Knochenkrebs bei Kindern und Jugendlichen

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Knochenkrebs
bei Kindern und Jugendlichen
Immunzellen im Tumor beeinflussen Therapieerfolg
Mit neuen Methoden der Probenaufbereitung ist es Wissenschaftlern
des Universitätsklinikums Heidelberg erstmals gelungen, beim Knochenkrebs Osteosarkom bestimmte Immunzellen im Tumorgewebe unter dem Mikroskop sichtbar zu machen und deren Einfluss auf Aggressivität der Erkrankung und Erfolgsaussichten der Therapie zu zeigen.
D
amit steht den Medizinern ein neuer Biomarker zur Verfügung, mit dem sie für jeden
Patienten bereits zum Zeitpunkt der Diagnose den
Krankheitsverlauf besser einschätzen können. Von
den Erkenntnissen erhoffen sich die Forscher auch
Ansatzpunkte für neue, personalisierte Therapien,
die an den Immunzellen angreifen. Die Kinderkrebsstiftung hat das Forschungsprojekt seit 2007 mit
rund 180.000 Euro gefördert.
Das Osteosarkom ist die häufig­
ste primäre Krebserkrankung des
Knochens und betrifft vor allem
Kinder und Jugendliche. Jährlich
erkranken in Deutschland 300
Patienten neu. Die meisten Osteosarkome wachsen und streuen
Das Universitätsklinikum Heidelsehr schnell. Bislang erhalten alle
berg ist eines der bedeutendsten
medizinischen Zentren in DeutschPatienten eine Behandlung aus
land; die Medizinische Fakultät der
Chemotherapie und Operation.
Universität Heidelberg zählt zu
Trotz intensiver Forschung konnden international renommierten
ten in den letzten drei Jahrzehnbiomedizinischen Forschungseinten keine neuen Therapieoptionen
richtungen in Europa. Gemeinetabliert gefunden werden, die zu
sames Ziel ist die Entwicklung
einer wesentlichen Verbesserung
innovativer Diagnostik und Therader Überlebenschance für Osteopien sowie ihre rasche Umsetzung
sarkompatienten geführt hätten.
für den Patienten. Klinikum und
Da die Knochenkrebszellen sich
Fakultät beschäftigen rund 12.600
sehr
stark voneinander unterscheiMitarbeiterinnen und Mitarbeiter
und engagieren sich in Ausbildung
den, hatten die Wissenschaftler Dr.
und Qualifizierung. In mehr als 50
Pierre Kunz, Facharzt für Orthoklinischen Fachabteilungen mit ca.
pädie und Unfallchirurgie an der
1.900 Betten werden jährlich rund
Orthopädischen Universitätsklinik
66.000 Patienten voll- bzw. teilstaHeidelberg, und Privatdozent Dr.
tionär und mehr als 1.000.000 mal
Benedikt Fritzsching, Kinderarzt
Patienten ambulant behandelt.
am Zentrum für Kinder- und JuDas Heidelberger Curriculum Megendmedizin Heidelberg, daher zu
dicinale (HeiCuMed) steht an der
Studienbeginn die Idee, nicht die
Spitze der medizinischen AusbilTumorzellen selbst, sondern deren
dungsgänge in Deutschland. DerUmfeld, also Gefäße und Immunzeit studieren ca. 3.500 angehende
Ärzte in Heidelberg.
zellen, zu untersuchen.
Uniklinikum und
Medizinische
­Fakultät Heidelberg
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Köpereigenes Abwehrsystem als
Schutzschild
Über die Rolle des körpereigenen Immunsystems
beim Osteosarkom war bislang wenig bekannt,
weil es sehr schwierig ist, wichtige Immunzellen bei
diesem Knochenkrebs mikroskopisch nachzuweisen.
Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass sich das
Osteosarkom – wie bereits von anderen Krebsarten
bekannt – das Immunsystem des Körpers zunutze
macht. Im Tumor stehen sich verschiedene Arten von
Immunzellen gegenüber: Zum einen Immunzellen,
die entartete Krebszellen erkennen und sie zerstören. Zum anderen schützt sich der Tumor, indem er
gezielt Immunzellen anlockt, die diese Abwehrreaktionen des Körpers hemmen. Die Forscher fanden heraus, dass sich aus dem Verhältnis beider Zellsorten in
der Gewebeprobe Aussagen über Aggressivität der
Erkrankung und Therapieerfolg treffen lassen.
