Energy Landscapes Klimawandel und Biodiversität Bundesamt für Naturschutz – Vilm 31.8.2011-3.9.2011 Ulrich Scheele & Julia Oberdörffer Arbeitsgruppe für regionale Struktur- und Umweltforschung GmbH, Oldenburg Struktur • Projektverbund nordwest2050: Klimaanpassung in der Metropolregion Bremen- Oldenburg • Cluster Energie: Umbau des Energiesystems als Transformationsprozess mit weitreichenden ökonomischen, ökologischen und sozialen Herausforderungen • Räumliche Konsequenzen rücken in den Vordergrund: Folgen für Landschaft und Biodiversität • Wie ist das Zusammenspiel von Klimaschutz und Klimaanpassung und wie sind die Auswirkungen auf Flächennutzung und Landschaftsbild • Gibt es einen Handlungsbedarf? Welche Rolle kann die Raumplanung übernehmen? • Work in progress: ein Problemaufriss und eine erste Bestandsaufnahme Eine Annäherung an das Thema: Anforderungen aus den Grundsätzen der Raumordnung „ Die erstmalige Inanspruchnahme von Freiflächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke ist zu vermindern, insbesondere durch die vorrangige Ausschöpfung der Potenziale für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, für die Nachverdichtung und für andere Maßnahmen zur Innenentwicklung der Städte und Gemeinden sowie zur Entwicklung vorhandener Verkehrsflächen. ...... Den räumlichen Erfordernissen des Klimaschutzes ist Rechnung zu tragen, sowohl durch Maßnahmen, die dem Klimawandel entgegenwirken, als auch durch solche, die der Anpassung an den Klimawandel dienen. Dabei sind die räumlichen Voraussetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien, für eine sparsame Energienutzung sowie für den Erhalt und die Entwicklung natürlicher Senken für klimaschädliche Stoffe und für die Einlagerung dieser Stoffe zu schaffen.“ § 2 Abs. 2 Nr. 6 (ROG) Energy sprawl • Nachhaltiger Umbau des Energiesystems ist mit wachsendem Ressourcenverbrauch verbunden (Wasser, Rohstoffe, Land) • Energy sprawl: Thematisierung des Flächennutzung, der Implikationen für Biodiversität und der Veränderung des Landschaftsbildes und der Landnutzung durch die Transformation des Energiesektors • Hintergrund der Debatte: wie kann eine nachhaltige Steuerung des Umbaus des Energiesystems aussehen; aber auch Instrumentalisierung der Debatte von Kritikern des Ausbaus erneuerbarer Energien (USA!) • Fokus auf erneuerbare Energien zu eng! Flächenrelevanz konventioneller Energien, vor- und nachgelagerter Infrastrukturen, embedded energy ist mitzuberücksichtigen • Herausbildung unterschiedlicher Formen von Energy landscapes Generationen von Energielandschaften Vergangenheit Gegenwart Zukunft ? Erdoberfläche In Anlehnung an: LENFERINK & VAN LOON 2007 Auswirkungen auf Landnutzung und Landschaftsbild durch: •Bioenergie •Onshore- Windenergie •Solarparks •Speicheranlagen •Standort konventioneller Kraftwerke •Stromnetze (Freileitung, Erdverkabelung) •Erdöl- und Erdgasförderung •Explorationsbohrungen •Offshore – Basishäfen Klimaanpassung als neuer Akteur auf dem Flächenmarkt? Klimaanpassung im Energiesektor: Resiliente Infrastrukturen als Ziel • Energiesektor als bedeutender Verursacher des Klimawandels; gleichzeitig hohes Maß an Vulnerabilität • Resilienz: Fähigkeit von Anlagen oder Systemen, massive Eingriffe von außen zu antizipieren, die Folgen zu absorbieren, sich an diese Veränderungen anzupassen oder sich von den negativen Folgen schnell zu erholen • Sicherung der Resilienz von Infrastruktursystemen: Kombination von Aktivitäten oder strategischen Komponenten – Resistance: unmittelbarer Schutz von Anlagen – Reliability: wie können Infrastruktursysteme gestaltet werden, um ihre Funktionsfähigkeit unter unterschiedlichen Umweltbedingungen zu gewährleisten ? – Redundancy: Auslegung und Kapazitäten eines Netzwerks oder eines Systems (backup, Reservekapazitäten). – Response and Recovery: zügige