Länder Leben und Arbeiten zwischen Tradition und Hightech +++ Steuerrechtliche Aspekte der Mitarbeiterentsendung nach Indien +++ Die Zahl deutscher Unternehmen, die den Markteintritt in Indien wagen, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Gleichzeitig wuchs auch die Anzahl der Mitarbeiterentsendungen in dieses faszinierende Land. Mit dem Ende der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat diese Entwicklung wieder deutlich an Dynamik gewonnen. Dipl. Finanzwirtin Wilma Koch, Steuerberaterin und Fachberaterin für internationales Steuerrecht, Mitarbeiterin der DHPG Dr. Harzem und Partner KG, Bonn im Bereich Global Mobility Tax Services Dipl. Kaufmann (Fh) Benedikt Owerdieck, Mitarbeiter der DHPG Dr. Harzem und Partner KG, Bonn im Bereich Global Mobility Tax Services 24 Indien gehört neben Brasilien, Russland und China zu den sogenannten BRIC-Staaten, denen zurzeit ein enormes wirtschaftliches Potenzial zugesprochen wird. Mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von rund sieben Prozent in den vergangenen zehn Jahren gehörte das Land stets zur Weltspitze. Dabei haben sich sowohl der Industriesektor als auch der tertiäre Sektor einschließlich der Informations-Technologie als Zugpferde des Wirtschaftswachstums etabliert. Die indische Regierung unterstützte diese Entwicklung aktiv, unter anderem durch die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen. Mitarbeiterentsendungen nach Indien gehören trotz der stetig wachsenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen Indien und Deutschland noch nicht zum Alltag in den Personalabteilungen. Neben der intensiven Vorbereitung des Auslandseinsatzes im Hinblick auf visa-, arbeitsund sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen sollte auch die steuerliche Situation des Mitarbeiters in beiden Ländern einer Prüfung unterzogen werden. Neben dem Sozialversicherungsabkommen vom 8. Oktober 2008 (in Kraft getreten zum 1. Oktober 2009) gilt es, insbesondere das Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Indien und Deutschland1 (DBA Indien) aus dem Jahr 1995 zu beachten. Im Folgenden sollen daher einige ausgewählte steuerrechtliche Aspekte der Mitarbeiterentsendung von Deutschland nach Indien, unter Berücksichtigung der deutschen und indischen Einkommensteuergesetze sowie des DBA Indien, dargestellt werden. Steuerliche Pflichten des Mitarbeiters und des Arbeitgebers in Deutschland während der Entsendung Die steuerlichen Pflichten des Mitarbeiters in Deutschland sind stets mit der Frage verbunden, ob dieser für die Dauer seiner Entsendung seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält oder aufgibt. Bei einer Beibehaltung des Wohnsitzes unterliegt er weiterhin in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht und muss seine gesamten Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterwerfen. Grundsätzlich gilt dies auch für den Arbeitslohn, den der Mitarbeiter für seine Tätigkeit in Indien erhält. Der Arbeitslohn wird aber in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Einkommensteuer freigestellt, wenn Indien nach dem DBA hierfür das Besteuerungsrecht hat (siehe unten) und der Arbeitnehmer die Versteuerung in Indien nachweisen kann. Gibt der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in Deutschland für die Dauer der Entsendung auf, ist er in Deutschland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig. Für das Wegzugs- bzw. Rückkehrjahr ist der Mitarbeiter zur Abgabe einer Steuererklärung in Deutschland verpflichtet. Die Einkünfte, die er außerhalb der Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht erzielt, unterliegen im Inland dem Progressionsvorbehalt. Auch für die steuerlichen Pflichten des Arbeitgebers ist entscheidend, ob der Arbeitnehmer während der Entsendung seinen deutschen Wohnsitz beibehält oder aufgibt. Der Arbeitgeber ist zum Einbehalt und zur Abführung der deutschen Lohnsteuer des Arbeitnehmers verpflichtet, solange dieser unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Allerdings kann der Arbeitgeber die Freistellung von der Lohnsteuerabzugsverpflichtung beantragen, wenn das Gehalt nach dem DBA Indien nicht