„Die Rolle des körpereigenen Immunsystems im
Osteosarkom ist größer als bislang angenommen“,
erklärt Dr. Pierre Kunz. „Hier könnte sich ein beim
Literatur
„CD8+/FOXP3+ ratio in osteosarcoma microenvironment separates
survivors from non-survivors: a multicenter validated retrospective
study”
Fritzsching B, Fellenberg J, Moskovszky L, Sápi Z, Krenacs T, Machado I, Poeschl J, Lehner B, Szendrõi M, Ruef P, Bohlmann M, Llombart
Bosch A, Ewerbeck V, Kinscherf R, Kunz P: OncoImmunology, 2015,
doi: 10.4161/2162402X.2014.990800
„Improved survival in osteosarcoma patients with atypical low
vascularization”
Kunz P, Fellenberg J, Moskovszky L, Sápi Z, Krenacs T, Machado I, Poeschl J, Lehner B, Szendrõi M, Ruef P, Bohlmann M, Llombart Bosch
A, Ewerbeck V, Kinscherf R, Fritzsching B: Ann Surg Oncol Volume
22, Issue 2 (2015), Page 489-496. DOI: 10.1245/s10434-014-4001-2
„Osteosarcoma microenvironment: whole-slide imaging and optimized antigen detection overcome major limitations in immunohistochemical quantification”
Kunz P, Fellenberg J, Moskovszky L, Sápi Z, Krenacs T, Poeschl J, Lehner B, Szendrõi M, Ewerbeck V, Kinscherf R, Fritzsching B.: PLoS One.
2014 Mar 3;9(3):e90727. doi: 10.1371/journal.pone.0090727
Osteosarkom bisher kaum beachtetes Therapiefeld
eröffnen.“ Medikamente, die gezielt Abwehrreaktionen des Körpers stärken oder vom Tumor genutzte,
hemmende Immunzellen schwächen, gibt es schon;
sie werden bei anderen Krebserkrankungen bereits
erfolgreich eingesetzt. „Inwiefern solche Immuntherapien auch Osteosarkom-Patienten helfen können,
müssen umfangreiche Studien in der Zukunft noch
zeigen.“
Gewebeproben für die
mikroskopische Untersuchung
Um die Gewebeprobe eines Osteosarkoms unter
dem Mikroskop untersuchen zu können, müssen die
Wissenschaftler das knöcherne Material mit speziellen chemischen Verfahren aufbereiten. „Wendet
man die herkömmlichen Verfahren zur Aufbereitung
der Biopsien an, bleiben wesentliche Immunzellen
unsichtbar“, weiß Dr. Kunz. Einiges Tüfteln war notwendig, bis es dem Heidelberger Team gelang, die
Proben so aufzubereiten, dass sich die vom Tumor
genutzten, hemmenden Immunzellen unter dem
Mikroskop erkennen ließen.
„Jetzt können wir diese und andere Immunzellen
anfärben, verschiedene Arten unterscheiden und
quantifizieren“, so PD Dr. Benedikt Fritzsching, der
schon seit vielen Jahren an diesen Immunzellen
forscht. Ein weiterer Erfolgsfaktor: Sie entschlossen
sich den aufwendigen Weg einer sogenannten
­„Whole-Slide-Analyse“ zu gehen, bei der sie die
gesamte Gewebeprobe von ein bis zwei Quadratzentimetern analysieren, anstatt wie sonst üblich nur
einen sehr kleinen Anteil. „Das Osteosarkom ist ein
sehr heterogener Tumor – prüft man nur einen sehr
kleinen Ausschnitt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch,
dass dieser gar nicht repräsentativ für den ganzen
Tumor ist“, erklärt Dr. Kunz.
Entstanden ist dieses erfolgreiche Projekt im Jahr
2007 aus einem EU-geförderten Forschungsverbund mit mehr als 20 europäischen Zentren zur
Gewebeprobe eines Osteosarkoms unter dem Mikroskop: Rot gefärbt sind Immunzellen, die den
Tumor attackieren. Foto: Dr. Pierre Kunz
Erforschung von Knochentumoren (EuroBoNeT).
Unter der Leitung der Heidelberger Wissenschaftler
wurden drei europäische Knochentumorzentren in
die Studie eingeschlossen. So erreichten die Forscher
mit 150 Patienten eine genügend große Anzahl, um
fundierte Aussagen treffen zu können. n
Dr. Pierre Kunz, Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg
[email protected]
Privatdozent Dr. Benedikt Fritzsching
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin Heidelberg
[email protected]
Weitere Informationen:
Deutsche Kinderkrebsstiftung www.kinderkrebsstiftung.de
Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie, Universitätsklinikum Heidelberg
www.klinikum.uni-heidelberg.de/Kunz.128932.0.html
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Heidelberg
www.klinikum.uni-heidelberg.de/PD-Dr-Benedikt-Fritz
sching.132294.0.html
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