form von Hypothesen abzufassen und empirisch zu prüfen. Eine umfangreiche Literaturanalyse sowie eine Expertenstudie mit Vorständen und Beratern innovativer Wachstumsunternehmen bilden die Datengrundlage zur Hypothesengenerierung der Untersuchung. Die Aggregation der Befunde der Literaturanalyse und der Experteninterviews führt zu einer Auswahl von 21 Merkmalen, denen ein bedeutender Einfluss auf den Führungswechsel im Management innovativer Wachstumsunternehmen zugeschrieben wird. Ein Bezugsrahmen wird entwickelt, der die einzelnen Determinanten des Führungswechsels systematisiert. Der Bezugsrahmen der Untersuchung stellt die zur Erklärung des Führungswechsels im Management innovativer Wachstumsunternehmen herangezogenen Variablen und ihre Verkettungen schematisch dar. Zu den getroffenen Annahmen über die Beziehungszusammenhänge und Wirkungsrichtungen der Faktoren auf den Führungswechsel im Management werden Hypothesen abgeleitet. Die Reflexion der Ergebnisse der Literaturfeldanalyse und Expertenstudie ermöglicht die Formulierung von 21 Forschungshypothesen, die sich auf die Erfassung des Zusammenhanges zwischen den möglichen Determinanten und dem Führungswechsel im Management konzentrieren. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 4. 479 Empirische Untersuchung Das Hypothesensystem wird in einer Fragebogenerhebung in innovativen Wachstumsunternehmen überprüft. Die Autorin liefert eine Vollerhebung von 342 deutschen, börsennotierten Aktiengesellschaften im Sommer 2001. Die Charakteristika des Führungswechsels und relevante Determinanten des Führungswechsels werden in der schriftlichen Befragung bestimmt. Befragt werden die Vorstandsvorsitzenden bzw. Finanzvorstände der Unternehmen des Börsensegmentes Neuer Markt der Deutschen Börse AG. Als Untersuchungsform wird eine Querschnittsanalyse der Managementteams innovativer Wachstumsunternehmen eingesetzt, die als unechte Längsschnittsanalyse konzipiert wurde. Um den Aufbau und die Verständlichkeit des Fragebogens zu testen, wurde vorab ein Pre-Test durchgeführt. Ein Brutto-Rücklauf von 32,0% konnte erzielt werden. Abzüglich der Korrekturfaktoren entspricht dies einer Netto- Rücklaufquote von 30,3%. Vor dem Hintergrund der Befragungsintensität Neuer MarktUnternehmen kann sie als überdurchschnittlich gut angesehen werden. 5. Deskriptive Analyse und hypothesengeleitete Ergebnisdarstellung Die empirische Analyse – bestehend aus der deskriptiven Analyse und der hypothesengeleiteten Ergebnisdarstellung – erfolgt anhand strukturbeschreibender, strukturentdeckender und strukturüberprüfender statistischer Verfahren. Insgesamt werden 21 Wirkungs- und Zusammenhangshypothesen zu potenziellen Einflussfaktoren des Führungswechsels im Management innovativer Wachstumsunternehmen empirisch getestet. Anhand von Signifikanztests wird geprüft, ob die einzelnen Variablen Einfluss auf den Führungswechsel im Managementteam der Unternehmen besitzen. Durch einen Mittelwertvergleich im Rahmen des t-Tests und der Varianzanalyse können Unterschiede oder Gemeinsamkeiten in den Teams mit Führungswechsel und den Teams ohne Führungswechsel festgestellt werden. Weist eine unabhängige Variable im Rahmen der Hypothesentests einen signifikanten Zusammenhang mit dem Führungswechsel auf, wird sie als Einflussfaktor auf den Führungswechsel positiv selektiert. Ist im Rahmen der statistischen Tests für eine Variable kein signifikanter Zusammenhang feststellbar, scheidet sie als potenzieller Einflussfaktor aus. Die statistische Analyse der Wechselereignisse bestätigt 18 vermutete Wirkungszusammenhänge, für drei Variablen (Grundwerte, persönliche Abstimmung und Branchenzugehörigkeit) kann der Wirkungszusammenhang nicht bestätigt werden. 6. Resümee Die konzeptionelle Analyse und empirische Auswertung der Führungswechsel im Management verdeutlichen den Stand der Forschung für Wissenschaft und Praxis. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass es sich bei den Führungswechseln im Managementteam um ein praxisrelevantes Problem der Betriebswirtschaftslehre handelt. Führungswechsel im Managementteam innovativer Wachstumsunternehmen 480 Personalforschung an Hochschulen werden durch eine Vielzahl von Faktoren signifikant beeinflusst, die durch die Dimensionen des Managementteams systematisiert werden können. Die Ergebnisse bestätigen dabei weitgehend die aus der Literatur sowie der Expertenstudie abgeleiteten Überlegungen zu den potenziellen Einflussfaktoren des Führungswechsels im Managementteam. Einzelne Variablen der Teamstruktur des Managements beeinflussen den Führungswechsel im Management signifikant. Ihnen ist bei der Zusammensetzung der Managementteams und Gestaltung der Teamprozesse besonderes Augenmerk zu schenken. So wirkt die Zusammensetzung des Managementteams signifikant auf die Häufigkeit von Führungswechseln im Management innovativer Wachstumsunternehmen. Der empirische Teil der Arbeit stellt die Grundlage dar, praxisorientierte Aussagen über den Führungswechsel im Managementteam abzuleiten. Die ermittelten Befunde sensibilisieren für ausgewählte Variablen der Teamstruktur des Managements. Die empirischen Ergebnisse können als ein erster Schritt zur abschließenden Adressierung weiterer Einflussfaktoren des Führungswechsels betrachtet werden. In weiterführenden Zusammenhangsanalysen können die identifizierten und analysierten Determinanten des Führungswechsels im Management geprüft und getestet werden. Für die unternehmerische Praxis können auf diese Weise valide Implikationen für die Steuerung und Konstitution der Managementteams bzw. für den Umgang mit den Determinanten des Führungswechsels im Management formuliert werden. Insgesamt eröffnet sich ein komplexes Feld für weitere betriebswirtschaftliche Forschungsvorhaben. Der Themenkomplex „Führungswechsel in Managementteams“ kann daher noch keine abschließende Beurteilung erfahren. Die Forschungsergebnisse der Untersuchung tragen jedoch wesentlich zur Transparenz der Beziehungszusammenhänge bei. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 481 8. Unternehmensführung und -politik, Management und Innovation Georg Bonn Personalmanagement und Kreativität von Unternehmen. Der Einfluss von personalpolitischen Maßnahmen auf die Innovationsfähigkeit* Betreuer: 1. Prof. Dr. Rüdiger G. Klimecki, Universität Konstanz Problemhinführung Die Entwicklung von Unternehmen lässt sich immer weniger eindeutig kalkulieren, das Entscheidungsumfeld ist von einer Zunahme der Komplexität gekennzeichnet. Globalisierung und Digitalisierung haben die Welt entscheidend beschleunigt. Unternehmen vermögen ihre Lebensfähigkeit nur dann langfristig zu sichern, wenn es ihnen gelingt, sich immer wieder aufs neue an die sich wandelnden Umweltanforderungen anzupassen. In der Literatur wird mehrfach darauf hingewiesen, dass wegen dieser zunehmenden Unsicherheit es das Ziel der Unternehmen sein muss, ihren Mitarbeitern ein solches Arbeitsumfeld zu bieten, in dem ein kreatives Arbeiten möglich ist. Erst dann, so wird argumentiert, kann ein Unternehmen seine Human-Ressourcen optimal einsetzten und sich erfolgreich am Markt behaupten. Indem das Management durch personalpolitische Maßnahmen steuernd in die innerorganisatorische Konstellation aus Organisationsstruktur, Führungsstil oder interner Kommunikation eingreift, kann es im Idealfall das kreative Klima der jeweiligen Unternehmen günstig beeinflussen. Mit dieser Arbeit wird erstmalig versucht, anlehnend an einen konzeptionellen Rahmen, das Kreativitätsklima im direkten Zusammenhang zur Ausgestaltung der Personalpolitik zu messen. Es wurde im Rahmen einer empirischen Studie untersucht, wie sich das personalpolitische Strukturmuster eines Unternehmens auf das kreative Potential solcher Unternehmen auswirkt. Die zentralen Fragen der Untersuchung lauten: 1. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der inhaltlichen Ausgestaltung der Personalpolitik und dem kreativen Klima eines Unternehmens? 2. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem kreativen Klima und dem Unternehmenserfolg? * Georg Bonn (2002): Personalpolitik und Kreativität von Unternehmen. Der Einfluss von personalpolitischen Maßnahmen auf die Innovationsfähigkeit. ISBN 3-8244-7676-2, DUV, Gabler Edition Wissenschaft, 262 Seiten, € 49,90. 482 2. Personalforschung an Hochschulen Theoretische Basis der Arbeit: Entwicklungsorientiertes Personalmanagement Der Ansatz des entwicklungsorientierten Personalmanagements nach Klimecki und Gmür stellt eine konzeptionelle Auseinandersetzung mit Funktionen und Instrumenten der Personalarbeit dar. Es wird davon ausgegangen, dass in Unternehmen ständig Prozesse der Variation, Selektion und Retention ablaufen. Die vorhandenen Qualifikationen und Motivationen, deren Gesamtheit als die Ressource Personal definiert wird, verändern sich im Zeitverlauf unabhängig von bewussten Eingriffen durch das Management. Die Unternehmensführung kann jedoch durch personalpolitische Maßnahmen Einfluss auf die evolutionären Teilprozesse (Variation, Selektion, Retention) nehmen. Damit kann das Management steuernd in den evolutionären Veränderungsprozess von Motivationen und Qualifikationen eingreifen und somit das kreative Klima der jeweiligen Unternehmen günstig beeinflussen. Die in dieser Studie untersuchten Unternehmen befinden sich aufgrund ihrer Branchenzugehörigkeit automatisch in einer komplexen Umwelt. Es geht in dieser Studie darum, wie das kreative Klima durch aktivierende und lenkende personalpolitische Maßnahmen beeinflusst werden kann. 3. Grundlagen für das Untersuchungsdesign Unter Berücksichtigung von Teilbereichen des bestehenden personalpolitischen Modells von Klimecki und Gmür (2001) und des Ansatzes zur Messung des kreativen Klimas von Amabile et al. (1996) wurde ein integrierter Ansatz entwickelt. Ausgehend von der Grundannahme, dass die aktivierenden und lenkenden Maßnahmen von Personalpolitik Einfluss auf das kreative Klima von Unternehmen nehmen, wurden zwölf Forschungshypothesen, unterteilt in Aktivierungsleistung und Lenkungsleistung, im Hinblick auf das Kreativitätsniveau von Unternehmen formuliert. Ebenfalls wurde dann für den zweiten Untersuchungsschritt eine weitere Hypothese zum vermuteten Zusammenhang von kreativem Klima und dem Unternehmenserfolg verfasst. Die Arbeit prüfte durch mehrere multivariate Regressionsmodelle den Einfluss von aktivierenden und lenkenden personalpolitischen Maßnahmen auf den kreativen Prozess. In einem zweiten Untersuchungsschritt wurde der Zusammenhang zwischen dem kreativen Klima und dem Unternehmenserfolg bivariat untersucht. 4. Empirische Untersuchung Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen einer schriftlichen Befragung einer Stichprobe von Unternehmen, die dem Typus des „knowledge intensive firm“ entsprachen. Da die Wertschöpfung in diesen Unternehmen nahezu vollständig durch Arbeitsleistungen und den Einsatz von Wissen entsteht, sollte der Einfluss personalpolitischer Maßnahmen hier besonders deutlich zum Ausdruck kommen. Auch weisen Betriebe dieser Branchen, nicht zuletzt durch Globalisierungseffekte, ein hohes Maß an Umweltkomplexität auf. Aus Unternehmen der Branchen Versicherungsgewerbe, Kreditgewerbe, Unternehmensberatung und Softwarehäuser wurde von der i- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 483 dentifizierten Grundgesamtheit für den deutschsprachigen Bereich (N = 1566) eine geschichtete Stichprobe von ca. 20 Prozent befragt. 5. Ergebnisse Die Studie zeigt, dass der aktivierende personalpolitische Maßnahmenblock nach den empirischen Ergebnissen einen teilweisen Einfluss auf das kreative Klima von Unternehmen hat, wohingegen die lenkenden personalpolitischen Maßnahmen keinen Einfluss auf ein kreatives Klima zu haben scheinen. Die Arbeit hat weiterhin belegt, dass die drei Kontrollvariablen (Bestand, Umsatz und Mitarbeiter) einen erheblichen Zugewinn für die Modellqualität als Ganzes sowie die Erklärungsmacht der einzelnen unabhängigen Variablen bedeuten. Die Ergebnisse der Untersuchung haben ebenfalls gezeigt, dass erstens die betriebliche Personalpolitik und somit die Gestaltung der Steuerung der „Human Resources“ in der Tat einen empirisch messbaren, direkten Einfluss auf das kreative Klima eines Unternehmens haben, und dass zweitens ein solches Klima einen Einfluss auf den Unternehmenserfolg hat. Insbesondere scheint die Varietät der Qualifikationen der Mitarbeiter von Bedeutung zu sein. Es ist daher wichtig, dass die Personalarbeit eng in die strategische Unternehmensführung eingebunden wird und somit zu einem „strategischen Partner“ der Unternehmensführung wird. Ein Unternehmen, welches sich einer hochkomplexen Umwelt gegenübergestellt sieht, sollte sich ein möglichst breites Qualifikationspotential bzw. eine hohe Varietät an Qualifikationen mit Hilfe entsprechender personalpolitischer Interventionen schaffen. Die hier vorliegende Arbeit hat, auch unterstützt durch die empirischen Ergebnisse der Untersuchung, gezeigt, dass eine solche zukunftsorientierte Managementphilosophie ein „gesundes“ kreatives Klima in einem Unternehmen fördern sollte, um die notwendige Handlungsfähigkeit zu gewährleisten. Thomas Brönnimann Corporate Governance und die Organisation des Verwaltungsrates* Betreuer: 1. Prof. Dr. Norbert Thom, Universität Bern Themengegenstand Seit rund zehn Jahren ist Corporate Governance (CG) als Oberbegriff für die Regelung der Unternehmensüberwachung und strategische Unternehmungsführung * Die Dissertation wird im Haupt Verlag Bern/Stuttgart/Wien erscheinen. 484 Personalforschung an Hochschulen verstärkt Gegenstand internationaler Forschungsbestrebungen der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, wobei die juristische Sichtweise bis anhin dominiert. Ausgelöst wurde diese intensivierte CG-Diskussion durch Aufsehen erregende Konkurse und Insolvenzerklärungen verschiedenster Unternehmungen im angelsächsischen und deutschsprachigen Raum, deren Spitzenorganisationen und Überwachungsmechanismen dem dynamisierten und globalisierten Wettbewerbsumfeld nicht genügend angepasst waren. Schweizerische Großunternehmungen, die sich im internationalen Wettbewerbsumfeld behaupten müssen, sehen sich neuen Transparenzforderungen hinsichtlich der Zusammensetzung und Organisation ihrer Unternehmensspitze ausgesetzt. Von erheblicher Gestaltungsrelevanz für die Spitzenorganisationen schweizerischer Aktiengesellschaften ist zudem das 1992 in Kraft getretene revidierte Aktienrecht, bei dem die Verbesserung der Struktur und Funktionswahrnehmung der Organe, insbesondere des Spitzenorganes Verwaltungsrat (VR), einen Kernpunkt darstellt. Die Rechts- und Machtverhältnisse der Spitzenorgane sind nunmehr eindeutiger festgelegt 2. Aufbau und Ziel der Arbeit Corporate Governance ist ein komplexer, interdisziplinärer Begriff und ein noch junges Forschungsfeld, weshalb die theoretische Durchdringung und die Synthese unterschiedlichster Forschungsarbeiten noch nicht weit fortgeschritten sind. Dieser Umstand erschwert es, einen ganzheitlichen Überblick über dieses facettenreiche Themengebiet zu gewinnen und einzelne CG-Beiträge einzuordnen. Das Ziel besteht deshalb darin, eine Übersichtsarbeit zu verfassen, welche den Stand der internationalen CG-Diskussion aufzeigt sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten diverser CGDefinitionen und -Verständnisse ersichtlich macht. Um die relevanten Elemente und deren Beziehungen untereinander aufzuzeigen, wird in der Arbeit das Instrument des konzeptionellen Bezugsrahmens verwendet. Dieser umfasst die Elemente Bedingungsgrößen, Aktionsparameter und Effektivitäts/Effizienzkonzept. Die Rahmenbedingungen beschränken den Handlungsspielraum für die spitzenorganisatorischen Entscheidungsträger innerhalb einer Unternehmung. Besonders beachtet werden dabei die personellen Bedingungsgrößen. Bei den Aktionsparametern wird von den mittel- bis langfristig veränderbaren Größen Kultur, Strategie und Struktur ausgegangen, wobei die Struktur mit den organisatorischen Größen Arbeitsteilung, Koordination und Konfiguration im Forschungsmittelpunkt steht. Beim Effektivitäts-/Effizienzkonzept wird ein Vorgehen gewählt, das auf Deduktionsschritten fußt. Der Ausgangspunkt sind die ökonomisch-technische, die flexibilitätsorientierte und die individual-soziale Effizienzdimension. Die Effizienzkriterien stehen zwischen den Effizienzdimensionen und den Effizienzindikatoren, welche konkrete Messgrößen sind. Basierend auf einem praktisch-normativen Wissenschaftsverständnis geht der Verfasser davon aus, dass betriebswirtschaftliche Forschungstätigkeiten letztlich eine anforderungsgerechte Orientierungshilfe zur Bewältigung von Problemstellungen in der Praxis bieten sollen. Das vorrangige praxisbezogene Projektziel besteht in der Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 485 Ausarbeitung theoretisch und empirisch zumindest partiell abgestützter Handlungsempfehlungen. Um dies zu erreichen, wird eine heuristische Vorgehensweise bei der spitzenorganisatorischen Gestaltung angestrebt. 3. Untersuchungsmethoden Es wird in erster Linie eine analytische Forschungsstrategie angewendet. Zur Sicherstellung des Praxisbezuges werden zwei qualitative Untersuchungen durchgeführt. Auf eine quantitative Erhebung wird verzichtet, da aufgrund des hohen Sensitivitätsgrades des Themengegenstandes der erreichbare Informationsgehalt (z.B. mittels standardisierter Fragebögen) als gering eingestuft wird. Im Vordergrund des empirischen Teils steht nicht eine fundierte Bestätigung von Hypothesen/Modellen, sondern die Identifizierung unterschiedlicher Elemente und der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Elementen. Bei den Studien handelt es sich einerseits um leitfadengestützte Experteninterviews und andererseits um Fallstudien, bei welchen schweizerische Großunternehmungen hinsichtlich der Organisation und Zusammensetzung der höchsten Entscheidungsgremien untersucht werden. Im Vordergrund der Expertengespräche steht die Erkennung von spezifischen Merkmalen, welche die CG-Situation der Schweiz kennzeichnen. Insgesamt wurden mit 13 Experten qualitative Interviews durchgeführt, wobei darauf Wert gelegt wurde, unterschiedliche Sichtweisen einzufangen, was sich besonders bei der Expertenauswahl akzentuiert. Bei den Fallstudien wäre grundsätzlich ein Methodenpluralismus möglich, da nicht-teilnehmende Beobachtungen (z.B. bei VR-Sitzungen), Dokumentenanalysen und Interviews durchgeführt werden könnten. Damit aber überhaupt eine Analyse bei einzelnen Unternehmungen möglich war, musste auf die Diskretionswünsche der 6 untersuchten Unternehmen eingegangen werden und so eine Beschränkung auf Interviews und die Analyse von Dokumenten erfolgen. Aus Diskretionsgründen kann auch nur eine neutrale Darstellung der spitzenorganisatorischen Ausgestaltungen erfolgen, was zu einem eher illustrativen Charakter der Fallstudien führt. 4. Untersuchungsergebnisse und Ausblick Das theoretische Hauptziel der Arbeit ist die Erarbeitung eines konzeptionellen Bezugsrahmens mit den Größen Rahmenbedingungen, Aktionsparameter und Effektivitäts-/Effizienzkonzept für die oberste Unternehmensleitung als zentrale Gestaltungsträgerin. Als überblicksartige Ergebnisdarstellung können folgende Aspekte aufgezeigt werden: Rahmenbedingungen: Rechtliche Aspekte kristallisieren sich als die relevantesten generellen Rahmenbedingungen heraus. Die Eigen- und Fremdkapitalgeber sowie die externe Revisionsstelle sind die wichtigsten problemspezifischen Bedingungsgrößen. Bei den betrieblichen Rahmengrößen sind insbesondere der Standort, die Rechtsform und die Finanzstruktur zu erwähnen. 486 Personalforschung an Hochschulen Aktionsparameter: Bei der Arbeitsteilung ist besonders die Bildung von Ausschüssen zu beachten und bei der Koordination die Verwendung von Informationsund Anreizsystemen. Beim konfigurativen Aufbau der Unternehmensspitze ist die Gliederungstiefe weniger problembehaftet als die Gliederungsbreite, bei der die Anzahl VR-Mitglieder im Mittelpunkt steht. Bei der Ablauforganisation sind Informationsprozesse zentral, die auch koordinative Wirkungen entfalten. Effektivitäts-/Effizienzkonzept: Die Unternehmenskontinuität stellt das Oberziel dar und zur Bewertung spitzenorganisatorischer Lösungen ist ein mehrteiliger Effizienzkriterienkatalog zu verwenden. Das Bewertungsverfahren kann mittels einer Nutzwertanalyse numerisch unterstützt werden. Die spitzenorganisatorische Vorgehensweise, welche das praxisorientierte Hauptziel der Dissertation darstellt, gliedert sich in die vier Hauptphasen „Analyse des Problemfeldes und Vorbereitung der Gestaltung“, „VR-Zusammensetzung“, „Ausgestaltung der organisatorischen Aktionsparameter“ sowie „Strukturauswahl, implementation und -weiterentwicklung“. Bei dieser zeitlichen Einteilung handelt es sich um eine idealtypische Ordnung, die im konkreten Fall u. U. mehrfach durchlaufen werden muss. Bei den personalwirtschaftlichen Aspekten ist auf die VR-Größe zu achten. Gruppentheoretische Überlegungen führen zur Vermutung, dass ein Team von mehr als sieben bis acht Personen keine effiziente Arbeitserfüllung mehr erlaubt und negative Gruppeneffekte vermehrt auftreten. Bei der VR-Zusammensetzung sind generelle Kriterien zu definieren, welche alle VR-Mitglieder zu erfüllen haben (z.B. Kommunikations-, Konfliktaustragungs- und Teamfähigkeit), gruppenbezogene Kriterien (z.B. Verhältnis zwischen In- und Ausländern) sowie personenbezogene Kriterien, welche Erfahrungen und Fähigkeiten widerspiegeln, die zumindest eines der VR-Mitglieder besitzen sollte. Für zukünftige Forschungsprojekte wäre die Durchführung von quantitativen Studien ins Auge zu fassen. Diese würden die Gewinnung von Erkenntnissen erlauben (z.B. welche Kriterien bei der VR-Zusammensetzung tatsächlich verwendet werden), die mit einer begrenzten Anzahl von Untersuchungsobjekten nicht möglich sind. Freilich würde sich bei diesem Forschungsgebiet das Problem der Datenerhebung mit besonderer Schärfe zeigen. