facta Ausgabe IV, April 2016 & figurae Aktuelles zu Latein und Griechisch Latein als Brückensprache von Prof. Dr. Stefan Kipf, Professor für Didaktik der Alten Sprachen (Berlin) Die Frage, welche Potenziale der Lateinunterricht für eine sprachlich und kulturell heterogene Schülerschaft bieten kann, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Trotz aller Modernisierungsbemühungen geht dem Fach immer noch der Ruf voraus, nur für die ‚höheren Stände‘ bestimmt und zuvörderst ausleseorientiert zu sein. Macht man sich die Mühe, einen Blick in die aktuelle Fachdidaktik zu werfen, sollte auch der Skeptiker am Klischee zweifeln. Man hat nämlich erkannt: In dem Maße, in dem sich die Schülerschaft in Richtung einer bunt zusammengesetzten Klientel ändert, wird sich auch das Fach ändern müssen. Grundlage hierfür bietet ein Konzept mit Latein als reflexionsbasierter Brückensprache, das seit 2008 von der altsprachlichen Fachdidaktik an der Humboldt-Universität zu Berlin in enger Zusammenarbeit mit dem Ernst-Abbe-Gymnasium in Berlin-Neukölln entwickelt wurde. In diesem Konzept werden Erstsprache, Zweitsprache und Latein sprachsensibel miteinander in Beziehung gesetzt. Latein hat die Aufgabe, als neutrale In­stanz die zwischen den beteiligten Sprachen vorhandene sprachliche Nähe und Alterität so zu nutzen, dass die Zweitsprachkompetenz durch Sprachreflexion und -vergleich gefördert wird. Dadurch soll auch stets die lateinische Sprachkompetenz gefördert werden. So geht das Konzept von bereits im Lateinunterricht vorhandenen Charakteristika aus, nun aber in einem innovativen Zusammenhang. Für die Unterrichtspraxis wurden vielfältige Aufgabentypen entwickelt und getestet. Erste Überlegungen für einen sprachsensiblen Literaturunterricht liegen ebenfalls vor. Das Konzept wurde im Rahmen einer zweijährigen Interventionsstudie empirisch evaluiert und seine Wirksamkeit im Anfangsunterricht belegt: So zeigten die Lateiner gegenüber der Kontrollgruppe ohne Latein signifikant höhere Lern- und Leistungszuwächse in deutscher Sprachkompetenz. Gesehen: Schatzfund Das aktuelle Zitat Für alle, die Latein gelernt haben, „leben“ die medizinischen und anatomischen Fachbegriffe, während die gleichen Begriffe für Nicht-LateinerInnen „leblose“ Fremdwörter sind (und oft bleiben). PD Dr. Daniel Bimmler, Viszeralchirurg Zürich News „Ihr haltet Latein lebendig“ Jeffrey R. Cellars, Vize-Botschafter der USA, in seiner Festrede in St. Gallen über das Latein. Er zeigte, dass Latein alles andere als tot ist – er selber Latein studiert! UZH-Rektor M. Hengartner bezeichnet das Fach Latein als „sehr wertvoll“ „Latein ist ein Fach, in dem man Kompetenzen lernt, nicht nur das Fach selber. Und das ist gut so. Freilich könnten solche Kompetenzen auch in Physik gelernt werden. Ich glaube, das ist nicht einzigartig im Latein, aber die Lateinlehrer haben sich die Fähigkeit angeeignet, dass sie ihr Fach nicht nur für den Spracherwerb, sondern für viel mehr nutzen.“ „A quoi sert le latin ? La réponse des humanistes“ Bauer Alfred Loosli aus Ueken findet in seiner Kirschbaumplantage einen römsichen Schatz von über 4000 Münzen. www.aargauerzeitung.ch „Le latin accélère la progression des résultats scolaires des élèves issus des milieux plus fragiles, et favorise la mixité sociale dans les établissements classés en zone sensible“. aus: Libération Latein-Information auf neuen Wegen: Eine Game App, gendergerecht und dreisprachig Mythic Runner ist ein gratis Game, das Jugendliche auf spielerische Weise mit dem Fach Latein in Kontakt bringt. Der Schweizerische Altphilologenverband liess es von jungen Programmierern entwickeln. Design und Spielanlage richten sich nach der Ästhetik der Jugendlichen. Das Game