730_775_BIOsp_0707.qxd:730_775 736 07.11.2007 14:11 Uhr Seite 736 WISSENSCHAFT · SPECIAL: BIOCHIPS IN DER KREBSFORSCHUNG Signaltransduktion Reverse Phase-Proteinarrays in der Krebsforschung ULRIKE KORF 1 , CHRISTIAN LÖBKE 1 , FLORIAN HALLER 2 , ANNEMARIE POUSTKA 1 , HOLGER SÜLTMANN 1 , 1 ABTEILUNG FÜR MOLEKUL ARE GENOMANALYSE, DEUTSCHES KREBSFORSCHUNGSZENTRUM, HEIDELBERG 2 INSTITUT FÜR PATHOLOGIE, UNIVERSITÄT GÖTTINGEN Wegen ihres hohen Probendurchsatzes und ihrer großen Empfindlichkeit entwickeln sich Proteinarrays immer mehr zur Technologie der Wahl bei der quantitativen Messung komplexer biologischer Prozesse in der Krebsforschung. Aktuelle Herausforderungen der Tumorbiochemie ó Eine große Herausforderung für die Aufklärung der Mechanismen von Tumorentstehung und -progression liegt in der Messung der zentralen Schlüsselproteine in krebsre- levanten Signaltransduktionswegen. Die exakte Bestimmung der Proteinaktivität liefert wertvolle Erkenntnisse über die biologischen Prozesse in Krebserkrankungen sowie Ansatzpunkte für die Entwicklung neuer Diagnose- und Therapiestrategien. In den vergangenen Jahren wurden molekulare Vorgänge in menschlichen Tumoren überwiegend auf der Ebene der Genexpression (z. B. mithilfe von DNA-Mikroarrays) untersucht. Jedoch korrelieren mRNA- und Proteinmengen oftmals nicht miteinander. Zudem ergibt sich aus der Analyse von mRNA-Transkripten kein direkter Hinweis auf den Aktivierungsstatus von Proteinen, die z. B. entscheidende Schritte der Signaltransduktion regulieren. Obwohl Proteine in vielfältiger Weise an zellulären Regulationsprozessen beteiligt sind, sind die verfügbaren Methoden zur quantitativen Bestimmung von Proteinen und Proteinaktivierungen im hohen Durchsatz bislang nicht zufrieden stellend. Dies liegt vor allem an den gegenwärtig hinsichtlich Durchsatz und Empfindlichkeit unzureichend etablierten proteinchemischen Methoden. Methoden der quantitativen Proteinbestimmung ˚ Abb. 1: Reverse Phase-Proteinarrays. A, Tumorproben werden mit einer Tropfengröße von 1 nl abgegeben und regelmäßig auf einem Nitrozellulose-Träger angeordnet. Jede Probe ist adressierbar durch ihre Koordinaten auf dem Array. Es lässt sich eine große Anzahl identischer Arrays parallel produzieren. B, Der Nachweis eines bestimmten Proteins oder einer Phosphorylierungsstelle erfolgt mithilfe eines spezifischen Antikörpers, der in einem zweiten Inkubationsschritt mithilfe eines farbstoffmarkierten Antikörpers sichtbar gemacht wird. Zum Auslesen der Arrays wird ein geeignetes Instrument (Scanner) eingesetzt, das den Farbstoff detektieren kann. C, Anordnung der Proben auf den Reverse Phase-Proteinarrays. Eine Verdünnungsreihe dient der Kalibrierung, um den Zusammenhang zwischen Probenmenge und Signalstärke zu ermitteln. Jede Probe wird in einer einzigen Verdünnungsstufe, aber mit vier technischen Replikaten gespottet. Daraus lässt sich für jede Probe die relative Menge des untersuchten Proteins berechnen. Zur quantitativen Bestimmung von Proteinen wird sehr häufig der Western Blot als ein Gelbasierendes Verfahren eingesetzt. Dieser Ansatz ist einfach durchzuführen und die experimentellen Voraussetzungen sind in jedem Labor zu finden. Dennoch weist die Methode einige entscheidende Nachteile auf: So führen nicht-homogene Prozesse bei der Proteintrennung im SDS-Gel sowie beim elektrophoretischen Transfer zu einer hohen Standardabweichung (20–30 %). Als Detektionsmethode wird in der Regel die Chemolumineszenz eingesetzt, deren Signale zeitabhängig sind und nur einen geringen linearen Bereich aufweisen. Aufgrund der hohen Standardabweichung erfordern Western Blotbasierende Methoden eine umfangreiche Normalisierung. Auch massenspektrometrische Verfahren wurden – u. a. in Verbindung mit 2-D-Gelelektrophorese – an die Erfordernisse einer quantitativen Bestimmung von Proteinen und Proteinmodifizierungen angepasst. Jedoch ist diese Methode in erster Linie zum Screening und nicht für