PNEU 13-17 Konsensus - Österreichische Akademie der Ärzte

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PNEUMOLOGISCH
State of the art
Tabakrauchen – Raucherentwöhnung
Von OA Dr. Irmgard Homeier
Morbidität und Mortalität
Tabakrauchen ist international die häufigste vermeidbare Ursache von Krankheit und frühzeitigem Tod.
Die WHO schätzt, dass derzeit ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung, das sind 1,1 Milliarden Menschen, regelmäßige
Raucher sind.
Weltweit werden durch Rauchen jährlich 3,5 Millionen Todesfälle – in Österreich rund 10.000 – verursacht. Alle acht Sekunden stirbt ein Mensch an den Folgen des Tabakkonsums.
Tabakrauch enthält mehr als 4.000 chemische Verbindungen.
Darunter sind mehr als 40 krebserzeugende Substanzen und
eine Vielzahl anderer toxischer Stoffe enthalten.
Nikotinabusus ist sowohl Ursache von Krebs- als auch von
chronischen Erkrankungen. Von den malignen Erkrankungen
ist die Lunge das am häufigsten betroffene Organ. Lungenkrebs ist die häufigste Todesursache bei Männern. Bei den
nicht neoplastischen Erkrankungen der Lunge steht die chronisch obstruktive Bronchitis (COPD) an erster Stelle. War diese
1990 noch weltweit die sechsthäufigste Todesursache, so wird
sie im Jahr 2020 bereits an dritter und das Bronchuskarzinom
an fünfter Stelle liegen. Die einzige kosteneffiziente Maßnahme zur Vorbeugung der chronisch obstruktiven Bronchitis ist
Raucherentwöhnung.
Passivrauchen
(ETS – Environmental Tobacco Smoke)
Tabakrauch ist mit Abstand der bedeutendste und gefährlichste Innenraumschadstoff. Dass Passivrauchen gesundheitliche
Risiken birgt, ist eindeutig nachgewiesen. In der revidierten
Form der WHO „Air Quality Guidelines for Europe“ wurde
festgehalten, dass:
• ETS beim Menschen als Karzinogen gilt und für eine Vielzahl
von Erkrankungen und Todesfälle durch andere ernsthafte gesundheitsschädigende Faktoren verantwortlich ist;
• Akute und chronische Atemwegsbeeinträchtigung bei ETSexponierten Kindern nachgewiesen sind, auch in Haushalten
von Gelegenheitsrauchern;
• Für ETS keine sichere Grenze der Schadstoffkonzentration
existiert.
Abhängigkeit und Entzug
In der 1992 von der WHO veröffentlichten zehnten Revision
der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten
und verwandter Gesundheitsprobleme wurde erstmals das
durch Tabakrauchen verursachte Abhängigkeitssyndrom festgehalten. Spätestens damit wurde die häufige Meinung, Tabakrauchen sei lediglich eine schlechte Angewohnheit, die der
Betroffene ohne Hilfe ablegen könne, widerlegt.
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Diplomfortbildungsprogramm
Die für die durch Tabakkonsum entstehende Abhängigkeit
verantwortliche Droge ist Nikotin. Nikotin wird aus dem brennenden Tabak destilliert und auf Teertröpfchen in die Alveolen
inhaliert, von wo es innerhalb von sieben Sekunden ins Gehirn
gelangt und zur Freisetzung von Neurotransmittern führt.
Diese verursachen eine gesteigerte Wachsamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit, eine Verbesserung der Stimmungslage
und wirken angstbefreiend und appetitzügelnd. Die Symptome der Abhängigkeit finden Sie in Tabelle 1.
Tabelle 1
Prochaskas Phasenmodell
Nach Prochaska und Di Clementi gibt es fünf Phasen der Veränderung („Five Phases of Change“), innerhalb derer ein konsonanter Raucher zu einem dissonanten, entwöhnungswilligen Raucher beziehungsweise Exraucher wird.
