PNEUMOLOGISCH State of the art Tabakrauchen – Raucherentwöhnung Von OA Dr. Irmgard Homeier Morbidität und Mortalität Tabakrauchen ist international die häufigste vermeidbare Ursache von Krankheit und frühzeitigem Tod. Die WHO schätzt, dass derzeit ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung, das sind 1,1 Milliarden Menschen, regelmäßige Raucher sind. Weltweit werden durch Rauchen jährlich 3,5 Millionen Todesfälle – in Österreich rund 10.000 – verursacht. Alle acht Sekunden stirbt ein Mensch an den Folgen des Tabakkonsums. Tabakrauch enthält mehr als 4.000 chemische Verbindungen. Darunter sind mehr als 40 krebserzeugende Substanzen und eine Vielzahl anderer toxischer Stoffe enthalten. Nikotinabusus ist sowohl Ursache von Krebs- als auch von chronischen Erkrankungen. Von den malignen Erkrankungen ist die Lunge das am häufigsten betroffene Organ. Lungenkrebs ist die häufigste Todesursache bei Männern. Bei den nicht neoplastischen Erkrankungen der Lunge steht die chronisch obstruktive Bronchitis (COPD) an erster Stelle. War diese 1990 noch weltweit die sechsthäufigste Todesursache, so wird sie im Jahr 2020 bereits an dritter und das Bronchuskarzinom an fünfter Stelle liegen. Die einzige kosteneffiziente Maßnahme zur Vorbeugung der chronisch obstruktiven Bronchitis ist Raucherentwöhnung. Passivrauchen (ETS – Environmental Tobacco Smoke) Tabakrauch ist mit Abstand der bedeutendste und gefährlichste Innenraumschadstoff. Dass Passivrauchen gesundheitliche Risiken birgt, ist eindeutig nachgewiesen. In der revidierten Form der WHO „Air Quality Guidelines for Europe“ wurde festgehalten, dass: • ETS beim Menschen als Karzinogen gilt und für eine Vielzahl von Erkrankungen und Todesfälle durch andere ernsthafte gesundheitsschädigende Faktoren verantwortlich ist; • Akute und chronische Atemwegsbeeinträchtigung bei ETSexponierten Kindern nachgewiesen sind, auch in Haushalten von Gelegenheitsrauchern; • Für ETS keine sichere Grenze der Schadstoffkonzentration existiert. Abhängigkeit und Entzug In der 1992 von der WHO veröffentlichten zehnten Revision der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme wurde erstmals das durch Tabakrauchen verursachte Abhängigkeitssyndrom festgehalten. Spätestens damit wurde die häufige Meinung, Tabakrauchen sei lediglich eine schlechte Angewohnheit, die der Betroffene ohne Hilfe ablegen könne, widerlegt. Pneumologisch 1/03 Diplomfortbildungsprogramm Die für die durch Tabakkonsum entstehende Abhängigkeit verantwortliche Droge ist Nikotin. Nikotin wird aus dem brennenden Tabak destilliert und auf Teertröpfchen in die Alveolen inhaliert, von wo es innerhalb von sieben Sekunden ins Gehirn gelangt und zur Freisetzung von Neurotransmittern führt. Diese verursachen eine gesteigerte Wachsamkeit und Wahrnehmungsfähigkeit, eine Verbesserung der Stimmungslage und wirken angstbefreiend und appetitzügelnd. Die Symptome der Abhängigkeit finden Sie in Tabelle 1. Tabelle 1 Prochaskas Phasenmodell Nach Prochaska und Di Clementi gibt es fünf Phasen der Veränderung („Five Phases of Change“), innerhalb derer ein konsonanter Raucher zu einem dissonanten, entwöhnungswilligen Raucher beziehungsweise Exraucher wird. Abhängigkeit • • • • • • • • Übermächtiger Wunsch, die Substanz zu konsumieren Verminderte Kontrollfähigkeit Körperliches Entzugssyndrom Gebrauch, um Entzug zu mindern Toleranzentwicklung Eingeengtes Verhaltensmuster Vernachlässigung anderer Interessen Anhaltender Konsum trotz schädlicher Folgen ICD-10/1999 Von den nikotinabhängigen Rauchern ist ein Drittel leicht, ein Drittel mittel und ein Drittel stark abhängig. Diese Abhängigkeit und die damit verbundene Entzugssymptomatik machen es so schwer, mit dem Rauchen aufzuhören. Die spontane Entwöhnungsrate ohne Hilfe beträgt nur zwei bis drei Prozent pro Jahr. Nur einer Minderheit gelingt es, nach dem ersten Entwöhnungsversuch zu bleibenden Nichtrauchern zu werden. Die Mehrheit der Raucher benötigt mehrere Versuche auf dem Weg