Pathomorphologie und Molekulargenetik des Lungenkarzinoms

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MANUALTumoren der Lunge und des Mediastinums
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© 2000 by Tumorzentrum München
Pathomorphologie und Molekulargenetik
des Lungenkarzinoms
J. Müller-Höcker
Einleitung
In den industrialisierten Ländern ist das Lungenkarzinom bei Mann und Frau die häufigste
Todesursache. Trotz moderner Diagnostik, Staging und therapeutischer Fortschritte liegt die
Fünfjahres-Überlebensrate nach wie vor nur bei
ca. 15%. 70% der Lungenkarzinome bei Frauen
und 90% der Lungenkarzinome bei Männern
sind auf aktives Rauchen zurückzuführen. Die
exakte Risikoeinschätzung des passiven Rauchens ist problematisch. Asbest, Beryllium,
Arsen, Cadmium, Chrom, Senfgas, Nickel,
Vinylchlorid, Gammastrahlen, Alphastrahlen
(Radon) sowie Nitrosamine erhöhen ebenfalls
das Risiko. Zusätzlich zu physikalisch-chemischen Noxen kommen eventuell auch Ernährungsfaktoren. Bekannt ist, dass Betakarotine und Vitamin A eine protektive Wirkung
besitzen, die wahrscheinlich durch eine Begünstigung der zellulären Differenzierung und durch
antioxidative Aktivität vermittelt wird. Bei chronischen, interstitiellen Lungenerkrankungen ist
die Karzinominzidenz 14fach erhöht.Dabei spielen sicherlich neben chronisch-entzündlichen
Veränderungen und einem gesteigerten Zellumsatz Störungen in der Clearance inhalierter Karzinogene eine Rolle.
Trotz des dominierenden exogenen Einflusses
sind zusätzliche genetische Faktoren von Bedeutung. Dafür spricht, dass Angehörige von Patienten mit Lungenkarzinomen ein bis zu 2,5fach
erhöhtes Risiko aufweisen und im Durchschnitt
lediglich 10% der Raucher ein Lungenkarzinom
entwickeln. Unklar ist, welche Bedeutung genetisch determinierten Enzymsystemen insbesondere den mischfunktionellen Hydroxylasen
(Cytochrom-p-450-System) zukommt, die bei
der Metabolisation und Aktivierung von Kanzerogenen eine Rolle spielen. In Tierstudien
zumindest korreliert eine hohe enzymatische
Aktivität der Arylhydrocarbonhydroxylase mit
einem erhöhten Karzinomrisiko.
Molekulargenetische Untersuchungen haben
gezeigt, dass der Prozess der Kanzerisierung mit
mehrfachen Mutationen des nukleären Genoms
assoziiert ist. Es handelt sich dabei zum einen um
die Aktivierung von dominanten Protoonkogenen und die daraus resultierende Anhäufung
wachstumsfördernder Genprodukte sowie die
Inaktivierung von rezessiven Suppressorgenen
und den Ausfall wachstumshemmender Genprodukte.
Die bisher vorliegenden Daten zeigen jedoch,
dass entsprechende molekulargenetische Veränderungen jeweils nur in einem gewissen Prozentsatz der Lungenkarzinome und nicht in allen
Karzinomtypen in gleicher Weise vorliegen.
Zudem bleibt zu klären, inwieweit die molekulargenetischen Veränderungen direkt für die
Tumorentstehung oder inwieweit sie vielmehr
für die Tumorprogression von Bedeutung sind.
Die beim Lungenkarzinom insbesondere involvierten Protoonkogene sind vor allem mycOnkogene (c-myc, N-myc, L-myc), ras-Onkogene (K-ras, H-ras, N-ras) und c-erbB-1, c-erbB-2.
Selten aktivierte Onkogene sind c-vos, c-jun, u.a.
Mutationen an Suppressoronkogenen betreffen
insbesondere das Retinoblastomgen auf dem
langen Arm des Chromosom 13 sowie das p53Gen auf dem kurzen Arm des Chromosom 17.
Weitere involvierte Suppressorgene liegen auf
Pathomorphologie und Molekulargenetik des Lungenkarzinoms
Tabelle 1. Histologische Klassifikation maligner epithelialer Tumoren der Lunge.
1. Plattenepithelkarzinom
2. Kleinzelliges Karzinom
Kombiniertes kleinzelliges Karzinom
3. Adenokarzinom
a azinäres Adenokarzinom
b papilläres Adenokarzinom
c bronchioloalveoläres Karzinom
d solides Karzinom mit Schleimbildung
e andere
4. Adenosquamöses Karzinom
5. Großzelliges Karzinom
a großzelliges neuroendokrines Karzinom
b klarzelliges Karzinom
c basaloides Karzinom
d lymphoepitheliales Karzinom
6. Pleomorphes sarkomatoides Karzinom
7. Karzinoidtumoren
a typisch
b atypisch
8. Bronchialdrüsenkarzinom
a adenoidzystisches Karzinom
b mukoepidermoides Karzinom
9. Andere Karzinome
31
imponieren überwiegend als Rundherde, selten
bestehen dabei mehrfache Rundherde, die eine
metastatische Infiltration vortäuschen können.
Eine seltene Manifestation peripherer Karzinome ist die flächenhafte intra-subpleurale Ausbreitung, sodass makroskopisch der Aspekt
eines malignen Mesothelioms gegeben sein
kann. Bei bronchioloalveolären Karzinomen
lässt sich unter Umständen makroskopisch kein
umschriebener Herd abgrenzen. Vielmehr kann
bei diesem Karzinomtyp das Bild wie bei einer
Pneumonie vorliegen. Plattenepithelkarzinome
können gelegentlich als Kaverne imponieren,
insbesondere bei peripherer Lokalisation.
Durch Bronchusobstruktion bzw. Gefäßinfiltration können Sekundärveränderungen die klinische Manifestation beherrschen mit Ausbildung
chronisch-rezidivierender Pneumonien, Lungeninfarkten, sowie Blutungen. Aufgrund dieser
Veränderungen ist unter Umständen die exakte
Bestimmung der Tumorgröße durch bildgebende Verfahren erschwert.