in Deutschland zu versteuern ist.2 Personal.Managerr 1/2011 Länder Wenn der Arbeitnehmer seinen deutschen Wohnsitz aufgegeben hat, aber während der Entsendung für seinen deutschen Arbeitgeber einige Arbeitstage in Deutschland tätig wird, unterliegt er mit dem Gehalt für diese Arbeitstage der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall zum Lohnsteuereinbehalt verpflichtet. Ob dabei die Tages- oder Monatslohnsteuertabelle anzuwenden ist, sollte mit Verweis auf die Änderung der Lohnsteuerrichtlinien 20113 durch eine Lohnsteueranrufungsauskunft beim Betriebsstättenfinanzamt geklärt werden. Soweit keine besondere Lohnsteuerbescheinigung für beschränkt Steuerpflichtige4 beim zuständigen Betriebsstättenfinanzamt des Arbeitgebers beantragt wurde, ist die Lohnsteuer nach Klasse VI einzubehalten. Steuerliche Pflichten des Mitarbeiters und des Arbeitgebers in Indien während der Entsendung Wie auch das deutsche Steuerrecht unterscheidet das indische Steuerrecht zwischen beschränkt und unbeschränkt Steuerpflichtigen. Ob der Mitarbeiter in Indien beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtig wird, hängt davon ab, ob und wie er in Indien ansässig wird. Dabei ist zu beachten, dass das Steuerjahr in Indien vom Kalenderjahr abweicht, es beginnt am 1.4. eines Jahres und endet am 31.3. des Folgejahres. Die Übersicht (oben rechts) stellt die unterschiedlichen Arten der Ansässigkeit in Indien dar. Mitarbeiter, die erstmalig nach Indien entsandt werden, gelten in der Regel in den ersten zwei Jahren als RNOR. Die indische Gesellschaft ist als wirtschaftlicher Arbeitgeber verpflichtet, von dem Gehalt des Mitarbeiters Lohnsteuer einzubehalten, und zwar auch für Lohnzahlungen des deutschen Stammunternehmens, sofern diese für die Arbeit in Indien geleistet werden. Der Spitzensteuersatz beträgt 30 Prozent und ist bereits ab einem Jahreseinkommen von 500.000 INR (rund 8.300 EUR, Umrechnungskurs vom 31.12.2010) anzuwenden. Hinzu kommt eine Bildungsabgabe in Höhe von 3 Prozent der Einkommensteuer. Im Gegensatz zum deutschen Steuerrecht sind in Indien Personal. e so a Manager a ager 1/2011 / 0 Art der Ansässigkeit Bedingung Art der Steuerpflicht ROR Resident and ordinarily resident a) Aufenthalt in Indien für min. 182 Tage im Steuerjahr oder b) Aufenthalt in Indien für min. 60 Tage im Steuerjahr und insgesamt min. 365 Tage in den vier vorangegangenen Steuerjahren unbeschränkt steuerpflichtig mit dem gesamten Welteinkommen RNOR Resident and not ordinarily resident Erfüllung einer der o.g. Bedingungen und a) keine Ansässigkeit in min. neun der vorangegangenen zehn Steuerjahre oder b) kein Aufenthalt von mehr als insgesamt 729 Tagen in den vorangegangenen sieben Steuerjahren beschränkt steuerpflichtig mit Einkommen aus indischen Quellen; zusätzlich mit Einkommen aus ausländischen Quellen, soweit das Geschäft von Indien aus beherrscht wird NR Non Resident weder ROR noch RNOR beschränkt steuerpflichtig mit Einkommen aus indischen Quellen viele Erstattungen des Arbeitgebers (etwa die Übernahme von Mietnebenkosten) steuerpflichtig oder nur in geringem Ausmaß steuerfrei. Die Gewährung geldwerter Vorteile führt beim Arbeitnehmer zu steuerpflichtigem Arbeitseinkommen. Die im Jahr 2005 eingeführte Fringe Benefits Tax war letztmalig im Steuerjahr 2008/2009 anzuwenden. Hierbei erfolgte die Versteuerung der geldwerten Vorteile mit abgeltender Wirkung über den Arbeitgeber. Natürliche Personen sind verpflichtet, bis zum 30. Juli eine Einkommensteuererklärung für das vorangegangene Steuerjahr abzugeben. Vor dem endgültigen Verlassen des Landes hat der Arbeitnehmer bei den zuständigen Steuerbehörden eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (no objection certificate) zu beantragen. In der Regel stellen die Behörden diese Bescheinigung nur aus, wenn ihnen eine Bürgschaft des indischen Arbeitgebers oder einer in Indien ansässigen Person über die Übernahme etwaiger Steuerschulden des Mitarbeiters in Indien vorliegt. Maulik Doshi, Partner, Leiter des Bereichs International Tax bei der SKP Group, Mumbai, Indien. 