Die Retransfusion von Wundblut bei Tumoroperationen

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M E D I Z I N
AKTUELL
Ernil Hansen1
Kai Taeger1
Ferdinand Hofstädter2
Die Retransfusion
von Wundblut
bei Tumoroperationen
Eine effektive Methode zur Einsparung von Fremdblut
ZUSAMMENFASSUNG
Tumorzellen im Wundblut verbieten wegen der Gefahr einer Metastasenbildung dessen direkte Retransfusion.
Durch eine Blutbestrahlung können diese Zellen effektiv
inaktiviert werden. Das ist gefahrlos, da die kernlosen roten Blutzellen dabei nicht geschädigt werden. So ist auch für
Tumorpatienten eine intraoperative maschinelle Autotransfusion möglich. In der klinischen Anwendung erweist
sich das Verfahren als praktikabel und hocheffektiv in der
Einsparung von Blut. Transfusionsrisiken, vor allem die
transfusionsbedingte Immunsuppression mit den Folgen
einer deutlich erhöhten postoperativen Infektionsrate und ungünstiger
Auswirkungen auf die Tumorerkrankung können damit
entscheidend verringert werden. Diese neue Methode, die
einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Hämotherapie bei Tumorpatienten und zur Einsparung wertvoller
Blutressourcen leistet, erfährt von Deutschland aus zunehmende Verbreitung.
Schlüsselwörter: Autotransfusion, Eigenblut,
Tumorchirurgie, disseminierte Tumorzellen, Blutbestrahlung
Retransfusion of Blood in Tumor Surgery
Tumor cells contaminating shed blood exclude a direct
retransfusion because they could induce metastases. Blood
irradiation effectively inactivates these cells without any risk,
since the unnucleated red blood cells are not damaged by
this procedure. Thus, intraoperative blood salvage is an
option for cancer patients as well. In clinical practice the
procedure proved to be practical and highly efficious in
saving blood. Transfusion risks can be avoided, especial-
ly immunomodulation that can lead to an increased rate of postoperative infections and to negative effects on the malignant disease itself. The new method
helps to optimize hemotherapy for cancer patients and to
save blood resources. First described in Germany, its use is
now increasing steadily.
Key words: Autotransfusion, intraoperative
blood salvage, cancer surgery, disseminated tumor cells,
blood irradiation
T
rotz des hohen Qualitätsstandards deutscher Blutprodukte
besteht kein Anlaß, die Risiken einer Bluttransfusion zu bagatellisieren. Während die äußerst seltene
Übertragung von HIV große Beachtung gefunden hat, waren und sind andere Risiken tatsächlich von weit
größerer Bedeutung. Die Übertragung von Viren, eventuell auch von
Prionen, die offensichtlich zeitweise
blutzellgebunden sind (10), bleibt
weiterhin ein Problem, bedingt durch
neuentdeckte Erreger (41), Latenzzeiten und diagnostische Lücken
(29, 32). Die Alloimmunisierung führt
nicht nur zu Unverträglichkeitsreaktionen, sondern macht es auch immer
schwieriger, für erneute Transfusionen kompatibles Blut bereitstellen zu
können. Vor allem aber hat sich die
transfusionsbedingte Immunsuppression, die auch durch eine Leukozytendepletion nicht vollständig zu vermeiden ist, als ernstzunehmendes Problem herauskristallisiert. Sie geht mit
SUMMARY
Tabelle 1
Nachweis und Charakterisierung von Tumorzellen im Wundblut
bei tumorchirurgischen Eingriffen*1
Tumorzellen im Wundblut
Nachweisverfahren
häufig
91% (n=108)
Cytokeratin, AgNOR*2
zahlreich
101–107
vital
60–75%
Trypanblau, CK/AgNOR
teilungsfähig
62% (n=40)
Zellkolonien
invasiv
54% (n=30)
Boyden-Kammer
tumorigen
1 (n=2)
nu/nu-Nacktmaus
in 50–3 200 ml Wundblut
*1 nach Hansen und Taeger 1995 (16)
*2 AgNOR = Silberfärbung von nucleolar organizer regions
1
Klinik für Anästhesiologie (Direktor: Prof. Dr.
med. Kai Taeger), Klinikum der Universität Regensburg
2 Institut für Pathologie (Direktor: Prof. Dr.
med. Ferdinand Hofstädter), Klinikum der
Universität Regensburg
A-2586 (42) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 41, 15. Oktober 1999
einer vier- bis zehnfach erhöhten Rate
an postoperativen Infektionen einher
und kann die bestehende Tumorerkrankung ungünstig beeinflussen (2,
23, 24, 34). Zu diesen Risiken kommt
eine sinkende Blutspendebereitschaft
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und die Notwendigkeit, mit den vorhandenen Ressourcen sparsam umzugehen. Außerdem besteht ein zunehmender Blutbedarf gerade für tumorchirurgische Eingriffe mit inzwischen über einer Million Blutkonserven pro Jahr in der BRD.