Histopathologie
dem langen Arm des Chromosom 5 und betreffen den APC/MCC-Gen-Cluster, der bei der
Kanzerogenese im Dickdarm von Bedeutung ist
sowie noch nicht näher definierte Suppressorgene auf dem kurzen Arm des Chromosom 3.
Ziel der folgenden Darstellung ist eine Beschreibung der Morphologie und Molekularpathologie
des Lungenkarzinoms mit Erörterung der diagnostischen Probleme sowie Wertung prognostischer Faktoren.
Es wird allgemein davon ausgegangen, dass die
verschiedenen Typen der Bronchialkarzinome
sich aus pluripotenten Vorläuferzellen entwickeln.Für diese Annahme spricht vor allem die
morphologische Heterogenität der Tumoren,insbesondere das Vorkommen von differenzierten
Karzinomkomponenten, die bei kleinzelligen
Karzinomen vor allem nach Chemotherapie in
bis zu 20% zu beobachten sind. Die Klassifikation der Lungenkarzinome erfolgt entsprechend
der WHO, 3. Ausgabe, 1999 (Tabelle 1) in differenzierte und undifferenzierte Karzinome.
Makropathologie
Differenzierte Karzinome sind:
70% der Lungenkarzinome sind zentral im
Bereich großer Bronchien (Lappen-Segmentbronchien) lokalisiert. Die Lungenoberlappen
sind dabei häufiger betroffen als die Lungenunterlappen, die rechte Lunge aufgrund des größeren Volumens statistisch häufiger als die linke
Lunge. Zentrale Karzinome zeigen typischerweise einen Abbruch der Bronchusschleimhaut
und eine unscharfe periphere Begrenzung. Bei
peripheren Lungenkarzinomen, die bevorzugt
Adenokarzinome sind, ist eine Beziehung zum
Bronchus in der Regel nicht darstellbar. Sie
1. das Plattenepithelkarzinom und seine Varianten (basalzellig, kleinzellig),
2. das Adenokarzinom mit seinen Varianten
(azinär, papillär, solide mit Schleimbildung,
bronchioloalveolär),
3. kombinierte adeno-squamöse Karzinome.
Undifferenzierte Karzinome sind:
1. das kleinzellige Karzinom,
2. das großzellige Karzinom mit Unterformen.
J. Müller-Höcker
Die Inzidenz des Plattenepithelkarzinoms zeigt
über die letzten 15 Jahre eher eine abnehmende
Tendenz, dagegen ist ein Anstieg der Adenokarzinome zu verzeichnen. Durchschnittlic
liegt die Häufigkeit des Plattenepithelkarzinoms
zwischen 30–40%, des Adenokarzinoms zwischen 25 und 30%, des kleinzelligen bei 15–20%
und des großzelligen Karzinoms bei ca. 10–15%;
die Häufigkeit des kombinierten adeno-squamösen Karzinoms beträgt etwa 1–2%.
Seltene Karzinomtypen umfassen Karzinome,
die denen der Speicheldrüse äquivalent sind und
ihren Ausgang offenbar vom Bronchialdrüsensystem nehmen: Das mukoepidermoide Karzinom, das von adenosquamösen Karzinomen
abzutrennen ist, das adenoid-zystische Karzinom,
das überwiegend lokal infiltrativ wächst und selten metastasiert sowie das Azinuszellkarzinom.
Die Angaben über die Häufigkeit der verschiedenen Subtypen schwanken in Abhängigkeit vom
Untersuchungsgut (Alter, Beschäftigung, Autopsie, Biopsieserie, Geschlecht).
Plattenepithelkarzinom
Das Plattenepithelkarzinom ist trotz der zunehmenden Inzidenz der Adenokarzinome auch
heute noch das häufigste Karzinom, das mit Rauchen assoziiert ist.
90% der Plattenepithelkarzinome sind zentral
in Lappen-, Segment- oder Subsegmentbronchien lokalisiert und bilden eine weißlich-graue und
bröckelige Masse, die die Bronchien einengt.
10% sind peripher lokalisiert und machen 50%
der Pancoast-Tumoren aus. Peripher lokalisierte Plattenepithelkarzinome weisen eine Zunahme der Häufigkeit auf. Die Histologie des Plattenepithelkarzinoms zeigt aufgrund der
Tumorheterogenität deutliche Unterschiede der
Differenzierung.Hoch differenzierte Karzinome
weisen Hornperlen und reichlich Interzellularbrücken auf. Der Gehalt an Keratin ist unterschiedlich.Insbesondere Zellen mit hellem Zytoplasma enthalten wenig Keratin. In gering
differenzierten Karzinomen sind Verhornung
und Interzellularbrückenbildung nur gering und
fokal ausgebildet.
Für die Klassifikation als Plattenepithelkarzinom ist das Vorhandensein entweder von Horn-
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perlen oder Interzellularbrücken Bedingung.
Insbesondere Interzellularbrücken sind jedoch
in Lugenkarzinomen unter Umständen nur
schwer, anders als z.B. in der Mundhöhle, nachweisbar. Eine Abflachung der Zellen und plattenepitheliale Schichtung ohne Verhornung und
ohne Interzellularbrücken reicht somit anders
als z.B. beim Zervixkarzinom der Frau nicht für
die Klassifikation als Plattenepithelkarzinom
entsprechend der WHO aus. Derartige Karzinome sind in der Lunge als undifferenziert großzellig einzustufen. Kommen in Plattenepithelkarzinomen schleimbildende Einzelzellen vor,so
ist dies ebenfalls mit dem histologischen Typ
„Plattenepithelkarzinom“ vereinbar und nicht
als drüsige Differenzierung zu werten.