die quantitative Untersuchung bekannter Signalwege geeigBIOspektrum | 07.07 | 13. Jahrgang 730_775_BIOsp_0707.qxd:730_775 07.11.2007 14:11 Uhr Seite 737 737 net. Schließlich werden Antikörper-basierende Methoden, u. a. ELISA (enzyme-linked immunosorbent assay), in vielen Variationen eingesetzt. Diese Technik ist aufgrund der oftmals beträchtlichen Standardabweichung nicht kompatibel mit den Anforderungen an quantitative Proteinbestimmungen im Hochdurchsatz. Allen diesen Methoden gemeinsam ist außerdem ein hoher Verbrauch biologischen Materials und ein relativ niedriger Durchsatz. In jüngerer Zeit wurde die Technologie der Proteinarrays als wichtige alternative Methode zur Quantifizierung von Proteinen entwickelt. Proteinarrays bestehen aus winzigen Proben, die auf einem Träger angeordnet werden (Abb. 1). Die Probenabgabe erfolgt dabei sehr präzise mithilfe eines Laborroboters. Aufgrund der geringen Spotgröße können bis zu 500 verschiedene Proben auf einem Träger in der Größe eines Standard-Objektträgers aufgebracht werden. Ausgehend von Probenvolumina von 10 μl können 50–200 identische Arrays produziert werden. Jeder Array wird mit einem Antikörper inkubiert, der spezifisch gegen das Protein von Interesse (oder dessen Modifizierung) gerichtet ist. Auf diese Weise lassen sich mit einer einzigen Produktionscharge detaillierte Informationen über die Mengen von bis zu 200 Zielproteinen gewinnen. Zudem kann auch eine absolute Quantifizierung von Proteinen durchgeführt werden. Protein-Mikroarrays besitzen daher ein enormes Potenzial für die Analyse von Proteinprofilen (Tab. 1). Tab. 1: Vorteile von Proteinarrays • geringer Probenverbrauch • Parallelisierung möglich • hohe Sensitivität • große Probenkapazität Die Idee, das vollständige Proteom eines Tumors als Mikrospot zu immobilisieren und die Expression eines bestimmten Proteins mithilfe von Antikörpern nachzuweisen, wurde 2001 von Paweletz et al. vorgestellt[1]. Im Gegensatz zu den forward phase-ProteinMikroarrays wird in dem reverse phase-Ansatz nicht eine Messsonde (z. B. Antikörper) immobilisiert, sondern die zu untersuchende komplexe Probe selbst. Mithilfe von spezifischen Antikörpern können Proteine in Femtogramm-Mengen nachgewiesen werden. Diese Empfindlichkeit ist ausreichend, um zelluläre Regulationsmechanismen zu quantifizieBIOspektrum | 07.07 | 13. Jahrgang ren. Insbesondere die reverse phase-Proteinmikroarrays (RPPA) haben sich als ideale Strategie für die Hochdurchsatz-Analyse von Proteinprofilen erwiesen, da sie wegen ihrer hohen Sensitivität und ihres geringen Probenverbrauchs alle Bedingungen für die quantitative Bestimmung von Proteinen erfüllen. Sie eigenen sich für die Untersuchung sowohl von zellulären Lysaten als auch von medizinischem Untersuchungsmaterial. Proteinmikroarrays: technische Aspekte, Probenvorbereitung und Normalisierung Technische Parameter wie Probenvorbereitung und Normalisierung beeinflussen entscheidend die Qualität der experimentellen Daten von Proteinarrays. In einem ersten Schritt der Technologieentwicklung wurden daher umfangreiche Tests zum Aufschluss der Zellen und zur Isolierung des Probenmaterials durchgeführt und die Bedingungen für die Probenabgabe optimiert[2]. Anschließend wurden verschiedene Ansätze zur Normalisierung der Daten für eine nachfolgende quantitative Analyse getestet: Die Normalisierung kann zum einen anhand der Zellzahl, zum anderen durch Bestimmung der Gesamtproteinkonzentration erfolgen. Letztere Möglichkeit ist kompatibel mit einer Quantifizierung nach dem Drucken der Arrays und kann daher für die Korrektur von Fehlern bei der Lyse wie auch beim Drucken der Arrays herangezogen werden. Um eine Normalisierung über die pro Spot tatsächlich vorhandene Proteinmenge durchführen zu können, haben wir einen zusätzlichen Normalisierungsschritt eingeführt. Dieser beruht auf einer Anfärbung mit dem Fluoreszenzfarbstoff FAST Green FCF auf einem Array jeder Produktionscharge. Anfänglich