Einen Ausweg stellt die autologe
Transfusion dar, wobei präoperative
Eigenblutabnahmen auch für Tumorpatienten empfohlen und durchgeführt werden können (3, 31). Allerdings ist diese Möglichkeit häufig
durch eine bestehende Tumoranämie,
durch eine vermeintliche Zeitnot und
durch die Unvorhersehbarkeit des genauen Blutbedarfs eingeschränkt. Die
Wiederaufbereitung und Retransfusion von Wundblut, die intraoperative
maschinelle Autotransfusion, verbietet sich wegen der Gefahr einer Tumorzellaussaat (9). Zwar konnte in
klinischen Studien das eventuell geringe, aber tödliche Risiko einer Metastasierung nicht erfaßt werden, für
eine Risikoabschätzung waren diese
Studien mit 30 bis 50 Patienten aber
auch völlig ungeeignet (12, 22). Eine
gewisse Bestätigung erfuhr die Kontraindikation jedoch kürzlich durch
den Nachweis von vitalen malignen
Zellen im Wundblut von Tumoroperierten (16).
Nachweis von Tumorzellen
im Wundblut
Mit einer Nachweismethode von
hoher Spezifität und hoher Sensitivität,
die selbst bei zehn Tumorzellen in 500
ml Blut noch einen positiven Tumorzellnachweis ergab, wurde erstmals systematisch bei mehr als 100 tumorchirurgischen Eingriffen aus verschiedenen
operativen Fachrichtungen und bei unterschiedlichen Tumorarten im intraoperativen Wundblut nach Tumorzellen gesucht. Überraschenderweise waren nicht nur vereinzelt, sondern in
über 90 Prozent der Fälle Tumorzellen
in einer Anzahl zwischen 10 und 107
Zellen im gesamten jeweiligen Wundblutvolumen nachweisbar (16, 17). Das
regelmäßige Auftreten, wenn auch
zum Teil in niedrigerer Anzahl, zeigte,
daß geringe Tumorausdehnung, Resektion mit Sicherheitsabstand und die
„no touch isolation“-Technik, bei der
am Tumor erst nach Unterbindung der
Gefäße manipuliert wird, keinesfalls eine Sicherheit vor Tumorzellen im Operationsbereich bieten. Die Charakterisierung der Zellen ergab eine hohe Vitalität und Teilungsfähigkeit, das heißt
die Fähigkeit, in Zellkultur Kolonien
zu bilden. Sie zeigten Invasivität, somit
besitzen sie Enzyme, um Substanzen,
wie sie in der Basalmembran (der wichtigsten physiologischen Barriere) vorliegen, aufzulösen und können aktiv
mit keinen oder wenigen Zellen zeigten bei vergleichbarer Tumorausbreitung eine signifikant günstigere Prognose für Überlebenszeit, Rezidivund Metastasierungsrate. Sie übertrafen auch deutlich die für die jeweilige
Tumorart und -ausbreitung zu erwartende Überlebenszeit, wie sie aus Tumorregistern abgelesen werden kann.
Diese Bedeutung für den weiteren
Verlauf und die nachgewiesenen funk-
Tabelle 2
Elimination von Tumorzellen durch eine Blutbestrahlung mit 50 Gy*
Tumorzellen
Koloniebildungsrate
(Kolonien/eingesetzte Zellzahl)
vor Bestrahlung
nach 50 Gy
demonstrierte
Reduktionsrate
etablierte
Zellinien (n=17)
2,9/1x102 – 60,6/1x102
0/7,6x107 – 0/3,6x1010
>8,9 log – >10,0 log
Zellinien isoliert
aus Wundblut (n=3)
17,5/1x103 – 34,6/1x103
0/6,4x108 – 0/3,1x109
>7,1 log – >7,5 log
Zellen präpariert
aus soliden
Tumoren (n=14)
1,0/1x104 – 20,7/1x104
0/6,2x108 – 0/8,0x1010
>4,5 log – >8,1 log
* nach Hansen et al. 1995 (21)
durch Poren wandern. Schließlich
konnte an einer aus Wundblut isolierten Zellinie auch ihre Tumorigenität
demonstriert werden, also die Fähigkeit, in einer Nacktmaus, die menschliche Zellen nicht abstößt, zu einem Tumor heranzuwachsen (Tabelle 1).