Von gewöhnlichen Plattenepithelkarzinomen
abzugrenzen ist das kleinzellige Plattenepithelkarzinom, das auch als basaloides Plattenepithelkarzinom bezeichnet wird und ähnlich
differenziert ist wie derartige Karzinome im
Bereich der Portio, der oberen Luftwege und des
Oropharynx bzw. Ösophagus. Dieser Karzinomtyp weist im Vergleich zum gewöhnlichen Plattenepithelkarzinom ein aggressiveres Wachstum
mit Tendenz zur frühen regionalen Metastasierung auf und ist vom kleinzelligen neuroendokrinen Karzinom abzugrenzen. Dabei kann der
immunhistochemische Nachweis von Keratin 5/6
und/oder 14 in den basaloiden Plattenepithelkarzinomzellen hilfreich sein, während neuroendokrine Marker typischerweise fehlen. Das
Plattenepithelkarzinom weist als einziger histologischer Typ eine klar definierte präinvasive
Phase in Form der Plattenepitheldysplasie bzw.
des Carcinoma in situ auf. Die Häufigkeit des
Übergangs in ein invasives Karzinom und die
Latenzzeiten sind jedoch noch nicht eindeutig
geklärt. Nach zehn bis 15 Jahren sollen bis zu
68% invasive Karzinome sich aus schweren Dysplasien entwickeln.
Adenokarzinom
Die Inzidenz des Adenokarzinoms ist geschlechtsabhängig. Der Anstieg der Adenokarzinome ist bei Frauen stärker als bei Männern.
Im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom und
kleinzelligem Karzinom weist das Adenokarzinom keine gleichermaßen strenge Beziehung
Pathomorphologie und Molekulargenetik des Lungenkarzinoms
zum Rauchen auf. Erhöhte Risiken der Adenokarzinomentwicklung bestehen bei bestimmten
Berufsgruppen (z.B.Zimmerer,Möbelhersteller,
Maler). 75% der Adenokarzinome liegen peripher und entstehen in Bronchien (Größe
< 3 mm), sodass sich ein Bronchusabbruch
der Schleimhaut in der Regel nicht nachweisen
lässt.
Die verschiedenen histologischen Typen (Tabelle 1) kommen teilweise gemischt vor, insbesondere drüsige und papilläre Adenokarzinome.
Häufig bestehen im Randbereich derartiger Karzinome auch Areale mit bronchioloalveolärem
Baumuster. Das bronchioloalveoläre Karzinom
entsteht im Bereich der terminalen Bronchien
und in Alveolen als solitärer oder multizentrischdiffuser Tumor, der eine Pneumonie imitiert. Der
Tumortyp entspricht der Jaagsiekte, einem virusassoziierten Lungenkarzinom bei Schafen und
Rindern. Für eine virusinduzierte Genese ergibt
sich beim Menschen bis jetzt jedoch kein Anhalt.
Interessant ist, dass die bronchioloalveolären
Karzinome die geringste Beziehung zur Raucheranamnese zeigen. Die bronchioloalveolären
Karzinome leiten sich teilweise von Pneumozyten 2, teilweise von Clarazellen ab und können
auch eine Schleimbildung aufweisen. Nach der
WHO-Klassifikation 1999 gelten als bronchioloalveoläre Karzinome ausschließlich solche ohne
Gefäß- oder Lungengerüstinvasion. Solche mit
Invasion sind demnach als Adenokarzinome
vom Mischtyp mit drüsigem bzw. bronchioalveolärem Baumuster zu verzeichnen.
Pulmonale Metastasen von extrapulmonalen
Adenokarzinomen (Magen, Darm, Pankreas,
Ovar, Mamma) können allerdings ein ähnliches
bronchioloalveoläres Wachstumsmuster aufweisen. Papilläre Adenokarzinome und bronchioalveoläre Karzinome weisen unter Umständen wie
seröse Ovarialkarzinome auch Psammomkörper
auf.
Die histologischen Kriterien für das Grading
beinhalten das Ausmaß der Drüsenbildung,
Regularität der Drüsenarchitektur, Zytologie,
Anteile solider Areale und das Ausmaß von
Nekrosen. Signifikante prognostische Unterschiede zwischen gut differenzierten und gering
differenzierten Tumoren sind allerdings nicht
belegt. Die Prognose der bronchioloalveolären
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Karzinome ist jedoch günstiger als die der übrigen Adenokarzinome. Adenokarzinome zeigen
zumindest in einzelnen Studien insbesondere im
Stadium I und II eine schlechtere Prognose als
Plattenepithelkarzinome. Dies ist wahrscheinlich auf die verstärkte Angioinvasion und daraus
resultierende frühzeitige hämatogene Streuung
(Gehirnmetastasen!) zurückzuführen. Zur Abgrenzung eines soliden großzelligen Karzinoms
von einem gering differenzierten Adenokarzinom kann der Nachweis von Schleim in der
PAS-Diastase-Färbung hilfreich sein. In adenosquamösen Karzinomen sind Zonen mit plattenepithelialen und drüsigen Arealen vorhanden
ohne Durchmischung der beiden Komponenten
(im Gegensatz zum mukoepidermoiden Karzinom). Da es sich um seltene Karzinome handelt,
liegen keine statistisch relevanten Aussagen zu
prognostischen Faktoren vor.
Großzelliges Karzinom
Der Begriff des großzelligen Karzinoms umfasst
pathomorphologisch Karzinome, die keine differenzierten Merkmale (squamös, drüsig) aufweisen und nicht kleinzellig sind. Daraus folgt, dass
die Zuordnung großzellig per exclusionem
erfolgt. Es ist deshalb verständlich, dass großzellige Karzinome histogenetisch uneinheitlich sind
und wahrscheinlich zu einem hohen Anteil
gering differenzierten Plattenepithel- bzw. insbesondere Adenokarzinomen entsprechen.
Unter den großzelligen Karzinomen kommen
solche mit neuroendokriner Differenzierung vor:
1. Großzellige Karzinome mit neuroendokriner
Morphologie und immunhistochemischem
Nachweis neuroendokriner Marker. Dies entspricht dem großzelligen neuroendokrinen
Karzinom.
2. Großzellige Karzinome ohne neuroendokrine
Morphologie, mit immunhistochemischem
Nachweis neuroendokriner Marker. Dies entspricht großzelligen Karzinomen mit neuroendokriner Differenzierung (siehe auch
Kapitel Karzinoidtumoren – neuroendokrine
Karzinome).