liegt in einer Version mit einer weiblichen Titelfigur und in einer mit einer männlichen vor: Die Nymphe Daphne flieht über Wald, Wiese und Strand vor dem verliebten Gott Apollo, Theseus rennt durch den Palast des Minos vor dem menschen- fressenden Monster Minotaurus davon. Ziel ist es, mit raschen Reflexen, Wissen und Ausdauer die beiden Protagonisten zu retten. Jugendliche aller drei grossen Sprachregionen können das Spiel in ihrer Sprache spielen: Italienisch, Französisch und Deutsch. Oder sie üben sich in der Fremdsprache. Ein Blick auf die Highscores zeigt, dass das Spiel bei den Jugendlichen angekommen ist. Versuchen Sie es selbst: www.latein.ch/games/app/ Welt der Wörter colere: sich mit etwas in­ten­siv be­ schäftigen colere bedeutet eigentlich „sich im Kreis drehen“, ebenso die griechische Entsprechung pélomai. Wir kennen den Pol, um den sich die Erde dreht. Beim Bauern dreht sich alles um den Acker, deshalb die Agrikultur, in der Obstkulturen kultiviert werden. Einen Mega-Kult um einen Pop-Star machen kreischende Teenager, kultivierter geht’s in der Kirche zu: Dimanche – Culte à 10h00. Was verbindet eigentlich die Spiel-Kultur eines Fussballclubs mit den Hochkulturen der Antike? Es ist die Art, wie man eine Sache macht, immer etwa gleich, man dreht sich dabei um ein Zentrum, um einen ruhenden Pol. Agenda Lateinuntericht heute Auf der Flucht Ein Krieg bringt stets schreckliche Verwerfungen mit sich, der Katastrophe für das Land folgen die persönlichen Tragödien. Familien werden auseinandergerissen, alle sind auf der Flucht, nicht einmal die Sieger bleiben von von solchen Schicksalen verschont. Nach dem Fall von Troja wird Aeneas, Angehöriger des Königshauses, zum Flüchtling. Aus der brennenden Stadt kann er nur gerde seine Familie und seine Götter retten, mehr bleibt ihm nicht, nicht einmal seine Frau kann er vor dem Tod bewahren. Die Irrfahrt der überlebenden Trojaner führt sie an viele Orte, wo sie schreckliche Dinge erleben, Mord, Seuchen, Hungersnot. Immer wieder wird ihnen die Aufnahme verweigert, und sie müssen weiterziehen. In Karthago bei der schönen Königin Dido finden sie endlich Zuflucht, sie selbst einst ein Flüchtling. Aber auch hier darf Aeneas nicht bleiben, denn die Götter haben noch Grosses vor mit ihm. Und so gelangt er nach Italien, verliert jedoch den Vater und manchen Gefährten. Dort wird er herzlich aufgenommen von den einen, und abgelehnt von den anderen, die einen neuen schrecklichen Krieg heraufbeschwören. Diese Geschichte aber endet glücklich: Aeneas, der Flüchtling aus Troja, setzt in der neuen Heimat den Grundstein für etwas Grosses. So gelesen in der Aeneis von Vergil. Schweizerischer Altphilologenverband Association Suisse des Philologues Classiques Associazione Svizzera dei Filologi Classici Aeneas, Vater Anchises, Sohn Ascanius und die Götter Werk von G.L. Bernini thearkofgrace.com Skulpturhalle Basel: Marmor, Gips und Silberkorn – Von der Brüchigkeit des Seins ab dem 8. April 2016 Amin El Dib, 1961 in Kairo geboren, präsentiert in der Skulpturhalle fotografische Arbeiten aus verschiedenen Se­rien, da­runter Werke aus der Skulp­tur­hal­le Basel. Theater Basel – Die Bacchen bis am 21. Mai 2016 Uraufführung Schauspiel von Euripides in einer Bearbeitung von Roland Schimmelpfennig. Das grösste Römerfest der Schweiz 27./28. August 2016 Augusta Raurica. Vindonissa-Museum Brugg: Für Kinder – Furius Constructor baut ein Legionslager bis am 16. Oktober 2016 Furius Constructor wurde an die Gren­zen des Römischen Reichs versetzt und hat einen Auftrag: Er muss in kürzester Zeit ein Legionslager bauen. Dazu stehen 100’000 Lego®Steine bereit. www.philologia.ch – www.latein.ch Verantwortlich für den Inhalt: [email protected]