und effektive Reaktion auf Störungen, um eine schnelle Erholung von den Schäden zu erreichen. Klimaschutz und Klimaanpassung: Konkurrenz oder Synergien? Ansatz Nutzenverteilung Zentrale Unsicherheiten Infrastruktursektoren Klimaschutz Schwerpunkt auf Top-downAnsätze, zentralisierte Entscheidungsstrukturen Klimaanpassung Betonung von Bottom-up–Ansätzen; lokale Ebene spielt eine wichtige Rolle; dezentralisierte Entscheidungsstrukturen Global Standort der Investition Rate des technischen Fortschritts; Ergebnisse der internationalen Klimaverhandlungen Energie, Transport, Gebäude, Industrie Auswirkungen des Klimawandels und der entsprechende Zeithorizont; Ausmaß der autonomen Anpassung Zentrale Infrastruktursysteme in allen Sektoren; auf Klimaanpassung ausgerichtete Infrastrukturen: Küstenschutz, Wasser, Landwirtschaft Überlappung von Klimaschutz und Klimaanpassung • • • Quelle: Moser 2011 Unterschiedliche strategische Ansätze bei Klimaschutz und Klimaanpassung: nur begrenzte Konflikte? Zusammenhänge in der Realität jedoch weitaus komplexer; damit auch Umfang und die Intensität von trade offs zwischen Klimaanpassung und Klimaschutz Notwendig: SystemansatzPerspektive; Berücksichtigung der „second- order, long-term, nonlocal effects of local actions― (Howard 2009) Beispiel: Synergien zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung Maßnahmen Positive Auswirkungen auf den Klimaschutz Positive Auswirkungen auf die Klimaanpassung Renaturierung küstennaher Feuchtgebiete Erhöhung der CO2Speicherung Hochwasserspeicher, Schutz von Habitaten Gebäudedämmung Reduktion des Energieverbrauchs Verbesserung des Wohnkomforts; Verbesserung des Hitzeschutzes Energienachfragemanagement Reduktion der Energienachfrage und der Emission von Treibhausgasen Potenzielle Zunahme der CO2-Speicherung und der Stickstoffbindung Reduktion der Spitzenlast und damit Vermeidung von Blackouts Verbesserung der Wasserspeicherung; Erhöhung der Biodiversität Bodenschutz, u. a. durch veränderte Bewirtschaftungsforme n und Anbaumethoden Trade off zwischen Klimaschutz und Klimaanpassung Klimaschutzmaßnahmen Potenziell negative Auswirkungen auf Klimaanpassung Schneller Umstieg auf eine CO2-freie oder CO2-arme Energieversorgung Höhere Energiepreise beeinträchtigen die wirtschaftliche Entwicklung und treffen vor allem niedrigere Einkommensgruppen und erhöhen ihre Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel Wasserkraftnutzung und Speicherung von Wasser aus Regenperioden Zunehmendes Risiko von Dammbrüchen Carbon capture und storage Zunahme der Wassernutzung und der Konkurrenz um Wasserressourcen Kompakte Stadtstrukturen Negative Folgen für das städtische Kleinklima; zunehmende Siedlungsentwicklung in potentiell hochwassergefährdeten Gebieten Klimaanpassung und Flächenverbrauch • • • Klimaanpassung ist in vielen Fällen eng verbunden mit einer zusätzlichen Flächeninanspruchnahme und Veränderungen in der Flächennutzung (Retentionsbecken, urban green infrastructure, Deichbau..etc.) Implikationen aus dem Zusammenspiel von Klimaschutz und Klimaanpassung für die Flächennutzung und die Biodiversität aber nicht eindeutig Beispiel: Ausbau der dezentralen Energieversorgung als wichtiger Ansatz in Klimaschutz- und Klimaanpassungsstrategien – – – – dezentrale Energieversorgungssysteme sind weniger flächenintensiv, da die Notwendigkeit eines großräumigen Energietransports nicht gegeben ist , aber.. Energieerzeugung in mehreren kleineren Einheiten und verminderte economies of scale können im Endeffekt zu einem höheren Flächenbedarf führen als bei der Bündelung der Kapazitäten an einem Standort. Im Hinblick auf Auswirkungen auf Biodiversität können dezentrale Anlagen ungünstiger abschneiden,Standorte rücken näher an Verbrauchsschwerpunkte; Druck auf die dort ohne knappen Flächenpotenziale, aber..... dezentrale