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 487 Holger J. Dürrfeld Konzerngesellschaften effizient steuern. Eine entscheidungsprozessorientierte Analyse* Betreuer: 1. Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Macharzina, Universität Hohenheim Fragestellung der Untersuchung Setzen Konzernzentralen den von ihnen für die strategische Steuerung von Tochtergesellschaften definierten (De)Zentralisierungsgrad tatsächlich auch um? Die Relevanz dieser Thematik ergibt sich aus der Diskussion um effiziente Konzernstrukturen: Strebt die Konzernzentrale bspw. eine stark zentralisierte strategische Steuerung ihrer Gesellschaften an, kann diese aber – möglicherweise auf Grund einer zu starken Entfernung von deren Geschäftssystemen – nicht (mehr) realisieren, führt dies im Gesamtkonzern zu Ineffizienzen. Erstens werden in der Konzernzentrale entsprechende Strukturen vorgehalten, die im Hinblick auf die strategische Steuerung der Gesellschaften kaum einen „Mehrwert“ erbringen, und zweitens müssen in den Konzerngesellschaften parallele Strukturen aufgebaut werden, die ihrerseits Ressourcen binden. Darüber hinaus kann es in solchen Fällen bspw. auch zu Verzögerungen im Entscheidungsprozess oder sogar zu Demotivation und Blockadehaltungen kommen, wenn beide Organisationseinheiten um eine Vormachtstellung ringen. Die hier besonders fokussierte Frage, wie Konzernzentralen bei der strategischen Steuerung von Konzerngesellschaften im Vergleich zum intendierten Verhalten tatsächlich agieren, berührt sowohl die Aspekte effizienter Konzernstrukturen und der Größe von Konzernzentralen, als auch die Diskussion um einen von der Zentrale zu schaffenden Mehrwert sowie die Analyse des realen Steuerungs- oder Führungsverhaltens im Konzern. Im Hinblick auf den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn ergibt sich als vorrangiges Ziel der Arbeit die Transformation von bisher überwiegend qualitativ beschreibenden Positionierungen des Steuerungs- oder Führungsverhaltens auf dem Kontinuum zwischen maximaler Zentralität und maximaler Dezentralität in qualitativ begründete und quantitativ erfassbare Positionierungen. Dazu wird ein Prozessbewertungsmodell entwickelt, das Entscheidungsprozesse zwischen Zentrale und Dezentrale abbildet und es erlaubt, deren (De-)Zentralisationsgrade zu bestimmen. Besonderes Augenmerk soll dabei auf den Bereich koordinativer Steuerung gelegt werden, der bisher häufig als schwer zu fassender „Graubereich“ in der Mitte des Kontinuums vernachlässigt wird. Unter einer qualitativ begründeten Zentralitätsbewertung von Entscheidungsprozessen wird hier eine auf Basis theoretischer Erkenntnisse argumen* Die Arbeit ist im Gabler Verlag erschienen, Wiesbaden 2003. 488 Personalforschung an Hochschulen tierende Verteilung von Entscheidungsrechten zwischen Zentrale und Dezentrale verstanden. 2. Theoretische Basis Das Effizienzkriterium einer Übereinstimmung von Steuerungsbedarf und Steuerungsverhalten wird mit Hilfe des Informationsverarbeitungsansatzes theoretisch begründet, indem der Steuerungsbedarf als Informationsverarbeitungsbedarf und das Steuerungsverhalten als Informationsverarbeitungskapazität der Organisation interpretiert wird. Die Entwicklung des Prozessbewertungsmodells erfolgt auf Basis von Ansätzen aus der neuen Institutionenökonomie, mit deren Hilfe der Einfluss von Zentrale und Dezentrale im strategischen Entscheidungsprozess bestimmt wird. Eine auf solche Ansätze gestützte Prozessbewertung bietet sich an, da bei unterschiedlichen Informationsverteilungen im Konzern regelmäßig Abhängigkeitsverhältnisse, Informationsasymmetrien und Verhaltensspielräume entstehen, die den Analysegegenstand der neuen Institutionenökonomie bilden. Die Prinzipal-Agenten-Theorie liefert vor allem Ansatzpunkte für die Bewertung von Informationsasymmetrien im Entscheidungsprozess zwischen Konzernzentrale und Konzerngesellschaft. Die Theorie der Verfügungsrechte ergänzt diese Sichtweise, indem Schritte im Entscheidungsprozess als Property Rights interpretiert werden, deren Verteilung wiederum Anhaltspunkte für Zentralitätsgrade von Entscheidungsprozessen gibt. 3. Verwendete Methoden In der Arbeit wird eine qualitative Explorationsstrategie verfolgt, deren Ergebnisse zur Effizienz der strategischen Gesellschaftssteuerung im Konzern in Form von Hypothesen formuliert sind. Zwei Überlegungen haben zur Wahl dieser Forschungsstrategie geführt: Erstens konnte die Datenerhebung für den quantitativen Teil auf Grund der Komplexität der Materie nur durch Experteninterviews erfolgen. Weiterhin wird mit der Analyse von Steuerungsbedarf und Steuerungsverhalten in Konzernzentralen ein bisher in der Betriebswirtschaft stark vernachlässigtes Thema aufgegriffen, für dessen detaillierte methodische Durchdringung ein eigener Ansatz entwickelt werden muss. Diese Vorgehensweise auf Basis qualitativer Daten – die erst im späteren Verlauf der Untersuchung zu einer quantitativen Analyse führen – erstrebt das Ziel, erste Wirkungszusammenhänge zwischen Steuerungsbedarf und Steuerungsverhalten nachzuweisen sowie strukturierte Verhaltenstypen zu bilden. Im Rahmen der Entwicklung des Prozessbewertungsmodells konnten bestehende Ansätze zur Berücksichtigung der Entscheidungsvorbereitungsphase von strategischen Entscheidungsprozessen in Konzernen weiterentwickelt werden. Die qualitative Begründung der (De-)Zentralität von Entscheidungsprozessmustern und ihre Bewertung ermöglichte erstmals den Übergang von einem nur beschreibenden Kontinuum zwischen Zentralität und Dezentralität auf ein quantitativ bestimmtes. Die Entwicklung des Prozessbewertungsmodells auf Basis der neuen Institutionenökonomie Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 489 stellt einen ersten Ansatz zur Modellierung von Entscheidungsprozessen und die Übersetzung von qualitativen Bewertungen in quantitative dar. Diese quantitative Bewertung der Prozessverläufe ermöglicht die Definition fester Grenzen einer zentralen, koordinativen und dezentralen Steuerung oder Führung. Darauf aufbauend wurde der Abgleich zwischen Steuerungsbedarf und Steuerungsverhalten vorgenommen. 4. Ergebnisse In der Arbeit wurden für jeden Konzern 29 Entscheidungen der strategischen Gesellschaftssteuerung untersucht. Diese wurden zu vier Entscheidungsfeldern gebündelt, die in einer Hierarchie abnehmender konzernstrategischer Relevanz stehen. Die Zusammenführung von Konzernen mit einem in den Entscheidungsfeldern ähnlichen Verhalten bei der strategischen Gesellschaftssteuerung führte zu einer Typbildung. Hierbei zeigte sich, dass Formen der koordinativen Steuerung in der Praxis sehr weit verbreitet sind und – in unterschiedlicher Intensität – bei allen Holdingkonzernen zu beobachten sind. Typische Ausprägungen bestehender Holdingkonzeptionen, bei denen die Verantwortung für die strategische Gesellschaftssteuerung entweder voll im Bereich der Zentrale oder voll im Bereich der Dezentrale liegt, konnten nur in Ansätzen nachgewiesen werden. Im Hinblick auf Rollendefinitionen von Konzernzentralen bei der strategischen Steuerung von Konzerngesellschaften konnten bestehende Erkenntnisse dahingehend erweitert werden, dass ein zentrales, koordinatives oder dezentrales Steuerungs- oder Führungsverhalten nicht grundsätzlich durchgängig, sondern sogar überwiegend in Kombinationen anzutreffen ist. Die Abweichungsanalyse zwischen dem intendierten und dem realisierten Steuerungsverhalten zeigt bei den konzernindividuellen Steuerungseffizienzen große Unterschiede: Einerseits sind Konzerne nachzuweisen, deren strategische Gesellschaftssteuerung nahezu ohne Effizienzverluste erfolgt, bei anderen Konzernen entstehen im Gegensatz dazu sehr hohe Effizienzverluste, die sich zudem in allen Entscheidungsfeldern finden. Die Studie zeigt, dass im Hinblick auf die strategische Gesellschaftssteuerung effiziente Konzernstrukturen noch wenig verbreitet sind. Es konnte weiterhin festgestellt werden, dass mit zunehmender Streuung der Steuerungsprobleme über viele Entscheidungsfelder auch die durchschnittlichen Steuerungsineffizienzen innerhalb der Entscheidungsfelder zunehmen: Steuerungsoder Führungsprobleme haben somit eine Tendenz zur Selbstverstärkung! Für die ermittelten Konzerntypen ergaben sich markante Effizienzunterschiede. Zusammenfassend zeigt sich, dass die Gesamtsteuerungseffizienz der strategischen Gesellschaftssteuerung umso höher ist, je stärker die Konzernzentralen die Steuerung unterschiedlicher Entscheidungsfelder differenzieren oder spreizen 5. Weiterführende Fragen Die Studie basiert auf 20 Experteninterviews und untersucht das Entscheidungsverhalten jeweils nur für eine Gesellschaft im Konzernverbund. Auf Grund dieser Da- 490 Personalforschung an Hochschulen tenbasis enthält die Studie einen insgesamt explorativen Charakter, obgleich 574 Prozessverläufe analysiert wurden, die im Hinblick auf mögliche existierende Prozessverläufe in der Praxis jedoch als repräsentativ anzusehen sind. Eine Ausweitung der Datenbasis zur empirischen Absicherung oder Weiterentwicklung der Ergebnisse ist ein wichtiges Aufgabengebiet künftiger Forschung. Neue Erkenntnisse sind auch dadurch zu gewinnen, dass neben der Sichtweise von Konzernzentralen auch die der Konzerngesellschaften (als Spiegelbild) in spezifische Untersuchungen einzubeziehen sind. Christina Hoon Reformen öffentlicher Verwaltungen – Ein Beitrag zur Strategieprozessforschung Betreuer: 1. Prof. Dr. H.-G. Ridder, Universität Hannover Problemstellung Aktuelle Arbeiten zum Stand der Verwaltungsreform zeigen, dass die Reformbestrebungen häufig wenig nachhaltig verlaufen und nicht die beabsichtigten Wirkungen erzielen. Die Untersuchungen vermuten die Ursachen für das Scheitern in der spezifischen Struktur- und Funktionslogik öffentlicher Verwaltungen und konzentrieren sich auf die inhaltliche Weiterentwicklung der Reformelemente zur Erreichung der gesetzten Reformziele. Es sind jedoch auch Hinweise zu finden, die identifizierten Richtungs- und Wirkungsverluste auf Blockaden bei der Umsetzung von Maßnahmen oder einer mangelnden Einbindung der Beteiligten zurückzuführen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es daher, den Verlauf von Reformprojekten zu betrachten und ein prozessuales Verständnis zu einem Reformprojekt zu entwickeln. Es wird der Frage nachgegangen, wie prozessuale Größen Einfluss auf Reformvorhaben öffentlicher Verwaltungen nehmen und welche fördernden oder verzögernden Wirkungen diese Faktoren auf den Prozessverlauf haben. Die Reformbestrebungen der öffentlichen Verwaltung lassen sich als Strategieprozess begreifen, in dessen Verlauf sich innerhalb interner und externer Kontextbedingungen Strategien entwickeln, die modifiziert und umgesetzt werden und den strategischen Kontext für weiterführende Initiativen bilden. Christina Hoon: Reformen öffentlicher Verwaltungen – Ein Beitrag zur Strategieprozessforschung. ISBN 3-8244-0708-6, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 2003. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 2. 491 Untersuchungsdesign und methodisches Vorgehen Es wird eine Prozessstudie durchgeführt, in der die Einführung von Personalentwicklung in einer Hochschulverwaltung über einen Zeitraum von ca. 10 Jahren untersucht wird. Der Prozessstudie liegt das Ziel der Theorieentwicklung nach Eisenhardt zugrunde. Die Theorieentwicklung umfasst in einem iterativen Vorgehen die Analyse des empirischen Materials, die Formulierung von Konstrukten und deren Vergleich mit einem relevanten Theoriesegment. Aus dem iterativen Abgleich der sich herausbildenden Konstrukte mit der Literatur resultieren Propositionen, deren Spiegelung an den theoretischen Erkenntnissen zu einer höheren Validität, einer höheren Generalisierbarkeit und höherem konzeptionellen Level eines Theoriesegments beitragen kann. Die Daten der Einzelfallstudie resultieren aus Interviews mit allen am Prozess beteiligten Personen, externen und internen Dokumenten, Memos sowie aus Protokollen. Des Weiteren stützt sich die Datenerhebung auf eine „participant observer study“, die den Strategieprozess und seinen Verlauf über vier Jahre unmittelbar begleitforscht. Entsprechend des methodischen Ansatzes werden die Daten einer qualitativen Analyse unterzogen, um mit Hilfe der Sequenzbildung, „coding tracks“ und der „visual mapping strategy“ nach wiederkehrenden Handlungsmustern, d.h. nach den dahinter liegenden Logiken im Prozessverlauf zu suchen. Aus der Analyse der empirischen Daten werden in einem ersten Schritt Konstrukte identifiziert. Diese induktiv abgeleiteten Handlungsmuster bzw. die dem Muster immanenten Konstrukte werden in einem zweiten Schritt mit Hilfe theoretischer Erklärungsansätze erschlossen, und es findet eine Verfeinerung, Erweiterung und Verbesserung der empirisch abgeleiteten Konstrukte statt. Die theoretisch verfeinerten Konstrukte werden in einem dritten Schritt dazu herangezogen, um Propositionen zu formulieren und diese an dem Theoriesegment zu spiegeln. 3. Strategieprozessforschung als theoretischer Rahmen Den theoretischen Rahmen der Arbeit liefern Konzepte der Strategieprozessforschung. In Abgrenzung zur Strategieinhaltsforschung fokussiert die Strategieprozessforschung auf den dynamischen Ablauf von strategischen Prozessen und fragt nach dem „wie“, d.h. nach dem Prozessverlauf sowie den Faktoren, die auf den Verlauf Einfluss nehmen. Innerhalb der Arbeiten zur Strategieprozessforschung begreift der Leading-Change Ansatz den Strategieprozess als Zusammenspiel unterschiedlicher Akteure und Akteursgruppen, aus dem sich im Prozessverlauf Strategien herausbilden. Die Arbeiten des Strategic Decision-Making Ansatzes bieten einen Erklärungsbeitrag zu dem formalen und informellen Entscheidungsverhalten der Akteure sowie zu den Prozesscharakteristika wie das Konsens- und Konfliktverhalten innerhalb von Entscheidungsprozessen. 4. Ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung Insgesamt machen die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung die Notwendigkeit deutlich, Reformbestrebungen öffentlicher Verwaltungen zu gestalten und 492 Personalforschung an Hochschulen Faktoren zu berücksichtigen, die fördernden oder unterstützenden Einfluss auf den Verlauf von Reformprozessen nehmen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass sich der Reformprozess als enges Zusammenspiel von Führungskräften der mittleren und der oberen Hierarchieebene gestaltet, indem mittlere Manager innovative Thematiken an die oberen Führungskräfte „verkaufen“ und das Entscheidungsverhalten der oberen Führungskräfte den strategischen Rahmen für weiterführende Initiativen bildet. Dabei wirken sich unklare strategische Vorgaben sowie ein wahrgenommener externer Handlungsdruck verzögernd auf das strategische Initiativverhalten der Akteure und damit auf den Prozessverlauf aus. Das Initiativverhalten geht von mittleren Managern aus, die aufgrund ihrer formalen Position im mittleren Management oder einer vergleichbaren informellen Position über den Handlungsspielraum verfügen, um innovative Themen zu erkennen und diese auf die Agenda der Organisation zu bringen. Zudem beeinflusst die Einrichtung eines Komitees bei unklaren strategischen Vorgaben den Prozessverlauf positiv. Das Komitee stellt sich als formaler Mechanismus dar, der durch die frühe Einbindung von Interessenvertretungen, den Austausch von Zielen sowie die Diskussion und Bewertung von Handlungsalternativen die Entscheidungsbildung unterstützt. In Bezug auf das strategische Verhalten wird deutlich, dass anerkannte Expertenmeinungen und informelle Vorabsprachen wirkungsvolle Taktiken darstellen, um weiterführende Prozessaktivitäten zu legitimieren und die Unterstützung für anstehende Entscheidungen zu sichern. Der Einsatz der Taktiken nimmt daher positiven Einfluss auf den Verlauf des betrachteten Prozesses. Die Untersuchungsergebnisse machen weiterhin deutlich, dass im Prozessverlauf durch das TopManagement Entscheidungen mit geringer strategischer Reichweite getroffen werden. Dabei erweist sich das Entscheidungsverhalten, kurzfristig revidierbare und wenig ressourcenintensive Entscheidungen zu treffen, als förderlich für den Prozessverlauf, da sich die Entscheidungen schnell umsetzen lassen und damit weiterführende Prozessaktivitäten sichern. Die strategischen Entscheidungen werden durch die Führungskräfte der oberen Hierarchieebene getroffen. Hier machen die Untersuchungsergebnisse deutlich, dass die oberen Führungskräfte durch ihr Entscheidungsverhalten den Handlungsrahmen für weiterführende Prozessaktivitäten der beteiligten Akteure vorgeben. Weiterführendes Initiativverhalten richtet sich daran aus, ob und in wie weit die oberen Führungskräfte durch ihr Entscheidungsverhalten Unterstützung signalisieren und weiterführende Aktivitäten legitimieren. Zudem können die Propositionen und ihre Spiegelung an den Arbeiten der Strategieprozessforschung einen Beitrag zur Weiterentwicklung des Theoriesegments leisten. Durch den Abgleich der Propositionen der vorliegenden Arbeit mit dem Theoriesegment konnten zum einen Untersuchungen der Strategieprozessforschung mit ähnlichem Ergebnis bestärkt werden. Zum anderen bilden abweichende Ergebnisse den Ausgangspunkt für eine vertiefte Betrachtung der Untersuchungsergebnisse sowie für die Suche nach Erklärungen in den Arbeiten der Strategieprozessforschung und zeigen einen weiterführenden Forschungsbedarf auf. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 493 Bettina Huber Die politische Realität in Unternehmen: Diagnose, Analyse, Evaluation Betreuer: 1. Prof. Dr. Bruno Staffelbach, Universität Zürich Problemstellung Während die Begriffe der Politik bzw. des Politischen in oder von Unternehmen in der betriebswirtschaftlichen Diskussion nichts Neues oder gar Unbekanntes darstellen und die Unternehmenspraxis in ihrem alltäglichen Handeln direkt und intensiv mit politischen Phänomenen konfrontiert ist, ist das Verständnis darüber, was unter Politik in Unternehmen nun genau (nicht) zu verstehen ist bzw. was das Politische der Unternehmensrealität konkret ausmacht, äußerst umstritten. Trotz der allgemein bekannten und breit akzeptierten Signifikanz von Politik in Unternehmen spielt die theoretische Reflexion über die politische Perspektive des Unternehmens in der Betriebswirtschaftslehre bislang nur eine marginale Rolle und ist entsprechend wenig entwickelt und nur oberflächlich fundiert. Dies zeigt sich vor allem darin, dass innerhalb der modernen betriebswirtschaftlichen Forschung zum einen kein integratives und in sich kohärentes politisches Theorieprogramm des Unternehmens existiert, zum anderen Ansätze dazu nur in einer fragmentierten, partiellen und sprunghaften Diskussion vorliegen. In den jeweiligen Ansätzen und Modellen zum Geschehen in Unternehmen wird dem Politischen entweder so viel Raum zugestanden, dass die Unternehmen als Arenen der Macht und des Konflikts aufgefasst werden, die ausschließlich durch die Politik geprägt sind, oder dass Politik in diesem Zusammenhang möglichst wenig bis gar nicht thematisiert wird. Dazu zeigen sich – neben operationalen Fragestellungen hinsichtlich der unterschiedlichen Beobachtungs- und Messebenen des Politischen in Unternehmen – insbesondere konzeptionelle Differenzen: So wird Politik in Unternehmen einerseits als Qualität bestimmter Handlungsprozesse im unternehmensbezogenen Kontext verstanden, andererseits als machiavellistisches Verhalten einzelner Akteure aufgefasst; einerseits als theoretische Unternehmensperspektive konzeptionalisiert, andererseits als informeller, dysfunktional wirkender Beeinflussungsprozess bestimmt. Trotz des steigenden Interesses am Untersuchungsobjekt des Politischen in Unternehmen lassen sich in der Betriebswirtschaftslehre bis heute nur vereinzelt tiefer gehende Analysen und umfassende theoretische Ausarbeitungen der politischen Unternehmensperspektive erkennen. Was jedoch in der betriebswirtschaftlichen Forschung fehlt, ist nicht nur ein kohärenter theoretischer Hintergrund, sondern auch eine konsistente begrifflich-konzeptionelle Grundlage, anhand der die politische Unternehmensrealität erst angemessen diagnostiziert, analysiert und evaluiert werden könnte – Restriktionen, die dazu führen, dass der politische Aspekt bei der Untersuchung und Gestaltung des Geschehens in Unternehmen vernachlässigt oder sogar gänzlich ignoriert wird. 494 2. Personalforschung an Hochschulen Zielsetzung Angesichts dieser betriebswirtschaftlichen Problemstellung einer zwar breit akzeptierten, unbestrittenen Signifikanz von Politik in Unternehmen einerseits und einer wenig fundierten theoretischen Basis dieser politischen Unternehmensrealität andererseits liegt die Zielsetzung der vorliegenden Dissertation darin, die politische Natur des Geschehens in Unternehmen einer vertieften theoretischen Untersuchung zuzuführen und damit den defizitären Stand der betriebswirtschaftlichen Forschung zu verbessern, was die theoretisch-konzeptionelle Erfassung der politischen Unternehmensrealität anbelangt. Als oberstes erkenntnisleitendes Ziel dieser Dissertation ist in diesem Sinne der theoretisch-konzeptionelle Erkenntnisfortschritt über die politische Realität in Unternehmen zu bezeichnen. Diese primäre Zielstellung wird anhand dreier derivativ abgeleiteter Ziele konkretisiert: nämlich a) durch die Diagnose, b) durch die Analyse und c) durch die Evaluation der politischen Realität in Unternehmen. Die drei forschungsleitenden Ziele entsprechen im Grundsatz der Differenzierung zwischen phänomenalen, kausalen und aktionalen Erkenntnisinteressen. Das phänomenale Interesse (Diagnose) richtet sich auf die zu untersuchende Erscheinung und orientiert sich an den tatsächlichen, also den faktischen Gegebenheiten, ihren Merkmalen und Eigenschaften. Es geht nicht (nur) um die oberflächlichen Merkmale eines Phänomens, sondern hauptsächlich um dessen Wesenseigenschaften; im Zentrum der Betrachtung stehen demnach diese wesentlichen, erkenntnistheoretischen Züge und Eigenschaften der politischen Unternehmensrealität. Das kausale Interesse (Analyse) fragt nach den ursächlichen Determinanten von entsprechenden Phänomenen. Von zentraler Bedeutung sind hier die Bestimmungsfaktoren oder Ursachen der politischen Realität in Unternehmen. Das aktionale Interesse (Evaluation) orientiert sich an den Wirkungen eines Phänomens in der Praxis, d.h. an seiner Beurteilung innerhalb des praktischen Handelns. Im Vordergrund der Betrachtung steht daher die Evaluation der (Aus-)Wirkungen und Möglichkeiten der politischen Realität in der Unternehmenspraxis. 