158 5 Professionelle Zahnreinigung mit professionellem Handwerkszeug Vorteile Nachteile • geringer Kraftaufwand bei der supragingivalen Zahnreinigung • geringer Kraftaufwand bei der subgingivalen Wurzelreinigung • überlegene Zugänglichkeit zu Furkationen • ermüdungsfreies Arbeiten durch die nur leichte Berührung der Einsätze zum Zahn • Kühlwasser spült und reinigt die subgingivalen Taschenbereiche • antibakterielle Wirkung durch Kavitation • Zeitersparnis • geringes Risiko, am Karpaltunnelsyndrom zu erkranken • bei unsachgemäßer Anstellung der Einsätze zur Zahnoberfläche Verletzungsgefahr von Gingiva und Zahnhartgewebe • durch den Sprühnebel Gefahr bakterieller Umfeldkontamination • bei längerem Kontakt zur Zahnoberfläche Sensibilisierung und Pulpenschädigung möglich • eingeschränkte Taktilität zu allen Wurzeloberflächen • Gefahr der Verschleppung von Bakterien in die parodontalen Gewebe (Bakteriämie) • unvollständige Entfernung von Bakterien und deren zytotoxischen, kleinmolekularen Abbauprodukten sowie von makromolekularen Lipopolysacchariden (Endotoxine) aus Resorptionslakunen des nekrotisch veränderten Wurzelzements • mögliche Schädigung von Restaurationen Weitere Hilfsmittel zur professionellen Zahnreinigung Der Erfolg karies- und parodontalprophylaktischer Behandlungsmaßnahmen ist neben der Belagsfreiheit eng mit der gewebsverträglichen (biokompatiblen) Versorgung der Zähne verknüpft. Reizfaktoren, wie sie sich aus Mängeln bei der kurativen Versorgung ergeben können, gilt es von vornherein zu vermeiden. Iatrogene (griech.: iatros, der Arzt; lat.: genere, erzeugen, verursachen) Fehler wie zurückgelassene raue Zahnoberflächen oder überschüssige, unterschüssige und abstehende Füllungs- und Kronenränder vernichten den Erfolg der PZR. Selbst winzige Mikroretentionen, von denen man vielleicht meint, sie seien klinisch unbedeutend, bieten Millionen von Mikroorganismen geschützte Lebensräume und Vermehrungsmöglichkeiten. Nur eine präventionsgerechte Versorgung sichert den Erfolg der karies- wie parodontalprophylaktischen Anstrengungen in der Praxis. Zurückgelassene Reizfaktoren fördern die Belagsbildung. Sie gefährden Zähne und Zahnhalteapparat. Die Beseitigung von iatrogenen Reizfaktoren gehört zu den Aufgaben der PZR. Marginale Irritationen durch Restaurationsränder lösen bei der Befunderhebung nach dem PSI den Code 2 aus – mit entsprechenden behandlerischen Konsequenzen (S. 41). Reizfaktoren auf approximalen Zahnflächen und an Füllungen lassen sich im Oberkiefer- und Unterkiefer-Frontzahnbereich leicht mit handgeführten Streifen (Strips) bearbeiten. Handelsübliche Finier- und Polierstreifen sind mit Schleifkörpern unterschiedlicher Korngröße belegt. Abhängig von deren Durchmesser variiert die Schleifleistung. Ein grobes Korn besitzt eine hohe Schleifleistung und hinterlässt tiefe Rauigkeit (> 100 µm). Umgekehrt: Ein feines Korn besitzt eine geringe Schleifleistung und bewirkt geringe Rautiefen (< 10 µm). Das grobe Korn kann Riefen und Kratzer von 100 tausendstel Millimeter und mehr in die Zahnoberfläche einschleifen, die feine Körnung nur 1 Zehntel davon, nämlich weniger als 10 tausendstel Millimeter. In der Mundhöhle sind die Schleif- und Politurergebnisse von großer klinischer Bedeutung. Mikroorganismen mit einer Größe von 1 tausendstel bis 7 tausendstel Millimeter nisten sich leichter auf aufgerauten als auf glatten Zahnoberflächen ein. MERKE Die präventionsgerechte Bearbeitung von Zahnoberflächen darf keine Mikroretentionen zurücklassen. Sie fördern die Belagsbildung. Sie begünstigen die Entwicklung bakterieller Infektionen in den Schlupfwinkeln des