25 Länder Vermeidung der Doppelbesteuerung nach dem DBA Indien Entscheidend dafür, welchem Staat das Besteuerungsrecht für das Gehalt des Mitarbeiters während der Entsendung zusteht, ist die Frage, in welchem Staat der Mitarbeiter nach dem DBA Indien ansässig ist. Das ist nach Artikel 4 DBA Indien grundsätzlich der Staat, in dem der Mitarbeiter unbeschränkt steuerpflichtig ist. Ist er in beiden Staaten unbeschränkt steuerpflichtig und hat er in beiden Staaten Wohnsitze, ist er meist in dem Staat ansässig, in dem der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt. Bei verheirateten Arbeitnehmern ist dies grundsätzlich der Staat, in dem die Familie wohnt. Das Besteuerungsrecht für Arbeitsgehälter steht dem Ansässigkeitsstaat zu, es sei denn, die Tätigkeit wird im anderen Staat ausgeübt (vgl. Artikel 15 Absatz 1 DBA Indien). Der Tätigkeitsstaat hat aber gemäß Artikel 15 Abs. 2 DBA Indien das Besteuerungsrecht für das Gehalt nur, wenn y 1. sich der Arbeitnehmer an mehr als 183 Tagen während des Steuerjahres dort aufhält oder 2. das Gehalt von oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber gezahlt wird oder 3. das Gehalt zu Lasten einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat gezahlt wird. Das erste Kriterium stellt auf den physischen Aufenthalt des Mitarbeiters im Tätigkeitsstaat ab. Dadurch, dass in Indien ein vom Kalenderjahr abweichendes Steuerjahr gilt, kann sich der Mitarbeiter an mehr als 183 Tagen im Kalenderjahr in Indien aufhalten, ohne dass es zur Besteuerung des Arbeitslohns in Indien kommt. nen als wirtschaftlicher Arbeitgeber im Sinne der Nummer zwei anzusehen. Hingegen kann bei einer Mitarbeiterentsendung zu einem Kunden davon ausgegangen werden, dass dieser kein wirtschaftlicher Arbeitgeber im vorgenannten Sinne werden kann. Das dritte Kriterium knüpft inhaltlich an die Nummer zwei an. Auch hier muss die Frage geklärt werden, wer den Arbeitslohn wirtschaftlich trägt. Sofern das Besteuerungsrecht für das Gehalt Indien als Tätigkeitsstaat zusteht, vermeidet Deutschland als Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung durch Freistellung des Arbeitslohns mit Progressionsvorbehalt. Die Freistellung ist an den Nachweis der Versteuerung im Ausland geknüpft. Die Höhe des Progressionsvorbehalts ist dabei nach deutschen steuerrechtlichen Vorgaben zu ermitteln. Daher kann die Höhe des in Indien zu versteuernden Arbeitseinkommens von der Höhe des Progressionsvorbehalts abweichen, wenn etwa Teile der Vergütung (z.B. Erstattungen für doppelte Haushaltsführung) in Deutschland steuerfrei gewesen wären. Fazit Eine Mitarbeiterentsendung von Deutschland nach Indien ist nicht nur für den Mitarbeiter selbst mit vielen steuerrechtlichen Herausforderungen verbunden. Auch für die Personal- und Entgeltabteilung gilt es, eine Vielzahl von steuerrechtlichen Vorschriften zu beachten. Aus Sicht des Unternehmens sollte frühzeitig mit der Entsendungsplanung begonnen werden. Es ist dabei zu empfehlen, Steuerberater aus beiden Ländern bereits in den Planungsprozess einzubeziehen, um Haftungsfälle für den Arbeitgeber auszuschließen und Steuernachteile für den Arbeitnehmer zu vermeiden. 1 Das zweite Kriterium richtet sich nach der Frage, wer wirtschaftlicher Arbeitgeber des Mitarbeiters ist. Dabei ist die Formulierung „gezahlt wird“ weit auszulegen. Es kommt dabei weniger auf die Auszahlung des Gehalts als auf das wirtschaftliche Tragen der Vergütung und das Eingebundensein des Mitarbeiters in die Organisation der Gastgesellschaft an. Sofern die Entsendung länger als drei Monate dauert oder das Gehalt innerhalb des Konzerns an die Gastgesellschaft weiterbelastet wird, ist die Gastgesellschaft im Allgemei- 26 2 3 4 Der Abkommenstext steht kostenlos auf der Seite des Bundesfinanzministeriums www.bundesfinanzministerium.de zum Download bereit. Das Antragsformular ist erhältlich unter www.formulare-bfinv.de im Bereich Steuerformulare/Lohnsteuer. R 39b.5 Abs. 2 S. 3 LStR 2008 lautet ab 2011 wie folgt: Solange das Dienstverhältnis fortbesteht, sind auch solche in den Lohnzahlungszeitraum fallende Arbeitstage mitzuzählen, für die der Arbeitnehmer keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn bezogen hat. Siehe Fn. 2 Personal.Managerr 1/2011