Abhängigkeit
•
•
•
•
•
•
•
•
Übermächtiger Wunsch, die Substanz zu konsumieren
Verminderte Kontrollfähigkeit
Körperliches Entzugssyndrom
Gebrauch, um Entzug zu mindern
Toleranzentwicklung
Eingeengtes Verhaltensmuster
Vernachlässigung anderer Interessen
Anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen
ICD-10/1999
Von den nikotinabhängigen Rauchern ist ein Drittel leicht, ein
Drittel mittel und ein Drittel stark abhängig. Diese Abhängigkeit und die damit verbundene Entzugssymptomatik machen
es so schwer, mit dem Rauchen aufzuhören. Die spontane Entwöhnungsrate ohne Hilfe beträgt nur zwei bis drei Prozent
pro Jahr. Nur einer Minderheit gelingt es, nach dem ersten
Entwöhnungsversuch zu bleibenden Nichtrauchern zu werden. Die Mehrheit der Raucher benötigt mehrere Versuche auf
dem Weg zum Nichtraucher, der durch den Wechsel von
Rückfall und Abstinenz gekennzeichnet ist. Somit zeigt die Tabakabhängigkeit viele Kriterien einer chronischen Erkrankung.
Maximal der Hälfte der Raucher gelingt es je, das Rauchen
aufzugeben.
Daher bedürfen insbesondere stark abhängige Raucher neben
einer Verhaltenstherapie auch einer medikamentöse Therapie.
In Österreich gibt es derzeit 1,3 Millionen Raucher, davon sind
45% konsonante Raucher, die an ihrem derzeitigen Rauchverhalten nichts ändern wollen. Die restlichen 55% sind dissonante Raucher, die zu 37% den Tabakkonsum reduzieren und
zu 18% mit dem Rauchen aufhören wollen.
Mindestens 50% aller Raucher haben beim Versuch, abstinent
zu werden, Entzugssymptome. Typische Nikotinentzugssymptome sind Unruhe, Gereiztheit, Ungeduld, Schläfrigkeit,
Durchschlafstörungen, Verwirrtheit, Konzentrationsminderung
und Appetitsteigerung (Bennowitz 1988). Am stärksten ausgeprägt sind diese Symptome 24–48 Stunden nach Konsum der
letzten Zigarette. Im Laufe von zwei bis drei Wochen verschwinden die Symptome meist. Das Craving – die Lust auf eine Zigarette – kann besonders in Stresssituationen noch über
Monate bis Jahre bestehen. Die Symptome des Nikotinentzugssyndroms sind in Tabelle 2 aufgelistet.
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Prekontemplation – Uneinsichtigkeit: In diesem Stadium ist
der Raucher nicht bereit, sein Verhalten in näherer Zukunft zu
ändern beziehungsweise mit dem Rauchen aufzuhören.
Kontemplation – Ambivalenz: Der Raucher ist sich des Risikos, dem er sich durch das Rauchen aussetzt, bewusst. Er ist
aber noch nicht willens, in absehbarer Zeit mit der Entwöhnung zu beginnen.
Vorbereitung: In diesem Stadium beabsichtigen die Betroffenen, in der unmittelbaren Zukunft aktiv zu werden. Üblicherweise haben die Patienten im vergangenen Jahr bereits wesentliche Handlungen gesetzt und ziehen in Erwägung, eine
Beratung bei einem Arzt beziehungsweise Entwöhnungsberater in Anspruch zu nehmen, einer Gruppe beizutreten oder
einfach nur ein Buch zum Thema Raucherentwöhnung zu erwerben.
Aktion – Umsetzung, Handlung: In dieser Phase haben die
Betroffenen bereits ihre Verhaltensweisen in den letzten sechs
Monaten geändert. Patienten in diesem Stadium sind Botschaften bezüglich Abstinenz gegenüber sehr offen und befolgen üblicherweise Behandlungsempfehlungen. Das trifft besonders zu, wenn vom Arzt und Patienten gemeinsam ein
Managementplan entwickelt wurde.
Maintenance – Aufrechterhaltung der Abstinenz: In diesem
Stadium arbeiten die Betroffenen daran, einem Rückfall vorzubeugen. Die Versuchung, rückfällig zu werden ist geringer,
und die Betroffenen vertrauen mehr darauf, dass sie ihre Veränderung aufrechterhalten können. Die emotionale Unterstützung sollte weiterhin fortbestehen.
Tabelle 2
Nikotinentzugssyndrom
•
•
•
•
•
•
•
Craving
Frustration und Unruhe
Konzentrationsstörung
Angst
Verminderte Herzaktion
Hunger und Gewichtszunahme
Schlafstörungen
Diplomfortbildungsprogramm
Empfehlungen der WHO
zur Raucherentwöhnung
In einer Empfehlung für Gesundheitsberufe geht die WHO besonders auf die Problematik des Rauchens im Gesundheitswesen ein: „In Gesundheitsberufen tätige Menschen haben nicht
nur die Verpflichtung, Patienten hinsichtlich einer gesunden
Lebensweise zu beraten, sondern auch die Pflicht, durch den
eigenen Lebensstil zu motivieren.“
Die wichtigste ärztliche Maßnahme zur erfolgreichen Bekämpfung des Tabakmissbrauchs ist, jeden Patienten nach seinem
Rauchverhalten und seiner Bereitschaft, mit dem Rauchen aufzuhören, zu befragen.