Um zu klären, ob diese Zellen
schon vorher im Blutkreislauf vorhanden waren und so während der Operation in das Wundblut gelangten, wurden gleichzeitig auch zirkulierende
Tumorzellen im venösen Blut untersucht (16). Die unterschiedliche Inzidenz (zirkulierende Tumorzellen bei
21 Prozent der Patienten), die unterschiedliche Zellkonzentration und die
fehlende Korrelation zwischen Tumorzellzahl und Wundblutvolumen
machten deutlich, daß die Tumorzellen im Wundblut nicht durch vorbestehende Zellen in der Zirkulation erklärt werden können. Die Bedeutung
dieser Zellen im Wundblut, die eine
Probe aus dem Operationsbereich
darstellt, wird noch betont durch die
Nachuntersuchung der Patienten
(41). Sie wies die Tumorzellzahl im
Wundblut nämlich als eigenständigen
prognostischen Faktor aus: Patienten
A-2588 (44) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 41, 15. Oktober 1999
tionellen Fähigkeiten dieser Zellen machen deutlich, daß damit kontaminiertes Blut keinesfalls retransfundiert werden darf. Dies gilt auch dann, wenn der
Patient bereits zirkulierende Tumorzellen besitzt, die offensichtlich weit geringere Bedeutung haben (36, 38). Die
Kontraindikation für eine Retransfusion von Tumorwundblut ist deshalb nur
zu überwinden, wenn man effektive
Methoden findet, um die enthaltenen
Tumorzellen sicher zu eliminieren.
Hier genügt keine Zellzahlreduktion,
sondern eine vollständige Elimination
ist zu fordern, da letztlich eine einzige
verbliebene, intakte Zelle zur Metastasierung führen kann (11).
Elimination von
Tumorzellen durch
Blutbestrahlung
Der Zellwaschvorgang, durch
den mit den verwendeten Autotransfusionsgeräten das hämolytische
Plasma vom Wundblut abgetrennt
wird, hat keinen wesentlichen Einfluß
auf kontaminierende Tumorzellen
(7). Auch Leukozyten-Depletionsfil-
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ter gewährleisten nur eine Reduktion
der Zellzahl um zwei bis drei Zehnerpotenzen (15, 37). Nach den gefundenen Zellzahlen (16) wäre dies in
mehr als der Hälfte der Fälle zu gering, um verbliebene Tumorzellen sicher auszuschließen. Außerdem gibt
es Hinweise darauf, daß durch die Filtration gerade die gefährliche, invasive Tumorzellsubpopulation angereichert wird (15, 39).
ziert werden. Dies nimmt den Tumorzellen zwar nicht gänzlich die
Möglichkeit zu einer DNS-Reparatur oder normalen Zellen die Möglichkeit zur malignen Entartung, deren Realisierung wird aber durch die
Unterbindung jeglicher Zellteilung
vollständig verhindert (13). Während
es also bei Tumoren ein sehr unterschiedliches Ansprechen auf eine Bestrahlung gibt, ist die Strahlenemp-
Grafik
Schema der maschinellen intraoperativen Autotransfusion mit Blutbestrahlung
Heparinlösung
Waschlösung
Vakuum
50 Gy
Transfusionsbeutel
Filter
Reservoir
Rollerpumpe
Sauger
Blut
Plasma
Blutzellen
Abfallbeutel
Zentrifuge
Schema der maschinellen intraoperativen Autotransfusion mit Blutbestrahlung. Das Wundblut wird, vermischt
mit Heparinlösung, steril in ein Reservoir gesaugt und nach Abfiltration von Blutkoageln und Gewebsresten in
die Zentrifugenglocke gepumpt. Die Erythrozyten sedimentieren an die Wand der Glocke, während das hämolytische Plasma verworfen wird. Das Erythrozytensediment wird mit Kochsalzlösung gewaschen und als gewaschenes Erythrozytenkonzenrat (EK) in einen Transfusionsbeutel gepumpt. Es wird in einen Bestrahlungsblutbeutel umgefüllt und zum Bestrahlungsgerät transportiert. Nach Rückkehr zum Patienten wird das bestrahlte,
gewaschene autologe EK retransfundiert.