3. Großzellige Karzinome mit neuroendokriner
Morphologie, jedoch ohne neuroendokrine
Marker.
J. Müller-Höcker
Die großzelligen Karzinomtypen 2 und 3 werden
als Sondervarianten der großzelligen Karzinome
geführt. Das klinische Verhalten dieser Karzinome ist bis jetzt nicht eindeutig different von dem
gewöhnlicher großzelliger Karzinome.Das großzellige neuroendokrine Karzinom hingegen
unterscheidet sich hinsichtlich klinischem Verhalten, Therapie und Prognose nicht wesentlich
von den kleinzelligen neuroendokrinen Karzinome. Seltene Formen großzelliger Karzinome
zeigen eine überwiegend basaloide oder lymphoepitheliale Differenzierung.
In 70–80% der großzelligen Karzinome besteht
ein aneuploider DNA-Status. Detaillierte
Untersuchungen zur prognostischen Bedeutung
von Proliferationsmarkern sowie von molekulargenetischen Veränderungen derartiger Tumoren liegen zur Zeit nicht vor.
Pleomorphe, sarkomatoide Karzinome
Unter dieser Rubrik fasst die neue WHO-Klassifikation 1999 gering differenzierte nicht kleinzellige Karzinome zusammen, die neben
squamöser und drüsiger Differenzierung oder
großzelliger Komponente Spindelzellen oder
Riesenzellen enthalten oder ausschließlich aus
undifferenzierten spindelzelligen und/oder riesenzelligen Komponenten bestehen. In dieser
Rubrik finden sich demnach ebenso das
ursprüngliche als eine Variante des Plattenepithelkarzinoms aufgefasste spindelzellige
undifferenzierte Karzinom wie auch das riesenzellige Karzinom, das ursprünglich als eine Variante des großzelligen Karzinoms geführt wurde.
Als weitere Entitäten sind anzuführen das Karzinosarkom, das aus einem Mischbild von sarkomatösen und epithelialen karzinomatösen
Anteilen besteht mit heterologer sarkomatoider
Komponente (Knorpel, Knochen, Skelettmuskel, etc.).
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pleuropulmonale Blastom praktisch ausschließlich bei Kindern bis zum sechsten Lebensjahr beobachtet wird.
Kleinzelliges Karzinom
Kleinzellige Karzinome sind am häufigsten bei
starken Rauchern mit frühem Beginn zu finden
und bei Beschäftigten im Uranbergbau. 90% der
kleinzelligen Karzinome entstehen zentral. Die
Tumorzellen sind zwei- bis dreimal größer als
kleine Lymphozyten und weisen rundliche oder
länglich-spindelige Kerne auf mit einem fein verteilten Chromatin ohne auffällige Nukleolen. Es
bestehen in der Regel ausgedehnte Nekrosen
sowie zahlreiche Mitosen (bis über 200/10 HPF).
Im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom gibt
es keine präinvasive In-situ-Phase. Bis zu 20%
stellen kombinierte kleinzellige Karzinome dar
mit undifferenzierten großzelligen oder differenzierten drüsigen bzw. plattenepithelialen
Anteilen. Insbesondere häufig ist auch die Koexistenz von undifferenziert großzelligen und
kleinzelligen Anteilen. Kombinationen mit
differenzierten Karzinomen finden sich insbesondere im Autopsiegut nach durchgeführter
Chemotherapie. Im Gegensatz zu anderen Lungenkarzinomen weist das kleinzellige Karzinom
in der Regel nur eine geringe entzündliche Reaktion auf. 1/3 zeigen keine neuroendokrine
Granula im Elektronenmikroskop.
Hinsichtlich der Prognose ist nicht gesichert,dass
kombinierte kleinzellige-großzellige Karzinome
eine vergleichsweise schlechtere Prognose aufweisen.
Karzinoidtumoren – Neuroendokrine
Karzinome
Eine andere Variante stellt das Pulmoblastom
dar, das Drüsenformationen aus blastomatösen
Zellen sowie solide Anteile neuroendokriner
Zellen enthält und insgesamt einem unreifen
endodermalen Tumor mit Nachahmung der fetalen Lunge entspricht.
Das Spektrum der neuroendokrinen Tumoren
umfasst die Karzinoidtumoren mit ihren Varianten, typisches Karzinoid und atypisches Karzinoid, sowie die kleinzelligen und großzelligen
neuroendokrinen Karzinome. Auch die Karzinoidtumoren weisen eine, wenn auch geringere,
maligne Potenz auf. Die WHO-Klassifikation
1999 nimmt deshalb eine Unterteilung in drei
Malignitätsgrade vor:
Das klassische Pulmoblastom manifestiert sich
bevorzugt im Erwachsenenalter, während das
– Niedriger Malignitätsgrad, typisches Karzinoid
Pathomorphologie und Molekulargenetik des Lungenkarzinoms
– Intermediärer Malignitätsgrad, atypisches
Karzinoid
– Hoher Malignitätsgrad, kleinzelliges, großzelliges neuroendokrines Karzinom
Diese Klassifikation erscheint umfassender als
die Empfehlung, lediglich die atypischen Karzinoide als neuroendokrine Karzinome mit guter
Differenzierung bzw.als hoch differenzierte neuroendokrine Karzinome aufzufassen und mit den
kleinzelligen Bronchialkarzinomen sowie den
großzelligen neuroendokrinen Karzinomen in
die Gruppe der neuroendokrinen Karzinome
zusammenzufassen.Zudem ist es fraglich,dass es
sich hierbei um Tumoren gleichen Ursprungs
handelt mit lediglich unterschiedlicher Differenzierung, da insbesondere Karzinoide keine
Beziehung zur Raucherexposition aufweisen.
Diesen Tumoren gemeinsam ist in allen Fällen
eine neuroendokrine Morphologie. Abzugrenzen sind nicht-kleinzellige Karzinome ohne neuroendokrine Morphologie, jedoch mit immunhistochemisch nachweisbarer Differenzierung.