In den Evidence-Based-Empfehlungen der WHO zur Behandlung der Tabakabhängigkeit findet sich folgende Terminologie
und folgendes Vorgehen:
Die Behandlung der Tabakabhängigkeit soll einzelne oder
kombinierte verhaltenstherapeutische und medikamentöse
Maßnahmen im Sinne eines kurzen Rats, einer Beratung oder
intensiven Unterstützung und Verordnung von Medikamenten
beinhalten. Ein Raucherentwöhnungsspezialist wird als geschulter Trainer definiert, der erlernte therapeutische Methoden über das Ausmaß der kurzen Beratung hinaus vermittelt.
Diese Maßnahmen sollen bezahlt und nicht in die normale Arbeit eingebettet sein.
Empfehlungen zum Vorgehen bei kurzer Beratung in
der täglichen ärztlichen Routine
In der täglichen Praxis sollen bei jedem Raucher im Rahmen
eines kurzen Gespräches die „Five A’s“ erhoben werden.
Ask: Erfragen und systematisches Erfassen des Rauchverhaltens bei jedem Arztbesuch
Advise: Empfehlung zum Aufhören für jeden Raucher
Assess: Evaluierung der Bereitschaft, mit dem Rauchen aufzuhören
Assist: Unterstützung und Entwicklung eines Managementplanes, wenn der Patient bereit ist aufzuhören
Arrange: Follow-up zur Rückfallprävention arrangieren
Für jene Raucher, die nicht bereit sind, mit dem Rauchen aufzuhören, sollte ein Versuch der Motivation mit den: „Five R’s“
erfolgen. Diese sind:
Relevance: Erarbeiten von spezifischen, ganz persönlichen
Gründen für das Aufhören, wie z.B. die eigene Gesundheit,
die Umwelt der Kinder etc.
Risks: Besprechen von akuten Risikofaktoren (CO-Gehalt der
Ausatmungsluft, Impotenz, Infertilität), Langzeitfaktoren
(Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische
Lungenerkrankungen) und Umweltfaktoren (höheres Krebsrisiko der Lebenspartner)
Rewards: Besprechen von Vorteilen, die der Rauchstopp
bringt.
Roadblocks: Hinterfragen von Barrieren, die daran hindern,
mit dem Rauchen aufzuhören
Repetition: Wiederholung des Motivationsversuchs bei jedem
Arztbesuch
Empfehlungen für den Entwöhnungsspezialisten
Dieser soll all jenen, die intensiverer Maßnahmen als eines
kurzen Rats bedürfen, eine Verhaltenstherapie mit CopingStrategien sowie eine Nikotinersatztherapie und/oder Bupropion mit exakten Anwendungsinformationen anbieten. Das
praktische Vorgehen beinhaltet:
1. Raucheranamnese: Anamnestisch sollen Packyears, Entwöhnungsversuche und das Rauchverhalten (Spiegelraucher/
Spitzenraucher, dissonant/konsonant) erhoben werden.
Spiegelraucher sind Raucher, die über den ganzen Tag verteilt gleich viel rauchen. Spitzenraucher können oft über
mehrere Stunden abstinent bleiben und greifen – dann aber
oft sehr intensiv – in bestimmten Situationen zur Zigarette.
Raucher des Mischtyps rauchen in gleich bleibenden Intervallen regelmäßig und zu bestimmten Anlässen wesentlich mehr.
Nocturnal Sleep Disturbing Nicotine Craving: Manche Raucher werden nachts von ihrem Verlangen nach einer Zigarette
geweckt und müssen ein oder mehrere Zigaretten rauchen,
um weiterschlafen zu können. Das kommt nicht jede Nacht
vor, aber mehrmals pro Monat. Die bisherige Forschung hat
gezeigt, dass es sich durchwegs um hoch abhängige, in ihrer
Lebensqualität eingeschränkte Raucher handelt.
2. Diagnostik: Dazu gehört das Erheben des Ausmaßes der
Abhängigkeit und die Kohlenmonoxidmessung in der Ausatemluft.