Lange bekannt ist die Strahlenempfindlichkeit von Tumorzellen
(13). Im Gegensatz zur Bestrahlung
eines Tumors im Patienten, in dem
hypoxische Areale mit Zellen von
dreifach höherer Strahlenresistenz
vorliegen können, sprechen oxygenierte Tumorzellen in Suspension
einheitlich gut auf Bestrahlung an.
Zudem muß nicht wie bei der
Bestrahlung eines Patienten die Dosis zur Schonung gesunden Gewebes
fraktioniert werden, sondern die gesamte Dosis kann auf einmal appli-
findlichkeit von Zellen in Suspension
und bei Sauerstoffkontakt, wie es bei
den Tumorzellen im Wundblut der
Fall ist, sehr einheitlich. Für alle Tumorarten liegt der Do-Wert (die Dosis, welche die Zahl teilungsfähiger
Zellen auf ein Drittel reduziert) als
Maß für die Strahlenempfindlichkeit
einheitlich zwischen ein und zwei Gy
(Gray) (13, 42, 45, 47).
Daraus läßt sich ableiten, daß
bei einer Strahlendosis von 50 Gy
mindestens eine 1012fache Reduktion
an teilungsfähigen Zellen zu erwar-
A-2590 (46) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 41, 15. Oktober 1999
ten ist. Damit ist auch bei einer maximal vorstellbaren Kontamination des
Blutes mit 109 Tumorzellen, also einer Zahl 100 mal höher als die höchste bisher beobachtete, und etwa einem Gramm reiner Tumorzellmasse
verstreut in dem Wundblut entsprechend, gewährleistet, daß nicht mehr
als ein Tausendstel einer teilungsfähigen Zelle übrigbleibt. Oder anders ausgedrückt: Die Wahrscheinlichkeit, daß keine einzige teilungsfähige Tumorzelle überlebt, beträgt
99,86 Prozent (27).
Das ist der aus den in großer Fülle vorliegenden Bestrahlungsdaten
zu erwartende Effekt. Inzwischen
wurde das Konzept einer TumorzellElimination durch Blutbestrahlung
auch experimentell überprüft (14,
21). Dazu wurden Tumorzellen aus
Zellinien oder soliden Tumoren in
hoher Zellzahl zu Blut gemischt und
die Zahl teilungsfähiger Zellen vor
und nach einer Blutbestrahlung mit
50 Gy bestimmt (Tabelle 2). Während
ohne Bestrahlung schon zehn Zellen
bei Zellinien oder 1 000 Zellen bei
frisch präparierten Tumorzellen ausreichen, um Zellkolonien zu erhalten, war selbst nach Zugabe von 1010
Tumorzellen nach Blutbestrahlung in
keinem einzigen Fall mehr eine teilungsfähige Zelle nachweisbar (Tabelle 2).
Ebenso konnte nach Blutbestrahlung keine Zelle mit verbliebenem DNA-Stoffwechsel beobachtet
werden (21). Damit konnte experimentell mindestens eine 1010fache
Reduktion nachgewiesen werden.
Eine Blutbestrahlung mit 50 Gy gewährleistet daher zuverlässig eine
Elimination kontaminierender Tumorzellen, unabhängig von der Tumorart, und ermöglicht dadurch eine
Retransfusion des Wundblutes auch
in der Tumorchirurgie. Wenn auch
das Risiko einer Transfusion von tumorzellhaltigem Wundblut wissenschaftlich bisher gar nicht geklärt ist,
so hatten Bedenken praktisch doch
dazu geführt, daß Tumorpatienten
die Möglichkeit der intraoperativen
Autotransfusion vorenthalten werden mußte. Vor dem Hintergrund,
daß diese Frage absehbar nicht beantwortet ist, konnte durch das Aufzeigen einer effizienten, sicheren und
praktikablen Methode zur Elimina-
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Qualität des bestrahlten
Wundblutes
Abbildung 1: Intraoperative maschinelle Autotransfusion während der Tumorchirurgie
tion dieser Zellen, und damit eines
möglichen Risikos, die Kontraindikation doch aufgehoben werden. Darin
liegt die transfusionsmedizinische Bedeutung dieser Untersuchung.