Gebisses. Handgeführte Finier- und Polierstreifen Die präventionsgerechte Reinigung von Zahnoberflächen geschieht nach einfachen Regeln. Sie entsprechen in ihrer Durchführung der Reihenfolge, wie sie die Industrie bei der Veredelung von Oberflächen einsetzt: Der erste Schritt beginnt mit dem groben Schleifen und Abtragen. Ihm folgt das feinere Glätten bzw. Finieren. Den Abschluss bildet die Politur. Die Schleifleistung der im Dentalhandel erhältlichen Finier- und Polierstrips wird in der Regel ohne Angabe der Korngröße, sondern mit Kennzeichnungen wie „grob“, „mittel“, „fein“ und „x-fein“ bzw. „superfein“ deklariert und zusätzlich farblich kodiert. Einige Hersteller machen Angaben zur Körnung, wie z. B. bei den mit Aluminiumoxid-Partikeln belegten Kunststoffstreifen der Firma Kerr/ Hawe, CH 6925 Gentilino, Schweiz. Die Benennung ihrer Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hellwege, K.-D.: Die Praxis der professionellen Zahnreinigung u. Ultraschall-Scaling (ISBN 9783131312839) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tabelle 5.10 Klinische Vor- und Nachteile des supra- und subgingivalen Scalings mit Ultraschallgeräten Weitere Hilfsmittel zur professionellen Zahnreinigung 159 Korngröße in tausendstel Millimeter (µm) Rauigkeit Farbkodierung Wirkung auf Approximalflächen 74–60 µm grob weiß schleifend 40–37 µm mittel blau finierend 13 µm fein gelb finierend 3 µm x-fein rosa polierend Korngrößen und die ihnen zugeordneten Farbkodierungen erleichtern das kontrollierte und systematische Arbeiten (Tab. 5.11). Eine Sonderform der Approximal-Strips sind gelochte Metallstreifen (Proflex Flexible Scaler, Densco). Sie sind nach der Erfahrung des Autors für die klinische Arbeit unverzichtbar! Anders als die belegten Kunststoff-, Leinen- oder Metallstreifen werden sie nicht zur Glättung und Politur von Füllungsoberflächen eingesetzt. Der flexible Scaler dient vielmehr, wie sein Name sagt, zum supragingivalen „Abschuppen“ von instrumentell nicht erfassten, mineralischen Feinstablagerungen in den Zahnzwischenräumen. Die Ausstanzungen in dem Lochstreifen wirken wie in Serie geschaltete Mini-Hobel (Abb. 5.188). Die rechtwinkligen Kanten jedes Loches schaben bzw. hobeln weiche und mineralisierte Zahnbeläge ab. Dies geschieht so lange, bis die Auflagerungen auf den Zähnen abgetragen sind und das Band die Glattfläche des Zahnschmelzes erreicht hat (Abb. 5.189). Auf ihr angekommen, verlieren die Ausstanzungen ihre Hobelwirkung. Die Zunge ertastet die perfekte Wirkung. Die supragingivale Arbeit mithilfe des gelochten Metallbandes (Flexible Scaler) greifen die an anderer Stelle beschriebenen, maschinell in Hubwinkelstücken subgingival anzuwendenden PER-IO-TOR-Einsätze (Dentatus, Schweden) auf. Sie hobeln nach der gleichen Grundüberlegung die Mineralisationen auf subgingivalen Wurzeloberflächen ab, ohne den Zement abzutragen. Während die handgeführten Finier- und Polierstreifen selten Angaben zu ihrer Körngröße haben, sind die Korngrößen diamantierter Schleifkörper standardisiert. Dies gilt sowohl für die Belegung rotierender Diamantschleifkörper als auch für die neueren, schwingenden Feileneinsätze in Hubwinkelstücken. International hat man sich auf eine Klassifikation der Korngrößen und eine ihnen zugeordnete Farbkodierung geeinigt. (Tab. 5.12). Klinisches Vorgehen Bei der Feinreinigung eng stehender Zahnzwischenräume im Oberkiefer- und Unterkiefer-Frontzahnbereich kann der Einsatz handgeführter Scaler oder maschinell betriebener Instrumenteneinsätze wie das EVA-System erschwert bis unmöglich sein. Der handgeführte Flexible Scaler ist jedoch problemlos für