3. Erkenntnisleitende Methodik Angesichts des in dieser Arbeit zu erforschenden Phänomens der politischen Realität in Unternehmen – ein Phänomen, das einen äußerst komplexen, schlecht operationalisierbaren Charakter aufweist – kann dessen wissenschaftliche Behandlung nicht auf die Darstellung empirisch operationalisierter und damit auch oftmals unzulässig vereinfachter, idealisierter Zustände oder Ereignisse zurückgreifen. Im erkenntnisleitenden Vordergrund steht vielmehr das Herausarbeiten von Zusammenhängen, Beziehungen und Abhängigkeitsstrukturen, die das spezifisch Politische in Unternehmen überhaupt erst ausmachen; dies kann – entsprechend der nur schwierig beobachtbaren „Natur“ dieses Forschungsgegenstandes – durch eine theoretische Darstellung erfüllt werden. Die theoeretisch-abstrakte Forschungsstrategie gilt daher als erkenntnisleitende Methodik der vorliegenden Dissertation, wobei eine Kombination von synthetisieren- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 495 der und konzeptionalisierender Perspektive vorgenommen wird. Synthetisierend meint die systematische und klassifikatorische Einteilung der relevanten Informationen über ein bestimmtes Phänomen, um damit eine breite, allgemeingültige Perspektive über den Forschungsstand aufzuzeigen; konzeptionalisierend meint die Entwicklung von Modellen, Frameworks oder Typologien, die der systematischen Aufdeckung, Erklärung und Evaluation eines bestimmten Phänomens dienen. Da der Gegenstand des Politischen es in einem hohen Masse mit Begriffen zu tun hat, die bestimmte Prinzipien oder Ordnungsstrukturen symbolisch vertreten, erweist sich die hermeneutische Methode als besonders erkenntnisleitend und adäquat. Die Hermeneutik findet innerhalb der Theoriebildung über politische Phänomene sogar einen ihrer vorzüglichsten Anwendungsbereiche, dass sie strukturierend auf die politische Realität einwirkt und ihre Erkenntnisse – auf Grund deren Entwurfscharakters – über den Weg der sinndeutenden Auslegung selber wieder neue, sozialwissenschaftlich relevante Tatsachen erwirken können. Im Speziellen lässt sich die in dieser Dissertation zu Grunde liegende Methodik als sog. hermeneutisch-theoretische Forschungsstrategie positionieren. Angesichts der erkenntnisleitenden Zielsetzung, der intendierten Ergebnisse und der davon abgeleiteten Forschungsstrategie ist die Zielorientierung der gewählten Methodik entdeckend, d.h. an einem Entdeckungszusammenhang in Bezug auf betriebswirtschaftliche Aussagen orientiert. Dies führt dazu, dass die ebenfalls anzustrebende Orientierung am Begründungszusammenhang der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht in gleichem Ausmaß gewährleistet werden kann. Die Dissertation positioniert sich damit als eine explorative Untersuchung. 4. Ergebnisse Die Ergebnisse der Arbeit können als Antworten auf vier Kernfragen zusammengefasst werden: 1. Wie lässt sich das Phänomen des Politischen in Unternehmen sowohl aus betriebswirtschaftlicher als auch aus sozialwissenschaftlicher Perspektive definieren und kategorial abgrenzen? Als Ergebnis zeigt sich das Politische in Unternehmen als ein mehrdimensionales Phänomen, das anhand eines integrativen Bezugsrahmens des unternehmensbezogenen Geschehens transparent zu machen ist. 2. Wie lässt sich insbesondere die politische Realität in Unternehmen auf der Grundlage allgemein gültiger Diagnose-Kriterien der unternehmensbezogenen Realität diagnostizieren und damit erkenntnistheoretisch erfassen? Als Ergebnis wird ein integratives, mehrdimensionales Diagnose-Modell entwickelt, das eine idealtypische Erschließbarkeit der politischen Realität in Unternehmen ermöglicht. 3. Wie lässt sich die spezifische politische Realität in Unternehmen auf der Grundlage allgemein gültiger Analyse-Kriterien der unternehmensbezogenen Realität analysieren und damit kausaltheoretisch erklären? 496 Personalforschung an Hochschulen Als Ergebnis wird ein integratives, mehrdimensionales Analyse-Modell entwickelt, das eine idealtypische Kausal-Analyse der politischen Realität in Unternehmen und damit auch eine Erklärung ermöglicht. Wie lässt sich die spezifische politische Realität in Unternehmen auf der Grundlage allgemein gültiger Evaluations-Kriterien der unternehmensbezogenen Realität evaluieren und damit auf ihre (Aus-)Wirkungen hin beurteilen? Als Ergebnis wird ein integratives, mehrdimensionales Evaluations-Modell entwickelt, das eine idealtypische Beurteilung der politischen Realität in Unternehmen ermöglicht. 4. 5. Resümee Mit vorliegender Dissertation beabsichtigt die Autorin, eine zentrale betriebswirtschaftliche Problemstellung konzeptionell zu fassen und theoretisch zu verorten. Dabei wird das Politische sowohl als „Gegenstand“ bzw. als Objektbereich wie auch als Perspektive wissenschaftlicher Analyse aufgefasst. Die Arbeit stellt einen eigenständigen und profunden Beitrag zu einer politik-orientierten Theorie des Unternehmens und zu einer entsprechenden Betriebswirtschaftslehre dar. Der Nutzen der Dissertation liegt einerseits darin, dass der konzeptionelle Rahmen zur Erfassung des Politischen als Objektbereich und als Perspektive der Betriebswirtschaftslehre aufgespannt wird, womit andererseits eine Grundlage zur Diagnose, Analyse und Evaluation der politischen Realität in konkreten Fällen geschaffen wird. Adrian Ritz Evaluation von New Public Management. Grundlagen und empirische Ergebnisse der Bewertung von Verwaltungsreformen in der schweizerischen Bundesverwaltung* Betreuer: 1. Prof. Dr. Norbert Thom, Universität Bern Problemstellung Reformen kennzeichnen die tägliche Arbeit der Verwaltungsmitarbeitenden seit dem Bestehen politisch-administrativer Systeme. Meistens übt die politische Elite einen großen Einfluss auf die staatliche Organisation aus, was zur Folge hat, dass Machtwechsel in der Politik eine wesentliche Ursache von Reformen darstellen. Zu- * Die Dissertation wurde im Paul Haupt-Verlag Bern (2003) publiziert, gebundene Ausgabe, 560 S., ISBN: 3258065977, € 56,00. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 497 sätzlich wirken externe Beeinflusser wie z.B. Wissenschaft, Politik- oder Unternehmensberatungen auf die Verwaltungsstrukturen ein. Vor diesem Hintergrund kann auch die Entstehung der Verwaltungsreform New Public Management (NPM) seit Beginn der 1990er Jahre als Prozess politischer und externer Einflussfaktoren bezeichnet werden. NPM ist eine weltweite Verwaltungsreform des ausgehenden 20. Jahrhunderts, welche die Folgen staatlichen Handelns durch eine stärkere Wettbewerbs-, Leistungs- und Wirkungsorientierung sowohl ins Zentrum der administrativen als auch politischen Führungsverantwortung rückt. Gleichzeitig wird der Veränderung der Verwaltungskultur und -struktur eine hohe Bedeutung beigemessen. Angesichts der Reformziele und spezifischen Betonung der Wirkungsorientierung stellt sich die grundsätzliche Frage, welche Auswirkungen NPM-Reformen haben. Vermögen sie wirklich zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung im öffentlichen Sektor beizutragen? Verändert sich die Verwaltungskultur und verhalten sich die Mitarbeitenden in den Reformämtern anders als zuvor? Die bisherige Forschung kommt mehrheitlich zum Ergebnis, dass echte Wirkungsevaluationen zu NPM-Reformprojekten sehr komplex und schwer durchführbar sind. Evaluationen, welche die gegenseitige Beeinflussung von neuen Interventionsinstrumenten und deren verwaltungsinterne sowie -externe Folgen thematisieren, sind äußerst rar. Die Dissertation von Adrian Ritz widmet sich dieser Thematik und versucht anhand einer exemplarischen Reform-Evaluation Wirkungsketten sowie Zweck-MittelZusammenhänge aufzuzeigen. Angesichts der Zunahme von Reformprojekten in Europa gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts kann davon ausgegangen werden, dass in den nächsten Jahren die Evaluation und Analyse institutioneller Veränderungsprozesse an Bedeutung gewinnen wird. Nebst der Reformbewertung kommt dem Thema jedoch eine weitere besondere Bedeutung zu: Die Evaluationsforschung bzw. Evaluierung von politischen Programmen erlangte in den 1970er Jahren einen großen Stellenwert innerhalb der amerikanischen Verwaltungs- und Politikwissenschaften. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts vermochte sich die Evaluationsforschung aber kaum als zentrales, entscheiderstützendes Instrument in der Verwaltungspraxis durchzusetzen. Die Einführung wirkungsorientierter Instrumente im Rahmen von NPM verlangt jedoch unmittelbar nach Evaluationen zur Überprüfung der Wirkungen staatlichen Handelns. Im Falle der institutionellen Reformen interessiert insbesondere das Verhalten der unterschiedlichen Akteure innerhalb des politisch-administrativen Systems (z.B. Parlamentsmitglieder, Verwaltungsmitarbeitende). Die Dissertation verfolgt das weitere Ziel, die unterschiedlichen Ansätze der Evaluationsforschung und ihre Eigenschaften darzustellen, das Begriffsverständnis im Hinblick auf die Reform-Evaluation zu erweitern und diese Form der Evaluation näher zu beschreiben. 498 2. Personalforschung an Hochschulen Theoretische Basis Vor dem Hintergrund des entscheidungsorientierten Ansatzes der Betriebswirtschaftslehre Heinens und auch des systemorientierten Ansatzes von Ulrich verlangt die Reform-Evaluation nach Ergebnissen, die das Entscheidungsverhalten der Reformverantwortlichen beeinflussen und im besten Falle zur zukunftsorientierten Gestaltung des politisch-administrativen Systems beitragen. Folglich besteht das Bestreben des Autors in der Generierung von praktisch nutzbarem Wissen. Dazu wird methodisch nach dem Analyseinstrument des konzeptionellen Bezugsrahmens von Grochla aus der Organisationsforschung vorgegangen. Zur Herleitung des Konzeptionsrahmens sowie der begrifflichen, deskriptiven und explanatorischen Aussagen verfolgt der Verfasser eine sachlich-analytische sowie eine empirische Forschungsstrategie. 3. Empirische Untersuchung Die Kriterienanwendung im Rahmen der empirischen Strategie bildet einen Schwerpunkt der Arbeit. Im Sinne einer multiplen Triangulation wurden verschiedene Untersuchungszeitpunkte, -orte, -personen, -methoden sowie -daten miteinander kombiniert. Das Evaluationsdesign bezieht sich nicht nur auf eine Personengruppe, sondern integriert alle an der Reform beteiligten Akteure und ausgewählten Kundengruppen, die von den Reformauswirkungen betroffen sind. Das Schwergewicht liegt bei den von den Reformen betroffenen Mitarbeitenden in den Dienststellen. Während der vierjährigen Evaluation wurden in vier Bundesämtern mehrere quantitative Längsschnitt- und Querschnittvergleiche durchgeführt, die mittels einer qualitativen Untersuchungsstrategie ergänzt wurden. Die Erhebungen fanden auf allen Ebenen des politisch-administrativen Systems statt und erfassten im Rahmen der Wirkungsevaluation auch die Leistungsempfänger außerhalb der Verwaltung. Eine externe Validierung anhand von Sekundärdaten diente schließlich der Überprüfung zuvor festgestellter Ergebnisse. Dieses Evaluationsdesign verdeutlicht das aufwändige methodische Vorgehen, welches der empirischen Strategie zu Grunde liegt. Nur so konnte das anfänglich formulierte Ziel, einen Forschungsbeitrag hinsichtlich einer systematischen Wirkungsevaluation von Verwaltungsreformen leisten zu wollen, erreicht werden. 4. Ergebnisse der Untersuchung Die Merkmale einer Reform-Evaluation wurden auf der Basis des Bezugsrahmens und anhand eines Vergleichs mit insgesamt neun Evaluationsstudien von Verwaltungsreformen analysiert. Aus diesem Vergleich resultieren folgende Erkenntnisse bez. der Gemeinsamkeiten von Reform-Evaluationen: 1. Der Zweck von Reform-Evaluationen ist primär die Entscheidungsorientierung. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 2. 499 Die zu Grunde liegenden Beurteilungskriterien sind hauptsächlich deskriptiver Natur und richten sich nach allgemeinen NPM-Zielen oder auch speziellen Projektzielen. 3. Die zentralen Fragestellungen fallen primär in die Bereiche „Management/Führung“ und „Motivation/Qualifikation“. 4. Qualitative Vorgehensweisen gehören in jedem Fall zur Evaluationsmethodik. Sie werden teilweise ergänzt durch quantitative Analysen oder durch die Quantifizierung qualitativ erhobener Informationen. Der praktische Teil der Dissertation befasst sich mit der Reform-Evaluation eines NPM-Projekts in der schweizerischen Bundesverwaltung. Am Beispiel der untersuchten Verwaltungsstellen werden am Schluss des Kapitels Wirkungszusammenhänge aufgezeigt. Die angestellten Vergleiche zwischen Ämtern führen zur Erkenntnis, dass eine gute Reformvorbereitung und -umsetzung sowie die gezielte Unterstützung durch die politische Führung nachhaltige Reformwirkungen generieren können, die auf eine längerfristige Qualifizierung der Reforminstitutionen hinweisen. Der Vergleich unterschiedlicher Reformämter vermag insbesondere aufzuzeigen, dass der tiefere Einschnitt im Rahmen der Verselbständigung zur öffentlich-rechtlichen Anstalt systematisch stärkere Wirkungen zu Tage gefördert hat. Die Resultate werden zusätzlich durch eine externe Validierung überprüft. Nebst Wirkungen beim Parlament, bei der Regierung und bei Leistungsempfängern widmete sich die Studie eingehend der in Reform-Evaluationen oft vernachlässigten Mitarbeitendenebene. Die Dissertation liefert u. a. auf folgende Fragen Ergebnisse (in Klammern): Werden die Mitarbeitenden von den Reformen überhaupt tangiert? (Ja, jedoch erst nach einer gewissen Dauer der Pilotprojekte.) Sind die Mitarbeitenden verschiedener Amtsstellen unterschiedlich zufrieden? Was ist der Hintergrund der Differenzen? (Ja, denn die jeweiligen Reformprozesse verliefen sehr unterschiedlich und die Ämter differieren ebenso stark in ihren Merkmalen.) Welche Auswirkungen sind bei den Reformbetroffenen festzustellen? Intendierte (z.B. mehr Leistungsorientierung) oder nicht intendierte (z.B. Arbeitsbelastung, Konkurrenz)? (Die Arbeitsbelastung hat in den analysierten Dienststellen sehr stark zugenommen und die finanziellen Anreize vermögen nicht im erwünschten Ausmaß zu motivieren.) Sind Unterschiede zwischen den Hierarchieebenen (oberes, unteres Kader, Mitarbeitende ohne Führungsaufgaben) erkennbar? (Ja, die oberen Kaderpersonen sind viel stärker von den Reformen betroffen, jedoch alle Mitarbeitenden sind aufgrund der Reformen zufriedener geworden.) Ist ein Kulturwandel eingetreten? In welche Richtung zielt er (z.B. Kostenbewusstsein, Kunden-, Innovationsorientierung)? (Der Kulturwandel ist ansatzweise eingetreten, kann jedoch nach so kurzer Reformdauer kaum aussagekräftig beurteilt werden.) 500 Personalforschung an Hochschulen Ist die angestrebte Erweiterung des Handlungsspielraums für die Amtspersonen eingetroffen? (Der Handlungsspielraum ist besonders bei den Amtsleitungen eingetreten und bezieht sich primär auf finanzielle Aspekte.) Die Schlussbewertung basiert auf der Analyse der anfänglich aufgeworfenen Fragestellungen und damit zusammenhängenden Hypothesen. Die Bewertung gelangt nach der Darstellung aller Ergebnisse zum Fazit, dass sich die NPM-Reform im spezifischen Falle mehrheitlich zur Erreichung der reformintendierten Ziele eignet, obwohl die dafür zentralen und die Systemebenen übergreifenden Informations- sowie Führungsprozesse noch weit von einer routinemäßigen Anwendung entfernt sind. Auf der politischen Steuerungsebene wurden zudem Funktionsmängel festgestellt, ohne deren Verbesserung ein Hauptziel der Reform, die Wirkungsorientierung, verfehlt werden könnte. 5. Fazit Die Arbeit zeigt exemplarisch auf, wie ein Evaluationsprojekt auf der methodologischen Grundlage des entscheidungsorientierten Ansatzes der Betriebswirtschaftslehre konzipiert und durchgeführt werden kann. Insofern wird ein Beitrag zur Transdisziplin Evaluationsforschung geliefert, als sie in der Betriebswirtschaftslehre auf wissenschaftstheoretische Grundlagen stößt, die gut mit der Evaluationsforschung vereinbar sind. Die Evaluationsergebnisse liefern vielfältige Hinweise auf die Verankerung der Reformen auf der politischen Ebene und bei den Mitarbeitenden der Reformämter. Dabei zeigt sich, dass die Verankerung der Reformen auf parlamentarischer Ebene und bei den Mitarbeitenden in den Ämtern Zeit sowie weitere Entwicklungsschritte benötigt. Die Amtsleitungen dagegen sind direkter betroffen und äußerten sich sehr positiv über den erweiterten Handlungsspielraum bzw. ihre neuen Kompetenzen. Die vom Verfasser formulierten weiterführenden Forschungsfragen zeigen auf, dass diese Verknüpfung betriebswirtschaftlicher Ansätze und politikwissenschaftlicher Evaluationsforschung einen wichtigen Bestandteil zukünftiger Bewertungsversuche von NPM-Reformen darstellt. Insbesondere die Erfassung der Kosteneffizienz von Veränderungen innerhalb der Verwaltungen und deren Auswirkungen bei den Bürgern und Leistungsempfängern muss weiter untersucht werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 501 9. Arbeitsstrukturen und Arbeitszeit Lars Renner Individualisierung der Arbeitsorganisation zur Steigerung der Unternehmungsflexibilität – Eine kritische Diskussion der Flexibilitätswirkungen individualisierter Arbeitsinhalts- und Arbeitszeitgestaltung* Betreuer: 1. Prof. Dr. Jürgen Berthel, Universität Siegen Fragestellung der Untersuchung Die vorliegende Arbeit untersucht, ob und inwieweit eine Individualisierung (i. S. e. Anpassung an individuelle Mitarbeiterbedürfnisse) der Arbeitsorganisation zur Steigerung der Flexibilität von Unternehmungen beitragen kann. Die Gestaltung der Arbeitsorganisation spielt sich im Spannungsfeld zweier Interessenlagen ab: Auf der einen Seite die explizite Berücksichtigung des Unternehmungsinteresses, die durch die Gestaltung der Arbeitsorganisation die Aktivierung und Vergrößerung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmung anstrebt, auf der anderen Seite die Berücksichtigung der differenzierten Mitarbeiterinteressen und deren individueller Werte, Ziele und Bedürfnisse. Diese beiden Gestaltungsinteressen werden in der Literatur häufig vereinfachend als gegensätzlich dargestellt. Seit Ende der 1970er Jahre wird ein Ansatz diskutiert, dessen Protagonisten behaupten, eine verhaltenstheoretische Antwort auf die organisationstheoretische Frage geben zu können, wie die Integration von Individuum und Organisation am effektivsten für beide Seiten erreicht werden kann. Dieser Ansatz der „individualisierten Organisation“ bzw. „Individualisierung“ setzt an der expliziten Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen an und fordert die Abschaffung starrer Einheitskonzepte, die sich insbesondere in einer Destandardisierung der Arbeitsorganisation manifestiert. Die Individualisierung verlangt die Schaffung alternativer Arbeitssituationen, aus denen die Mitarbeiter als Agent ihrer eigenen Bedürfnisse auswählen können. Dadurch soll der Verschiedenheit der individuellen Bedürfnisstrukturen der Mitarbeiter bei der Gestaltung der Arbeitsorganisation Rechnung getragen werde. Die derartige Befriedigung individueller Bedürfnisse verbessere schließlich auch die organisationale Leistungsfähigkeit der Unternehmung. * Veröffentlicht 2002 unter dem Titel: „Flexibilität durch individualisierte Arbeitsinhalte und Arbeitszeiten“ im Josef Eul Verlag; Lohmar, Köln. ISBN: 3-89012-988-9. 502 2. Personalforschung an Hochschulen Gang der Untersuchung Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Definition und Strukturierung von Unternehmungsflexibilität. Es wird dargelegt, dass es sich bei der Unternehmungsflexibilität um eine mehrdimensionale Eigenschaft handelt, die in sozio-technischen Systemen bewusst gestaltet werden muss. Die Schaffung von Flexibilität stellt keinen Selbstzweck dar, sondern sie dient als Mittel zur Sicherung der Entwicklung und der Lebensfähigkeit der Unternehmung. Wenn der Flexibilität auf der strategischen Managementebene dennoch selbst Zielcharakter zugesprochen werden kann, so unterstreicht das nur ihren Mittelcharakter für die normative Managementebene. Ein richtiges Maß an Flexibilität innerhalb einer Unternehmung lässt sich nur schwer bestimmen. Das Flexibilitätspotential sollte den jeweiligen Flexibilitätsbedarf decken; der wiederum ist aber nur vage zu bestimmen, da er sich aus den zukünftigen Änderungen der In- und Umweltbedingungen ableitet. Flexibilität kann in der Unternehmung auf verschiedenen Unternehmungsebenen erreicht werden: Die Mikroebene betrachtet die einzelnen Stellen und deren Funktionsträger, die Mesoebene betrachtet Teileinheiten, Arbeitssysteme, Abteilungen oder Prozesse, die Makroebene hat die Gesamtunternehmung zum Betrachtungsgegenstand. Die Flexibilität auf niedrigeren Ebenen beeinflusst aber diejenige auf den höheren Ebenen, so dass eine Flexibilität der Unternehmung als Ganzes nur durch eine integrierte Abstimmung der Unternehmungsebenen zustande kommen kann. Als Träger externer Flexibilität werden die Marktleistung und als Träger interner Flexibilität die Unternehmungsstruktur sowie das Verhalten der Akteure identifiziert. Durch die Gestaltung der Arbeitsorganisation kann deshalb hauptsächlich eine Beeinflussung der internen Flexibilität der Unternehmung erreicht werden. Aufgrund ihrer Mehrdimensionalität und Mehrstufigkeit lässt sich Flexibilität nur qualitativ bewerten. Nach der Entwicklung des dieser Arbeit zugrunde liegenden Flexibilitätsverständnisses wird die Individualisierung der Arbeitsorganisation präzisiert. Dabei wird festgestellt, dass es sich bei der Individualisierung um einen graduellen personalwirtschaftlichen Gestaltungsansatz handelt, der in verstärktem Maß das Einzelne und Besondere im Mitarbeiter in die gestaltenden Überlegungen einbezieht. Da die Individualisierung einen als utopisch zu bezeichnenden Idealzustand anstrebt, der jedem Mitarbeiter eine vollständig auf ihn zugeschnittene Arbeitssituation zur Verfügung stellt, kann die Individualisierung als konkret-konstruktive Utopie mit Leitbildfunktion bezeichnet werden, die die Abkehr von Einheitslösungen fördert. Dieses Leitbild wird durch die drei konstitutiven Strategien der Variation, Selektion und Adaption konkretisiert. Anhand der drei Individualisierungsstrategien wird gezeigt, dass es sich bei der Individualisierung um eine Form der Selbstorganisation handelt, die eine stärkere Handlungsautonomie innerhalb eines fremdorganisierten Rahmens anstrebt. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 503 Bei Anwendung der Individualisierung auf die Arbeitsorganisation wird zwischen den beiden Gestaltungsfeldern Arbeitsinhalt und Arbeitszeit unterschieden. Nachdem deren theoretisches Gestaltungsspektrum aufgezeigt wird, kann anhand von verschiedenen Umsetzungsmöglichkeiten dargelegt werden, wie man sich eine Individualisierung von Arbeitsinhalt und Arbeitszeit vorzustellen hat. Mittels der so geschaffenen Grundlagen werden im Hauptkapitel der Arbeit die Flexibilitätswirkungen einer Individualisierung der Arbeitsorganisation erörtert. Aus analytischen Gründen werden die beiden Gestaltungsfelder der Arbeitsorganisation zunächst getrennt voneinander untersucht, ehe sie gemeinsam betrachtet werden. Zudem werden die Wirkungen auf der Mikro-, der Meso- und der Makroebene nacheinander, aber aufeinander aufbauend analysiert. Als Beurteilungskriterien dienen jeweils die fünf Flexibilitätsdimensionen. 3. Ergebnisse der Untersuchung Die Untersuchungen haben ergeben, dass eine Individualisierung der Arbeitsorganisation die Flexibilität auf allen Ebenen der Unternehmung erhöht. Sie schafft erhebliche Flexibilitätspotentiale und trägt gleichzeitig mit dazu bei, dass diese Flexibilitätspotentiale auch zielgerecht durch die Akteure genutzt werden. Dadurch fördert die Individualisierung die Vergrößerung und Aktivierung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmung und verwirklicht so ein wesentliches Interesse der Unternehmung bei der Gestaltung der Arbeitsorganisation. Da die Individualisierung andererseits ausdrücklich an der Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen ansetzt, ist sie tatsächlich als integrierendes Leitbild für die Gestaltung der Arbeitsorganisation geeignet und in der Lage, den scheinbaren Interessengegensatz zwischen Unternehmung und Mitarbeitern weitgehend aufzulösen. Darüber hinaus haben die Untersuchungen aber auch ergeben, dass die festgestellten Flexibilitätswirkungen von bestimmten Bedingungen abhängen: Hier werden besonders die Unternehmungskultur und die Qualifikation der Mitarbeiter als wichtige Faktoren identifiziert, die das Ausmaß der Flexibilitätswirkungen, aber auch den möglichen Individualisierungsgrad beeinflussen. Vor diesem Hintergrund kommt dem Prozesscharakter der Individualisierung eine große Bedeutung zu. Da die Gestaltung der Arbeitsorganisation in einem größeren Kontext stattfindet, ist ebenfalls zu beachten, dass auch die Ausgestaltungen anderer Teilbereiche des Personal-Managements die Flexibilitätswirkungen beeinflussen können. Diese sollten mit der Individualisierung der Arbeitsorganisation abgestimmt sein, um eine möglichst große Flexibilitätswirkung zu erzielen. In besonderem Maße trifft das auf das Führungssystem, das Anreizsystem und auf die Personalentwicklung zu. Der Vergleich konkreter Umsetzungsmöglichkeiten zur Individualisierung der Arbeitsorganisation zeigt, dass kein Modell allen anderen hinsichtlich seiner Flexibilitätswirkungen überlegen ist. Entsprechend dem Grundgedanken der Individualisierung, viele unterschiedliche Arbeitssituationen zu schaffen, sollten die Modelle bzw. ihre Modellelemente sowohl kombiniert als auch alternativ zur Anwendung kommen. 504 Personalforschung an Hochschulen Eine gegenseitige Verstärkung der Flexibilitätswirkungen kann dabei durch die Kombination von Modellen zur Individualisierung des Arbeitsinhalts und der Arbeitszeit erzielt werden, vorausgesetzt die Mitarbeiter werden dadurch nicht überfordert. 10. Besondere Beschäftigtengruppen Katharina Hartl Expatriate Women Managers: Gender, Culture and Career* Betreuer: Prof. Dr. Stephan Laske, Universität Innsbruck Mit dem Anwachsen der internationalen Geschäftstätigkeit und der Globalisierung des Wettbewerbs hat auch das internationale Personalmanagement wesentlich an Bedeutung gewonnen. Es wird einerseits zunehmend notwendig, MitarbeiterInnen auch für längere Zeiträume ins Ausland zu entsenden; andererseits gilt in manchen Organisationen heute eine längere Auslandserfahrung als unverzichtbarer Karrierebaustein. Die Wirtschaftspraxis ist von einer geringen, wenn auch wachsenden Präsenz von Frauen im internationalen Management geprägt, und auch in der „Expatriate-Forschung“ sind Frauen eine weitgehend vernachlässigte Personengruppe. Die Dissertation von Katharina Hartl gibt einen theoretisch fundierten Überblick über einen wichtigen Teilbereich des internationalen Personalmanagements, der innovativ über vorliegende Konzepte hinausweist und nicht nur für weibliche Führungskräfte von Relevanz ist. Im Mittelpunkt der Forschungsinteressen standen u.a. Fragen nach der Auswahl für, der Vorbereitung auf und der Begleitung der Manager während des Auslandsaufenthalts, der Bewältigung der kulturellen Differenzen, der Nachfolgeplanung, der Reintegration nach dem Auslandsaufenthalt usw. Dominierend sind dabei eher individuumzentrierte, psychologische Ansätze, die letztlich mit der Absicht verfolgt werden, in Auswahlprozessen die „richtigen“ Personen mit den erforderlichen fachlichen und sozialen Kompetenzen auswählen zu können. Erst neuerdings kann man ein gewisses Abrücken von dieser Forschungsrichtung beobachten, d.h. es werden Auslandsaufenthalte von Managern stärker als individuelle und organisationale Ent- * Katharina Hartl: Expatriate Women Managers. Gender, Culture and Career. Reihe ORGANISATION & PERSONAL, hrsg. von Oswald Neuberger, Bd. 12, ISBN 3-87988-711X, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2003, 183 S., € 22,80. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 505 wicklungs- und Veränderungsprozesse betrachtet und in einen karrieretheoretischen Rahmen eingeordnet.1 Vor diesem Hintergrund formuliert die Verfasserin das anspruchsvolle Ziel ihrer Untersuchung: „The central objective of this research is to analyse expatriation of Western women managers from a career theory perspective. Drawing on Giddens’ Theory of Structuration a theoretical framework is developed to elucidate the relationship between gender, culture and career. ... the meanings Western woman managers attribute to their career path and expatriate experience are to be explored and related to existing literature on women-in-(international)-management and the theoretical framework developed in this research.” Die Arbeit besteht aus fünf aufbauenden Teilen. Der erste Teil „Introduction“ führt in den Themenzusammenhang und dessen Bedeutung ein, erläutert die wesentlichsten Forschungsfragen, klärt terminologische Grundbegriffe der Arbeit (gender, career und expatriation) und stellt schließlich in aller Kürze den Aufbau der Arbeit dar. Zwei Kernfragen möchte die Verfasserin im Rahmen ihrer Untersuchung klären: (1) Wie wird Karriere in einem interkulturellen Zusammenhang sozial konstruiert, reproduziert und verändert? Sowie (2) welche strukturellen Faktoren bestimmen das Handeln westlicher Top-Managerinnen im Fernen Osten, wie werden diese wahrgenommen und welchen Einfluss üben sie auf unterschiedliche Akteure aus? Um sich diesem Fragenzusammenhang anzunähern, erarbeitet die Verfasserin im zweiten Teil der Arbeit zunächst einen Überblick über den aktuellen Stand der Fachdiskussion zur Situation von Frauen im (internationalen) Management. In einer sehr konsistenten Weise erörtert sie dabei das Problem der geschlechtsspezifischen Zugänge zu Managementpositionen aus unterschiedlichen Perspektive sowie die Differenz zwischen traditionellen, „maskulin präformierten“ Karrierevorstellungen, in denen der Beruf und der berufliche Aufstieg zweifellos im Vordergrund stehen, und einer „frauenspezifisch“ geprägten Karrieretheorie, die sehr viel differenziertere Karrierevorstellungen und Spannungsfelder berücksichtigen will bzw. auch muss. Teil 2 endet mit einer Übersicht über zentrale Forschungsergebnisse zur Situation von Frauen als Expatriates, in der die Autorin eine klare und reflektierte Einschätzung des Stellenwerts der zitierten Forschungsarbeiten gibt. Im dritten Teil der Arbeit wird der Bezugsrahmen entwickelt, vor dessen Hintergrund die empirische Befragung von Frauen in gehobenen Managementpositionen in Hong Kong gestaltet wird und in den schließlich die Befunde eingeordnet werden. Ihre theoretische Basis findet die Verfasserin dabei in der Strukturationstheorie von A. Giddens, die einen hervorragenden Ansatz für die Analyse des Zusammenhangs von Handlung und Struktur darstellt.2 Die strukturationstheoretischen Überlegungen 1 2 Siehe etwa Peltonen, T.: Narrative construction of expatriate experience and career cycle, in: International Journal of Human Resource Management 9 (5) 1998. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Auer, M.: Vereinbarungskarrieren, München und Mering 2000. 506 Personalforschung an Hochschulen verbindet sie einerseits mit einer Perspektive, die „gender“ nicht einfach als „Besitz“ oder als „Wesenskategorie“, sondern als gesellschaftlich und kulturell durch Interaktion produziert und reproduziert versteht („doing gender“), zum anderen mit Karrierevorstellungen, bei denen die Handlungen des Individuums, sein persönliches Selbst-Konzept, die Strukturen der Organisation und kulturelle Faktoren im Zeitablauf zusammenwirken. Der Teil endet zunächst mit einer Interpretation der Expatriate-Situation als „rite de passage“, die zu einer Umgestaltung des Selbst- und des Karrierekonzepts führt und gleichzeitig soziale Strukturen (re-)produziert. Nach einer kurzen Zusammenfassung folgt ein Exkurs („epilogue”), in dem (sehr dicht, aber auch sehr überzeugend) das Problem der zunehmenden Individualisierung diskutiert und die in diesem Zusammenhang besonders für Frauen bestehenden Optionen einer „work-life-balance“ erörtert werden. Der vierte Teil „Empirical Part – Experiences of 12 Western woman managers in Hong Kong“ stellt umfang- und inhaltsmäßig ein Kernelement der Arbeit dar. Dieses besteht zum einen aus einer sorgfältigen, begründeten Darstellung der Forschungsmethodik; zum anderen werden die wesentlichsten Ergebnisse der Interviews mit den ausgewählten Managerinnen präsentiert. Der Problemstellung der Arbeit und dem theoretischen Bezugsrahmen entsprechend hat sich die Verfasserin für einen qualitativen Forschungsansatz und das Arbeiten mit Fallstudien entschieden. Das empirische „Material“ gewinnt sie über Fall-Interviews, in denen sie die jeweilige Lebensgeschichte und den Karriereverlauf, die derzeitige Aufgabe und das organisationale Umfeld, die Erfahrungen und die Wahrnehmung als Managerin im Allgemeinen und als „expatriate manager“ im Besonderen, die Arbeits- und Lebenssituation in Hong Kong sowie eine Gesamteinschätzung der „expatriate-Erfahrung“ abfrägt. Mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse und einem Fallvergleich werden die Ergebnisse – rückgekoppelt mit den Interviewten – schließlich zu Teilnehmerinnen-Profilen verdichtet. Den Teilnehmerinnen-Profilen vorangestellt wird eine wiederum sehr dichte Beschreibung des Standorts Hong Kong. Vor diesem Hintergrund beschreibt die Verfasserin systematisch die Arbeits- und Lebenssituation ihrer 12 Gesprächspartnerinnen. Dabei entfaltet sie ein äußerst vielfältiges Bild individueller Lebensgeschichten, die anschließend im Rahmen von vier zentralen Fragestellungen zwar nicht verallgemeinert aber verdichtet und mit Zitaten aus den Interviews untermauert werden: die persönliche Einstellung zur Situation von Frauen im Management, die Erfahrungen als Managerin in Hong Kong, die Erfahrungen als „expatriate“ sowie schließlich die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben. Ohne die Diskussion im Einzelnen inhaltlich wiedergeben zu wollen sei festgestellt, dass in dieser Aus- und Aufarbeitung der Materialien ein besonderer Wert der Arbeit zu sehen ist. Der abschließende fünfte Teil enthält eine zusammenfassende Diskussion, die Verknüpfung der wesentlichsten Untersuchungsergebnisse mit dem strukturationstheoretischen Bezugsrahmen und schließlich einen kurzen Ausblick auf Folgerungen, die sich aus der Untersuchung für weitere Forschungsarbeiten, aber auch für die Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 507 Praxis des internationalen Managements – etwa für interkulturelle Trainings – ergeben. Der wissenschaftliche Beitrag der vorliegenden Arbeit liegt in der theoretisch fundierten Analyse der Lebens- und Arbeitssituation von „western women manager expatriates“ in einem fremden sozio-kulturellen Umfeld, einer Situation, die – versehen mit zahlreichen organisationsstrukturellen und -kulturellen Hindernissen – zu quasi unvermeidbaren Auseinandersetzungen mit der eigenen Identität und dem gesellschaftlichen Umfeld und damit (ebenso unvermeidbar) zu entsprechenden Modifikationen von Selbstkonzept und Karrierevorstellungen führen. Manche Passagen der Arbeit hätten vielleicht eine etwas ausführlichere Diskussion verdient; dennoch vermag die Dissertation fachwissenschaftlich und methodisch absolut zu überzeugen. 11. Personalplanung Martell Beck Grundsätze der Personalplanung. Ausrichtung der Betriebsverfassung am Strategischen Human Resource Management Betreuer: 1. Prof. Dr. Walter A. Oechsler, Universität Mannheim Problemhinführung Das geltende Arbeitsrecht, dessen Basis bis zu den 70er Jahren geschaffen wurde, mit seiner starken Betonung von Regelungen zum Personalabbau im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes, des Kündigungsschutzgesetzes und der Rechtsprechung, orientiert sich heute noch am Produktionsprozess der starren Massenproduktion. Hier hat der Betriebsrat die zentrale Personalabteilung als Ansprechpartner zur Durchsetzung seiner Mitwirkungsrechte. Die Aufgaben der zentralen Personalabteilung haben sich jedoch grundlegend gewandelt. Diese beschäftigt sich heutzutage in einer Zeit der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors und der flexiblen Produktions- und Beschäftigungsmöglichkeiten vor allem mit der Erstellung einer in die strategische Unternehmensplanung integrierten Personalplanung, die lediglich Aussagen über die geplante zukünftige Beschäftigungsentwicklung, aber keine detaillierten Aussagen über die Handhabung der personalpolitischen Instrumente auf dezentraler Ebene machen kann, da sie nicht mehr Entscheidungsträger beim Einsatz dieser Instrumente ist. Stattdessen wird auf dezentraler Ebene der Fertigungsteams selbstständig über die Aufteilung der Arbeit, Einstellungen oder Versetzungen entschieden. Als Konsequenz daraus entwickeln sich in der Praxis zum Betriebsverfassungsgesetz divergierende informelle Entscheidungsstrukturen, die durch eine Verlagerung 508 Personalforschung an Hochschulen der Aufgaben des Betriebsrats von personellen Einzelmaßnahmen der operativen Personalplanung hin zum strategischen Bereich der Personalplanung, d.h. der Ausrichtung personeller Maßnahmen am strategischen Handeln des Unternehmens, gekennzeichnet sind. In der Folge bedarf es einer Anpassung der Betriebsverfassung an die neuen Gegebenheiten, insbesondere durch eine neue Verankerung der Personalplanung, wodurch dem Betriebsrat erstmals ein systematischer Zugriff auf seine Beteiligungsrechte im Kontext der Unternehmensstrategie ermöglicht würde. Als problematisch erweist sich dabei allerdings, dass eine inadäquat betriebene Personalplanung, z.B. durch eine fehlende Abstimmung dieser mit der langfristigen Unternehmensstrategie, die zur Realisierung des Leistungsprozesses notwendigen Quantitäten und Qualitäten an Personal nicht abschätzen kann. Dies hat zur Folge, dass die Wahrnehmung der Partizipationsrechte des Betriebsrats auf einer falschen Informationsbasis beruhen würde. Demnach würde eine neue Einbindung der Personalplanung in der Betriebsverfassung alleine nicht ausreichen. Es bedarf vielmehr der Entwicklung eines Grundsatzsystems einer Personalplanung, mit dessen Hilfe es für Unternehmen möglich ist, eine möglichst qualitätsgesicherte Personalplanung durchzuführen. Damit ist es Ziel dieser Arbeit, Grundsätze einer Personalplanung zu entwickeln, so dass die Betriebsverfassung am strategischen Handeln der Unternehmen ausgerichtet werden kann. 2. Theoretischer Zugang der Untersuchung Der Arbeit liegt der Ansatz des Strategischen Human Resource Management der Michigan School zu Grunde. Dieser erscheint zur Erstellung der Grundsätze geeignet, bezieht er doch konsequent die auf das Unternehmen einwirkende Umwelt mit ein. So führen gravierende Änderungen der Umwelt beispielsweise durch eine nachhaltige Veränderung der Absatz- und Beschaffungsmärkte zwangsläufig zu einer Anpassung in der Gestaltung der effizienzbestimmenden Faktoren Unternehmensstrategie, Organisationsstruktur und Human Resource Management. Damit trägt der Ansatz sowohl der spezifischen Unternehmenssituation in einer sich verändernden Umwelt als auch der Tatsache der Ressourcenabhängigkeit von Unternehmen Rechnung. Zudem stellt der Ansatz mit dem Human Resource Cycle eine Systematik der personellen Teilfunktionen bereit, die sich am dynamischen Prozess der Leistungserstellung und nicht an starren Funktionen und Tätigkeiten ausrichtet. Diese Teilfunktionen sind gleichsam Ansatzpunkte für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Durch die Identifikation des Human Resource Management als effizienzbestimmenden Parameter eines Unternehmens und seine konsequente integrative Verbindung mit der Organisationsstruktur und der Unternehmensstrategie wird auch der ökonomische Beitrag der Personalfunktion zum Unternehmenserfolg anerkannt. Um den daraus resultierenden Erfolgsfaktor Personal ökonomisch sinnvoll nutzen zu können, bedarf es einer Ausrichtung der Personalfunktion an den langfristigen strategischen Zielen des Unternehmens, womit die Personalfunktion in der Lage ist, auch einen originären Beitrag zum Unternehmenserfolg zu leisten, und folglich ihren kurzfristig derivativen Charakter eines reinen Mengen- und Qualifikationsanpassers im Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 509 Sinne eines Lückenkonzeptes zu überwinden. Dies setzt somit antizipatives personalwirtschaftliches Handeln und damit eine Personalplanung voraus, die ihrerseits Beiträge und Anregungen für eine Investitions-, Produktions- oder Finanzplanung geben kann. Damit gibt der Ansatz die benötigten Hinweise zur Ausgestaltung einer Personalplanung. 3. Untersuchungsdesign Um den mit der Erstellung von Grundsätzen einer Personalplanung verfolgten Zweck erfüllen zu können, bedarf es umfassender Erkenntnisquellen. Zu solchen Erkenntnisquellen gehören einerseits sowohl die Forschungsergebnisse der betriebswirtschaftlichen Personalplanungsliteratur, die vor dem Hintergrund des Strategischen Human Resource Management betrachtet werden, als auch die einschlägig kodifizierten Rechtsnormen, insbesondere des Betriebsverfassungsgesetzes, und ihre Auslegung durch die Rechtsprechung. Hier ist es Ziel, auf deduktivem Wege Informationen zur Formulierung von Grundsätzen der Personalplanung zu gewinnen. Es ist allerdings zu beachten, dass die Deduktion als solche nur Informationen liefert, die bereits in den gesetzten Prämissen enthalten sind, mit der Folge, dass der Entdeckungszusammenhang außer Acht gelassen wird. Das Entdecken verschiedenster Planungsvarianten, z.B. aus der Praxis, ist aber notwendige Voraussetzung zur Deduktion mit der Folge, dass eine deduktive Vorgehensweise eine induktive nicht ganz und gar ausklammern kann. Folglich erscheint nur ein Methodenmix sinnvoll. Damit werden auch Informationen aus der erfolgreichen Personalplanungspraxis in die Formulierung von Grundsätzen der Personalplanung mit einbezogen, was mit Hilfe von Fallstudien auf induktivem Wege erfolgt. 4. Empirische Überprüfung Eine empirische Überprüfung des Ergebnisses wird im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen, werden doch qualitative Aussagen darüber getroffen, wie eine am Strategischen Human Resource Management ausgerichtete Personalplanung ausgestaltet sein sollte und nicht, wie sie in der Praxis ausgestaltet ist. Folglich standen bei der Gewinnung von Praxisinformationen nicht empirische Erhebungen als Abbild der Praxis im Vordergrund, die lediglich den dort vorherrschenden mangelnden Ausbaustand der Personalplanung aufzeigen können, sondern vielmehr solche, die eine erfolgreiche Personalplanung betreiben. Damit ist eine empirische Überprüfung des vorgestellten Grundsatzsystems mit Hilfe quantitativer Methoden nicht zielführend. Es bleibt weiteren Forschungsarbeiten überlassen, dieses Grundsatzsystem in weiteren Fallstudien zu prüfen. 