Energieerzeugungsanlagen werden im Gegensatz zu einer zentralen Energieversorgung vermehrt auf bereits erschlossenen Arealen errichtet werden, d. h. der Verbrauch an Freiflächen damit verringert werden kann Ein Beispiel: Auf dem Land wird´s eng: Flächendruck im Nordwesten Niedersachsens • • • • • • • • Landwirtschaft: klassische Funktion als Produzent von Nahrungs- und Futtermitteln; wachsende Bedeutung als Biomasseproduzent (44% der Ackerfläche im Raum Weser-Ems durch Maisanbau belegt) Forstwirtschaft: bislang eher nachrangig; Zukunft als Biomasseproduzent? Naturschutz: große Teile der Region naturschutzrechtlich gesichert: FFH – Gebiete, Nationalpark, Biosphärenreservat, Weltnaturerbe Siedlungs- und Verkehrsfläche: Nordwesten als Raum mit den höchsten Zuwachsraten in Niedersachsen bei dem Flächenverbrauch (wirtschaftliches Wachstum, demografischer Wandel) Ausbau flächenintensiver Infrastrukturen (Kraftwerke, Stromnetze, Speicher, Hafenanlagen, Autobahnen etc.) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen: hohe Flächeninanspruchnahme durch Realkompensation und kohärenzsichernde Maßnahmen Regionalisierung der Flächennutzung (Karten): Energiewirtschaft im weitesten Sinne als dominierender Faktor Räumliche Konzentration der Infrastruktur in Räumen mit hohen ökologischen Potenzialen und besonderer Anfälligkeit gegenüber dem Klimawandel Flächenrelevanz erneuerbarer Energien in der Metropolregion Bremen-Oldenburg Energieerzeugung Flächenverbrauch in ha Kernenergie ca. 89 Kohlekraftwerke ca. 119 Windenergie Bioenergie Freiflächen Photovoltaik Fläche Metropolregion insgesamt: Zwischen 75.000 und 125.000 Zwischen 1.440.000 und 1.767.000 Zwischen 48.000 und 108.000 rd. 1,4 Mill. ha Flächenverbrauch bei unterstellter 100 % Energieversorgung Versorgung durch den jeweiligen Energieträger Datenverfügbarkeit • Regionalisierte Energiedaten oft nicht oder nur in unzureichender Qualität verfügbar; Bsp. Energieverbrauch • Keine zentrale Datenbasis • Flächenrelevanz und Auswirkungen auf Biodiversität oft nur grob schätzbar • Flächenrelevanz von Energieeffizienzmaßnahmen? • Unsicherheiten über Flächenrelevanz neuer Technologien Flächenkonkurrenz? Vorhaben Räumliche Ausdehnung Dauer der Eingriffe langfristig Intensität der Eingriffe hoch, andere Nutzungen ausgeschlossen langfristig gering; Einschränkungen für bestimmte Nutzungen linear; Bandbreite etwa 50 m; schwerpunktmäßig im Umland von verdichteten Gebieten kurzfristig Ausbeutung von Schiefergasvorkommen während der Explorationsphase hoch; in der Betriebsphase gering; multifunktionale Nutzung möglich punktuell; ländlicher Raum Kraftwerksbau Erdverkabelung punktuell; in der Regel im unmittelbaren Einflussbereich von Flüssen; eher ländlicher Raum Klimaanpassungsmaßnahmen: eine vorläufige Kategorisierung • Technischen Lösungen — grey measures – kosten- und ressourcenintensive Maßnahmen für den Ausbau von Schutzinfrastrukturen – Deiche, Schutzmauern, Höherlegung von Anlagen; Umstieg auf Alternativen zur Durchflusskühlung. • Ökosystem-basierten Anpassungsoptionen - green measures – Nutzung von Naturkapital im Mittelpunkt der Klimaanpassungsstrategie. – natürliche Anpassungskapazitäten (bsp. urban green infrastructures) als Alternative zu Investitionen in die physischen Infrastrukturen • Verhaltens- und Managementansätzen — soft measures – Berücksichtigung langfristiger Implikationen des Klimawandels in unternehmerische Investitionsentscheidungen – Ökonomische Anreize Unterschiedliche Implikationen für Flächenverbrauch? Klimaschutz und Klimaanpassung: Herausforderungen an die räumliche Planung • Konflikte und Synergien zwischen Schutz und Anpassung werden sich jeweils auf lokaler bzw. regionaler Ebene manifestieren und Probleme auch in diesem lokalen oder regionalen Kontext geklärt werden müssen. • Funktion der räumlichen