Diese ist etwa in 10–20% von Plattenepithel-,
Adenokarzinom und großzelligen Karzinomen
nachweisbar. Diese Karzinome werden entsprechend der WHO-Klassifikation 1999 unter den
jeweiligen Haupttypen geführt mit dem Hinweis
einer neuroendokrinen Differenzierung. Zum
jetzigen Zeitpunkt ist nicht geklärt, inwieweit
sich daraus prognostische Unterschiede ergeben.
Das typische Karzinoid ist in über 90% zentral
im Bereich großer Bronchien und Segmentbronchien lokalisiert und wächst polypös in das
Bronchiallumen vor.Vorwiegend handelt es sich
um solitäre, selten um multiple Tumoren. Die
Tumorzellen sind organoid in Ballen oder Trabekeln gelagert und besitzen kleine monomorphe Kerne ohne auffällige Nukleolen. Mitosen
sind selten (< 2/10 HPF). Nekrosen kommen
nicht vor. Feinstrukturell sind in über 50% der
Zellen neuroendokrine Granula nachweisbar.
Dementsprechend besteht regelhaft eine positive immunzytochemische Reaktion für einen
oder mehrere neuroendokrine Marker (NSE,
Chromogranin, Gammaenolase, Synaptophysin)
und für verschiedene Neuropeptide (Serotonin,
Bombesin, Kalzitonin, Somatostatin, ACTH,
VIP,ADH,Alpha-HCG etc.). Es handelt sich um
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eine epitheliale Neoplasie von niedrigem Malignitätsgrad. Die Fünfjahres-Mortalitätsrate liegt
zwischen 5–15%. Tumoren größer als 3 cm und
der Nachweis einer Gefäßinvasion und von
Lymphknotenmetastasen sind als prognostisch
ungünstig zu werten und korrelieren mit dem
Auftreten von Rezidiven bzw. hämatogenen
Metastasen. Die Expression von CEA, die in
30% beobachtet wird, soll ebenfalls mit einer
schlechteren Prognose einhergehen. Die Mehrzahl der Tumoren sind euploid (80%).
Das atypische Karzinoid ist in 50% peripher
lokalisiert. Es besitzt ebenso eine organoide Textur. Allerdings bestehen deutliche Kernpleomorphien,akzentuierte Nukleolen und vermehrt
Mitosen. Die mitotische Aktivität ist entscheidend für die Abgrenzung zwischen typischem,
atypischem Karzinoid und großzelligem neuroendokrinem Karzinom. Typische Karzinoide
zeigen Mitosen weniger als 2/10 HPF. Atypische
Karzinoide besitzen mehr als zwei Mitosen, bis
zu zehn Mitosen/10 HPF. Liegen mehr als
zehn Mitosen/10 HPF vor, so werden die Tumoren entsprechend der Vorgabe der WHO als
großzellige neuroendokrine Karzinome klassifiziert.
Die stärkergradige Atypie der atypischen Karzinoide korreliert mit einer schlechteren Prognose. Die Fünfjahres-Mortalitätsrate beträgt
30–40%. Die Tumoren sind überwiegend aneuploid (80%). Die zur Zeit zur Verfügung stehenden immunhistochemischen Marker erlauben
keine Unterscheidung der verschiedenen neuroendokrinen Tumoren. Bombesin (Gastrinreleasing Polypeptide, GRP) ist charakteristisch
für diese Tumorgruppe. Die übrigen Neuropeptide (s.o.) werden oft nur in Einzelzellen nachgewiesen. Bei großzelligen neuroendokrinen
Karzinomen kommt Alpha-HCG häufiger als
Bombesin vor.
Immunhistochemie
Immunhistochemische Untersuchungen sind mit
entscheidend in der Diagnostik von neuroendokrinen Tumoren der Lunge und von Pleuramesotheliomen (s. entsprechendes Kapitel) sowie
hilfreich bei der Abgrenzung von primären
Adenokarzinomen der Lunge von Metastasen
extrapulmonaler Adenokarzinome. Die Platten-
J. Müller-Höcker
epithelkarzinome der Lunge weisen in Abhängigkeit von ihrem Differenzierungsgrad spezifische Zytokeratine in unterschiedlicher Menge
auf (5, 6, 8, 10, 13, 14, 18, 19). In gering differenzierten Plattenepithelkarzinomen sind meist
noch die Keratintypen 5/6, 13 und 14 nachweisbar.
Fast alle Adenokarzinome exprimieren Keratin 7 (98%), auch die Keratine 8, 18 und 19,
jedoch keine plattenepithelialen Keratine (5, 6,
13, 14), sodass die Keratine 7 bzw. 5/6, 13 und 14
in der Differenzialdiagnose zwischen Adenobzw. Plattenepithelkarzinom hilfreich sind. Es
können jedoch auch in Adenokarzinomen
plattenepitheltypische Keratine vorkommen als
Hinweis auf eine zusätzliche squamoide Differenzierung. In einem geringen Prozentsatz ist in
Adenokarzinomen auch Vimentin nachweisbar.
Dies ist jedoch nur eingeschränkt differenzialdiagnostisch verwertbar. 2/3 der Adenokarzinome zeigen eine Expression von CEA, das jedoch
auch in den übrigen Haupttypen der Lungenkarzinome, wenn auch in geringerem Ausmaß,
vorkommt. Der Nachweis dient vor allem der
Abgrenzung von malignen Pleuramesotheliomen, die speziell bei Verwendung monoklonaler
Antikörper CEA-negativ sind. Ebenso findet
sich das BerEP 4-Epitop in Adeno- und meist
auch in den anderen Lungenkarzinomen, nicht
jedoch in Mesotheliomen.
Adenokarzinome der Lunge exprimieren ECadherin, nicht jedoch N-Cadherin, das in
Pleuramesotheliomen vorkommt (zur weiteren
Differenzialdiagnose s. Kapitel Pleuramesotheliom). Adenokarzinome der Lunge sind negativ
für CK20, das bevorzugt in gastrointestinalen
Karzinomen exprimiert wird.