5. Zielerreichung / Resümee Mit Hilfe der vorliegenden Arbeit gelingt eine verbindliche Einbindung der Grundsätze der Personalplanung in die Betriebsverfassung, womit eine konsequente Ausrichtung der Betriebsverfassung am Strategischen Human Resource Management 510 Personalforschung an Hochschulen möglich wird. So wird die Einzelfallbezogenheit des Gesetzes durch die am Strategischen Human Resource Management ausgerichtete Information des Betriebsrates über die Beschäftigungsentwicklung im Kontext der Unternehmensstrategie überwunden, so dass nun der Betriebsrat einen systematischen Zugriff auf seine Rechte erhält. Dies führt zudem zu einer Reflexion über die zukünftige Beschäftigungsentwicklung und -fähigkeit, statt zum Denken in ökonomischen Kalkülen des Sozialplans, was sowohl zur Umkehrung der herrschenden Logik des Betriebsverfassungsgesetzes als auch zu einer Ausrichtung der Betriebsverfassung am Grundgedanken des Strategischen Managements führt. Letztlich kommt es durch die Einführung einer verpflichtenden Personalplanung zu einer gewandelten Sichtweise des Mitarbeiters weg vom Kosten- hin zum Erfolgsfaktor, was ebenfalls im Sinne des Strategischen Human Resource Management ist. Michael Knörzer Flexible Arbeitszeiten und alternative Beschäftigungsformen in der Personalplanung – Optimierungsmodelle aus Unternehmenssicht und Kompromissmodelle zur Berücksichtigung betrieblicher Mitbestimmung* Betreuer: 1. Prof. Dr. Hugo Kossbiel, Universität Frankfurt am Main Problemstellung Schlagworte wie „Die Abkehr vom Normalarbeitstag“ und „Die Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ beschreiben die Inanspruchnahme „zeitlicher Flexibilität“ durch Abweichungen von einer regelmäßigen tariflichen bzw. betrieblichen Arbeitszeit (z.B. durch Mehrarbeit, Teilzeitarbeit, Jahresarbeitszeitverträge) respektive die zunehmende Nutzung „alternativer“ oder „atypischer“ Beschäftigungsverhältnisse (z.B. geringfügige Beschäftigung, befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeitsverhältnisse). Diese Entwicklungen werden durch Tarifverträge und Gesetzgebung ermöglicht. So haben die Tarifvertragsparteien seit dem historischen „LeberKompromiss“ zur 38,5–Stunden-Woche in der Metallindustrie im Jahr 1984 eine Fülle neuer Formen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung initiiert. Parallel dazu hat der Ge- * Michael Knörzer: Flexible Arbeitszeiten und alternative Beschäftigungsformen in der Personalplanung. Optimierungsmodelle aus Unternehmenssicht und Kompromissmodelle zur Berücksichtigung betrieblicher Mitbestimmung. ISBN 3-87988-639-3, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2002, 365 S., € 34,80. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 511 setzgeber mit der Ersetzung der alten Arbeitszeitordnung durch das Arbeitszeitgesetz über die Verabschiedung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes bis hin zur Einführung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes zum 01. Januar 2001 die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese aktuellen Tendenzen geschaffen. Die dadurch ermöglichten Handlungsspielräume für Arbeitgeber können aufgrund der im Betriebsverfassungsgesetz festgelegten Mitbestimmungsrechte bzw. der Regelungen in Tarifverträgen, in denen die Tarifvertragsparteien den Betriebsräten z.T. über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehende Mitwirkungsrechte zugestehen, oft nur im Konsens mit den Betriebsräten genutzt werden. Für die Personalplanung erwachsen aus diesen Entwicklungen zwei Problemstellungen: 1. Die rechtlichen und tariflichen Regelungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung und zu alternativen Beschäftigungsformen müssen in Planungsansätzen so umgesetzt werden, dass einerseits eine optimale Nutzung dieser Möglichkeiten erzielt wird, andererseits die rechtliche Zulässigkeit (Vorgaben des Gesetzgebers bzw. der Tarifvertragsparteien) der Lösungen gewährleistet ist. 2. Die Personalplanung sollte nicht nur die Ziele des Arbeitgebers (z.B. Reduzierung der Personalkosten), sondern auch die Interessen des Betriebsrates (z.B. Vermeidung von Entlassungen) berücksichtigen. Da die Ziele von Arbeitgeber und Betriebsrat nur zum Teil übereinstimmen, ist die Frage zu beantworten, wie ein Interessenausgleich zwischen den Parteien erzielt werden kann. Trotz zunehmender Behandlung von Problemen der Personalplanung in den letzten Jahrzehnten ist den oben angesprochen Problemstellungen bisher in keiner oder nur in unzureichender Weise Rechnung getragen worden. Die Wissenschaft beschränkt sich fast ausschließlich auf die Beschreibung und Erklärung der Verbreitung flexibler Arbeitszeiten und alternativer Beschäftigungsformen, sie liefert jedoch kaum Ansätze zur Entscheidungsunterstützung für die Praxis. So existiert weder eine Umsetzung der aktuell wichtigsten tariflichen und gesetzlichen Regelungen zur flexiblen Arbeitszeitgestaltung und zu alternativen Beschäftigungsformen in Planungsansätze, noch ist bisher eine befriedigende Einbeziehung betrieblicher Mitbestimmung in die Personalplanung gelungen. 2. Gang der Untersuchung Nach einer Einführung in die Problemstellung werden im zweiten Teil die Bedeutung flexibler Personalausstattungen für die Deckung von Personalbedarfen hergeleitet sowie die Verbreitung und die rechtlichen Grundlagen verschiedener Arbeitszeit- und Beschäftigungsformen beschrieben. Der dritte Teil der Arbeit stellt die Berücksichtigung von Zielen der Betriebsräte bei der Personalplanung in den Mittelpunkt. Dazu werden sowohl Arbeiten aus der Gewerkschaftstheorie als auch empirische Untersuchungen über das Mitbestimmungsverhalten von Betriebsräten aufbereitet. Ein weiterer Abschnitt der Arbeit ist dann dem Problem gewidmet, wie die Berücksichtigung der Betriebsratsziele in Ansätzen der Personalplanung erfolgen kann und wie die Zielsetzungen von Arbeitgeber und Betriebsrat zu einem Kompromiss 512 Personalforschung an Hochschulen geführt werden können. Teil vier der Arbeit ist Modellen der Personalplanung gewidmet. Dort werden zunächst in Tarifverträgen bedeutender Branchen vorzufindende Regelungen zu flexiblen Arbeitszeiten analysiert und in Planungsansätze umgesetzt. Danach werden Ansätze zur Nutzung von befristeten Beschäftigungs- und Leiharbeitsverhältnissen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen vorgestellt. Zu jedem Problembereich wird ein Beispiel zum Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gegeben. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Betrachtung der vorgestellten Planungsansätze und der verwendeten Kompromisslösungen. 3. Inhalt, Methodik und Ergebnisse Um eine möglichst breite Anwendung der vorgestellten Planungsansätze zu erzielen, sind neben den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und des Teilzeit- und Befristungsgesetzes einschlägige Tarifverträge herangezogen worden. So wurden Regelungen zur Arbeitszeitflexibilisierung u.a. aus Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie, der Chemischen Industrie, der Druckindustrie und des Einzelhandels als Grundlage für die Personalplanungsmodelle berücksichtigt. Wegen der überragenden Bedeutung, die der Nutzung von Überstunden in der Praxis zukommt (in den letzten Jahren stets bis fast 2 Mrd. Überstunden pro Jahr), und wegen der Vielfalt der in Tarifverträgen vorfindbaren Regelungen zum Freizeitausgleich wurde diesem Themenkomplex besonderes Gewicht beigemessen. Zudem finden sich im Arbeitszeitgesetz und in vielen Tarifverträgen Möglichkeiten der „Verteilung“ von Arbeitszeit in sog. Ausgleichs- oder Verteil(ungs)zeiträumen bis hin zu Jahresarbeitszeitregelungen, die ebenfalls betrachtet wurden. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz fand ebenso Berücksichtigung, wie die in der Wirtschaftspraxis am meisten genutzte alternative Beschäftigungsform, die im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelten Leiharbeitsverhältnisse. Diese Beschäftigungsform steht wie keine zweite für die „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“. So stieg die Zahl der Leiharbeitskräfte von knapp 12.000 Mitte der 70er Jahre auf fast 300.000 im Jahr 2000. Gesetzliche und tarifliche Regelungen bilden die Grundlage der vorgestellten Planungsmodelle. Dazu wurden die in Tarifverträgen vorgefundenen Arbeitszeitregelungen auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede untersucht, klassifiziert und anschließend in Planungsmodelle umgesetzt. Ausgehend von Referenzmodellen, die auf einer häufig vorfindbaren und sehr grundsätzlichen Arbeitszeitregelung basieren, werden Varianten vorgestellt. Diese verlangen oft nur eine vergleichsweise geringfügige Veränderung des Referenzmodells, was als Indiz für die „Robustheit“ der zuvor entwickelten Referenzmodelle gegenüber Modifikationen der Arbeitszeitregelungen gelten kann. Neben den gesetzlichen und tariflichen Vorgaben spielt die arbeitsgerichtliche Beurteilung bestimmter Sachverhalte, das sog. „Richterrecht“, eine herausragende Rolle im Arbeitsrecht. Um z.B. im Rahmen von befristeter Beschäftigung oder von Leiharbeit sog. „Kettenarbeitsverträge“ auszuschließen, sind in der Personalplanung Vorgaben der Arbeitsgerichte zu berücksichtigen. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 513 Der Umfang und die Komplexität der Planungsansätze erfordern zu ihrer Lösung mathematische Verfahren, insbesondere der linearen Optimierung. Wie die zahlreichen Beispiele zu den einzelnen Planungsmodellen zeigen, führen die Ansätze nicht nur zu rechtlich zulässigen und optimalen, sondern auch zu „intuitiv plausiblen“ Ergebnissen. Die in der Arbeit verwendeten „Ausgleichslösungen“ mussten zwei Kriterien erfüllen: erstens sollten sie geeignet sein, die Verhandlungssituation adäquat abzubilden, zweitens sollte eine Kompromisslösung für die Beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter möglichst gut nachvollziehbar sein, um eine hohe Akzeptanz zu erzielen. Verhandlungslösungen der sog. kooperativen Spieltheorie erfüllen diese Voraussetzungen wie keine andere Klasse von Verfahren der Mehrzielentscheidung. Zum einen sind sie geeignet, über die Berücksichtigung sowohl der bei Konsens der Verhandlungspartner möglichen Ergebnisse als auch der im Konfliktfall zur Verfügung stehenden Verhaltensweisen zu erfassen. Zum anderen legen diese Verhandlungslösungen die ihnen zugrunde liegenden „Gerechtigkeitsvorstellungen“ offen. Es wird gezeigt, dass die mathematisch formal formulierten Axiome, aus denen die Lösungen abgeleitet sind, oft intuitiv nachvollziehbare und alltägliche Vorstellungen von Fairness widerspiegeln und wie sich diese in Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat auswirken. 12. Internationales Personalmanagement Iris Kollinger Der Auslandseinsatz von weiblichen Führungskräften Betreuer: Prof. Dr. Dudo von Eckardstein, Wirtschaftsuniversität Wien Weibliche Führungskräfte sind im internationalen Management noch immer deutlich unterrepräsentiert, obwohl die Zahl an hoch qualifizierten und karriereorientierten Frauen, die auch auf internationaler Ebene eine Karriere anstreben, stetig zunimmt. In der vorliegenden Arbeit steht der Aspekt der Unterrepräsentanz von Female Expatriates im Vordergrund, in deren Rahmen untersucht wird, ob eine Auslandsentsendung (bzw. ein Auslandseinsatz im Allgemeinen) für weibliche Führungskräfte ganz grundsätzlich ein Diskriminierungspotenzial in sich birgt und eine weitere Hürde für den Karriereverlauf von Frauen darstellt. Es wird überprüft, ob in der Entsendungspraxis der Unternehmen eine Diskriminierung, eine bloße quantitative Unterrepräsentanz oder vielleicht sogar eine Bevorzugung von weiblichen Führungskräften 514 Personalforschung an Hochschulen vorliegt, indem der Anteil von Frauen an Führungskräften in Österreich mit dem Anteil von Frauen an Führungskräften, die ins Ausland geschickt werden, verglichen wird. Daran anschließend werden die Gründe für die Diskriminierung bzw. Unterrepräsentanz von Female Expatriates beurteilt, wobei nicht nur auf bereits bestehende Argumentationsmuster der einschlägigen Literatur zurückgegriffen wird, sondern auch neue Erkenntnisse, die aus dem empirischen Teil der Arbeit hervorgehen, eingearbeitet werden. Zu diesem Zweck wird in einem ersten Schritt der konzeptionelle Rahmen, in dem die Forschungsfrage eingebettet ist, aufgearbeitet: Es werden die allgemeinen Merkmale des Entsendungsprozesses erläutert sowie nach den Gründen für die quantitative (Unter-) Repräsentanz der weiblichen Entsandten gefragt. Weiters werden die möglichen theoretischen Erklärungsansätze zur Unterrepräsentanz von weiblichen Auslandsentsandten behandelt. Dabei erfolgt eine Konzentration auf die geschlechtsspezifische Sozialisationstheorie bzw. auf die Überlegungen der geschlechtsspezifischen Arbeitsmarktsegregation, da deren Erklärungsbeitrag für die Forschungsfrage im Gegensatz zu anderen, wie bspw. rechtlichen oder biologischen, Ansätzen als besonders hoch beurteilt wird. In einem zweiten Schritt erfolgt die empirische Aufarbeitung der Forschungsfrage. Basierend auf einer qualitativen Vorerhebung wurde im Zeitraum Juni bis August 2001 eine Fragebogenerhebung unter den TOP 500 Unternehmen sowie den jeweils 25 größten Banken, Versicherungsunternehmen und Unternehmensberatern in Österreich durchgeführt (Rücklauf 18,3%). Nach einer Beschreibung der Ziele, des Aufbaus sowie der allgemeinen Vorgangsweise der Erhebung werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt, mit der bestehenden Literatur verglichen und Rückschlüsse auf die Forschungsfrage gezogen. Abschließend werden für die Personalverantwortlichen mögliche Handlungsempfehlungen abgegeben, um den Anteil an weiblichen Entsandten entsprechend zu erhöhen. Die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit lauten wie folgt: In nahezu der Hälfte der Fälle kann eine Diskriminierung von Frauen als wahrscheinlich angenommen werden. 13,7% der Respondenten haben weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene weibliche Führungskräfte beschäftigt, rund 1/3 der befragten Unternehmen haben zwar auf nationaler Ebene weibliche Führungskräfte, entsenden aber keine Frauen ins Ausland. Bei rund einem weiteren Drittel der Stichprobe kann eine Unterrepräsentanz von weiblichen Entsandten festgestellt werden, d.h. der Anteil von weiblichen Führungskräften auf nationaler Ebene übersteigt den auf internationaler Ebene. Bei rund einem Viertel der Respondenten liegt der Anteil der Female Expatriates über dem der weiblichen Führungskräfte auf nationaler Ebene, es handelt sich hier um eine relative Besserstellung von Frauen. Dies untermauert die Annahme, dass bei diesen Unternehmen Frauen, wenn sie einmal den Sprung ins Management geschafft haben, auch häufiger bei Auslandseinsätzen berücksichtigt werden. Auch wenn die in der Literatur und Praxis grundsätzlich geäußerte quantitative Unterrepräsentanz von weiblichen Auslandsentsandten durch die Fragebogenerhebung bestätigt werden konnte, kann dabei allerdings nicht vorbehaltlos von einer durchgängigen Unterrepräsentanz bzw. Diskriminierung von Frauen bei Entsendungen gesprochen werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 515 Der durchschnittlich geringe Anteil von Female Expatriates (12,8%) kann vor allem durch die Unterrepräsentanz von Frauen in den für Auslandseinsätze relevanten Hierarchieebenen (20,3%) sowie in den jeweiligen Branchen (23,9%) begründet werden. Weiters spielen kulturelle Vorbehalte des Entsendungslandes (17,5%) sowie die familiären Verpflichtungen (13,9%) ebenso eine große, wenn auch nicht eine so stark ausgeprägte Rolle. Im Gegensatz dazu kommt Faktoren, wie etwa einer fehlenden fachlichen Spezialisierung (7,6%), fehlenden Führungsqualitäten (3,6%)oder einer fehlenden Berufs- (2,8%) bzw. Auslandserfahrung (2,4%) nur eine geringe Bedeutung zu. Allerdings wird durch die Entscheidung für eine quantitative Vorgangsweise die Aussagekraft der Ergebnisse dadurch geschmälert, dass subjektive Sichtweisen, Denkschemata und Deutungsmuster der Personalverantwortlichen nicht erfasst und rekonstruiert werden. Es besteht somit der Bedarf nach qualitativen Folgeuntersuchungen, die dieses Defizit ausgleichen und die vorliegenden Untersuchungsergebnisse ergänzen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Repräsentanz der weiblichen Entsandten weniger ein entsendungsspezifisches, sondern ein grundsätzlich frauenpolitisches Problem ist, sodass zunächst alle Maßnahmen, die zur Förderung von Frauen im Management ergriffen werden können, ebenso oder in leicht modifizierter Form auch der Förderung (des Anteils) von Female Expatriates dienen, wie bspw. eine qualifikationsbezogene Auswahl der Adressaten der Personalentwicklung, eine spezifische frauenorientierte Karriereplanung, die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Karriere etc. Weiters empfehlen sich aufbauend auf diesen Maßnahmen die Schaffung von spezifischen Rahmenbedingungen, wie bspw. die Schaffung von freiwilligen, institutionalisierten Bewerberpools für Auslandseinsätze, die Integration von Auslandseinsätzen in die Laufbahnplanung, die Formalisierung des Auswahlverfahrens oder die Einrichtung von Mentorensystemen. Anja Seng Erwartungen potentieller Bewerber/innen als Grundlage einer gezielten Nachwuchsrekrutierung im internationalen Personalmanagement* Betreuer: Prof. Dr. Dudo von Eckardstein, Wirtschaftsuniversität Wien Die internationale Geschäftstätigkeit ist für Unternehmen, die davon betroffenen Länder und die Weltwirtschaft zum Schlüsselfaktor des Erfolgs geworden (Machar- * Erschienen im Privus Verlag, Hannover 2001, ISBN Nr. 3-926000-12-0. 516 Personalforschung an Hochschulen zina et al. 1994). Den strukturellen Herausforderungen, die sich durch die Globalisierung ergeben, begegnen die Unternehmen durch Neuorganisation der Arbeitsstrukturen von starr gegliederten und hierarchischen Strukturen hin zu offenen, flexiblen und kundenorientierten Organisationssystemen, in denen Hierarchien flacher, die Entscheidungszuständigkeit in den operativen Ebenen wesentlich erweitert und die Arbeitsbereiche fach- und funktionsübergreifend komplexer gestaltet sind. Wirtschaftlicher Leitgedanke für diese Umstrukturierung ist die Erkenntnis, dass weniger die Technik- und Kapitalstrukturen als vielmehr die Personalstrukturen wesentliche Rationalisierungsreserven darstellen (Warnecke 1997). Eine der entscheidenden Ressourcen, die wirtschaftlichen Herausforderungen im globalen Maßstab erfolgreich zu bestehen, werden zunehmend die Menschen sein, die für das jeweilige Unternehmen tätig sind. Trendforscher M. Horx sagt ein neuartiges Personalmanagement voraus: „Nach dem Kampf um Bits und Bytes kommt jetzt der War for Talent. Die Welle der Produktivitätssteigerung durch Computer und Informationstechnik ist vorbei. Jetzt wird es darum gehen, die Produktivität der Human Resources zu steigern“ (Gloger 2001). Bei weltweit zahlenmäßig zu geringem und zum Teil nicht entsprechend ausgebildetem Managementnachwuchs bedeutet dies für jedes Unternehmen, sich durch den Aufbau eigener Attraktivität die benötigten Fach- und Führungskräfte zu sichern. Die Entwicklungen am Arbeitsmarkt gepaart mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Globalisierungsprozessen verursachen für die international tätigen Unternehmen die Notwendigkeit eines strategischen, international orientierten Personalmarketing unter den Zielsetzungen: sich eindeutig auf dem internationalen Arbeitsmarkt als Arbeitgeber zu positionieren und dabei kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen, eine internationale Bekanntheit zu erreichen und gegenüber der unternehmensspezifischen Zielgruppe eine Attraktivität zu vermitteln, um extern wie intern unabhängig von lokalen Grenzen, aber abhängig von dem Bedarf kontinuierlich über ein qualifiziertes Mitarbeiterpotential verfügen zu können. In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus auf dem strategischen, extern orientierten Personalmarketing, wobei als Zielgruppe diejenige der internationalen Führungsnachwuchskräfte, insbesondere mit wirtschafts- und ingenieurwissenschaftlicher Orientierung, gewählt wird. Die kulturbezogene Analyse betrachtet Deutschland sowie die übergreifenden Regionen Osteuropas und Asiens. So kann der Frage nachgegangen werden, wie bei einem Transfer bestehender, ethnozentrisch geprägter Personalmarketing-Ansätze interkulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu berücksichtigen sind. Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bilden somit Überlegungen zur Notwendigkeit einer Differenzierung bei der Konzeption und Umsetzung eines international orientierten Personalmarketings aufgrund kultureller Unterschiede im Rahmen des Globalisierungsprozesses. Inhalt ist die Beobachtung der Existenz bzw. der Ausprägung von kulturellen Unterschieden von internationalen Führungsnachwuchskräf- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 517 ten und die Ableitung von Handlungsempfehlungen für ein internationales Personalmarketing. Aufgabe im Laufe der Betrachtung ist es, zunächst eine theoretische Grundlage auf Basis von Personalmanagement, Marketing, Motivationsforschung und internationaler Forschung in Form eines strategischen Personalmarketings zu erarbeiten. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Betrachtung für das internationale Personalmarketing relevanter interkultureller Unterschiede, die anhand einer quantitativ und einer qualitativ orientierten empirischer Untersuchungen erhoben werden. Im Rahmen der quantitativen Befragung wurden 900 Fragebögen verteilt, wobei der Rücklauf von 282 Fragebögen einer Quote von 31,8% entspricht. In Betrachtung der kulturellen Gruppen ergeben sich folgende Rücklaufquoten: Asiaten: 49,8%, Osteuropäer: 20,6%, Deutsche: 23,7%. Die Auswertung der Fragebögen erfolgt elektronisch unterstützt via SPSS Version 8.0. Anwendung finden unter anderem Signifikanztests, Korrelationsanalysen, Mittelwertvergleiche und Faktorenanalysen. In die Auswertung der qualitativ orientierten Gruppendiskussion gehen je kultureller Gruppe 2 bzw. 3 Diskussionsrunden ein, die mit jeweils 2 – 8 Teilnehmern besetzt waren. Die Auswertung erfolgt via Inhaltsanalyse. Wie sich im Rahmen der empirischen Erhebung zeigt, bestehen hinsichtlich der Erwartungen und Motive der Zielgruppe der internationalen Führungsnachwuchskräfte einerseits interkulturelle Unterschiede, andererseits aber auch übergreifende Gemeinsamkeiten, die für die Unternehmen im Zuge der Planung und Umsetzung des Personalmarketing relevant sind. Den erarbeiteten theoretischen Bezugsrahmen zur Konzeption eines strategischen Personalmarketing gilt es, sowohl individuell für das Unternehmen auszugestalten als auch gezielt auf die Zielgruppe auszurichten. Während der Analyse- und Planungsphase identifiziert das Unternehmen nicht nur die gegenwärtige Positionierung, sondern auch die Zielposition bei der zu definierenden Zielgruppe. In dieser Phase entscheidet das Unternehmen bereits über den internationalen Wirkungsgrad mit Folgen für die regionale Differenzierung des Personalmarketing. Die empirische Studie zeigt, dass im Zuge einer optimalen regionalen Positionierung kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen und in konkreten Maßnahmen umzusetzen sind: Die abgeleiteteten ‚Organisationalen Faktoren’ ermöglichen Rückschlüsse für die zu transportierenden Inhalte, die ein Unternehmen mit seiner Positionierung verbunden wissen möchte. Internationalität spielt beispielsweise für alle Kandidatengruppen eine große Rolle. Die unterschiedliche Bewertung konkreter Ausgestaltungsmöglichkeiten dieser Internationalität, wie z.B. interkulturelle Kontakte oder internationale Einsätze, erfordern jedoch eine den Bedürfnissen der Zielgruppe angepassten Kommunikation, deren Umsetzung es im Unternehmen nach der Eintrittsentscheidung des Kandidaten zu reflektieren gilt. Die interpretierten ‚Motivationalen Faktoren’ sind besonders für die Bestimmung der Soll-Position relevant. Sie ermöglichen differenzierte Rückschlüsse auf die Motivation der Zielgruppe und auf mögliche Attraktivitätspotentiale, die eine Positionierung am kulturspezifischen Arbeitsmarkt beeinflussen. 518 Personalforschung an Hochschulen Die abgeleiteten ‚Instrumentellen Faktoren’ bieten Ansatzpunkte für die operative Ausgestaltung von Rekrutierungs- und Kommunikations-Mix. Wenn die durchgeführte Studie auch keinen Anspruch auf Repräsentativität erhebt, so kann sie doch wertvolle Hinweise und Ansatzpunkte für ein strategisches, international orientiertes Personalmarketing für das angehende neue Jahrtausend liefern und dem Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Nachwuchskräfte einen entscheidenden Vorteil verschaffen. Noch offen ist folglich die Frage nach der Begründung der identifizierten interkulturellen Unterschiede. Auch eine Differenzierung hinsichtlich der Studienrichtungen bietet Raum für eine ergänzende Untersuchung. Literatur Gloger, A. (2001): Kampf um Talente, Die Welt, 05.03.2001, 16. Macharzina, K./Welge, M.K./Kutschker, M./Engelhard, J. (1994): Vorwort. In: Wolf, J. (Hg.): Internationales Personalmanagement: Kontext, Koordination, Erfolg, Wiesbaden: Gabler, 1994, V. Warnecke, H.-J. (1997): Qualifikation der Ingenieure im weltweiten Strukturwandel. In: Verein Deutscher Ingenieure (Hrsg.): Technik und Kommunikation ohne Grenzen – Ingenieure im weltweiten Strukturwandel – Deutscher Ingenieurtag 1997, Leipzig, 13./14. Mai 1997, Düsseldorf: VDI Verlag, 1997, 203-215. 13. Arbeitsbeziehungen Werner Dentz Dynamik der Mitbestimmung. Eine Studie zur betrieblichen Mitbestimmung in einem Großunternehmen auf der Grundlage von 25 Praxisfällen im Zeitraum zwischen 1980 und 1995* Betreuer: 1. Prof. Dr. Hartmut Wächter, Universität Trier Problemstellung Die in Deutschland gesetzlich geregelte Mitbestimmung ist immer wieder Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung geworden. Zunächst standen die Beschreibung der durch die Mitbestimmung geprägten Abläufe in Betrieben und Unternehmen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungen im Vordergrund. Die * Werner Dentz: Betriebliche Mitbestimmung. Beispiele – Analysen – Lösungen. Handbücher für die Unternehmenspraxis. ISBN 3-7663-3488-3. Bund-Verlag GmbH. Frankfurt am Main 2003, 330 S. EURO 29,90. (Anmerkung: Das Fach- und Lehrbuch umfasst eine auf die Praxisfälle gekürzte Fassung der Dissertation.) Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 519 Literatur der 70er Jahre konzentrierte sich eher auf die demokratietheoretische Grundlage der Mitbestimmung und versuchte, vermutete und tatsächliche Defizite zu ermitteln. Gegenüber dieser eher normativen Haltung haben die 90er Jahre eine deutliche Hinwendung zu einer ökonomischen Bewertung der Mitbestimmung mit sich gebracht. Die Literatur ist unter Verwendung institutionenökonomischer Denkfiguren eher theoretisch ausgerichtet. Die empirische Erforschung im Rahmen dieses Ansatzes ist ausgesprochen schwierig und kommt über die Verknüpfung von ökonomischen Outputdaten und einigen die Mitbestimmung charakterisierenden Variablen kaum hinaus. Es wurden meist weniger die Entscheidungsprozesse selbst und die Mitbestimmungswirkungen im Einzelnen untersucht als vielmehr die Wirkung der Existenz eines Betriebsrats, also der Betriebsratspräsenz, überhaupt. Was in der Mitbestimmungsforschung vor allem fehlt, sind Detailstudien, die sowohl die Abläufe als auch die Ergebnisse mitbestimmungsgeprägten Handelns berücksichtigen. Eine am Betriebsrat als wichtigstem Akteur der Mitbestimmung ausgerichtete Analyse betrieblicher Entscheidungen ist in besonderer Weise wünschenswert. Ziel dieser Arbeit war es daher, anhand von 25 Praxisfällen durch teilnehmende Beobachtung in einem international tätigen Großunternehmen der Elektronikbranche im Zeitraum von 1980 bis 1995 zu klären, welche Konsequenzen die betriebliche Mitbestimmung hat. Der Autor war im dortigen Hauptbetrieb 15 Jahre lang Betriebsratsmitglied. Bei der Analyse ging es im Wesentlichen um die praktische Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes im Sinne eines Arbeitnehmerschutzes: Wie sieht eine Entscheidungsbeteiligung konkret aus und welche Wirkungsmechanismen laufen in den Aushandlungsprozessen ab? Für viele Ökonomen gilt heute die Mitbestimmung dann als wirtschaftlich effizient, wenn bestimmte unternehmerische oder volkswirtschaftliche Kennzahlen – wie Börsenkurse, Gewinnraten, Arbeitsproduktivität, Lohnstückkosten, Beschäftigungsniveau oder Innovation – günstigere Werte aufweisen als in Unternehmen ohne Mitbestimmung. Folgende Forschungsfragen sollten mit der Untersuchung beantwortet werden: 4. Inwieweit sind die immer komplexeren Handlungsfelder des Betriebsrats durch gesetzliche und tarifliche Regelungen erfasst? 5. In welchem Umfang nutzt der Betriebsrat die sich eröffnenden Handlungsspielräume? 6. Welche Faktoren beeinflussen hauptsächlich das Betriebshandeln? 7. Welche Wirkungen hat das Betriebratshandeln auf Entscheidungsprozesse, -ergebnisse und Unternehmensziele? Bei der theoretischen betriebswirtschaftlichen Fundierung konzentrierte sich die Arbeit sowohl auf die demokratische Teilhabe als auch auf den Humankapital- und den Human Resource Management-Ansatz. 2. Untersuchungsdesign Die Analyse von Mitbestimmungsprozessen und -wirkungen erfolgt in den 25 Praxisfällen anhand eines abstrakten Rahmenmodells. Der Transformationsprozess 520 Personalforschung an Hochschulen vom Aufgreifen eines Verhandlungsgegenstands bis hin zu seinen Wirkungen wird in einem Input-Output-Schema dargestellt. Die Mitbestimmungswirkung des Betriebsrats als abhängige Variable (Outputs) wird in Beziehung gesetzt zu einer Reihe von unabhängigen Variablen (Inputs). Die Verhandlungsprozesse zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber können prinzipiell kooperativ oder konfliktionär sein. Das Rahmenmodell besitzt folgende Elemente: Gesetzliche Mitbestimmungsregeln sowie tarifliche Vorgaben beeinflussen das Handeln des Betriebsrats und der anderen Akteure. Diese Regeln werden von den Akteuren interpretiert, und auf der Grundlage ihres Zielsystems werden Handlungsspielräume im Aushandlungsprozess ausgenutzt. Zu überprüfen war z.B., ob das Handeln des Betriebsrats ein Abbild der gesetzlichen Regelungen darstellt und welche Handlungsspielräume existieren. Einflussvariablen: Das Ausnutzen bestehender Handlungsspielräume durch die Betriebsakteure ist wiederum von einer ganzen Reihe von Einflussfaktoren abhängig. Hier sind auch die strukturellen Gegebenheiten der Umwelt zu beachten, denn sie markieren die Möglichkeiten und Grenzen für die Akteure. Mit Hilfe von Literaturrecherchen und eigenen Erfahrungen wurden elf Faktoren identifiziert. Verhandlungsprozess: Grundlage für die Analyse des Verhandlungsprozesses sind Strategien und Taktiken der Akteure – vor allem, wenn sie Zwangs- oder Drucktaktiken eingesetzt haben. Betriebsrat, Personalwesen und Management sind im Aushandlungsprozess als getrennte Akteure zu interpretieren. Das Management wurde insofern gesondert angeführt, da Führungskräfte vorübergehende Koalitionen mit dem Betriebsrat eingehen können, um ihre eigenen Bereichs- oder Abteilungsinteressen durchzusetzen. Wirkungen auf den Entscheidungsprozess: Hierbei waren die Wirkungen auf den Entscheidungsprozess selbst zu betrachten, wie sich z.B. die Mitbestimmung auf die Verhandlungskultur, auf die Formalisierung von Abläufen oder auf die Professionalisierung der Personalarbeit auswirkt. Insbesondere war zu überprüfen, ob durch das Betriebsverfassungsgesetz die Personal- und Sozialentscheidungen nachprüfbar und verallgemeinerbar sind. Im Sinne des Human Resource Management-Ansatzes wurde die Artikulation von Arbeitnehmerinteressen in seiner Vertretung durch den Betriebsrat in den verschiedenen Unternehmensebenen untersucht. Mitbestimmungswirkungen auf das Entscheidungsergebnis: Nach der Humankapitaltheorie wurde der Einfluss der Mitbestimmung auf die Humankapitalbildung sowie auf das Beschäftigungsverhältnis überprüft. Mitbestimmungswirkungen auf die Unternehmensziele: Hier waren die Gesamtwirkungen der betrieblichen Mitbestimmung abzuschätzen, d.h. ihr Einfluss auf die Unterstützung von Unternehmenszielen, ihr Beitrag zum Wohl des Betriebs. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 3. 521 Die empirische Überprüfung Die Systematik der 25 Fallbeispiele erfolgt in vier Teilen – vorrangig nach den Mitbestimmungsbereichen des Betriebsverfassungsgesetzes: 1. wirtschaftliche Angelegenheiten, wie betriebsorganisatorische Änderungen (8 Beispiele), 2. personelle Angelegenheiten, insbesondere Personalplanung und -entwicklung, Einstellungen, Kündigungen/Personalabbau (6 Fallbeispiele), 3. soziale Angelegenheiten, im Besonderen 6 Fallbeispiele der Entgeltfindung, 4. institutionelle Fälle der Zusammenarbeit zwischen den Betriebsratsebenen sowie der Relationen von arbeits- und tarifvertraglichen Regelungen (5 Fallbeispiele). Die Aufarbeitung der Fallbeispiele geschah nach einem analogen Gliederungsschema: Nach einer rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Grundlegung des Beispiels folgt die jeweilige Problemstellung, ergänzt um Problemfragen und Antworten. Die jeweilige Lösung wurde in einem vierten Teilabschnitt beschrieben. Der fünfte Teilabschnitt klärt die Frage der Handlungsempfehlungen und -alternativen aus Praxissicht. Maßgeblich wird die Frage geklärt, inwieweit der Betriebsrat die gesetzlichen Handlungsspielräume nutzen konnte oder nicht. Die Analyse und Auswertung des jeweiligen Beispiels mit Bezug zu den theoretischen Grundlagen erfolgte im sechsten Teilabschnitt, vorrangig als Einschätzung des Falls zum Analyseraster des Rahmenmodells und der Mitbestimmungswirkungen auf Entscheidungsprozesse, -ergebnisse und Unternehmensziele. 4. Ergebnisse Die Auswertung der Praxisfälle zeigt ein sehr differenziertes Bild: Einerseits wurden z.B. durch die betriebliche Interessenvertretung in 40 Prozent der Fälle die gesetzlichen Grenzen überschritten und andererseits bei annähernd 30 Prozent der Fälle das gesetzliche Instrumentarium nicht konsequent genutzt. Die Ergebnisse der 25 Fallbeispiele sind in acht Thesen zusammengefasst: 1. These: Das Partizipationsmuster des Betriebrats und die Betriebsratswirkungen sind vor allem von der fachlichen Kompetenz, der Handlungsdisposition des Betriebsrats, der Arbeitnehmer-Unterstützung, der Verhandlungskultur und vom situativen Faktor “globale Unternehmensstrategie” abhängig. 2. These: Die Kanalisierung der Konflikte zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber durch den Betriebsrat führt zu einer Formalisierung von Abläufen. 3. These: Der Betriebsratseinfluss erleichtert (im untersuchten Großbetrieb) Umstrukturierungen von Betrieben und Unternehmen. 4. These: Betriebliche Mitbestimmung führt zu erhöhter Beschäftigungssicherung. 5. These: Eine sichere Beschäftigung erlaubt den Arbeitnehmern spezifische Qualifizierungen, die sich längerfristig in Einkommenserhöhungen niederschlagen. 522 Personalforschung an Hochschulen 6. These: Wenn sich die Betriebe zersplittern und organisatorische Änderungen auftreten, dann konzentriert sich auf Seiten der Mitbestimmung die Verhandlungsmacht auf den Gesamtbetriebsrat und seine Ausschüsse. 7. These: Durch neue Arbeitsformen entstehen Vertretungsdefizite für die Arbeitnehmer auf Arbeitsplatzebene. 8. These: Firmentarifverträge bieten nur unter bestimmten Bedingungen, vor allem bei einem hohen Organisationsgrad der Beschäftigten, den gleichen Arbeitnehmerschutz wie Flächentarifverträge. Wie sieht der theoretische Ertrag aus? In Bezug auf die Humankapitaltheorie wird eine immer kleiner werdende Stammbelegschaft geschützt (Beschäftigung, Qualifizierung, Einkommen), um Transaktionskosten zu senken. Nach dem HumanResource-Management-Ansatz ist die Mitbestimmung institutionalisiert, jedoch abhängig vom Einfluss des Personalwesens im Gesamtunternehmen. Gemäß dem Collective-Voice-Ansatz führen formalisierte Abläufe zu Konfliktbereinigungen. 5. Resümee Aufgrund der Ergebnisse und der Veränderungen empfiehlt der Verfasser die Verlagerung von Mitbestimmungsrechten auf die Arbeitsplatzebene mit einigen Vorbehalten. Denn infolge hoher organisatorischer Flexibilität werden Arbeitnehmerinteressen auf Arbeitsplatzebene nicht ausreichend berücksichtigt. Doch durch den Gesamtbetriebsrat erfolgt ein wirksamer Arbeitnehmer-Schutz, da er eine immerwährende Institution darstellt. Trotzt Kompetenzsteigerungen durch langjährige Mitgliedschaft empfiehlt sich ein Wechsel im Betriebsratsamt. An offenen Fragen bleiben die Übertragbarkeit der Ergebnisse insbesondere auf Klein- und Mittelbetriebe sowie eine theoretische Beachtung in der Betriebswirtschaftslehre. Gleichsam nebenbei liefert die Fallsammlung eine umfassende Aufarbeitung der Mitbestimmungspraxis in einem Großunternehmen und bietet eine Fülle anschaulichen Materials, gegliedert nach Mitbestimmungsfeldern. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 523 Sang-Min Lee Betriebliche Mitbestimmung und technologische Innovationen in Deutschland und Südkorea im Vergleich: personalökonomische Analysen und empirische Befunde Betreuerin: Prof. Dr. Uschi Backes-Gellner, Universität Zürich, vorher Universität zu Köln 1. Fragestellung Betriebe können durch Produkt- sowie Prozessinnovationen neue Märkte eröffnen oder auf vorhandenen Märkten Differenzierungs- oder Kostenvorteile gegenüber Konkurrenten erzielen. Angesichts dieser Relevanz ist die Innovationsforschung in der Betriebswirtschaftslehre unter dem Begriff „Innovationsmanagement“ thematisiert. Die bisherige Innovationsmanagementlehre hat wenig Aufmerksamkeit für die Rolle der betrieblichen Arbeitnehmervertretungen gezeigt. Um diese Forschungslücke zu decken, behandelt die vorliegende Studie den Arbeitnehmervertretungseffekt auf die betriebliche Innovationskompetenz. Es stellt sich vor allem die Frage, ob die betrieblichen Arbeitnehmervertretungen Innovationsaktivitäten fördern oder hemmen. Viele Länder regulieren betriebliche Arbeitnehmervertretungen und autorisieren rechtlich den Umfang ihrer Mitspracherechte. Die rechtliche Autorisation in einem Land kann als innovationsfördernd charakterisiert werden, wenn die rechtlich autorisierten Arbeitnehmervertretungen einen positiven Nettoeffekt auf die betrieblichen Innovationen haben. Eine weitere Frage, die sich aus der Perspektive des Innovationsmanagements stellt, lautet, inwieweit eine Betriebsleitung unter diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen den negativen Arbeitnehmervertretungseffekt abmildern und dadurch die Innovationskompetenz verstärken kann. Diese Studie konzentriert sich auf den aus dem Hold Up-Problem bei Kapitalinvestitionen resultierenden negativen Arbeitnehmervertretungseffekt. 2. Spieltheoretische Ansätze über die Überwindung des Hold Up-Problems Der Arbeitnehmervertretungseffekt auf technologische Innovationen kann mit dem Collective Voice-, Kündigungsschutz- und Lohnerhöhungsansatz erklärt werden. Angesichts des Collective Voice-Ansatzes können die Arbeitnehmervertretungen auf der einen Seite durch die Erhöhung der Qualität der Innovationsentscheidungen und der Akzeptanz derselben sowie durch die Kreativität der Konsultation die Innovationskompetenz verbessern. Auf der anderen Seite können sie die Innovationsaktivitäten dadurch negativ beeinflussen, dass ihre Beteiligung am Innovationsprozess die rechtzeitig zu treffenden Innovationsentscheidungen verzögert. Mit dem Kündigungsschutzeffekt können die Arbeitnehmervertretungen einerseits die Beschäftigungssicherheit der Arbeitnehmer verbessern und ihren Zeithorizont verlängern. Mit der verbesserten Beschäftigungssicherheit können die Arbeitnehmer mehr in das spe- 524 Personalforschung an Hochschulen zifische Humankapital für Innovationen investieren. Wenn der unternehmerische Zeithorizont nicht genügend langfristig ist, können die Arbeitnehmer mit ihrem langfristigen Zeithorizont mehr Kapitalinvestitionen fordern, weil die Beschäftigungssicherheit und das zukünftige Einkommen der Arbeitnehmer auf die betrieblichen Innovationsaktivitäten angewiesen sind. Andererseits können die Arbeitnehmervertretungen nach dem Kündigungsschutzansatz arbeitssparenden Kapitalinvestitionen widersprechen. Mit dem Lohnerhöhungseffekt können die Arbeitnehmervertretungen einerseits durch die Erhöhung des Arbeitnehmeranteils an der Innovationsrente die Innovationsbereitschaft der Arbeitnehmer steigern. Andererseits können sie den Investitionsanreiz der Betriebsleitung dadurch verringern, dass sie durch die Lohnerhöhung die Quasirente der Kapitalinvestitionen erschöpfen. Aufgrund dieses erwarteten Hold Up-Problems könnte die Betriebsleitung ineffizient unterinvestieren. Es wird angenommen, dass die betriebliche Innovationskompetenz eine Funktion des Umfangs der Mitspracherechte ist. Bis zu einem bestimmten Umfang der Mitspracherechte können die positiven Arbeitnehmervertretungseffekte die negativen Effekte überkompensieren. Durch diesen positiven Nettoeffekt wird die Innovationskompetenz erhöht. Bei zu weitreichenden Mitsprachemöglichkeiten verstärken sich allerdings die negativen Arbeitnehmervertretungseffekte und dominieren die positiven Effekte. Folglich wird die Innovationskompetenz wieder verschlechtert. Es ist darum eine empirische Frage, ob eine Arbeitnehmervertretung mit einem rechtlich autorisierten Umfang an Mitsprachemöglichkeiten innovationsfördernd oder –hindernd ist. Wenn eine Betriebsleitung die aus dem Hold Up-Problem resultierende Unterinvestition vermeiden kann, dann kann sie unter den gesetzlichen Regelungen die Innovationskompetenz verbessern. Nach der folgenden spieltheoretischen Analyse können die Betriebsparteien unter bestimmten Bedingungen einen „sich selbst durchsetzenden Kontrakt“ für effiziente Kapitalinvestitionen abschließen und damit das Hold Up-Problem überwinden: Ein Betrieb und eine Arbeitnehmervertretung befinden sich in einem dreistufigen Spiel, wobei der Betrieb in der ersten Stufe ein Kapitaleinsatzniveau, die Arbeitnehmervertretung in der zweiten Stufe einen Lohnsatz und der Betrieb in der dritten Stufe ein Beschäftigungsniveau auswählt. Jeder Spieler kann vor seiner Auswahl die vorherige Auswahl des anderen Spielers genau beobachten, und die Auszahlungsfunktion eines Spielers ist dem anderen bekannt. In einem endlich oft wiederholten Spiel ist die Unterinvestition bzw. die Unterbeschäftigung die beste Antwort des Betriebs auf die gegebene Lohnforderungsstrategie der Arbeitnehmervertretung, und die erhebliche Lohnerhöhung ist die beste Antwort der Arbeitnehmervertretung auf die gegebene Investitions- bzw. Beschäftigungsstrategie des Betriebs. Daher konstituieren die Unterinvestition, die erhebliche Lohnerhöhung und die Unterbeschäftigung ein einziges Gleichgewicht. In einem wiederholten Spiel unter einer genügenden Unsicherheit, wann das Spiel beendet wird, können die Betriebsparteien dieses ineffiziente Gleichgewicht verlassen und mehr Auszahlungen in einem effizienten Gleichgewicht erzielen. Nach der „Forgiving Trigger-Strategie“ fangen beide Parteien das Spiel mit dem erwünschten Verhalten – die effiziente Kapitalinvestition, die mäßige Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 525 Lohnerhöhung und die effiziente Beschäftigung – an und setzen diese Verhaltensweise fort, solange niemand davon abweicht. Wenn der Betrieb einen genügend langfristigen Zeithorizont hat, dann will er vom erwünschten Verhalten nicht abweichen und ferner die Abweichung der Arbeitnehmervertretung verhindern. Damit kann das effiziente Gleichgewicht erreicht werden. Wenn der unternehmerische Zeithorizont nicht genügend langfristig ist, dann wird jemand vom erwünschten Verhalten abweichen. Die Abweichung löst eine Bestrafungsphase aus, wobei eine Partei sich nicht mehr wie erwünscht verhält, um die Abweichung der anderen Partei zu bestrafen. Wenn die Betriebsparteien in die Bestrafungsphase eintreten, kann das effiziente Gleichgewicht nicht konstituiert werden, obwohl der unternehmerische Zeithorizont in der Phase genügend langfristig ist. Aber nach dieser Phase versuchen sie, sich wieder wie erwünscht zu verhalten. Wenn die antagonistischen Arbeitsbeziehungen als der Charakter der Bestrafungsphase angesehen werden, dann können die kooperativen Arbeitsbeziehungen als der Charakter der Perioden, in denen keine Partei abweicht, oder der Perioden nach der Aufhebung der Bestrafungsaktionen betrachtet werden. Damit werden zwei Faktoren für die Überwindung des Hold Up-Problems herausgefunden, nämlich der genügend langfristige unternehmerische Zeithorizont und die kooperativen Arbeitsbeziehungen. 