• Das Ausmaß der Abhängigkeit wird nach dem FagerströmTest ermittelt. Der Test besteht aus sechs Fragen und wird
nach einem Punktesystem ausgewertet. Je höher die Punkteanzahl, umso höher die Abhängigkeit (siehe Tabelle 3 auf
Seite 16).
• CO-Messung: Mittels des Smokerlyzers kann der CO-Gehalt
der Ausatmungsluft gemessen werden. Kohlenmonoxid entsteht als Verbrennungsprodukt beim Abbrand der Zigarette.
Der CO-Wert (ppm) steigt mit der Zahl der pro Tag gerauchten Zigaretten. Mit dem Messgerät kann eine annähernde Angabe von Prozent CO-Hämoglobin im Blut gemacht werden.
Die CO-Konzentration beträgt 14–23mg% in der Gasphase
des Hauptstroms, im Zigarettenrauch 2,8–4,6 Volumsprozent.
Das ist das Tausendfache der maximal zulässigen Arbeitsplatzkonzentration. Um vergleichbare Werte zu erzielen, sollte die
Messung immer zur annähernd gleichen Tageszeit durchgeführt werden. Dann gibt sie eine gute Aussage über die Reduktion des Tabakkonsums oder die Abstinenz.
3. Therapieplan: Der Raucherentwöhnungsspezialist und der
Patient sollen gemeinsam einen Therapieplan erstellen.
Grundlagen der Therapie der Tabakabhängigkeit sind Verständnis der chemischen Abhängigkeit, die Verhaltenstherapie, die pharmakologische Therapie sowie die Nachsorge und
Rückfallprophylaxe.
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Diplomfortbildungsprogramm
Nichtmedikamentöse Therapie
Medikamentöse Therapie
Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Nikotinentwöhnungstherapie ist der Wille, mit dem Rauchen aufzuhören. Zu einer effektiven Raucherentwöhnung gehört aber
auch eine individuelle Beratung mit Motivation, eine Verhaltenstherapie und eventuell eine medikamentöse Therapie.
Nikotinersatztherapie (NET)
Die Beratung kann in Gruppen oder Einzelgesprächen durchgeführt werden und sollte in regelmäßigen Abständen über
mehrere Wochen mittels persönlichem Kontakt oder telefonisch durchgeführt werden. Der Erfolg steigt mit der Zahl der
Sitzungen.
Der Raucher muss sein Rauchverhalten analysieren und lernen,
Gewohnheiten abzulegen und Versuchungen zu erkennen.
In der Verhaltenstherapie sollen Strategien zur Bewältigung
von Stress und Versuchung, das Management der Entzugssymptomatik und Maßnahmen zur Rückfallsprophylaxe entwickelt werden. Auch der Umgang mit möglichen oder wahrscheinlichen Risikosituationen soll besprochen und trainiert
werden. Ebenso gilt es, die Gewohnheit des Rauchens zu beherrschen. Es soll eine Entkoppelung bestimmter Situationen
vom Rauchen stattfinden. Dazu dienen Raucherprotokolle mit
der Analyse von Rauchsituationen und die Selbstkontrolle.
Die Nikotinersatztherapie ist eine alternative Methode zur Aufnahme von Nikotin, ohne Tabak zu rauchen. Obwohl die
Pharmakokinetik der erhältlichen Produkte variiert, setzt kein
Präparat so rasch Nikotin in die Zirkulation frei wie das Inhalieren beim Zigarettenrauchen. Im Vergleich zum Rauchen werden durch die Nikotinersatztherapie niedrigere Nikotinspiegel
aufgebaut.
Die Einnahme von Nikotin vermindert in den ersten Monaten
der Raucherentwöhnung die Entzugserscheinungen. Dadurch
wird dem Betroffenen die Bewältigung der psychologischen
und verhaltenstherapeutischen Aspekte des Rauchens ermöglicht.
Die Dosis des Nikotinersatzpräperates wird parallel mit dem
Rückgang der Entzugssymptome stufenweise reduziert (über
zwei bis sechs Wochen).
Nur wenn die Dosis des Nikotinersatzpräparates jenen Milligramm an Nikotin, die beim Zigarettenrauchen pro Tag aufgenommen wurden, entspricht, kann die Therapie erfolgreich
sein und Entzugssymptome verhindern.