diese Anwendungsbereiche geeignet. Der kurzgehaltene Lochstreifen wird mit Abb. 5.188 u. 5.189 Proflex von Densco ist ein flexibler Scaler. Die Kanten der Löcher wirken wie ein Hobel auf der Schmelzoberfläche. einer leicht sägenden Bewegung durch den Kontaktflächenbereich in den Zahnzwischenraum geführt. Seine aufgekantete Oberfläche spannt sich bogenförmig wie Zahnseide um den Zahn. Waagerechte Hin- und Herbewegungen von wenigen Millimetern (2–3 mm) reinigen und glätten den Approximalraum. Auf die Glättung supragingivaler Rauhigkeiten muss ein besonderes Augenmerk gelegt werden. Ihre Reinigung und Glättung hat größte parodontalprophylaktische Bedeutung. Untersuchungen zur Haftung von Mikroorganismen an Füllmaterialien haben gezeigt, dass auf nicht polierten Oberflächen bis zu 50-mal mehr Bakterien haften als auf polierten. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hellwege, K.-D.: Die Praxis der professionellen Zahnreinigung u. Ultraschall-Scaling (ISBN 9783131312839) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tabelle 5.11 Korngröße, Farbkodierung und Wirkung von Finier- und Polierstreifen 160 5 Professionelle Zahnreinigung mit professionellem Handwerkszeug Korngröße in tausendstel Millimeter (µm) Rauigkeit Farbkodierung Wirkung 150 µm supergrob schwarz schleifend 125 µm grob grün schleifend 90–100 µm mittel weiß schleifend 30–40 µm fein gelb finierend 15 µm extrafein rot finierend 8 µm ultrafein weiß polierend MERKE Tabelle 5.13 Rotierende Schleif- und Polierkörper und ihr Bearbeitungszweck Das erste Ziel der Karies-und Parodontalprophylaxe heißt, supra- und subgingivale Reizfaktoren zu beseitigen. Gereinigte und polierte supra- und subgingivale Zahn- wie Füllungsoberflächen sind in schwer erreichbaren Zahnzwischenräumen (Zahnflächen „At high Risk“) von größerer karies- und parodontalprophylaktischer Bedeutung als bukkal oder lingual polierte Zahnflächen und Füllungen. Sie zählen zu den kaum gefährdeten Zahnbereichen. Sie sind Zahnflächen „At low Risk“. Bearbeitungszweck Schleif- und Polierscheiben1 Ausarbeitung von Kompositfüllungen Zementüberschüsse adhäsiv befestigter Inlays flammenförmige, montierte Arkansassteine Ausarbeitung von Kompositfüllungen Zementüberschüsse adhäsiv befestigter Inlays Maschinell betriebene Hilfsmittel Filzräder oder -kelche Kunststoff- und Porzellaninlays Hartmetallfinierer Amalgamfüllungen Goldinlays Rotierende Polier- und Schleifkörper Rotierende Schleif- und Polierinstrumente glätten bukkale, okklusale und linguale Zahnflächen. Ihre Drehbewegungen machen eine Reinigung der Approximalräume wie auch die Bearbeitung subgingivaler Zahnflächen über die Zahnfleischfurche hinaus unmöglich. Die gängigsten rotierenden Schleif- und Polierkörper für die Glättung von Füllungs- und Zahnoberflächen gibt Tab. 5.13 wieder. Die Anwendungsregeln für rotierende Schleifkörper entsprechen den bereits beschriebenen Regeln für das Schleifen, Finieren und Polieren. Beste Ergebnisse werden erzielt, wenn man sie entsprechend ihrer Abrasionswirkung von grob nach fein einsetzt. Die Bearbeitung der Füllungs- oder Zahnoberflächen erfolgt bei langsamer bis mittlerer Umdrehungsgeschwindigkeit, d. h. zwischen 3000 und 6000 rpm (engl.: rotations per minute, Umdrehungen pro Minute). Der Polierkontakt ist während der Reinigung kurz, der Andruck der Schleifkörper zum Zahn leicht, d. h. dem Zahnbürstenandruck mit ca. 1,5 N Andrucksgewicht vergleichbar. Die empfohlene Kontaktzeit zum Zahn soll nicht mehr als 2–3 Sekunden betragen. Die immer wieder Schleif- und Polierkörper Gummikelche oder -kegel Amalgamfüllungen Goldinlays Zahnhartsubstanzen