3. Verwendete Datensätze und empirische Befunde Um die theoretischen Ansätze empirisch zu überprüfen, werden die betrieblichen Arbeitnehmervertretungen in Deutschland und Südkorea als Forschungsgegenstände ausgewählt. Obwohl die Betriebsräte in beiden Ländern gemeinsam rechtlich autorisiert sind, stehen deutschen Betriebsräten Mitbestimmungsrechte zu, während koreanische Betriebsräte nur über Mitberatungsrechte verfügen. In Korea sind neben Betriebsräten auch Gewerkschaften auf betrieblicher Ebene institutionalisiert. Damit werden drei Formen der betrieblichen Arbeitnehmervertretung verglichen, nämlich der mitberatende koreanische Betriebsrat, der mitbestimmende deutsche Betriebsrat und die koreanische Betriebsgewerkschaft mit Streikrecht. Für die Analyse deutscher Fälle wird der Datensatz aus dem IAB-Betriebspanel 1996, 1997 und 1998 ausgewertet. Der Datensatz umfasst die Daten von 3.731 Betrieben mit 5 oder mehr ständigen Beschäftigten in privaten Sektoren, die in allen drei Jahren an den Befragungen teilgenommen haben. Für die Untersuchung koreanischer Fälle wird der Datensatz aus der KLEI(Korea Labor Education Institute)-Betriebsrätebefragung 2001 verwendet, der die Daten von 285 Betrieben mit mindestens 30 ständigen Beschäftigten in privaten Sektoren enthält. Weil viele koreanische Betriebsräte aufgrund der gesetzlichen Vorschrift offiziell eingerichtet worden sind, aber nur dem Namen nach existieren, wird ein Dummy für einen „effektiven Betriebsrat“ eingeführt, wobei ein koreanischer Betriebsrat als effektiv angesehen wird, wenn die Betriebsratssitzungen nach dem Gesetz zur Förderung der Partizipation und Kooperation (GFPK) §12 jährlich mehr als viermal stattfinden. Die betriebliche Innovationskompetenz wird mit der Dummyvariable für die Einführung der Produktinnovationen gemessen. Die Effizienz der Kapitalinvestition 526 Personalforschung an Hochschulen wird mit dem Anteil der FE-Beschäftigten, die im Betrieb ausschließlich mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben befasst sind, und dem vom Betrieb selbst beurteilten technischen Stand der Betriebsanlagen geprüft. Aufgrund der begrenzten Datenverfügbarkeit wird der Effekt des langfristigen unternehmerischen Zeithorizonts lediglich für deutsche Betriebe und der Effekt der kooperativen Arbeitsbeziehungen nur für koreanische Betriebe untersucht. Eine umfassende Liste der wichtigen Erklärungsvariablen wird verwendet, damit die Auswirkungen der Personalpolitik, der Struktur der Arbeitskräfte und der betrieblichen Charakteristika kontrolliert werden. Mit der logistischen Regressionsanalyse wird ermittelt, dass deutsche Betriebsräte und koreanische effektive Betriebsräte einen positiven Nettoeffekt auf Produktinnovationen haben, während koreanische Betriebsgewerkschaften Produktinnovationen negativ beeinflussen. Mit der Pfadanalyse für deutsche Betriebe wird festgestellt, dass deutsche Betriebsräte einen positiven Einfluss auf die Innovationskompetenz indirekt über den Anteil der FE-Beschäftigten und einen negativen Effekt indirekt über den technischen Stand der Betriebsanlagen haben. Empirisch wird bestätigt, dass deutsche Betriebe mit einem Betriebsrat durch den langfristigen unternehmerischen Zeithorizont diesen negativen Betriebsratseffekt auf den technischen Stand der Betriebsanlagen signifikant abschwächen können. Hingegen hat der unternehmerische Zeithorizont in Betrieben ohne Betriebsrat keinen signifikanten Einfluss. Mit der Pfadanalyse für koreanische Betriebe wird festgestellt, dass koreanische effektive Betriebsräte einen positiven und Betriebsgewerkschaften einen negativen Einfluss auf technologische Innovationen indirekt über den technischen Stand der Betriebsanlagen haben, aber der indirekte Betriebsrats- sowie Betriebsgewerkschaftseffekt über den Anteil der FE-Beschäftigten insignifikant ist. Bei koreanischen Betrieben wird weiter empirisch bestätigt, dass die kooperativen Arbeitsbeziehungen in Betrieben mit einer Betriebsgewerkschaft den negativen Betriebsgewerkschaftseffekt auf den technischen Stand der Betriebsanlagen vermindern. Im Gegensatz übt der Charakter der Arbeitsbeziehungen in Betrieben ohne Betriebsgewerkschaft keinen signifikanten Einfluss aus. 4. Schlussfolgerung Man kann schlussfolgern, dass das deutsche Betriebsverfassungsgesetz und das koreanische GFPK innovationsfördernd sind, während das dezentralisierte Tarifverhandlungssystem in Korea die Innovationsaktivitäten hemmt. Wenn die „betrieblichen Bündnisse für Arbeit“ der letzten Jahre in Deutschland als der Abschluss des effizienten Kontrakts angesehen werden, dann können nur die Arbeitgeber, die einen genügend langfristigen unternehmerischen Zeithorizont haben, diese innovationsfördernden Vereinbarungen abschließen. Obwohl in Korea die Betriebsgewerkschaften die Innovationskompetenz negativ beeinflussen, kann ihr negativer Effekt unter den kooperativen Arbeitsbeziehungen vermindert oder vermieden werden. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 527 Thomas Peuntner Kontextsteuerung von Entscheidungen? Untersuchung des Einflusses arbeitsrechtlicher Veränderungen auf Beschäftigungsentscheidungen Betreuer: 1. Prof. Dr. Walter A. Oechsler, Universität Mannheim Problemhinführung Die Arbeitslosigkeit stellt nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen hochentwickelten Volkswirtschaften, ein zentrales Problem dar und ist seit den 1970er Jahren nahezu ununterbrochen Gegenstand umfangreicher theoretischer wie politischer Diskussionen. Diese haben zu zahlreichen unterschiedlichen Vorschlägen und auch Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geführt, die sich auf einer Bandbreite von keynesianischer Nachfragepolitik mit einer starken Rolle des Staates bis zu einer neoklassischen Angebotspolitik, in der sich der Staat stärker auf die Kontextsteuerung also das Schaffen von Rahmenbedingungen, die Wachstum und Beschäftigung fördern sollen, beschränkt. Zu letzterer Politik ist auch die Politik der Deregulierung zu zählen, die der Erkenntnis bzw. Annahme entsprang, dass der institutionelle Rahmen des Arbeitsmarktes in Deutschland zu starr und reglementiert ist und das Beschäftigungswachstum hemmt. Die mit der Verabschiedung gesetzlicher Änderungen des arbeitsrechtlichen Rahmens seit dem Jahre 1994 (z.B. Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz, Arbeitsförderungs-Reformgesetz) angestrebten positiven Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation in Deutschland haben sich aber nicht im erhofften Maße niedergeschlagen. Zielsetzung der Arbeit war es, zu untersuchen, inwieweit bzw. ob arbeitsrechtliche Kontextänderungen der Jahre 1996/97, namentlich Änderungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, des Kündigungsschutzgesetzes, des Betriebsverfassungsgesetzes sowie des Entgeltfortzahlungsgesetzes, im Rahmen von Einstellungs- und Beschäftigungsentscheidungen in Unternehmen eine Rolle spielen. 2. Theoretischer Zugang der Untersuchung: Strategic Choice-Ansatz Als theoretische Grundlage der Arbeit dient der Strategic Choice-Ansatz von Kochan/Katz/McKersie, der einen konzeptionellen Rahmen für die Untersuchung der Wirkungen industrieller Beziehungen auf strategische Optionen der Unternehmen und Ergebnisse für die Gesellschaft gibt. Der Strategic Choice Ansatz wurde zu Beginn der achtziger Jahre entwickelt und stellte einen handlungstheoretischen Analyserahmen für die Untersuchung der Entwicklung der Industriellen Beziehungen in den Vereinigten Staaten von Amerika dar. Im Zentrum der Analyse handlungstheoretischer Erklärungsansätze stehen die Interaktionen strategisch handelnder Akteure. Dabei werden im Gegensatz zur determi- 528 Personalforschung an Hochschulen nistischen Sichtweise der systemtheoretischen und marxistischen Ansätze die politischen Prozesse in Organisationen betont, die sich aus der Unbestimmtheit des Arbeitsvertrages sowie den Machtspielen der betrieblichen Akteure ergeben. Demnach gibt es keine normative Vorschrift oder den „one-best-way“ der ArbeitgeberArbeitnehmer-Beziehungen, sondern diese bleiben vielfältig und nicht determinierbar. Das grundlegende Ziel des Strategic Choice-Ansatzes ist die Identifikation von Entscheidungsparametern und -spielräumen für die Aktivitäten und strategischen Ziele der Akteure. Da der Strategic Choice-Ansatz für die Untersuchung der US-amerikanischen Industrial Relations konzipiert wurde, war eine Modifikation des konzeptionellen Rahmens auf die deutschen industriellen Beziehungen notwendig. 3. Untersuchungsdesign Da die Deregulierungsdiskussion in den frühen 1980er Jahren begann und die erste größere arbeitsrechtliche Deregulierungsmaßnahme im Jahr 1985 umgesetzt wurde, ist es wenig verwunderlich, dass bereits empirische Untersuchungen zur Wirkung dieser Deregulierungsmaßnahmen existieren. Wenngleich diese wertvolle Erkenntnisse über die Wirkung der untersuchten arbeitsrechtlichen Veränderungen gebracht haben, die in der Summe auch eine eher geringe Wirksamkeit der Deregulierungsmaßnahmen anzeigen, ist aus mehreren Gründen weiterer Forschungsbedarf zu konstatieren. An erster Stelle ist hier der beinahe banal erscheinende Grund zu nennen, dass es in den Jahren 1996 und 1997 die genannten weiteren arbeitsrechtlichen Deregulierungen gab, die noch nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen hinsichtlich ihrer Wirkung auf Beschäftigungsentscheidungen waren und insofern einen neuen Forschungsgegenstand darstellen. Neben der Analyse der Beschäftigungswirkungen der arbeitsrechtlichen Veränderungen besteht ein weiteres Ziel der Untersuchung darin, den bisher eher geringen Wirkungsgrad arbeitsrechtlicher Deregulierungsmaßnahmen zu analysieren. Hier sind Fragen zu stellen nach den Gründen, die zu der geringen Wirksamkeit führen, zur Art der Konstellationen, in denen die Änderungen wirksam sind, und ob es eher unternehmensinterne oder unternehmensexterne Ursachen sind, welche die Wirksamkeit der Maßnahmen bestimmen. Bei diesen Betrachtungen ist dann auch daran zu denken, dass es zu Veränderungen im relevanten Umfeld gekommen ist, die eine Kontextsteuerung im nationalen Rahmen möglicher Weise unwirksam oder zumindest weniger wirksam machen. So betrifft die Globalisierung der Wirtschaft immer mehr Unternehmen und erweitert deren Möglichkeiten international zu agieren. Dies mag auch damit einher gehen, dass es zu einem Systemwettbewerb auch arbeitsrechtlicher Systeme kommt, der die Unternehmen zunächst für verschiedene arbeitsrechtliche Systeme sensibilisiert und in einem zweiten Schritt auch zu einem „Ausweichen“ der Unternehmen auf Standorte Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 529 mit einem für das Unternehmen günstigeren arbeitsrechtlichen Regelungsrahmen führen kann. Weiterhin liegt die Annahme nahe, dass in Zeiten schneller Veränderungen der Unternehmensumwelt die Bedeutung des strategischen Managements für die Unternehmen zunimmt und in diesem Zuge die Reaktion auf sich kurzfristig ergebende Chancen, die sich nur bedingt mit der Strategie des Unternehmens in Einklang bringen lassen, eher verhalten ausfällt bzw. gar keine Reaktion nach sich zieht. Die Strategie des Unternehmens würde also quasi als Filter für Einflüsse aus der Umwelt des Unternehmens dienen und nur strategierelevante Veränderungen im unternehmerischen Handeln berücksichtigen. Auch ist zu bedenken, dass sich die Arbeitswelt vor allem in den 1990er Jahren tiefgreifend verändert hat und weiterhin in einem Veränderungsprozess begriffen ist. Dies manifestiert sich in der Entwicklung von der Industriegesellschaft zur Informationsgesellschaft. Ein volkswirtschaftliches Indiz für diese Entwicklung kann in der Abnahme des Anteils der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe (sekundärer Sektor) bei gleichzeitiger Zunahme des Anteils der Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich (tertiärer Sektor) gesehen werden. Diese Veränderungen sind mit neuen Anforderungen an die Arbeitnehmer und Unternehmen verbunden und stellen die Relevanz des arbeitsrechtlichen Regelungsrahmens in seiner jetzigen Form, die aus der Zeit der Industriegesellschaft stammt, zumindest partiell in Frage. Zusammenfassend sind folgende Hauptziele der Arbeit zu nennen: Es sollen Erkenntnisse über den Einfluss der gesetzlichen Änderungen bzw. Deregulierungsmaßnahmen auf Beschäftigungsentscheidungen in Unternehmen sowie deren Beschäftigungswirkungen gewonnen werden. Hier steht der Entscheidungsprozess in den Unternehmen im Fokus der Betrachtung. Damit ist auch die Frage verbunden, ob arbeitsrechtliche Deregulierung ein Mittel der Beschäftigungspolitik sein kann. Auf Grund der bisherigen Erfahrungen mit arbeitsrechtlichen Deregulierungsmaßnahmen ist nach den Ursachen für die eher geringe Wirksamkeit zu fragen. Es ist zu klären, ob es bestimmte Konstellationen gibt, in denen die Änderungen wirksam bzw. unwirksam waren. In diesem Zusammenhang ist auch zu analysieren, welche Rolle die Globalisierung, die Strategie der Unternehmen und der Wandel der Arbeitswelt einnehmen. Und letztlich ist zu prüfen, ob sich in Abhängigkeit von den Ergebnissen der Untersuchung Ansatzpunkte für eine beschäftigungsfördernde Form der Regulierung ergeben, welche zudem die Entwicklungen in den Unternehmen und der relevanten Unternehmensumwelt stärker berücksichtigt. Die dargestellte Problemstellung und die daraus folgenden Fragen werden in drei Untersuchungsschritten bearbeitet. Zunächst erfolgt die Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens, der als Grundlage für die weitere Untersuchung dient. Nach der Ableitung von Anforderungen an einen konzeptionellen Rahmen, der eine adäquate Bearbeitung der vorliegen- 530 Personalforschung an Hochschulen den Problemstellung ermöglicht, werden verschiedene theoretische und konzeptionelle Ansätze, die sich mit der Erklärung von Systemen der Arbeitgeber-ArbeitnehmerBeziehungen beschäftigen, auf deren Geeignetheit als konzeptioneller Rahmen für die vorliegende Arbeit untersucht. Als geeigneter konzeptioneller Ansatz wird der o.g. Strategic Choice-Ansatz von Kochan et al. identifiziert. Nach der Entwicklung des konzeptionellen Rahmens für die Arbeit werden die inhaltlichen Grundlagen für die empirische Untersuchung erarbeitet. Zuerst wird die Deregulierungsdiskussion retrospektiv wiedergegeben und werden deren theoretische Grundlagen erläutert. Dem schließt sich eine Darstellung der wichtigsten arbeitsrechtlichen Deregulierungsmaßnahmen in Deutschland seit 1985 an. Weiterhin werden die Ergebnisse empirischer Untersuchungen zur Beschäftigungswirkung von Veränderungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes, des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, des Entgeltfortzahlungsgesetzes, des Kündigungsschutzgesetzes und des Betriebsverfassungsgesetzes vorgestellt, um zuletzt Implikationen der empirischen Untersuchungen für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführte empirische Untersuchung abzuleiten. Im empirischen Teil der Arbeit erfolgt neben der methodischen Beschreibung die Darstellung der Ergebnisse der schriftlichen Befragung sowie die Dokumentation und Interpretation der qualitativen Interviews. 4. Empirische Überprüfung Es wurde zunächst eine schriftliche, standardisierte Befragung der rund 1.500 Mitgliedsunternehmen der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) vorgenommen, um in einem größeren Rahmen eine Meinungsbild und Erkenntnisse über Unternehmen verschiedener Branchen und Unternehmensgrößen zu erhalten. In einem zweiten Schritt wurden zehn qualitative Fallstudien in ausgewählten Unternehmen durchgeführt, in denen per Interview Entscheidungsprozesse bei Beschäftigungsentscheidungen rekonstruiert wurden. Auch hier stand der Einfluss des arbeitsrechtlichen Kontextes im Vordergrund der Untersuchung. 5. Zielerreichung Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen haben gezeigt, dass das Ziel der Beschäftigungsförderung nur in sehr geringem Ausmaß erreicht wurde. Es zeigte sich weiterhin, dass nur die Änderungen des Beschäftigungsförderungsgesetzes, das die Befristung von Arbeitsverhältnissen ohne sachlichen Grund auf die Dauer von 24 Monaten erweitert hatte, und die Ausweitung der Überlassungshöchstdauer des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes überhaupt nennenswerte Auswirkungen auf die Beschäftigungsentscheidungen in Unternehmen hatten. Eine weitere wichtige Erkenntnis besteht darin, dass insbesondere größere Unternehmen von den neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht haben. Auch zeigte sich, dass Unternehmen, die sowohl tarifgebunden sind, als auch einen Betriebsrat und evtl. auch starke gewerkschaftliche Strukturen haben, häufiger auf die neue arbeits- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 531 rechtliche Flexibilität zurückgegriffen haben. Hier besteht offenbar ein hoher Bedarf nach mehr Flexibilität. In den Unternehmen, die dem qualifizierten Dienstleistungsbereich zuzurechnen sind, bestehen hingegen weniger die klassischen ArbeitgeberArbeitnehmer-Beziehungen, es wurde jedoch dennoch Kritik am arbeitsrechtlichen Rahmen geübt, da die Strukturen als nicht adäquat für ihre Unternehmenssituation angesehen wurde. 6. Resümee Insgesamt ist festzustellen, dass die bisher vorgenommene Deregulierung nicht im erwünschten Maße gewirkt hat. Auch die negativen Erwartungen, wie z.B. eine „hire and fire-Mentalität“ kamen jedoch nicht zum Tragen. Insofern – und vor dem Hintergrund einer veränderten Arbeitswelt – erscheint eine weitere arbeitsrechtliche Deregulierung wünschenswert. Eine tief greifende Verbesserung der Beschäftigungssituation darf jedoch nicht erwartet werden. Hierfür ist die Rolle des Arbeitsrechts bei betrieblichen Einstellungsentscheidungen im Vergleich zur Bedeutung der Unternehmensstrategie und den Entwicklungen auf den Absatzmärkten zu gering. 14. Personalentscheidungen Markus Grün Die tiefenpsychologische Fundierung von Personalentscheidungen* Betreuer: 1. Prof. Dr. Thomas Spengler, Universität Magdeburg Problemstellung Die personalwirtschaftlichen Primärprobleme liegen in der Herstellung und Sicherung der Disponibilität über sowie der Funktionalität von Personal. Sie entstehen u.a. dadurch, dass menschliche Arbeitskraft knapp ist, nachgefragte sowie angebotene Qualifikationen nicht notwendig deckungsgleich und betriebliche Personalbedarfe sowie Personalausstattungen variabel sind, Verhaltensansprüche des Betriebes sowie Verhaltensantriebe der Arbeitskräfte divergieren und Änderungen im Zeitablauf unterliegen können. Zu ihrer Lösung kann der Betrieb auf ein facettenreiches Instrumentarium aus den Bereichen „Personalplanung“ und „Personalführung“ zurückgreifen. Um jedoch eine ökonomisch sinnvolle Auswahl der Instrumente vornehmen zu * Markus Grün: Die tiefenpsychologische Fundierung von Personalentscheidungen. ISBN 387988-712-8, Rainer Hampp Verlag, München und Mering 2003, 211 S., € 24,80 532 Personalforschung an Hochschulen können, ist er auf die Berücksichtigung personalwirtschaftlicher Konditionen angewiesen, unter denen die Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeiter eine wesentliche Rolle spielen. In der Psychologie hat die Untersuchung differenzierter Persönlichkeitstypen und die Analyse der korrespondierenden individuellen Verhaltensweisen bzw. -muster eine relativ lange Tradition. Für die Betriebswirtschaftslehre im Allgemeinen und die Management- sowie die Personalwirtschaftslehre im Besonderen kann dies jedoch nicht konstatiert werden. Dies ist umso verwunderlicher, als der Einfluss menschlicher Handlungen auf den Unternehmenserfolg häufig als beträchtlich herausgestellt wird. Die korrespondierenden Defizite kommentiert W. Staehle mit den Worten, dass sich „bedauerlicherweise [...] in der Managementpraxis die anspruchsvolleren Theorien der Persönlichkeit, vor allem der psychoanalytische Ansatz auf der Basis von Freuds Strukturmodell des Psychischen [...] nicht durchgesetzt [...]“ (Staehle 1994, 168) haben. Diese Einschätzung gilt ohne größere Einschränkungen nicht nur für die Managementpraxis, sondern auch für die Managementtheorie. Die hier in Rede stehende Dissertation ist der Aufgabe gewidmet, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung tiefenpsychologischer (vor allem persönlichkeitstheoretischer) Erkenntnisse in personalwirtschaftliches Terrain auszuloten und zu überprüfen, inwiefern solche Erkenntnisse für ökonomisch legitimierbare Personalentscheidungen genutzt werden können. 