Durchführung in der
klinischen Praxis
Vor vier Jahren wurde die Methode der „intraoperativen Autotransfusion mit Blutbestrahlung bei tumorchirurgischen Eingriffen“ am Klinikum der Universität Regensburg
eingeführt, und eine Reihe anderer
deutscher und europäischer Kliniken
setzen sie inzwischen ebenfalls mit
großem Erfolg ein (17–19, 46). Sie hat
sich als praktikabel erwiesen, besonders da es sich um die Kombination
zweier etablierter Verfahren handelt:
Die maschinelle Autotransfusion ist
eine verbreitete Methode zur Einsparung von Fremdblut und die Blutbestrahlung ist ein Standardverfahren zur Verhinderung der gefürchteten Graft-versus-Host-Krankheit nach
Transfusion teilungsfähiger Leukozyten in immuninkompetente Empfänger, insbesondere onkologische Patienten (1, 26, 30). An vielen Krankenhäusern, die schwerpunktmäßig Tumorpatienten behandeln, ist deshalb
die Möglichkeit zur Blutbestrahlung
mittels speziellerer Blutbestrahlungsgeräte oder mit anderen Bestrahlungseinrichtungen bereits etabliert. Die
Bestrahlung autologen statt allogenen
Blutes stellt kein zusätzliches Problem
dar. Mit 50 Gy ist die Dosis unwesentlich höher als die für Blutkonserven
und Thrombozytenkonzentrate derzeit üblichen 30 Gy und ist in 7 bis 20
Minuten applizierbar, so daß das Blut
in deutlich weniger als einer Stunde retransfundiert werden kann (17, 19, 46).
Das bestrahlte Blut strahlt selbst nicht,
so daß auch für das Personal keine Gefährdung besteht.
Im praktischen Ablauf wird bei
entsprechend hohem erwarteten
Blutverlust das Wundblut intraoperativ steril über einen Sauger mit Antikoagulanslösung vermischt in einem Reservoir angesammelt (Grafik), filtriert und in die Waschzentrifugenglocke gepumpt (Abbildung 1).
Das hämolytische Plasma wird verworfen und die Erythrozyten mit
Kochsalzlösung gewaschen und in einen Transfusionsbeutel gepumpt. Es
steht ein spezieller, strahlengeprüfter
Blutbeutel (Sorin Biomedica, Puchheim) zur Verfügung, der eine blutfreie Diskonnektion vom Waschsystem erlaubt, an dem ein Stück Röntgenfilm die stattgefundene Bestrahlung bestätigt und auf dem für eine
zweifelsfreie Identifikation ausführlich dokumentiert wird, um Verwechslungen sicher auszuschließen.
Das Blut wird zur Bestrahlung transportiert (Abbildung 2) und nach
Rückkehr unverzüglich retransfundiert.
A-2592 (48) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 41, 15. Oktober 1999
Ein derartiges Verfahren ist nur
dann zu vertreten, wenn keine Schädigung des Blutes, und damit Gefährdung des Blutempfängers, eintritt. In
der langen Erfahrung mit der Bestrahlung von Blutkonserven sind keine Fälle einer Patientengefährdung berichtet
worden (1, 26). Die Strahlung wirkt im
wesentlichen auf die DNA ein, Proteine und Lipide sind weit weniger strahlenempfindlich. Die kernlosen Erythrozyten bleiben deshalb weitgehend
unbeeinträchtigt (13). Dies hat eine
Reihe von experimentellen Untersuchungen ergeben, bei denen zum Teil
weit höhere Strahlendosen getestet
wurden (6, 25, 33, 40, 44). Eine geringgradige Freisetzung von Kaliumionen
wurde beobachtet (33, 44), aber nur im
Zusammenhang mit der Kühllagerung
der Blutkonserven (5). Solche Strahlenschäden, deren klinische Relevanz
fraglich ist, haben für frisches Blut, das
ungelagert und ungekühlt bestrahlt
und unmittelbar danach transfundiert
wird, wie das intraoperativ aufbereitete
Wundblut, keine Bedeutung.