Planung als das verbindende Element zwischen Klimaschutz, Klimaanpassung und nachhaltigen Entwicklungszielen in den Vordergrund • Reichen tradierte Instrumente und Konzepte? • Langfristplanungen: integrierte Landnutzungsmodelle als Basis • Bsp. Foresight Land Use Futures Projekt (UK); Land Use Strategy (Sco) Komplexität der Wirkungszumsammenhänge: Land use futures Projekte 19 Notwendigkeit einer neuen Planungsphilosophie? • Planung als Instrument des Ausgleichs konkurrierender Nutzungsansprüche immer nur unter Unsicherheit umgesetzt werden können: Planung wird derartige Unsicherheiten als systemimmanent mit in Betracht ziehen müssen • Der bisherige Planungsansatz über die Zuordnung und die verbindliche Sicherung von Nutzungszuweisungen wird zunehmend ersetzt werden durch ein Denken in Leitplanken, kurzfristigeren Zielformulierungen und eine Orientierung der Planung an typischen Problemlagen. – Nutzung von Szenario–Methoden – Inkrementeller Ansatz bei Anpassungsmaßnahmen – Monitoring-Systems – Neue Ansätze der Risikobewertung – Institutionalisierte Entscheidungssysteme Planung von Klimaanpassungsmaßnahmen • Systematische Vulnerabilitätsanalyse als Basis • Festlegung eines den jeweiligen spezifischen Bedingungen angemessenen Schutzlevel • Bestimmung des problemadäquaten Instrumenten- Mix; ggfs. Entwicklung neuer Instrumente und Konzepte • Definition des Zeitrahmens, in dem die Maßnahmen umgesetzt werden müssen; idealerweise sollte eine Anpassung früh genug vorgenommen werden, um Verluste durch einen unzureichenden Schutz zu vermeiden, andererseits sollten Investitionen nicht zu früh vorgenommen werden, wenn sie erst nach Jahrzehnten ihre Wirksamkeit zeigen müssen Instrumentelle Ausgestaltung einer Klimaanpassungsstrategie Effiziente Flächennutzung: • Mehrfachnutzung von Flächen • urban green spaces • Neuausrichtung der Politik der Biodiversitätssicherung und des Naturschutzes Reduktion Flächenverbrauch • kompakte Bauweisen • Nutzung vorhandener Infrastruktursysteme für Klimaanpassungsmaßnahmen • neue innovative Technologien: z. B. multifunktional einsetzbare Infrastrukturanlagen Neue Instrumente • flexible Planungs- und Steuerungsinstrumente • temporärer Naturschutz • Eco-system-Ansatz Zusammenfassung • • • • • • Energiewende und Klimawandel stellen Gesellschaft vor neue Herausforderungen Auch Raumrelevanz des Umbaus rückt auf die Tagesordnung: Fokus der Debatte auf erneuerbare Energien zu eng! Flächennutzungskonkurrenz nimmt zu „New kids on the block“: neue Rolle der Klimaanpassung auf dem Flächenmarkt Komplexe Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Klimaschutz und Klimaanpassung und Auswirkungen auf Flächennutzung und Biodiversität Neue Herausforderungen für strategischen Ansatz und instrumentelle Ausgestaltung räumlicher Planung Kontakt Arbeitsgruppe für Regionale Struktur- und Umweltforschung GmbH (ARSU) Prof. Dr. Ulrich Scheele Dipl. Geogr. Julia Oberdörffer Escherweg 1 D- 26121 Oldenburg Tel. 0441- 9717496/7 http://www.arsu.de [email protected] [email protected] http://www.nordwest2050.de 24 Backup „Energy Island“: neue Antworten auf Flächenknappheiten www.kema.com Flexible Lösungen: Beispiel Niederlande Niederlande: hohe Verdichtung; Flächenknappheit, hohe Vulnerabilität Lösung: innovative Konzepte der Flächennutzung; temporäre Nutzung, Mehrfachnutzungen, Wasser als zentrales Element Stichting Urgenda, the Floating City into an ocean of opportunities Rotterdam, October 2008 27 Innovative Konzepte der Klimaanpassung Rob Roggema, Hotspot: Climate-Proof Groningen. Final Report, Groningen 2009 Neue innovative Konzepte der Klimaanpassung Neue Konzepte räumlicher Planungen Visionen räumlicher Planung www.klimaatbestendiggroningen.nl Stormwater Management and Road Tunnel (SMART), Kuala Lumpur http://www.tunnels.mottmac.com/projects/?mode=type&id=2047