wurden die Proben als Duplikate in einer 8-stufigen Verdünnungsreihe gespottet. Die lineare Korrelation zwischen Probenmenge und Signalintensität wurde anschließend zur Bestimmung der Proteinmenge herangezogen. Die hohe Anzahl von Spots begrenzte jedoch die Zahl der Proben pro Mikroarray. Daher drucken wir jede Probe in nur einer einzigen Konzentration, jedoch als Quadruplikat (Abb. 1). Zur Kalibrierung dient eine Verdünnungsreihe eines Proteinlysats. Insgesamt können so mit einem einzigen Mikroarray bis zu 500 verschiedene Proben untersucht werden. Die Spezifität der Antikörper muss vor der Routineanwendung in einer rigorosen Qualitätskontrolle untersucht werden. Diese wird in der Regel mithilfe eines Western Blots durchgeführt. Sofern die korrekte Größe des Zielproteins in einer singulären Bande detektiert wird, ist der Antikörper spezifisch und kann für alle weiteren Experimente auf Proteinarrays eingesetzt werden. Nach unseren Erfahrungen erfüllen jedoch nur 20–30 % aller getesteten Antikörper diese Qualitätskontrollen nicht und müssen verworfen werden. Informationen über die Verwendbarkeit von Antikörpern für Mikroarray-Applikationen finden mehr und mehr Eingang in die Publikationen und reduzieren so den Aufwand der Spezifitätsbestimmung für jede einzelne Arbeitsgruppe. Anwendungen von RPPAs in der Tumorforschung Proteinmikroarrays und insbesondere der RPPA-Ansatz haben sich als wertvolle experimentelle Plattform für die Untersuchung von dynamischen Ereignissen wie der Regulation der Genexpression durch transiente Phosphorylierung von Proteinen bei der Signaltransduktion erwiesen. Die Aktivierung bestimmter Proteinkinasen in Tumoren oder Tumorzellen – ein Kennzeichen der Tumorprogression – lässt sich mithilfe von Proteinarrays in hohem Durchsatz und bei geringem Zeitaufwand untersuchen. In der Regel enthält das Material einer Tumorbiopsie genug Zellen für eine umfassende histologische Charakterisierung und die Untersuchung mithilfe von Proteinarrays. Zunächst wurden RPPAs als experimenteller Ansatz für die Analyse von Prostata-Biopsieproben getestet[1]. Dabei wurde eine im Vergleich zu Normalgewebe verstärkte Phosphorylierung von phospho-AKT (PKB, v-aktmurine thymoma oncogene homolog 1) und phospho-ERK1/2 (extracellular signal regulated kinase) festgestellt, die Aktivierung beider Proteine spielt eine Rolle bei der Umgehung der Apoptose und der Zellzyklusprogession. Eine verstärkte Phosphorylierung von AKT deutet auf eine Unterdrückung der Apoptose hin, was mit der malignen Progression des Tumors korreliert. Quantitative Proteinarrays mit Detektion im Nah-Infrarot-Bereich (infrared-based protein detection arrays with quantitative readout) wurden von uns für die Untersuchung von Biopsieproben von gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) eingesetzt[3]. Tumoren erleiden häufig einen Verlust chromosomaler Bereiche: Bei 70 % der im Magen lokalisierten GISTs wird ein Verlust von 14q beobachtet. Eines der in diesem Bereich kodier- 730_775_BIOsp_0707.qxd:730_775 738 07.11.2007 14:11 Uhr Seite 738 WISSENSCHAFT · SPECIAL: BIOCHIPS IN DER KREBSFORSCHUNG ˚ Abb. 2: Analyse von AKT und phospho-AKT in gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) mit RPPA. A, Tumoren erleiden häufig genomische Veränderungen, z. B. den Verlust von chromosomalen Abschnitten wie von 14q. Neben anderen Genen befindet sich auf diesem chromosomalen Abschnitt auch das Gen für die Proteinkinase AKT1. B, Vergleichende Analyse von Tumoren mit einem Verlust von 14q mit solchen, die nicht über diese chromosomale Aberration verfügen. Eine verminderte Expression von AKT1 konnte auf der mRNA- wie auch auf der Proteinebene nachgewiesen werden. Jedoch ist diese Veränderung ohne großen Einfluss auf die phospho-AKT1 Konzentration in den Tumoren. ten Proteine ist die Proteinkinase AKT1, die als möglicher diagnostischer Faktor für die Beurteilung des metastatischen Potenzials von