Für das großzellige Lungenkarzinom existieren
keine charakteristischen immunhistochemischen Markerprofile: großzellige Karzinome
reagieren. Sie können sowohl plattenepitheliale
Marker, ebenso wie CEA und Surfactant-Apoprotein exprimieren. Bei der Abgrenzung von
papillären Adenokarzinomen des Ovars ist die
Expression von CA 12-5 hilfreich, papilläre
Schilddrüsenkarzinome sind durch den Nachweis von Thyreoglobulin abgrenzbar.
Ein positiver Nachweis von Surfactant-Apoprotein A/B ist in der Regel beweisend für ein
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Adenokarzinom der Lunge und wird in ca. 50%
der Fälle, insbesondere auch bei bronchioloalveolären Karzinomen beobachtet.Der Nachweis
von Surfactant-Protein erlaubt somit in der
Regel auch die Abgrenzung einer metastatischen
Lungeninfiltration. Selten wird Surfactant-Protein A, B auch in Lungenmetastasen von Mammakarzinomen nachgewiesen.Adenokarzinome
des Kolon, der Prostata, Nierenkarzinome sind
hingegen negativ. Hilfreich ist auch, u.a. bei
Ausschluss eines Schilddrüsenkarzinoms, der
Nachweis von Thyroid-Transcription-Factor 1
(TTF-1).
Neuroendokrine Tumoren (Karzinoide, kleinzelliges, großzelliges neuroendokrines Karzinom)
sind in der Regel durch die Expression endokriner Marker (NSE, Chromogranin und Synaptophysin) charakterisiert. Zudem ist regelhaft
NCAM (neurozelluläres Adhäsionsmolekül) in
den Tumorzellen nachweisbar mit Nachweis verschiedener Isoformen in den verschiedenen neuroendokrinen Tumortypen. NCAM ist allerdings
auch in Plattenepithelkarzinomen exprimiert.
Zudem werden bis zu 2/3 der nicht-kleinzelligen
Lungenkarzinome mit NSE markiert. Neuroendokrine Marker kommen in geringem Umfang
in differenzierten Karzinomen vor, ohne dass ein
neuroendokrines Karzinom besteht. Zudem
wird neuronspezifische Enolase (NSE), die in
60–100% der kleinzelligen Karzinome exprimiert wird,auch bei anderen Karzinomen (Niere,
Mamma, Ovar), bei Sarkomen sowie auch bei
Lymphomen beobachtet. Chromogranin, ein
Protein der endokrinen Zellgranula, wird in
geringerem Umfang nachgewiesen, besitzt
jedoch eine höhere Spezifität. Höhere Spezifität
und ausreichende Sensitivität kennzeichnen
Synaptophysin, ein integrales Membranglykoprotein, das in ca. 80% der kleinzelligen, jedoch
auch in ca. 8% der nicht kleinzelligen Karzinome nachweisbar ist. 25% der kleinzelligen
Karzinome sind allerdings negativ für neuroendokrine Marker wie Chromogranin und
Synaptophysin.
Spezifische Ergebnisse erbringt insbesondere
der immunzytochemische Nachweis von Neuropeptiden, wobei z.B. Bombesin in 20–70% der
Fälle nachgewiesen werden kann und als weitgehend lungenspezifisch anzusehen ist. Die neuroendokrinen Karzinome der Lunge weisen die
Pathomorphologie und Molekulargenetik des Lungenkarzinoms
37
Tabelle 2. Molekulargenetik und Ploidiestatus und ihre prognostische Bedeutung bei Lungenkarzinomen.
Karzinomtyp
Onkogenaktivierung
Prognose
Suppressorgen- Prognose
Inaktivierung
Aneuploidie- Prognose
status
Plattenepithelkarzinom
c-erbB-1, 65–90%
c-erbB-2, 30%
c-myc, 10–50%
ras (p21 ras) 40–70%
c-erbB-1, 15–40%
c-erbB-2 (p185),30%
k-ras, 30–40%
c-myc 10–50%
c-myc bis 100%
–
–
+–
+
+
+
+–
+–
+–
p53 ca. 70%
Rb 15–30%
+–
?
ca. 40–90%
+–
p53 ca. 30–40% + –
Rb 15–30%
?
ca. 40–90%
–
p53 70–80%
?
Rb bis zu 100% ?
70–80%
?
Adenokarzinom
Kleinzelliges
Karzinom
+ prognostisch ungünstig
– prognostische Bedeutung nicht gesichert
+– prognostische Bedeutung umstritten
? prognostische Bedeutung nicht bekannt
Keratine 8, 18 und 19 auf und zwar in einer charakteristischen punktförmig paranukleären
Reaktion.
Ploidiestatus
40–90% der Plattenepithelkarzinome und
Adenokarzinome sowie ca. 70–80% der kleinzelligen Karzinome weisen eine Aneuploidie auf
(Tabelle 2). Die prognostische Bedeutung des
Ploidiestatus ist für Adenokarzinome und kleinzellige Karzinome nicht gesichert. Für Plattenepithelkarzinome liegen widersprüchliche
Untersuchungsergebnisse vor.
Molekulargenetik (Tabelle 2)
Die bei den Lungenkarzinomen nachweisbaren
molekulargenetischen Veränderungen betreffen
Mutationen in Tumoronkogenen und Tumorsuppressorgenen.
Nicht-kleinzellige Bronchialkarzinome
Bei Plattenepithelkarzinomen besteht in unterschiedlichem Ausmaß eine Aktivierung von cerbB-1, c-erbB-2 und c-myc, ohne dass eine
Beziehung zur Prognose gesichert ist. Mutationen in ras-Onkogenen sind selten (ca. 5%).