Bei der Untersuchung der Qualität von intraoperativ aufbereitetem
und bestrahltem Wundblut ergab sich
keine zusätzliche Hämolyse durch die
Bestrahlung mit 50 Gy (8, 20). Die
Erythrozyten wiesen eine unveränderte osmotische Resistenz auf und ihre
Funktions- und Lebensfähigkeit war
Abbildung 2: Bestrahlung des autologen Erythrozytenkonzentrates in einem Blutbestrahlungsgerät
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unbeeinträchtigt (Tabelle 3). Im Vergleich zu venösem Kontrollblut war die
Lebensfähigkeit sogar leicht erhöht,
was durch den selektiven Verlust älterer Erythrozyten während des Zellwaschvorgangs erklärt werden kann
(35). Insbesonders die 24-StundenÜberlebensrate, als aussagekräftigster
Parameter der Zellintegrität, also der
Anteil an Erythrozyten, der sich einen
Tag nach Transfusion noch immer in
der Zirkulation befindet, weist auf die
ausgezeichnete Qualität dieses Blutes
hin, gerade auch im Vergleich mit gelagerten Blutkonserven: Am Ende der
zulässigen Lagerdauer besitzen Erythrozytenkonzentrate definitionsgemäß nur noch eine Vitalität von 75 Prozent, das heißt, daß bereits einen Tag
nach Transfusion ein Viertel der transfundierten Zellen nicht mehr für den
Sauerstofftransport zur Verfügung stehen, sondern vielmehr durch die Hämolyse den Organismus belasten.
Schon weit früher ist der 2,3 Diphosphoglycerol-Spiegel so weit abgefallen,
daß die transfundierten Erythrozyten
den gebundenen Sauerstoff nicht mehr
ausreichend an die Gewebe abgeben
können und erst nach Stunden ihre
volle Funktionsfähigkeit wiedererlangen. Demgegenüber besitzen die bestrahlten Zellen aus dem Wundblut ihre uneingeschränkte Funktions- und
Lebensfähigkeit. Außerdem werden
die Lagerungsschäden von einigen Autoren als die eigentliche Ursache der
nach Transfusion beobachteten Immunsuppression betrachtet (34).
So stellt gerade für Tumorpatienten das so behandelte Wundblut als
autologes, ungelagertes, ungekühltes,
gewaschenes Erythrozytenkonzentrat
das qualitativ hochwertigste Präparat
für eine optimale Hämotherapie dar.
Anwendung
Die Methode der Retransfusion
bestrahlten Wundblutes wird bei operativen Eingriffen an soliden Tumoren
oder Metastasen eingesetzt, die mit einem transfusionspflichtigen Blutverlust einhergehen (17, 19, 46). Tumorausdehnung, eingehaltener Sicherheitsabstand oder operatives Vorgehen sind kein Argument gegen eine
Bestrahlung, da dieses Wundblut
grundsätzlich als mit Tumorzellen be-
lastet angesehen werden muß (14, 16).
Bei Leukämie oder Lymphomen ist
vor einer Retransfusion keine Bestrahlung des Wundblutes notwendig,
da von vornherein hier von einer hämatogenen, systemischen Dissemination auszugehen ist. Dagegen ist die
Indikation beziehungsweise Notwendigkeit zur Blutbestrahlung auch bei
bestehender Metastasierung oder
Nicht-R0-Resektion gegeben, da auch
hier durch die Transfusion von Tumorzellen eine weitere Verschlechterung
eintreten könnte. Auch hier entfällt
durch die Blutbestrahlung die Kontraindikation und durch die Eigenbluttransfusion wird der Immunstatus weniger beeinträchtigt.
on, radikalen Zystektomien oder
Prostatektomien oder der Resektion
größerer Knochentumoren reicht dies
meistens aus, um eine Fremdbluttransfusion völlig zu vermeiden. Übersteigt
der Blutverlust zwei Liter, so kann in
der Regel die Retransfusion von
Wundblut den Blutbedarf allein nicht
decken; die Zahl an Fremdbluttransfusionen ist jedoch deutlich reduziert.
Um bei derartigen Eingriffen auf
Fremdblut vollständig verzichten zu
können, ist die Kombination mit anderen blutsparenden Verfahren zu erwägen, beispielsweise an präoperative Eigenblutabnahmen zu denken. (Blut aus
Eigenblutspenden kann zwar auch Tumorzellen enthalten, eine Bestrahlung
Tabelle 3
Qualität von Erythrozyten nach unterschiedlicher Behandlung*1
Parameter
venöses aufbereitetes aufbereitetes 2 Wochen
Blut
Wundblut
und
gelagertes
bestrahltes KonservenWundblut
blut*2
Funktion
2,3 DPG (µmol/gHb)
10,9
12,6
13,0
0–1
Vitalität
ATP (µmol/gHb)
24-Std.-Überlebensrate (%)
3,9
90,8
4,2
–
4,3
94,7
3,0–3,4
75–85
<0,01
4,1
0,18
1,2
0,25
2,0
0,4–0,8
20–50
Hämolyse
freies Hb (%)
K+ (mmol/L)
*1 nach Hansen et al. 1997 (20), *2 Werte aus der Literatur
DPG, Diphosphoglycerol
Bei vorher schwer einschätzbarem
Blutverlust kann das Wundblut mit einem einfachen System steril und antikoaguliert gesammelt werden, und erst
bei ausreichender Blutmenge wird das
aufwendigere Zentrifugen-Set eingesetzt, das Blut gewaschen und bestrahlt.