2. Theoretischer Hintergrund Als betriebswirtschaftlicher Bezugsrahmen für die Erläuterungen wird das personalwirtschaftliche Handlungsstukturmodell von Kossbiel gewählt. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich personalwirtschaftliche Entscheidungsprobleme systematisch über die Elemente Ziele, Maßnahmen, Wirkungen sowie den Zielerreichungsgrad und die obwaltenden Bedingungen analysieren. Zu den Bedingungen, die (u.a.) sowohl die Alternativenwahl bestimmen als auch deren Effekte beeinflussen können, zählen die Determinanten menschlichen Verhaltens. Dazu gehören die situativen Bedingungen des Handlungsvollzuges sowie individuelle Eigenschaften und Charakterzüge, oder allgemeiner: die Persönlichkeit von Individuen. Ein möglicher Zugang zur Persönlichkeit findet sich in der Tiefenpsychologie mit ihren umfangreichen Modellen und Theorien. Als allgemeiner theoretischer Ansatz aus der Psychologie wird – wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung und trotz der vielfältigen Weiterentwicklungen auf diesem Gebiet – das sog. Drei-InstanzenModell Freuds verwendet. Als spezielles Konzept, mit dessen Hilfe sich Personalentscheidungen fundieren lassen, wird die klinische Charakterologie aus der Tiefenpsychologie dargestellt. In dieser Typologie finden sich Charaktertypen wie der Zwanghafte, der Hysteriker, der Depressive, der Schizoide, der Narzisst, der Phobiker sowie der Paranoide. 3. Ausgewählte Ergebnisse Die Verknüpfung von Fragestellungen aus der Personalwirtschaft mit den Inhalten tiefenpsychologischer Konzepte und Theorien führt zu interessanten Erklärungs- Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 533 ansätzen, die zum einen organisationales Verhalten im Allgemeinen und das Verhalten von Organisationsmitgliedern mit den erwähnten Charaktermerkmalen im Besonderen thematisieren. Aus diesen Ansätzen lassen sich Maßnahmen ableiten. Einige ausgewählte Ergebnisse der Untersuchungen werden im Folgenden aufgeführt: Bei Verhaltensweisen von Organisationsmitgliedern, wie Emotionalisierung und Rationalisierung oder der Entstehung von Angstzuständen, kann es sich um tiefenpsychologisch erklärbare Verhaltensweisen der intraindividuellen Konfliktverarbeitung handeln. Anführen lassen sich Abwehrmechanismen oder Neurosen, zu denen beispielsweise auch die Phobien zählen. Starke Bindungen zwischen Mitarbeitern innerhalb einer Organisation können auf die Existenz bzw. den Aufbau interpersonaler Abwehrkonstellationen hinweisen. In solchen Konstellationen entwickeln die Partner ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und stabilisieren sich gegenseitig. Die so entstehenden Bindungen sind zwar per se nicht negativ zu bewerten, können jedoch zur Bildung von spezifischen Wert- und Einstellungsmustern führen, die denen der Organisation entgegenstehen. Darüber hinaus kann der Aufbruch solcher Bindungen, wie beispielsweise durch Versetzung eines Partners, zu sehr hoher Unzufriedenheit führen. Abwehrmechanismen, Neurosen oder Charaktermerkmale einzelner Mitarbeitergruppen oder Führungspersönlichkeiten sind in der Lage, Unternehmenskulturen zu beeinflussen. Die entstehenden Unternehmenskulturen weisen Merkmale auf, die den Charakteren aus der tiefenpsychologischen Charakterkunde entsprechen. Durch die Identifizierung einer solchen Unternehmenskultur lassen sich geeignete Maßnahmen zu deren Veränderung ableiten, und zwar zum Zwecke der Steuerung organisationalen Verhaltens. Charaktermerkmale von Individuen bedingen, ob Unternehmen als Arbeitgeber attraktiv empfunden werden oder nicht. Die Kenntnis dieser Einstellungen gegenüber Organisationen lässt sich bei Maßnahmen zur Gestaltung von Personalausstattungen berücksichtigen. Wenn Arbeitskräfte mit erwünschten Qualifikationen die herrschende Kulturform nicht als attraktiv erachten, müssen beispielsweise zusätzliche Anreize eingesetzt werden, um eine Teilnahmeentscheidung herbeizuführen. Da mit Charaktertypen auch Eigenschaften und Fähigkeiten verbunden werden, die als extrafunktionale Qualifikationen bezeichnet werden können, wie beispielsweise Beharrlichkeit, Flexibilität oder Kommunikationsfähigkeit, lässt sich der Charakter auch als Indikator verwenden, um zum einen Personal mit den erwünschten Fähigkeiten zu rekrutieren und zum anderen Fehlallokationen von Personal im Rahmen von Einsatzänderungen zu vermeiden. Eine Integration sowohl von Eigenschaften als auch Präferenzen der Charaktere in Aktivitäten zur Personalrekrutierung kann weiterhin dazu beitragen, Maßnahmen auf diesem Gebiet effizienter zu gestalten. Durch das Wissen um das Verhalten bei der Informationsaufnahme und um die Vorlieben hinsichtlich des 534 4. Personalforschung an Hochschulen Arbeitsfeldes und Arbeitsumfeldes der verschiedenen Charaktertypen lassen sich Informationskanäle und die Inhalte bei der Ansprache potentieller Mitarbeiter gezielter auswählen und gestalten. Maßnahmen zur Verhaltenssteuerung und Verhaltenskontrolle sollten nicht ohne eine Berücksichtigung des anzusprechenden Charaktertyps ergriffen werden. Art und Frequenz der Verhaltenskontrolle können völlig unterschiedlich bewer- tet werden. Je nach Charakterform reichen die Bewertungen einer konstanten Kontrolle von Arbeitsergebnissen im Extremfall von unzumutbarer Überwachung bis erwünschter, stabilisierender Rückmeldung. Je nach Charaktertyp wird der gleiche Kontrollmechanismus als positiver Anreiz oder aber als Sanktion empfunden, die es über Zusatzanreize zu neutralisieren gilt. Wird beispielsweise letzteres versäumt, kann dies Arbeitsunzufriedenheit mit einer erhöhten Fluktuationsneigung zur Folge haben. Gratifikationen können erheblich an Anreizcharakter verlieren, wenn sie einem Charaktertyp zugeordnet werden, der eine Gratifikation nicht als solche wahrnimmt, weil seine Präferenzen anders geartet sind. In solchen Fällen kann es dann noch einmal notwendig werden, zusätzliche Belohnungen auszuschütten, um die Arbeitsleistung aus Sicht des Charaktertyps angemessen zu vergüten. Eine frühzeitige Berücksichtigung von Charakterstrukturen trägt dazu bei, diesen Zusatzaufwand zu vermeiden. Resümee Die Inhalte tiefenpsychologischer Theorien haben bis zum heutigen Tag kaum Eingang in die Betriebswirtschaftslehre und ihre Teildisziplinen gefunden, obgleich die Persönlichkeit von Individuen bei ökonomischen Entscheidungsprozessen eine tragende Rolle spielt. Dem Wissen um den systematischen Aufbau und der adäquaten Identifikation von Persönlichkeitstypen kommt somit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, um Verhalten zu analysieren, zu bewerten und zu beeinflussen und letztendlich Personalentscheidungen ökonomisch zu legitimieren. Eine Vernachlässigung dieser personalwirtschaftlichen Bedingung ist daher vielfach mit einem ineffizienten Einsatz von personalwirtschaftlichen Instrumenten und mit der Verschwendung knapper Ressourcen verbunden. Die Erkenntnisse der Tiefenpsychologie sollten nicht allein für die Personalwirtschaftslehre von Interesse sein, sondern auch in anderen Teilbereichen der Betriebswirtschaftslehre, wie beispielsweise der Entscheidungstheorie oder dem Marketing zu neuen Erkenntnissen führen können. Trotz der gewonnen Erkenntnisse müssen wegen des grundsätzlichen Charakters der Arbeit einige Punkte offen bleiben. So zeigt sich u.a., dass vor allem im Hinblick auf die empirische Fundierung der Ergebnisse noch erheblicher Forschungsbedarf besteht. Literatur: Staehle, W. H. (1994): Management: eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive. 7. Aufl., überarbeitet von Peter Conrad; Jörg Sydow. München 1994. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 535 Wolfgang Koppert Der Handlungsspielraum von Personalreferentenstellen im Personalmanagement großer Industrieunternehmen* Betreuer: Prof. Dr. Dres. h.c. Eduard Gaugler, Universität Mannheim Die Dissertation behandelt zwei zentrale Fragestellungen: Zum einen wird der Frage nachgegangen, wie sich die Dezentralisierung der Personalfunktion, ein derzeit breit diskutiertes Thema, im Handlungsspielraum der Personalreferenten auswirkt. Zum anderen geht die Untersuchung auf die betriebliche Mitbestimmung als Rahmenbedingung des Personalmanagements ein. Der betrieblichen Mitbestimmung schreibt man in Bezug auf die Organisation der Personalfunktion einen zentralisierenden Effekt zu. Es stellt sich also die Frage, ob sich ein Spannungsfeld zwischen den Zentralisierungserfordernissen aus der betrieblichen Mitbestimmung und der Dezentralisierung der Personalfunktion ergibt und wie mit diesem Spannungsfeld organisatorisch umzugehen ist. Die Untersuchung folgt dabei einer modellanalytischen Betrachtungsweise, deren Aussagen durch Sekundäranalyse und einer überschaubaren schriftlichen Befragung von 10 Industrieunternehmen mit Personalreferatssystemen fundiert wurden. Die Dezentralisierung der Personalfunktion betrifft zwei Dimensionen: Zum einen bezieht sie sich auf die Entscheidungsdelegation innerhalb des Personalressorts. Zum anderen geht es um das Ausmaß der Reintegration von Personalmanagementaufgaben in das Aufgabengebiet der Führungskräfte. Mit Hilfe dieser beiden Dimensionen lassen sich drei idealtypische Personalreferentenstellen mit entsprechenden Handlungsspielräumen ableiten: die Personalreferentenstellen im zentralisierten und im dezentralisierten Personalreferatssystem sowie in einem Personalreferatssystem mit mittlerem Dezentralisierungsgrad. Der zweite Schwerpunkt der Dissertation widmet sich dem Einfluss bzw. den Wirkungen der betrieblichen Mitbestimmung auf die Organisation der Personalfunktion bzw. den Handlungsspielraum des Personalreferenten. Neben den direkten Änderungen im Handlungsspielraum des Personalreferenten und der personalverantwortlichen Führungskräfte, die sich logisch aus den Rechtsnormen des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben, sind Schlussfolgerungen aus dem Umstand zu ziehen, dass sich die betriebliche Mitbestimmung als sozialer Prozess vollzieht. In einigen personalwirtschaftlichen Entscheidungsprozessen tritt nun der Betriebsrat als weiterer Entscheidungs- und Handlungsträger auf, der üblicherweise * Wolfgang Koppert: Der Handlungsspielraum von Personalreferenten im Personalmanagement großer Industrieunternehmen. ISBN 3-87988-741-1, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2003, 380 S., € 32,80. 536 Personalforschung an Hochschulen ein Zielsystem mit anderen Schwerpunkten als die arbeitgeberseitigen Entscheidungsund Handlungsträger vertritt. Damit ist das Risiko gegeben, dass die Entscheidungen nicht in Übereinstimmung mit dem Zielsystem des Arbeitgebers getroffen werden. Dieses grundlegende Risikopotential wird umso stärker zur Geltung gebracht, je größer die Unterschiede zwischen dem eigenen Zielsystem und dem des Betriebsrates sind und je stärker das Einflusspotential des Betriebsrates bzw. je schwächer das Handlungspotential der arbeitgeberseitigen Handlungsträger ausgeprägt ist. Im Kontext einer dezentralen Organisation der Personalfunktion (dezentrales Personalreferatssystem1) und vertretungsstarken Betriebsräten werden nun mögliche Ursachen und Folgen für ein im Vergleich zum Betriebsrat defizitäres Handlungs- und Einflusspotential der Arbeitgeberseite abgeleitet. Ferner werden einige Maßnahmen der formalen Organisationsgestaltung diskutiert, die geeignet erscheinen, die aus dem defizitären Handlungs- und Einflusspotential resultierenden Funktionsdefizite zu neutralisieren. Als zusammenfassendes Ergebnis wird festgehalten, dass die betriebliche Mitbestimmung und die Forderung nach Reintegration der Personalaufgaben widersprüchliche Anforderungen an die Organisation der Personalfunktion stellen. Die Überlegungen zu den Einflussverhältnissen bei mitbestimmten personalwirtschaftlichen Entscheidungsprozessen machen deutlich, dass eine institutionalisierte Personalabteilung wichtige Funktionen wahrnehmen kann, wie die Koordination einer in Kernfragen einheitlichen Personalpolitik, die Vermeidung von Ausstrahlungseffekten dezentraler, mitbestimmungspflichtiger Personalentscheidungen2 sowie die Bereitstellung von Expertenwissen. Der Verzicht auf eine institutionalisierte Form des Personalmanagements ist daher nicht empfehlenswert. Selbst das dezentrale Personalreferatsmodell bringt unter bestimmten Bedingungen, die in der Struktur des Führungskräftekaders sowie der im Betrieb gepflegten Mitbestimmungspraxis zu sehen sind, erhebliche Risiken mit sich. Das Personalreferatssystem stellt aber eine Organisationsform dar, welche aufgrund ihrer strukturellen Anpassungsfähigkeit eine ideale Plattform bietet, um adäquate Organisationsstrukturen für die Handhabung der skizzierten Rahmenbedingungen zu entwickeln. Mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 2001 wurden Formen der dezentralen Organisation der betrieblichen Mitbestimmung legitimiert. Ein weiterführender Forschungsbedarf könnte darin bestehen, die praktische Umsetzung dieser neuen Organisationsformen zu beleuchten und zu überprüfen, ob damit die Anforderungen aus der betrieblichen Mitbestimmung an die Organisation der Personalfunkti- 1 2 In diesem Modell sind die Führungskräfte die zentralen arbeitgeberseitigen Handlungsträger, während sich die Personalreferenten im Wesentlichen auf beratende Funktionen zurückziehen Ausstrahlungseffekte können auftreten, wenn der Betriebsrat dezentral getroffene Entscheidungen, die einzelne Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen besser stellen, über das Gebot der Gleichbehandlung auf das Gesamtunternehmen ausdehnt. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 537 on mit der Forderung nach Dezentralisierung des Personalmanagements in Einklang gebracht werden können. Carsten Schwaab Effektive Urteilsprozesse. Eine empirische Untersuchung von Personalentscheidungen* Betreuer: Prof. Dr. Rolf Bronner, Universität Mainz 1. Problemstellung und Ziele Urteilsprozesse spielen im unternehmerischen Alltag, insbesondere im Rahmen der Personalauswahl und der Personalbeurteilung, eine zentrale Rolle. Daher kommt dem Verständnis, welche Einflussfaktoren in welcher Form auf Urteilerleistungen wirken, ein zentrales ökonomisches Interesse zu. Die betriebswirtschaftlich orientierte Urteilsforschung beschäftigt sich allerdings vorrangig mit Verfahrensgrundlagen. Die sozialpsychologische Urteilsforschung, die den Beurteiler als motivierten Strategen und sozialen Akteur auffasst, wird hingegen häufig vernachlässigt. Hier setzt die vorliegende Untersuchung an, indem sie personale sowie organisationale Einflussfaktoren auf den Urteilsprozess des Entscheiders und deren Auswirkungen auf Urteilerleistungen zunächst theoretisch analysiert und in einem zweiten Schritt empirisch prüft. Vor diesem Hintergrund lassen sich als wichtigste Teilfragen der Untersuchung ableiten: Welche Faktoren beeinflussen die Prozess- und Ergebniseffektivität von Beurteilungen und in welcher Weise wirkt sich dieser Einfluss aus? Welche Dimensionen von Urteilseffektivität sind für eine ökonomische Analyse heranzuziehen? Welche Rolle kommt der Informationsverarbeitung des Beurteilers im Urteilsprozess zu und durch welche Faktoren wird diese beeinflusst? Zur Beantwortung dieser Fragen wird ein Forschungsrahmen entwickelt, der als Urteilsdeterminanten die Informationsqualität der Beurteilungsgrundlagen, die Verantwortung, die kognitive Strukturiertheit und die Urteilserfahrung des Beurteilers enthält. Zur Abbildung des Urteilsprozesses dient der kognitive Urteilsaufwand des Beurteilers. Die Urteilseffektivität wird über die Genauigkeit der Beurteilung, die Konsistenz über mehrere Beurteilungen hinweg, die Einsicht des Beurteilers in seine eigene Urteilsstrategie und die Kalibrierung der Urteilszuversicht des Beurteilers in seine Entscheidungsleistung operationalisiert. * Die Arbeit wurde vom Peter Lang-Verlag zur Publikation angenommen. Sie erscheint voraussichtlich im Herbst 2003 unter dem Titel „Effektive Urteilsprozesse“ in der Reihe ‚Schriften zur Empirischen Entscheidungs- und Organisationsforschung‘ hrsg. von Prof. Dr. Rolf Bronner. 538 2. Personalforschung an Hochschulen Theoretischer Rahmen Das Linsenmodell von Brunswik stellt einen allgemeinen deskriptiven Ansatz zur Interpretation von Urteilsprozessen dar und skizziert den methodischen Rahmen für die empirische Untersuchung der Arbeit. Weiterhin werden mit dem Ansatz der sozialen Informationsverarbeitung und dem ergänzenden Elaboration-LikelihoodModell von Petty/Cacioppo zwei kognitive Theorien der Sozialpsychologie berücksichtigt, die sich zur Erklärung des Urteilerverhaltens auf Annahmen über nicht direkt beobachtbare innere Prozesse des Menschen stützen. Diese sind insbesondere zur Erklärung der Informationsverarbeitungsmotivation und -fähigkeit eines Beurteilers geeignet. Zur Analyse des Einflusses von Verantwortung auf Beurteilungen wird das soziale Kontingenzmodell von Tetlock herangezogen. Auf der Grundlage dieser Theorien werden detailliert vorliegende empirische Befunde der genannten Urteilsfaktoren diskutiert. Die vermuteten Zusammenhänge zwischen Determinanten, Verlauf und Ergebnissen von Urteilsprozessen werden abschließend in einem umfangreichen Hypothesenmodell abgebildet. 3. Methodik Als Forschungsform der empirischen Untersuchung wurde das Laborexperiment gewählt, an dem 102 studentische Versuchspersonen teilnahmen. Betrieblicher Anwendungsbereich für die experimentelle Gestaltung war die Personalvorauswahl, da diese im Rahmen der Urteilsforschung ein bislang vergleichsweise wenig erforschtes Gebiet darstellt. Es wurde eine spezielle Fallsimulation als experimentelle Beurteilungsaufgabe konzipiert. Konkrete Problemstellung war die Stellenbesetzung einer Nachwuchs-Führungskraft in einem großen Unternehmen. Die Versuchsperson hatte die Rolle eines Personalreferenten zu übernehmen. Ein Ziel der Untersuchung war es, Prozessvariablen zu erheben, die das Urteilsverhalten beziehungsweise die ‚black box’ der Informationsverarbeitung der Versuchsteilnehmer abbilden. Aus diesem Grund wurde ein Policy Capturing-Ansatz gewählt, mit dessen Hilfe es möglich ist zu erkennen, in welcher Weise Entscheidungsträger verfügbare Informationen nutzen, wenn sie Beurteilungen vornehmen. Der Zweck der Methodik liegt in der Erfassung der Entscheidungsstrategien von Beurteilern und ermöglicht insbesondere eine Messung von Abweichungen im subjektiv wahrgenommen Entscheidungsverhalten. 4. Wichtigste Ergebnisse Als ausgewählte Befunde der Untersuchung können festgehalten werden: Die Erfahrung des Beurteilers besitzt den stärksten Einfluss auf die Urteilseffektivität. Durch die Urteilserfahrung werden sowohl die Urteilsgenauigkeit wie auch die Urteilskonsistenz und zum Teil auch die Urteilseinsicht des Beurteilers positiv beeinflusst. Im Einklang mit früheren empirischen Untersuchungen werden die Ergebnisse dahingehend interpretiert, dass bei erfahreneren Beurteilern geeignetere Beurteilungsschemata vorliegen. Zeitschrift für Personalforschung, 17. Jg., Heft 4, 2003 5. 539 Die Informationsqualität der Beurteilungsgrundlagen stellt ebenfalls eine einflussreiche Variable bezüglich der Beurteilerleistungen dar. Es wird hypothesenkonform gezeigt, dass durch sie die Urteilsgenauigkeit und die Urteilseinsicht eines Beurteilers positiv beeinflusst werden. Die Beurteiler sind bei Informationsmerkmalen hoher Informationsgüte besser in der Lage, genaue Leistungseinschätzungen von Stimuluspersonen vorzunehmen. Zudem führt eine hohe Informationsqualität, das heißt günstige Urteilsbedingungen, zu einer Aktivierung der vorhandenen Beurteilerpotentiale. Hinsichtlich der Verantwortung des Beurteilers zeigen sich differenzierte Befunde: Die Gesamtbetrachtung aller Verantwortungsbefunde lässt den Schluss zu, dass Verantwortung generell zu einer Strategie der defensiven Absicherung eines Beurteilers führt, bei der eine nachträgliche Legitimation der getroffenen Entscheidungen vor einer Rechenschaftsinstanz berücksichtigt wird. Weiterhin ergibt sich durch hohe Verantwortung keine ungerechtfertigte Entscheidungszuversicht des Beurteilers. Die kognitive Strukturiertheit des Beurteilers spielt in Urteilsprozessen eine untergeordnete Rolle. Die individuellen Urteilsstrategien aller Versuchspersonen können am geeignetsten durch relativ simple, linear-additive multiple Regressionsfunktionen nachvollzogen werden. Der kognitive Urteilsaufwand stellt einerseits eine geeignete Variable zur Abbildung des Urteilsprozesses dar, andererseits reicht sie nicht aus, die informationsverarbeitenden Vorgänge eines Beurteilers im Urteilsprozess vollständig zu erfassen. Zukünftiger Forschungsbedarf und praktische Implikationen Die Untersuchungsergebnisse werden in der Arbeit aus theoretischer und methodischer Perspektive diskutiert. Drei Punkte sollen hier hervorgehoben werden: Weiterer Forschungsbedarf wird erstens für die Variable der Verantwortung des Urteilers identifiziert, da zentrale Annahmen des sozialen Kontingenzmodells von Tetlock in der empirischen Untersuchung nicht bestätigt werden konnten. Zweitens dürfte die zukünftige Analyse einschränkender situativer Urteilsbedingungen, wie zum Beispiel der Einfluss hohen Zeitdrucks des Urteilers, vielversprechend sein. Drittens erscheint die noch nicht hinreichend geklärte Fragestellung interessant, in welcher Form sich Urteilerleistungen über einen längeren Zeitraum hinweg entwickeln und verändern können. Aus den Forschungsergebnissen der Untersuchung werden abschließend verschiedene praktische Gestaltungshinweise entwickelt. Die Überlegungen beziehen sich auf Maßnahmen zur Sicherung einer hohen Qualität der Beurteilungsgrundlagen und auf die Vermeidung von Verantwortungsdiffusion in betrieblichen Urteilsprozessen sowie auf den Nutzen von Beurteilertrainings.