Polierbürsten 1 Zahnhartsubstanzen Englische Bezeichnung: „Disk“ kurz unterbrochenen Arbeitsbewegungen verhindern zusammen mit dem geringen Andruck die Entwicklung von Reibungswärme sowie den unerwünschten Abrieb der besonders fluoridreichen, oberflächlichen Zahnhartsubstanzen. Weitere Grundsätze zur Politur von Zahnoberflächen sowie ihre selektive, klinische Durchführung beschreibt das Kap. 7 (S.199 ff). Schwingende Feileneinsätze in Hubwinkelstück-Köpfen Enge Zahnzwischenräume versperren sich dem Einsatz von Handinstrumenten, Polier- und Schleifkörpern. Dennoch sind gerade diese Bereiche im Erwachsenenalter Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hellwege, K.-D.: Die Praxis der professionellen Zahnreinigung u. Ultraschall-Scaling (ISBN 9783131312839) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Tabelle 5.12 Auf die Körnung kommt es an: Schleifen, Finieren und Polieren mit diamantierten Schleifkörpern Weitere Hilfsmittel zur professionellen Zahnreinigung MERKE Die neuartigen Feileneinsätze arbeiten mit Hubbewegungen anstatt mit Rotationsbewegungen. Sie reinigen schwer zugängliche Zahnzwischenräume und subgingivale Wurzelflächen. Die vielfältigen Möglichkeiten zum klinischen Einsatz der Feilen drückt der Hersteller mit der Namensgebung seiner Instrumente aus. Die Schweizer Firma Intensiv SA bietet dementsprechend folgende Feileneinsätze an: • Bevelshape-Feilen, • Cavishape-Feilen, • Proxoshape-Feilen, • Rootshape-Feilen. Die Feilensysteme Proxoshape und Rootshape sind geeignete Instrumenteneinsätze für die professionelle Reinigung und Politur von Interdentalräumen und subgingivalen Wurzeloberflächen. Bevelshape und Cavishape dienen der grazilen Kavitätenpräparation und der perfekten Randgestaltung von Präparationsgrenzen. Sie werden hier nicht besprochen. Proxoshape-Feilen Die einseitig belegten Feilen tragen abgestufte Diamantkörnungen von 125 µm (Grün), 90 µm (Silber), 40 µm (Gelb) bis 15 µm (Rot). In Hubwinkelköpfen sind sie nach den Bedürfnissen des Behandlers entweder frei drehbar gelagert (wie z. B. im KaVo INTRA-LUX-EVA Kopf 61 LC mit einer Hubhöhe von 1,5 mm) oder sie können in fest arretierten Positionen (wie z. B. im KaVo INTRA LUX prepcontrol Kopf 61 LR mit 36 Feststellpositionen und einer Hubhöhe von 0,4 mm bzw. im KaVo INTRA LUX PROFIN Kopf 61 LF mit 10 Feststellpositionen und einer Hubhöhe von 1,0 mm) verwendet werden (Abb. 5.191). Die flexiblen Proxoshape-Feilen sind eine elegante Hilfe, um im Seitenzahnbereich Füllungsüberschüsse aus Amalgam- oder Kompositfüllungen abzutragen, Füllungen zu rekonturieren, Zementreste adhäsiv befestigter Inlays zu entfernen sowie Zahnflächen zu reinigen. Frei drehbar oder fest arretiert gelagert passen sich die flexiblen Feileneinsätze den konvexen Zahnformen an. Klinisches Vorgehen Die maschinelle Bearbeitung der Zahnzwischenräume mit Feilen darf sich keineswegs nur auf supragingivale Zahnflächen beschränken. Aus parodontalprophylaktischer Sicht muss sogar mehr Wert auf die Reinigung subgingivaler Zahnabschnitte gelegt werden. Während der Arbeitsbewegungen sollen die hin- und herschwingenden Feileneinsätze langsam in den Zahnzwischenraum hineinund herausgeführt und an den Approximalflächen auf und ab sowie schräg und vertikal bewegt werden. So erfassen sie alle supra- wie subgingivalen Zahnbereiche. Während die Feileneinsätze mit grober oder mittlerer Diamantierung dem Zurückschleifen überschüssigen Füllungsmaterials oder Zements dienen, sind die Feilen mit feinen und superfeinen Korngrößen von 30–15 tausendstel Millimeter (µm) zum Finieren bzw. Vorpolieren gedacht. Die abschließende Politur