Psychohepatologie und biopsychosoziale Modelle in der Psychiatrie

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Arbeitsgruppe
Psychohepatologie und biopsychosoziale Modelle in der Psychiatrie
Leitung: Univ.Ass., Dr.med.univ., Mag.rer.nat. Andreas Baranyi
Mitglieder und wissenschaftliche Berater der Arbeitsgruppe (in alphabetischer Reihenfolge):
Univ.Ass., Dr.med.univ., Mag.rer.nat. Andreas Baranyi; Department of Psychiatry, University of
Medicine of Graz, Austria
Ass. Prof. Dr. Robert J. Breitenecker; Alpen-Adria Universität Klagenfurt, Department of Innovation
Management and Entrepreneurship, Klagenfurt, Austria
Univ.Prof.Dr.Dr. Hans-Peter Kapfhammer; Department of Psychiatry, University of Medicine of Graz,
Austria
Priv. Doz. Dr. Andreas Meinitzer; Clinical Institute of Medical and Chemical Laboratory Diagnostics,
University of Medicine of Graz, Austria
OA Dr.med.univ. Gerhard Reicht; Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz, Marschallgasse 12,
8020 Graz
Univ.Prof.Dr.Dr. Hans-Bernd Rothenhäusler, MSc; Department of Psychiatry, University of Medicine
of Graz, Austria
Univ.Prof. Dr.Rudolf Stauber; Division of Gastroenterology and Hepatology, Department of Internal
Medicine, University of Medicine of Graz, Austria
OA Dr.med.univ. Simon Theokas; Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Graz-Eggenberg, Bergstraße
27, 8020 Graz
Hintergrund
Psychohepatologie
Unsere Arbeitsgruppe hat die Etablierung der Psychohepatologie in der medizinischen Wissenschaft
zum Ziel.
Der neu eingeführte Begriff der Psychohepatologie beschreibt eine interdisziplinäre Form der
Auseinandersetzung mit den biopsychosozialen Konsequenzen von Lebererkrankungen und deren
Behandlungen.
Das Ziel ist die konsequente Entwicklung und Erprobung biopsychosozialer Krankheitsmodelle mit
dem Schwerpunkt der Psychohepatologie, die als Basis geeigneter Präventionsstrategien dienen und
so zu einer Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Betroffenen beitragen
können.
Des Weitern werden bio-psycho-soziale Krankheitsmodelle aus dem Gebiet der Psychohepatologie
mit von der Forschungsgruppe ebenfalls neu entwickelten biopsychosozialen Krankheitsmodellen aus
dem Gebiet der affektiven Erkrankungen gegenüber gestellt.
Auf biologischer Ebene legt der Schwerpunkt der Forschungsgruppe auf dem Gebiet des Kynurenine
pathway.
Biopsychosoziale Auswirkungen von Hepatitis C- Infektionen
Chronische Hepatitis C-Infektionen stellen eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem
dar. Laut WHO dürften weltweit über 170 Millionen Menschen mit dem HCV-Virus infiziert sein.
Besonders in Osteuropa sind in den letzten Jahren dramatische Zunahmen an Neuinfektionen zu
verzeichnen. Risikogruppen sind Hämophilie Patienten und Drogenabhängige mit intravenösem
Konsum [5, 12, 16, 26]. Mindestens 60 Prozent aller Drogenabhängigen sind mit dem Hepatitis CVirus infiziert und depressive Drogenabhängige zeigen ein größeres Risikoverhalten bei intravenösem
Drogenkonsum [11, 27].
Interferon-alpha, ein Zytokin mit starken antiviralen und antiproliferativen Eigenschaften, ist ein
wichtiges Medikament zur Behandlung der chronischen Hepatitis C.
Eine häufige und unter Umständen sogar therapielimitierende INF-alpha Nebenwirkung sind
depressive Episoden, die meist innerhalb von 3 Monaten nach Therapiebeginn auftreten und die
Adhärenz und die Lebensqualität der Betroffenen beeinträchtigen und den häufigsten Abbruchgrund
der Interferontherapie darstellen [10, 18, 24].