Unabhängig vom Vorhandensein von Punktmutationen im ras-Onkogen (ca. 10–20%) wird bei
Plattenepithelkarzinomen in ca. 40–70% eine
immunhistochemische Reaktion für das Genprodukt p21-ras (21-kd-Protein) beobachtet, die
mit einer schlechteren Prognose einhergehen
soll. Mutationen des Suppressorgens p53 sind in
50–70% nachweisbar. Am häufigsten handelt es
sich dabei um eine Missense-Mutation, die mit
der Akkumulation eines funktionell inaktiven
immunhistochemisch nachweisbaren Proteins
einhergeht. 20% der Mutationen führen zu
einem Proteinverlust und sind somit immunhistochemisch nicht fassbar. Der Einfluss von p53Mutationen auf die Prognose ist mit Ausnahme
für die frühen Stadien nicht gesichert. 10–50%
der Dysplasien und bis zu 90% der Carcinomata in situ zeigen Akkumulationen von p53-Protein, ohne dass entsprechende Mutationen im
Genom vorliegen (Komplexierung mit mdm2?,
andere z.B. virale Proteine?). Die Mutation im
Suppressorgen p53 beinhaltet bevorzugt eine
G:C-T:A-Transversion, die in anderen Organen
nur selten beobachtet wird. In 15% besteht ein
Verlust von Retinoblastomgenprodukt (Rb). Rb
ist häufig inaktiviert durch eine Dysregulierung
des Phosphorylierungsweges, z.B. durch Überexpression von Zyklin D1 (in 45%) oder durch Verlust von Inhibitoren der Zyklin-abhängigen
Kinasen (CDK, in 65%). IGF-Rezeptoren werden in bis 80% nachgewiesen, allerdings ohne
Mutationen. Allelverluste betreffen bevorzugt
die Chromosomenabschnitte 3p, 9p, 17p, 13q und
5q und sind somit in hohem Maße mit Alterationen von Suppressorgenen assoziiert.
J. Müller-Höcker
38
Tabelle 3. Prognosefaktoren der Lungenkarzinome.
Gesicherte Faktoren
Stadium
Histologischer Typ
Eventuell zusätzliche Faktoren
Gefäßinvasion
Kapillardichte
Ploidiestatus (Plattenepithelkarzinom)
Grading (Plattenepithelkarzinom)
Molekulargenetische Parameter?
Aktivierung von K-ras-Onkogen und c-erbB-2 (Adenokarzinom)
Aktivierung von c-myc-Onkogen (kleinzelliges Karzinom)
Inaktivierung von p53-Suppressorgen (Plattenepithelkarzinom, Adenokarzinom)
Bei Adenokarzinomen korreliert, anders als bei
Plattenepithelkarzinomen, die Aktivierung von
c-erbB-2 (HER-2 neu) und die verstärkte
Expression von p185-Protein mit einer Verschlechterung der Prognose. Eine Amplifikation
von c-erbB-2-Gen ist sehr selten. Die Ursache
der Überexpression ist somit unklar. In 30–40%
findet sich bei Rauchern mit Adenokarzinomen
eine Mutation von k-ras (überwiegend in
Codon 12, Position 1), bei Nichtrauchern lediglich in 5%. Inwieweit k-ras-Mutationen mit einer
schlechteren Prognose einhergehen, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht eindeutig geklärt.
Insgesamt handelt es sich um kleine Untersuchungsserien, deren Ergebnisse durch weitere
Studien zu belegen sind. Patienten mit Adenokarzinomen und starkem Nachweis des epidermalen Wachstumsfaktorrezeptors (EGFR) weisen nach neueren Untersuchungen ebenfalls eine
schlechtere Prognose auf, mit einer FünfjahresÜberlebensrate von 25%, während bei geringer
Expression die Überlebensrate bei ca. 70–80%
liegt. In ähnlicher Weise deuten Untersuchungen
von Transforming growth factor alpha (TGFalpha) darauf hin, dass eine hohe Expression mit
einer schlechteren Fünfjahres-Überlebensrate
korreliert. p53- und Rb-Mutationen finden sich
in 30–40% ohne sichere Beziehung zur Prognose.
Kleinzellige und andere neuroendokrine
Tumoren
Bei kleinzelligen Karzinomen wird in bis zu
100% eine Überexpression von c-myc gefunden.
Beziehungen zur Prognose sind nicht gesichert.
Weder bei kleinzelligen, noch bei großzelligen
neuroendokrinen Karzinomen sind Mutationen
der ras-Onkogenfamilie typisch. p53- und RbSuppressorgene sind häufig mutiert bei kleinzelligen und großzelligen neuroendokrinen
Karzinomen (70–100%, Tabelle 3). Typische
Karzinoide weisen keine Mutationen von p53
und Rb auf. Atypische Karzinoide zeigen Mutationen von p53 und Rb in 20–40%.
Das Antiapoptose-Gen Bcl2 ist in 90% der kleinzelligen und großzelligen neuroendokrinen Karzinome verstärkt exprimiert, im Gegensatz zum
apoptotisch wirkenden Gen Bax. Die Dysbalance von Bcl2-Bax ist charakteristisch für die hoch
malignen neuroendokrinen Karzinome und auch
in 10–20% der atypischen Karzinoide nachweisbar, nicht jedoch in typischen Karzinoiden.Allelverluste für 3p, 13q14, 9p, 5q22, finden sich, mit
zunehmender Häufigkeit, in typischen Karzinoiden, atypischen Karzinoiden, klein-großzelligen
neuroendokrinen Karzinomen. Ein LOH-Verlust am MEN1-Gen (11q13) wurde in 65% sporadischer atypischer Karzinoide nachgewiesen,
nicht jedoch in kleinzelligen neuroendokrinen
Karzinomen. Darüber hinaus bestehen Hinweise, dass die Expression von Blutgruppenantigenen bei nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen
die Prognose beeinflusst. So ist bekannt, dass der
Verlust des Blutgruppenantigens A bei Patienten mit Blutgruppe A, AB bzw. die Expression
des Blutgruppenantigen H negativ mit der Prognose korreliert. Zudem deuten Untersuchungen
darauf hin, dass der Verlust der Expression von
Pathomorphologie und Molekulargenetik des Lungenkarzinoms
HLA-Klasse-I-Molekülen bei Adenokarzinomen und Plattenepithelkarzinomen mit einer
geringen Differenzierung und einem aneuploiden DNA-Status korreliert.