Eine Metaanalyse aus 53 Studien (Silagy 1994) mit insgesamt
17.703 Studienteilnehmern hat die Verdoppelung des Langzeiterfolges durch die Nikotinersatztherapie gezeigt. Die Studie zum Vergleich verschiedener Nikotinersatzpräparate mit
Placebo ergab eine Odds Ratio von 1,61 für den Kaugummi,
für das Pflaster 2,07, für den Nasalspray 2,9 und 3,05 für den
Inhaler.
Tabelle 3
Fagerström-Test
Frage
1. Wie lange dauert es, bis Sie nach dem Aufwachen
Ihre erste Zigarette rauchen?
2. Fällt es Ihnen schwer, an Orten, an denen Rauchen verboten ist, wie
z.B. in der Kirche, der Bibliothek, im Kino etc., darauf zu verzichten?
3. Bei welcher Zigarette würde es Ihnen am schwersten fallen,
auf sie zu verzichten?
4. Wie viele Zigaretten rauchen Sie täglich?
5. Rauchen Sie in den ersten Stunden nach dem Aufwachen
mehr als während des restlichen Tages?
6. Rauchen Sie selbst dann, wenn Sie so krank sind,
dass Sie den größten Teil des Tages im Bett bleiben müssen?
Testauswertung/Beurteilung der Abhängigkeit: 0–2 Punkte: sehr gering
3–4 Punkte: gering
5 Punkte: mittel
6–7 Punkte: stark
8–10 Punkte: sehr stark
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Wahlmöglichkeit
Innerhalb von fünf Minuten
Sechs bis 30 Minuten
31 bis 60 Minuten
Nach 60 Minuten
Ja
Nein
Bei der ersten morgens
Bei einer anderen
Bis 10
11–20
21–30
31 und mehr
Ja
Nein
Ja
Nein
Punkte
3
2
1
0
1
0
1
0
0
1
2
3
1
0
1
0
Diplomfortbildungsprogramm
In einer von Hajek P. et al. (Arch. Intern. Med. 1999; 159: 2038) durchgeführten randomisierten, kontrollierten Studie wurden die vier Formen der Nikotinersatztherapie direkt miteinander verglichen. Das Ergebnis in der zwölften Woche des Follow-up war für alle Produkte gleich. Hinsichtlich der Compliance zeigten sich jedoch Unterschiede. Sie war beim Pflaster
am höchsten, am zweithöchsten beim Kaugummi und am
niedrigsten beim Inhaler und beim Nasenspray.
Nikotinersatzpräparate können miteinander kombiniert werden. Einige Studien zeigen höhere Erfolgsraten bei Kombinationstherapie als bei Nikotinersatz-Monotherapie.
Obwohl Nikotin Auswirkungen auf den kardialen Output hat,
gibt es für die NET keine Kontraindikation bei Patienten mit
kardiovaskulären Erkrankungen und stabiler Angina pectoris.
Pflaster: Die Wirkung tritt nach zwei bis vier Stunden ein.
Über 16–24 Stunden wird eine fixe Nikotindosis abgegeben.
Das Pflaster soll nach 16–24 Stunden gewechselt werden. Das
neue Pflaster soll an anderer Stelle aufgebracht werden. Kontraindikation für das Nikotinpflaster sind Pflasterunverträglichkeit und eventuelle Hauterkrankungen.
Die anderen Produkte haben einen schnelleren Wirkungseintritt und einen kürzere Wirkdauer und dienen dazu, den Nikotinspiegel rascher an den individuellen Bedarf anzupassen.
Kaugummi: Der Wirkungseintritt erfolgt nach ungefähr 20
Minuten. Der Kaugummi soll gekaut werden, bis sich ein intensiver Geschmack entwickelt. Danach soll er in der Backentasche ruhen, bis der Geschmack nachlässt, um dann erneut
gekaut zu werden. Mögliche Nebenwirkungen sind Irritationen der Mundschleimhaut, Dyspepsie und Singultus. Als Dosierungsrichtlinie wird etwa ein Stück pro Stunde empfohlen.
Inhaler: Beginn der Wirkung ist nach etwa 20 Minuten. Durch
das Ansaugen der Luft wird Nikotin aus der Kunststoffschicht
freigesetzt und gelangt über die Mundschleimhaut in den
Blutkreislauf. Nebenwirkungen sind Mund- und Rachenirritationen
Mikrotabs: Dabei handelt es sich um Sublingualtabletten, die
unter die Zunge gelegt werden, wo sie sich langsam (innerhalb von 30 Minuten) auflösen und Nikotin freisetzen. Sie dürfen weder geschluckt noch gekaut werden. Nebenwirkungen:
Singultus, Beschwerden des Magen-Darm-Traktes. Als Dosierungsrichtlinie gilt etwa ein Tab pro Stunde.