Durch genaue Explorationen finden sich leichte depressive Symptome mit reduziertem
Selbstwertgefühl, vermehrtem Grübeln, spontanem Weinen und Libidoverlust bei 30-60% der
behandelten Patienten. 20 bis 30 % der Patienten leiden im gleichen Zeitraum sogar unter einer
schweren depressiven Störung mit ausgeprägter Traurigkeit, Antriebs-, Freud- und Interesselosigkeit,
Appetitmangel, Konzentrationsstörungen, Angst und Schlaflosigkeit [19]. Die depressive
Symptomatik verschwindet bei vielen Patienten nach Therapieende. Manische Episoden und
psychotische Zustandsbilder sind hingegen weit seltenere Nebenwirkungen einer INF-alpha Therapie
[5].
Hepatitis C-infizierte Patienten weisen häufig bereits vor Therapiebeginn kognitive
Beeinträchtigungen auf, die den täglichen Lebensablauf und die gesundheitsbezogene Lebensqualität
der Betroffenen beeinträchtigen. Direkte ZNS Effekte durch die Hepatitis C-Infektion werden als
Ursache diskutiert [15]. Interferon-alpha Therapien dürften zusätzlich bei einigen Patienten
reversible kognitive Beeinträchtigungen hervorrufen (verminderte Merkfähigkeit, beeinträchtigte
kognitive Exekutivfunktionen, reduzierte verbale und nonverbale Flüssigkeit) [21].
Schwere und akut exazerbierte psychiatrische Krankheitsbilder sind als Kontraindikationen einer
Interferon-alpha Therapie zu werten [24]. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht jedoch
auch bei Patienten mit psychiatrischer Komorbidität gute Ansprechraten und Haltequoten [25].
Literaturangaben: siehe Baranyi, A.; Meinitzer, A.; Stepan, A.; Matejka, J.; Stauber, R.; Kapfhammer,
HP.; Rothenhäusler, HB. (2012): Interferon-α therapy in patients with chronic hepatitis C infection :
Biopsychosocial consequences. Nervenarzt 83(9): 1169-1177.
Biopsychosoziale Auswirkungen von Lebertransplantationen
Lebertransplantationen sind oft lebensrettende Eingriffe bei einer Reihe von irreversiblen
Lebererkrankungen im Endstadium. Häufige Indikationen sind die noncholestatische- oder
cholestatische Leberzirrhose, maligne Leberzelltumoren, die akute Leberzellnekrose und die billäre
Atresie. [15, 16]. Ist Alkohol die der Lebererkrankung zugrunde liegende Ursache, werden von den
meisten Transplantationszentren in der Regel erst eine 6-monatige Abstinenz vor dem Eingriff und
eine begleitende Alkoholentwöhnungstherapie gefordert [27].
Die Zahl der durchgeführten Lebertransplantationen ist stark im Steigen begriffen. Seit 2005 werden
in den USA über 6000 Lebertransplantationen pro Jahr durchgeführt – mit meist gutem Erfolg. So
liegt bei Erwachsenen die 1-Jahres-Überlebensrate bei 85%, die 10-Jahres-Überlebensrate bei 60%
[16].
Lebertransplantationen sind für die Betroffenen meist lebensrettende, jedoch auch gleichzeitig
belastende und schwerwiegende Eingriffe. Nach erfolgter Transplantation sind bei vielen Betroffenen
krankheitswertige psychiatrische Erkrankungen überwiegend aus dem affektiven Formenkreis oder
auch Angststörungen und Belastungsstörungen diagnostizierbar [6, 7, 10, 12, 20, 21]. Die
verfügbaren Häufigkeitszahlen schwanken zwischen 19 und 54% [6, 7, 10, 12, 20, 21, 22, 23].
Depressive Symptome und posttraumatische Belastungsstörungen in Folge einer
Lebertransplantation konnten beispielsweise von Rothenhäusler et al. festgestellt werden. In dieser
Studie litten 2,7% an einer voll, 16% an einer partiell ausgeprägten posttraumatischen
Belastungsstörung und 4% an einer Major Depression [21].
Auch nach erfolgter Lebertransplantation ist unabhängig von der Ursache der Leberzirrhose die
gesundheitsbezogene Lebensqualität der Transplantierten im Vergleich mit Gesunden niedriger [4].