geschieht mit keilförmigen, der Anatomie des jeweiligen Zahnzwischenraumes angepassten Kunststoff- oder Holzeinsätzen. Einen zusätzlichen präventiven Schutz erreicht man, wenn der Zahnzwischenraum vor der Politur mit einer bakteriell wirksamen Politurpaste aufgefüllt wird. Besonders geeignet sind hierfür Polier- oder Zahnpasten, die neben dem üblichen Fluoridanteil auch Backpulverzusätze enthalten, wie z. B. Parodontax, Madaus, Köln. Parodontax poliert nicht nur, sondern entwickelt durch seinen Gehalt an Baking Soda eine zusätzlich schützende Wirkung im Zahnzwischenraum. Backpulver (Natriumhydrogencarbonat, Na+HCO3-) neutralisiert schädliche Säuren. Na+HCO3- + H+ † Na+ + H2O + CO2 Damit wirkt es kariesprophylaktisch und milieuverändernd auf Karies auslösende Mutans-Streptokokken und Laktobazillen. Sie sind als säureliebende (azidophile) Mikroorganismen in einem leicht angesäuerten Lebensraum besonders stoffwechsel- und vermehrungsaktiv. Er wird ihnen jedoch durch die Pufferkapazität von Na+HCO3genommen. Zugleich schafft das Salz Na+HCO3- in der Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hellwege, K.-D.: Die Praxis der professionellen Zahnreinigung u. Ultraschall-Scaling (ISBN 9783131312839) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. besonders krankheitsgefährdete Zahnflächen – sie sind Zahnflächen „At high Risk“! Ihr Schutz bedarf intensiver Pflege, zu Hause wie im Rahmen der PZR. Die Zahnzwischenräume sind Problembereiche ersten Ranges. In Deutschland gehört das Zähneputzen zwar zum Allgemeingut der Körperpflege, die Zahnzwischenraumpflege liegt jedoch immer noch weitgehend brach. Weniger als 5% der Bevölkerung benutzen regelmäßig Hilfsmittel zur Reinigung der Interdentalräume. Ohne Zahnzwischenraumpflege bleiben aber von den 5 Flächen eines Zahnes regelmäßig 2 Zahnflächen ungeputzt zurück, das sind 40% der Gesamtzahnflächen! Nicht gereinigte Zahnzwischenräume sind nicht nur ein Hort Karies auslösender Mutans Streptokokken (Kristoffersson et al. 1984), sie bieten in gleicher Weise parodontopathogenen Mikroorganismen geschützte Vermehrungsräume. Dementsprechend sind Zahnerkrankungen im Erwachsenengebiss überwiegend auf die Zahnzwischenräume begrenzt. Vor diesem Hintergrund kommt der Reinigung der approximalen Risikoflächen höchste Priorität zu. Neu entwickelte Hubwinkelstück-Köpfe ermöglichen die maschinelle Reinigung enger Zahnzwischenräume sowie subgingivaler Wurzeloberflächen. Sie werden mit unterschiedlichen Feileneinsätzen bestückt. Je nach ihrer Indikation sind die Feilen spatelförmig flach und einseitig belegt, keilförmig spitz und zweiseitig belegt oder nur an ihren kissenförmig gewölbten Enden (Root Shape) mit abgestuften Diamantkörnungen versehen. 161 162 5 Professionelle Zahnreinigung mit professionellem Handwerkszeug engen Geometrie des Zahnzwischenraums eine hypertone Salzkonzentration. Sie hat Bakterien abtötende Wirkung auf supra- wie subgingivale Keime. Der Politur schließt sich die kariesprophylaktische Einzelzahnflächen-Fluoridierung mit einem Fluoridlack oder -gel an. Die Fluoridierung beendet jede professionelle Reinigung des Zahnzwischenraumes. Als weitere Möglichkeit zur Karies- und Parodontalprophylaxe wird die Touchierung der gereinigten Zahnflächen mit einem Chlorhexidinlack (Cervitec von Vivacare, Liechtenstein) empfohlen. Er wirkt antibakteriell. Abb. 5.190 u. 5.191 Hubwinkelstücke lassen sich in Zahnzwischenräumen und auf subgingivalen Wurzeloberflächen einsetzen. Wurzelzement, der frei von Bakterien und bakteriellen Schadstoffen ist, schafft die biologischen Voraussetzungen zur Regeneration parodontalen Gewebes. Um