Der wichtigste Prognosefaktor bleibt nach wie
vor jedoch das Tumorstadium (Tabelle 3). Der
Einfluss des histologischen Typs zeigt sich unbestritten beim kleinzelligen Karzinom. Hinsichtlich der prognostischen Unterscheidung von
Adenokarzinomen und Plattenepithelkarzinomen bestehen hingegen widersprüchliche Ergebnisse.
Metastasierung
Plattenepithelkarzinome zeigen zum Zeitpunkt
der Diagnose überwiegend eine lokale Manifestation eventuell mit hilären Lymphknotenmetastasen. Hämatogene Metastasen sind hingegen
zum Zeitpunkt der Diagnose selten. Insbesondere bei Adenokarzinomen, kleinzelligen Karzinomen und großzelligen Karzinomen besteht
dagegen häufig zum Zeitpunkt der Diagnose
bereits eine hämatogene Streuung. Bevorzugte
Organe sind das Gehirn, die Nebennieren, die
Leber und das Skelett. Insbesondere können
Gehirnmetastasen die erste klinische Manifestation derartiger Karzinome darstellen. Das Problem der Tumoreinzelzelldissemination wird zur
Zeit ausführlich diskutiert, insbesondere die
prognostische Relevanz des Nachweises von disseminierten Tumorzellen im Lymphknoten und
Knochenmark (Pantel et al. 1993, 1996). Therapeutische Konsequenzen ergeben sich daraus
zum Zeitpunkt jedoch nicht.
Differenzialdiagnose
Die Differenzialdiagnose umfasst insbesondere
die Abgrenzung einer metastatischen Infiltration der Lunge. Beispielsweise stellen 20% der
malignen Rundherde Metastasen anderer
Primärtumoren dar. Speziell bei drüsigen Karzinomen gilt es, andere Primärtumoren auszuschließen, wobei insbesondere Tumoren des
Gastrointestinaltraktes einschließlich des Pankreas zu berücksichtigen sind. Bei papillären Karzinomen ist insbesondere an ein metastasierendes papilläres Schilddrüsenkarzinom zu denken.
Kommen Psammomkörper vor, so ist neben
39
einem psammombildenden Karzinom der Lunge
insbesondere auch ein papilläres Ovarialkarzinom zu berücksichtigen (s.o.). Schließlich besteht
bei peripheren Adenokarzinomen die Differenzialdiagnose nicht nur gegenüber einem Pleuramesotheliom, sondern auch einer Pleurakarzinose. Großzellige Lungenkarzinome sind, wenn
es sich um die klarzellige Variante handelt, vor
allem von Metastasen eines hellzelligen Nierenkarzinoms abzugrenzen. Auch kleinzellige Karzinome können eine metastatische Infiltration
der Lunge darstellen, da sie beispielsweise auch
im Ösophagus, im Pankreas oder auch im Larynx
wie auch anderen Organen vorkommen.Schließlich ist bei kleinzelligen Karzinomen unter
Umständen die Abgrenzung von einem Lymphom vorzunehmen. Schwierigkeiten kann auch
die Abgrenzung der spindelzelligen Variante des
pleomorphen Karzinoms bereiten sowie die
Abgrenzung metastatischer Infiltrate eines
kleinzelligen malignen Melanoms, Rhabdomyosarkoms, Ewingsarkoms, PNET oder
eines olfaktorischen Neuroblastoms. Ebenso ist
die Abgrenzung eines atypischen Karzinoids von
Wichtigkeit, da diese Tumoren eine bessere Prognose als kleinzellige Bronchialkarzinome aufweisen.
Probleme der Diagnostik
In der bioptischen Diagnostik bestehen die größten Probleme in der sicheren Diagnose des kleinzelligen Karzinoms, das, wenn keine strikten
Kriterien angelegt werden, in bis zu 10% überdiagnostiziert wird. Dies ist insbesondere der
Fall, wenn Quetschartefakte die Beurteilung
beeinträchtigen.
Aufgrund der bestehenden Tumorheterogenität
kann zudem die Biopsiediagnose eines großzelligen undifferenzierten Karzinoms in der endgültigen Beurteilung am Resektat eine Korrektur erfahren, wenn es sich um undifferenzierte
Anteile eines Plattenepithel- oder drüsigen Karzinoms handelte.
Nach wie vor beinhaltet die Klassifikation der
Lungenkarzinome in die Hauptgruppen nach
WHO auch für geübte Untersucher unter
Umständen ihre Schwierigkeiten, sodass von
Untersucher zu Untersucher Abweichungen in
der Zuordnung zu den verschiedenen Haupt-
J. Müller-Höcker
typen bestehen können. Noch größere Abweichungen bestehen beim ohnehin stark subjektiven Grading.
Zusammenfassung
Das Lungenkarzinom präsentiert sich klinisch,
morphologisch und molekulargenetisch als eine
heterogene Tumorgruppe.Gesichert ist,dass zwischen dem histologisch definierten Tumortyp,
sowie dem Tumorstadium und der Prognose enge
Korrelationen bestehen. Lediglich bei Plattenepithelkarzinomen stellt der Differenzierungsgrad eventuell einen zusätzlichen Prognosefaktor dar. Weitere möglicherweise zusätzliche
prognostische Faktoren sind die Kapillardichte
und das Vorliegen einer Gefäßinvasion.Der Ploidiegrad als prognostischer Marker ist für die verschiedenen Typen des Lungenkarzinoms von
unterschiedlicher Bedeutung und spielt wahrscheinlich beim Plattenepithelkarzinom eine
gewisse Rolle.
Die Ergebnisse der Molekulargenetik haben die
Kenntnisse über die Pathogenese des Lungenkarzinoms beträchtlich erweitert. Die Bedeutung der molekulargenetischen Veränderungen
als Prognoseparameter gilt es jedoch nach wie
vor durch weitere kontrollierte Studien abzusichern. Insbesondere rechtfertigen die bis jetzt
vorliegenden Ergebnisse noch nicht die Anwendung molekulargenetischer Untersuchungen als
Routineverfahren in der Diagnostik und Differenzialdiagnose.
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