Tumoren bekannt ist. Mithilfe von quantitativer PCR konnten wir nachweisen, dass in Tumoren mit 14q-Verlust tatsächlich eine reduzierte Menge der AKT1-mRNA vorliegt (Abb. 2). Anschließend setzten wir die iPAQTechnologie ein, um zu klären, wie sich der Verlust einer Kopie des AKT1-Gens auf das Proteom in den Tumoren auswirkt. Wir beobachteten eine geringere Expression von AKT1, bei der allerdings interessanterweise der Aktivierungszustand des Proteins nahezu unverändert blieb. Dies kann entweder mit einer verstärkten Phosphorylierung von AKT1 oder aber mit einer verstärkten Expression des verwandten Proteins AKT2 erklärt werden. Auf diesem Weg hält die Tumorzelle offenbar die Funktion des für sie überlebenswichtigen zellulären Netzwerks aufrecht. Gastrointestinale Stromatumore mit Verlust einer Kopie des Chromosoms 9p zeichnen sich durch höhere Malignität und eine höhere Mitosenzahl aus. Dies deutet auf ein starkes Ungleichgewicht zwischen Zellzyklusprogression und Apoptose hin. Mit Proteinarrays konnten wir zeigen, dass Tumoren mit 9p-Verlust – im Vergleich zu solchen mit diploidem Chromosom 9p-Status – eine verstärkte Phosphorylierung des Tumorproteins RB an den Serinresten 807 und 811 aufweisen, die zudem eindeutig mit einer verstärkten Expression der Zellzykluskinase CDK2 korreliert. Beide Proteine wirken entscheidend bei der Tumorprogression mit. Die zuverlässige Analyse des Tumor-Proteoms führt zu einem besseren Verständnis der molekularen Mechanismen, die es der Tumorzelle ermöglichen zu proliferieren und der Apoptose zu entgehen. Die Hoffnung ist, durch Aufklärung des zeitlichen und räumlichen Zusammenspiels der deregulierten Prozesse individuelle Therapien wählen zu können, die optimal auf den Tumor des betroffenen Patienten abgestimmt sind. Proteinarrays und insbesondere der RPPA-Ansatz stellen hierfür eine geeignete experimentelle Plattform dar. Danksagung Die Autoren danken dem BMBF für die Förderung dieser Arbeiten im Rahmen des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) sowie Prof. Laszló Füzesi (Universität Göttingen). ó Literatur [1] Paweletz, C. P., Charboneau, L., Bichsel, V. E., Simone, N. L., Chen, T., Gillespie, J. W., Emmert-Buck, M. R., Roth, M. J., Petricoin III, E. F., Liotta, L. A. (2001): Reverse phase protein microarrays which capture disease progression show activation of pro-survival pathways at the cancer invasion front. Oncogene 20: 1981–1989. [2] Loebke, C., Sueltmann, H., Schmidt, C., Henjes, F., Wiemann, S., Poustka, A., Korf, U. (2007): Infrared-based protein detection arrays for quantitative proteomics. Proteomics 7: 558–564. [3] Haller, F., Loebke, C., Ruschhaupt, M., Schulten, H. J., Gunawan, B., Sueltmann, H., Korf, U., Füzesi, L.: Loss of chromosome 9p contributes to inactivation of the retinoblastoma protein RB via hyperphosphorylation on Serine 807 and Serine 811 in gastrointestinal stromal tumors (GISTs), enabling increased E2F1-dependent gene transcription and amplified cell proliferation. Eingereicht. Korrespondenzadresse: Dr. Ulrike Korf Abteilung Molekulare Genomanalyse Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 580 D-69120 Heidelberg Tel.: 06221-42 4765 Fax: 06221-42 3454 [email protected] AUTOREN 1 2 Die Abteilung Molekulare Genomanalyse am DKFZ in Heidelberg, geleitet von Prof. Annemarie Poustka, entwickelt neue Arbeitstechniken auf den Gebieten der Genom-, Transkriptom- und Proteomforschung. Für die Hochdurchsatzanalyse von Tumoren und anderen Proben hat Dr. Ulrike Korf (1) die Proteinarray-Technologie etabliert. In Zusammenarbeit mit PD Dr. Holger Sültmann (mRNA-Expressions-Analysen) und dem Institut für Pathologie an der Universität Göttingen wurden quantitative Untersuchungen von gastrointestinalen Stromatumoren durchgeführt. Christian Löbke (2) ist Doktorand in der Abteilung Molekulare Genomanalyse und Dr. Florian Haller als Pathologe an der Universität Göttingen tätig. BIOspektrum | 07.07 | 13. Jahrgang