dieses Ziel zu erreichen, erfordert die klassische Bearbeitung der vielgestaltigen Wurzeloberflächen mit Handinstrumenten vom Behandler nicht nur Konzentration und Wissen, sondern auch schlicht handwerkliche Geschicklichkeit. Für ein Behandlungsergebnis, das der manuellen Instrumentierung gleichkommt, aber nicht so kräftezehrend ist, propagieren einige Hersteller den Gebrauch maschinell getriebener Feileneinsätze für die Wurzelglättung. Das Rootsphape-Instrumentarium ist solch eine Neuerung (Intensiv Ca., Inc., CH-6962 Viganello-Lugano, Schweiz). Der Feilensatz besteht aus 3 Feilen. Sie variieren in ihrer Länge, ihrer Diamantierung und in der Flexibilität des Feilenblattes. Ein Feilensatz ist 11 mm, ein zweiter 16 mm lang. Die Körnung der Diamentbelegung ist von mittel (40 µm) über fein (15 µm) nach ultrafein mit nur 2–4 µm abgestuft. Das Feilenblatt kann flexibel oder starr sein (Abb. 5.190 u. 5.191). Die diamantierte Arbeitsfläche ist an der Spitze der konisch zulaufenden Feilen angebracht und nach den Seiten gerundet. Ihre Formgebung gleicht einem Kopfkissen, das auf der Spitze der Feile sitzt. Diese mit Bedacht gewählte Form gewährleistet den dauernden Kontakt der Diamantierung zur Wurzeloberfläche bei allen Arbeitsbewegungen. Anders als bei Küretten, deren Schneiden in einem strengen Anstellwinkel zur Wurzeloberfläche gehalten werden müssen, ist dies bei den gerundeten Arbeitsflächen der Rootshape-Feilen nicht erforderlich. Die Feilen kann man sowohl frei beweglich in dem EVAKopf 61 LA der Firma KaVo einspannen wie auch in individuell gewählten und dann fest arretierten Positionen des EVA-Kopf 61 LR benutzen. Die Hubhöhe in beiden Winkelköpfen ist auf 0,4 mm begrenzt. Die geringen Schwingungen der Feilenspitze erleichtern die Bearbeitung der Wurzeloberfläche. Zugleich vermeiden sie die Verletzung parodontaler Weichgewebe und minimieren durch ihre geringe Hubhöhe die Gefahr, unwillentlich das Saumepithel am Boden einer Zahnfleischtasche zu durchstoßen. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hellwege, K.-D.: Die Praxis der professionellen Zahnreinigung u. Ultraschall-Scaling (ISBN 9783131312839) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Rootshape-Feilen Weitere Hilfsmittel zur professionellen Zahnreinigung 163 Klinisches Vorgehen Die Hauptindikationen der Rootshape-Feilen liegen in der: • subgingivalen Belagsentfernung, • Wurzelreinigung. PER-IO-TOR-Einsätze Was im supragingivalen Interdentalraum das gelochte Metallband des Proflex Flexible Scalers ist, sind für die Wurzelreinigung und ihre zementschonende Glättung die PER-IO-TOR-Einsätze. Sie wurden von Prof. Per Axelsson, Karlstad, Schweden, entwickelt. Die zapfen- und spatelförmigen Instrumente tragen rechtwinklige Glättungsrillen. Ihre Kanten wirken auf der Wurzeloberfläche wie miniaturisierte Hobel (Abb. 5.192). Vom Wurzelzement abstehende Rauigkeiten tragen sie so lange ab, bis die Glattflächen der PER-IO-TOR-Einsätze bündig dem Wurzelzement anliegen. Eine weitere Abhobelung des Wurzelzements ist dann nicht mehr möglich. Abb. 5.192 PER-IO-TOR-Einsätze reinigen den Wurzelzement, ohne ihn abzutragen. Die PER-IO-TOR-Instrumente werden in frei drehbare Hubwinkelstückköpfe (Intra Lux Profinkopf LF, Hubhöhe 1,0 mm, Firma KaVo) eingespannt. Die Hubgeschwindigkeit sollte oberhalb der Vibrationsschwelle liegen. Empfehlenswert sind Schwingbewegungen zwischen 10 000 und 15000 rpm. Langsamere Hubzahlen spürt der Patient als unangenehme Vibrationen. Der Andruck gegen die Zahnwurzel soll ca 1,5 N nicht überschreiten. Klinisches Vorgehen Die zapfenförmigen Instrumente PER-IO-TOR 1 und 