Operationen bei kolorektalen Karzinomen oder Magenkarzinom sind Beispiele, in denen sich nur in besonderen
Fällen oder bei entsprechend höherem
Blutverlust die Indikation zur intraoperativen Autotransfusion mit Blutbestrahlung ergibt. Eine intraoperative
Autotransfusion kann grundsätzlich
die Retransfusion von etwa der Hälfte
der während der Operation verlorenen
Erythrozyten ermöglichen. Bei einer
Reihe von Tumoroperationen wie Leberteilresektionen, Whipple-Operati-
ist hier aber nicht notwendig, da diese
Zellen schon in der Zirkulation vorhanden sind und während der Lagerung keine Aktivierung sondern eine
Inaktivierung eintritt (28).)
Bei großen, blutverlustreichen
Operationen, wie einer Lebertransplantation aufgrund onkologischer Indikation oder einer Stabilisierung der
Wirbelsäule bei Metastasierung, geht
es oft nicht mehr allein um die Verringerung von Transfusionsrisiken, sondern um die Vorsorge, überhaupt genügend Blut für die Operation bereitstellen zu können. Nach Voroperationen
mit Transfusion liegen häufig irreguläre
Antikörper vor, welche die Bereitstellung kompatiblen Blutes erschweren
und verzögern. Hier kann das autologe
Wundblut dazu beitragen, den Blutbe-
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 41, 15. Oktober 1999 (49) A-2593
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AKTUELL/FÜR SIE REFERIERT
darf zu decken und Blutkonserven für
andere Patienten einzusparen. Eine
strikte Kontraindikation für die intraoperative Autotransfusion bleiben alle
Fälle einer bakteriellen Kontamination
(9), da Bakterien weder durch den
Waschvorgang noch durch eine Strahlendosis von 50 Gy eliminiert werden
(4). Alle enoralen und transurethralen
Eingriffe müssen deshalb ausgespart
bleiben. Bei kolorektalen Eingriffen ist
das Blutsammeln auf die Phase vor
Eröffnung des Darms, in der Regel der
Abschnitt mit dem hauptsächlichen
Blutverlust, zu beschränken. Bei der
Resektion von Lungenmetastasen ist
abzuschätzen, inwieweit von infizierten
Bronchien ausgegangen werden muß.
Der Patient wird, wenn eine Operation mit wahrscheinlichem Transfusionsbedarf ansteht, über Transfusionsrisiken und die mögliche Verwendung von Eigenblut aufgeklärt. Die
spezielle Problematik der kontaminierenden Tumorzellen bei Tumoroperationen und ihre Beseitigung durch
Blutbestrahlung muß nur auf Wunsch
des Patienten erörtert werden, da er
von einem fachgerechten Umgang ausgehen darf. Manchmal muß Patienten
erklärt werden, daß von der Retransfusion keine Heilung der Krebserkrankung zu erwarten ist, wohl aber ein
Beitrag zur Senkung von Risiken und
Komplikationen, was die Methode für
viele Krankenhäuser attraktiv macht.
Die der beschriebenen Methode zugrundeliegende Habilitationsarbeit von Dr. Dr. Ernil Hansen über „Intraoperative Autotransfusion in der
Tumorchirurgie“ wurde 1995 von der Deutschen
Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin mit dem Karl-Thomas-Preis ausgezeichnet.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-2586–2594
[Heft 40]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de)
erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser
Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Dr. med.