Literaturangaben: siehe Baranyi, A; Rösler, D; Rothenhäusler, HB (2012): The effects of depressive
symptoms on quality of life, sexual satisfaction and cognitive performance after orthotopic liver
transplantation. Neuropsychiatrie 26(2): 59-64.
Beispiele für bisherige von der Arbeitsgruppe entwickelte biopsychosoziale Modelle dem Gebiet
der Psychohepatologie:
Fig. 1. Biopsychosocial Model of IFN-α treatment induced Depression
IFN-α
IFN-α
IFN-γ
KYN/KA
KYN/KA RATIO
RATIO
TNF-α
IDO
Kynureninase
Tryptophan
IDO
3-Hydroxykynurenine
Kynurenine
Ky n
ure
nina
se
3-Hydroxyanthranilic acid oxygenase
3-Hydroxyanthranilic
acid
Quinolinic
acid
Anthranilic acid
IDO
Serotonin
• Overstimulation of
NMDA receptors;
• hippocampal damage
• apoptosis
Kynurenic acid
TRYP/CAA
TRYP/CAA
Social support
Role-physical (SF-36)
Depression
Body pain (SF-36)
Preexisting
psychiatric
vulnerability
General health (SF-36)
Vitality (SF-36)
Way of transmission
Social functioning
(SF-36)
Gender (female)
Mental health (SF-36)
Financial security (FLZ)
Role-emotional
(SF-36)
Sexuality (FLZ)
Legend:
increase
decrease
Friends (FLZ)
Occupation/work (FLZ)
Quelle:
Baranyi, A; Meinitzer, A; Stepan, A; Putz-Bankuti, C; Breitenecker; R; Stauber, R; Kapfhammer, HP;
Rothenhäusler, HB (2013): A Biopsychosocial Model of Interferon-α-Induced Depressioni inPatients
with Chronic Hepatitis C Infection. Psychother Psychosom (accepted for publication).
Quelle:
Baranyi A, Krauseneck T, Rothenhäusler HB (2013): Posttraumatic stress symptoms after solid-organ
transplantation: preoperative risk factors and the impact on health-related quality of life and life
satisfaction. Health Qual Life Outcomes 11:111. doi: 10.1186/1477-7525-11-111.
Bisherige Publikationen der Arbeitsgruppe aus dem Gebiet der Psychohepatologie:
Baranyi, A; Meinitzer, A; Stepan, A; Putz-Bankuti, C; Breitenecker; R; Stauber, R; Kapfhammer, HP;
Rothenhäusler, HB (2013): A Biopsychosocial Model of Interferon-α-Induced Depressioni inPatients
with Chronic Hepatitis C Infection. Psychother Psychosom (accepted for publication).
Baranyi A, Krauseneck T, Rothenhäusler HB (2013): Posttraumatic stress symptoms after solidorgan transplantation: preoperative risk factors and the impact on health-related quality of life
and life satisfaction. Health Qual Life Outcomes 4;11:111. doi: 10.1186/1477-7525-11-111.
Baranyi, A; Krauseneck; T; Rothenhäusler, HB (2013): Overall mental distress and health-related
quality of life after solid-organ transplantation: results from a retrospective follow-up study Health
and Quality of Life Outcomes 11:15. doi: 10.1186/1477-7525-11-15.
Baranyi, A; Rösler, D; Rothenhäusler, HB (2012): Stress symptoms and health-related quality of life
in patients after orthotopic liver transplantation. Z Psychosom Med Psychother 58(4): 417-428.
Baranyi, A; Meinitzer, A; Stepan, A; Matejka, J; Stauber, R; Kapfhammer, HP; Rothenhäusler, HB
(2012): Interferon-α therapy in patients with chronic hepatitis C infection : Biopsychosocial
consequences. Nervenarzt 83(9): 1169-1177.
Baranyi, A; Rösler, D; Rothenhäusler, HB (2012): The effects of depressive symptoms on quality of
life, sexual satisfaction and cognitive performance after orthotopic liver transplantation.
Neuropsychiatrie 26(2): 59-64.
Baranyi, A; Rothenhäusler, HB (2005): Interferon-alpha-induzierte Depressionen bei Patienten mit
chronischen Hepatitis-C-Infektionen Psychiatrie und Psychotherapie 2005; 1(2): 51-55.
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