Mint-Lutschtabletten: Sie setzen beim Lutschen Nikotin frei
und dürfen ebenfalls nicht gekaut oder geschluckt werden.
Nasalspray: In jedes Nasenloch wird ein Sprühstoß abgegeben. Es darf nicht aufgeschnupft werden, da es sonst zu übermäßigem Niesreiz und tränenden Augen kommt. Mit einem
Peak des Blut-Nikotin-Spiegels innerhalb von 5–10 Minuten
kommt der Nasalspray der Nikotinaufnahme durch Zigarettenrauchen am nächsten.
Bupropionhydrochlorid (Zyban®)
Bupropionhydrochlorid ist ein selektiver Dopamin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer. Es führt einerseits durch
Erhöhung des Dopaminspiegels im mesolimbischen System
(Belohnungseffekt) zu einer Verminderung des Craving und
andererseits über die Beeinflussung noradrenerger Neurone
zu einer Verringerung der Entzugssymptomatik. Der exakte
Wirkungsmechanismus ist allerdings nicht bekannt.
In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie von Jorenby D. et al. (NEJM 1999; 340: 685–91) zeigte sich unter Bupropion allein und in Kombination mit dem Nikotinpflaster eine
wesentlich höhere Entwöhnungsrate nach einem Jahr (35,5%)
als unter Placebo oder unter dem Nikotinpflaster allein.
Dosierung: Zyban® 150mg wird nach einer einwöchigen Phase einmal täglich und dann für weitere sieben Wochen zweimal täglich eingenommen.
Wechselwirkungen: Zu beachten ist, dass Bupropionhydrochlorid über CYP2B6 metabolisiert wird. Deshalb wird die
Substanz bei Einnahme von Orphenadrin, Cyclophosphamid,
Isophosphamid langsamer abgebaut.
Bupropion und Hydroxybupropion hemmen CYP2D6 und
führen zu einem verlangsamten Metabolismus von einigen Beta-Blockern (Beloc®), Antiarrhythmika (Rytmonorma®, Aristocor®), Antidepressiva (Tofranil®, Pertofran®, Seroxat®) und Antipsychotika (Melleril®). Gegenmaßnahme ist die Dosisreduktion dieser Medikamente.
Kontraindikationen sind Überempfindlichkeit gegen Bupropion oder einen anderen Inhaltsstoff, bestehende oder anamnestisch bekannte Neigung zu Krampfanfällen, bestehende
oder anamnestisch bekannte Bulimie oder Anorexia nervosa,
schwere Leberzirrhose und die Verwendung von MAO-Hemmern innerhalb der letzten 14 Tage sowie manisch-depressive
Psychosen.
Warnhinweise: Vorsicht ist geboten bei zu Anfällen prädisponierenden Faktoren (Schädeltrauma, ZNS-Tumor) beziehungsweise bei klinischen Situationen, die mit einem erhöhten Anfallsrisiko verbunden sind. Die Sicherheit für die Schwangerschaft/Stillperiode ist nicht belegt. Die Substanz soll in diesen
Situationen nicht angewendet werden. Bupropion und seine
Metaboliten gehen in die Muttermilch über.
Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit: Bupropion kann
wie andere ZNS-aktive Arzneimittel die Fähigkeit beeinflussen,
Tätigkeiten auszuüben, die Urteilsvermögen oder motorische
und kognitive Geschicklichkeit erfordern. Patienten sollen, bevor sie ein Fahrzeug lenken oder eine Maschine bedienen, abklären, wie sie auf Zyban® reagieren.
Literatur bei der Verfasserin
Lecture Board: Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr.
Rolf Wolfgang Pohl, Univ.-Prof. Dr. Werner Schlick und Dr.
Hans Schwaiger
Die Autorin
Die
Autorin
OA Dr.
Irmgard
Homeier
II.
Interne Lungen
abteilung,
OttoOA Dr. Irmgard Homeier
Wagner-Spital,
Pulmologisches
Zentrum
WienII.In
Die
dardHomeier
II. Interne Lungenabteilung, OttoWagner-Spital, Pulmologisches Zentrum Wien
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