Ernil Hansen
Klinik für Anästhesiologie
Klinikum der Universität
Regensburg · 93042 Regensburg
Primär biliäre Zirrhose gehäuft bei Zöliakie
Vor 20 Jahren wurde erstmals auf
die Koexistenz einer primär biliären
Zirrhose mit dem Krankheitsbild der
Zöliakie hingewiesen. In einem Kollektiv von 143 Patienten fand sich in
drei Prozent eine primär biliäre Zirrhose (PBC). Die Autoren berichten
über eine umfangreiche Analyse von
Zöliakiepatienten aus Dänemark und
Schweden, die zwischen Januar 1977
und Dezember 1992 in stationärer Behandlung waren. Bei den Zöliakiepatienten bestand ein um den Faktor
27,6 erhöhtes Risiko, auch an einer
primär biliären Zirrhose zu erkran-
ken. Zu ähnlichen Daten wie bei 8 040
Dänen kam auch eine vergleichende
Studie an 7 735 Zöliakiepatienten in
Schweden, wo sich bei einer Beobachtungszeit von 5,1 Jahren ein Risikofaktor von 25,1 ergab.
w
Sørensen HT, Thulstrup AM, Blomquist
P, Nørgaard B, Fonager K, Ekbom A:
Risk of primary biliary liver cirrhosis in
patients with coeliac disease: Danish and
Swedish cohort data. Gut 1999; 44:
736–738.
Danish Epidemiology Science Centre,
Department of Epidemiology and Social
Medicine, Aarhus University, 8000 Aarhus C, Dänemark.
t-PA Schlaganfallbehandlung nach einem Jahr
Die kurzfristigen Erfolge der raschen Behandlung mit rekombinantem Gewebe-Plasminogen-Aktivator
beim Schlaganfall sind gut bekannt. Im
Vergleich zu Patienten, die ein Plazebo
erhielten, lag der Patientenanteil in der
t-PA-Gruppe um 30 Prozent höher, der
drei Monate nach dem ischämischen
Insult nur minimale oder gar keine Behinderungen hatte – wie eine Studie
des Nationalen Instituts für Neurologische Krankheiten und Schlaganfall in
Bethesda, Maryland, bereits 1995 zeigte. Dieser positive Effekt hält auch
nach einem Jahr noch an. Das hat sich
nun bei Nachbetrachtungen der Entwicklung der beiden Gruppen gezeigt,
die jeweils sechs und zwölf Monate
nach dem Schlaganfall vorgenommen
wurden. Auch dann war es bei der
t-PA-Gruppe um 30 Prozent wahrscheinlicher, daß keine oder nur eine
minimale Behinderung vorlag (odds
ratio bei 12 Monaten 1,7; 95 Prozent CI
1,2 bis 2,3). Keine signifikanten Unterschiede gab es jedoch bei der Sterblichkeit; die Rate erneut auftretender
Schlaganfälle in beiden Gruppen war
ebenfalls ähnlich.
silk
Kwiatkowski TG et al.: Effects of tissue
plasminogen activator for acute ischemic
stroke at one year. N Engl J Med 1999;
340: 1781–1787.
Dr. Kwiatkowski, Department of Emergency Medicine, Long Island Jewish Medical Center, 270-05 76th Avenue, New
York Hyde Park, NV 11040, USA.
Gastroösophagealer Reflux und Asthma
Seit längerem ist bekannt, daß gastroösophagealer Reflux Asthmaanfälle auslösen kann. Die Autoren aus
Birmingham, USA, führten deshalb
bei allen Asthmapatienten, die sie zwischen Juli 1989 und November 1994 zu
behandeln hatten, eine Ösophagusmanometrie und eine 24-Stunden-pHMetrie durch. Respiratorische Symptome korrelierten mit einer Säureexposition der Speiseröhre, wenn der
pH-Wert im Ösophagus auf unter 4 abfiel. 82 Prozent der Asthmatiker klagten über Refluxsymptome, ein pathologisches 24-Stunden-pH-Profil fand
sich bei 72 Prozent.
Während die Einnahme von
Theophyllin keine Korrelation mit
den Ösophagusparametern zeigte,
A-2594 (50) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 41, 15. Oktober 1999
war bei den Patienten mit Asthma, die
gleichzeitig über Refluxsymptome
klagten, eine enge Korrelation zwischen respiratorischen Symptomen
und der Präsenz von Säure in der
Speiseröhre festzustellen (78,8 Prozent). Ähnliches galt für Hustenepisoden, die in 90,5 Prozent der Patienten
mit Säure in der Speiseröhre korreliert waren.
w
Harding SM, Guzzo MR, Richter JE:
24-h esophageal pH testing in asthmatics.
Respiratory symptom correlation with
esophageal acid events. Clin Inv 1999;
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Division in Pulmonary, Allergy and Critical Care Medicine, Department of Medicine, University of Alabama at Birmingham, 215 Tinsley Harrison Tower, 1900
University Boulevard, Birmingham, AL
35294, USA.
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