2 werden vertikal geführt. Ihr Einsatzbereich sind Wurzeleinziehungen und Wurzelfurkationen. Die Arbeitsrichtung der spatelförmigen Einsätze PER-IO-TOR 3 und 4 erfolgt dagegen waagerecht und schräge. Die Blattstärke des Einsatzes PER-IO-TOR 3 ist besonders dünn und grazil ausgeformt. Das Instrument eignet sich speziell zur Arbeit in engen Zahnfleischtaschen und Zahnzwischenräumen. PER-IO-TOR 4 ist für wenig konvexe Zahnflächen in zugänglichen Interdentalräumen gedacht. Die für die PER-IO-TOR-Instrumente angegebene Schonung des Wurzelzements, verbunden mit der Aussage, das darunter liegende Dentin nicht freizulegen, macht ihren indikationsabhängigen Einsatz besonders für Patienten im Langzeit-Recall empfehlenswert. Eigene Erfahrungen hierzu bestehen nicht. ZUSAMMENFASSUNG Inwieweit subgingivales Ultraschall-Scaling und/ oder eine maschinell betriebene Wurzeloberflächenreinigung das manuelle Instrumentieren ersetzen können, ist klinisch wie wissenschaftlich nicht entschieden. Ganz ohne Zweifel erleichtern die neuen Behandlungsverfahren die manuelle Wurzelbearbeitung. Eine kluge und indikationsabhängige Kombination der unterschiedlichen Behandlungsmethoden vermeidet die dogmatische Einstellung: „Nur so ist es richtig.“ Die Anwendung wissenschaftlich geprüfter, klinisch erprobter und therapeutisch wirksamer Verfahren sichert in der Praxis den größtmöglichen Nutzen für den Patienten! Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Hellwege, K.-D.: Die Praxis der professionellen Zahnreinigung u. Ultraschall-Scaling (ISBN 9783131312839) © 2007 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die Drehzahl bzw. Hubzahl liegt bei der maschinellen Reinigung zwischen 10000 und 15000 rpm. Während der Arbeit ist auf dauernde Wasserkühlung zu achten. Der Andruck der Feilen gegen die Zahnwurzel entspricht in etwa dem bekannten Zahnbürstenandruck von ca. 1,5 N. Bei so kontrolliertem Andruck ist der Abrieb von der Wurzeloberfläche abhängig von der Korngröße der Diamantierung. Er beträgt pro Arbeitsgang bei einer Feile mit 40 tausendstel Millimeter Körnung rund 5 tausendstel Millimeter Wurzelzement, bei einer Feile mit 15 tausendstel Millimeter Körnung rund 3 tausendstel Millimeter und bei einer Feile mit 2–4 tausendstel Millimeter Körnung rund 1 tausendstel Millimeter Wurzelzement. Der Abtrag einer mit gleichem Andruck geführten Kürette ist dem Abtrag der Rootshape-Feilen annähernd vergleichbar (Hugo et al. 1997). Bei wiederholten subgingivalen Wurzelreinigungen mit mittleren oder fein belegten Proxoshape-Feilen besteht die Gefahr, zu viel Zahnhartgewebe zu verlieren. Um das zu vermeiden, sind im Recall nur Feilen mit der feinsten Diamantierung (2–4 tausendstel Millimeter) zu verwenden. Sie schonen den Wurzelzement. Die Bearbeitung der Wurzeloberflächen erfolgt mit wechselnden Arbeitsbewegungen. Sie werden, wenn es die subgingivale und approximale Zugänglichkeit erlaubt, in alle Richtungen geführt, d. h. horizontal, vertikal und diagonal. Während der Wurzelreinigung gewährleistet das kissenförmig gerundete Arbeitsende, dass die diamantierte Feilenfläche immer im Kontakt zur Zahnwurzel steht. Die Diamantierung wie auch das flache und flexible Feilenblatt sorgen dafür, dass morphologische Problemzonen der Wurzeloberfläche wie Furkationseinziehungen und konkave Rillen gut erfasst werden. Vertiefte Zahnfleischtaschen lassen sich mit der lngeren Feilenform erreichen. Der Autor setzt in seiner Praxis Rootshape-Feilen neben der von ihm bevorzugten manuellen Instrumentierung an schwer zugänglichen Approximalbereichen und/oder Furkationen im frei drehbaren Hubwinkelstück ein.