zum Nichtraucher, der durch den Wechsel von Rückfall und Abstinenz gekennzeichnet ist. Somit zeigt die Tabakabhängigkeit viele Kriterien einer chronischen Erkrankung. Maximal der Hälfte der Raucher gelingt es je, das Rauchen aufzugeben. Daher bedürfen insbesondere stark abhängige Raucher neben einer Verhaltenstherapie auch einer medikamentöse Therapie. In Österreich gibt es derzeit 1,3 Millionen Raucher, davon sind 45% konsonante Raucher, die an ihrem derzeitigen Rauchverhalten nichts ändern wollen. Die restlichen 55% sind dissonante Raucher, die zu 37% den Tabakkonsum reduzieren und zu 18% mit dem Rauchen aufhören wollen. Mindestens 50% aller Raucher haben beim Versuch, abstinent zu werden, Entzugssymptome. Typische Nikotinentzugssymptome sind Unruhe, Gereiztheit, Ungeduld, Schläfrigkeit, Durchschlafstörungen, Verwirrtheit, Konzentrationsminderung und Appetitsteigerung (Bennowitz 1988). Am stärksten ausgeprägt sind diese Symptome 24–48 Stunden nach Konsum der letzten Zigarette. Im Laufe von zwei bis drei Wochen verschwinden die Symptome meist. Das Craving – die Lust auf eine Zigarette – kann besonders in Stresssituationen noch über Monate bis Jahre bestehen. Die Symptome des Nikotinentzugssyndroms sind in Tabelle 2 aufgelistet. Pneumologisch 1/03 Prekontemplation – Uneinsichtigkeit: In diesem Stadium ist der Raucher nicht bereit, sein Verhalten in näherer Zukunft zu ändern beziehungsweise mit dem Rauchen aufzuhören. Kontemplation – Ambivalenz: Der Raucher ist sich des Risikos, dem er sich durch das Rauchen aussetzt, bewusst. Er ist aber noch nicht willens, in absehbarer Zeit mit der Entwöhnung zu beginnen. Vorbereitung: In diesem Stadium beabsichtigen die Betroffenen, in der unmittelbaren Zukunft aktiv zu werden. Üblicherweise haben die Patienten im vergangenen Jahr bereits wesentliche Handlungen gesetzt und ziehen in Erwägung, eine Beratung bei einem Arzt beziehungsweise Entwöhnungsberater in Anspruch zu nehmen, einer Gruppe beizutreten oder einfach nur ein Buch zum Thema Raucherentwöhnung zu erwerben. Aktion – Umsetzung, Handlung: In dieser Phase haben die Betroffenen bereits ihre Verhaltensweisen in den letzten sechs Monaten geändert. Patienten in diesem Stadium sind Botschaften bezüglich Abstinenz gegenüber sehr offen und befolgen üblicherweise Behandlungsempfehlungen. Das trifft besonders zu, wenn vom Arzt und Patienten gemeinsam ein Managementplan entwickelt wurde. Maintenance – Aufrechterhaltung der Abstinenz: In diesem Stadium arbeiten die Betroffenen daran, einem Rückfall vorzubeugen. Die Versuchung, rückfällig zu werden ist geringer, und die Betroffenen vertrauen mehr darauf, dass sie ihre Veränderung aufrechterhalten können. Die emotionale Unterstützung sollte weiterhin fortbestehen. Tabelle 2 Nikotinentzugssyndrom • • • • • • • Craving Frustration und Unruhe Konzentrationsstörung Angst Verminderte Herzaktion Hunger und Gewichtszunahme Schlafstörungen Diplomfortbildungsprogramm Empfehlungen der WHO zur Raucherentwöhnung In einer Empfehlung für Gesundheitsberufe geht die WHO besonders auf die Problematik des Rauchens im Gesundheitswesen ein: „In Gesundheitsberufen tätige Menschen haben nicht nur die Verpflichtung, Patienten hinsichtlich einer gesunden Lebensweise zu beraten, sondern auch die Pflicht, durch den eigenen Lebensstil zu motivieren.“ Die wichtigste ärztliche Maßnahme zur erfolgreichen Bekämpfung des Tabakmissbrauchs ist, jeden Patienten nach seinem Rauchverhalten und seiner Bereitschaft, mit dem Rauchen aufzuhören, zu befragen. In den Evidence-Based-Empfehlungen der WHO zur Behandlung der Tabakabhängigkeit findet sich folgende Terminologie und folgendes Vorgehen: Die Behandlung der Tabakabhängigkeit soll einzelne oder kombinierte verhaltenstherapeutische und medikamentöse Maßnahmen im Sinne eines kurzen Rats, einer Beratung oder intensiven Unterstützung und Verordnung von Medikamenten beinhalten. Ein Raucherentwöhnungsspezialist wird als geschulter Trainer definiert, der erlernte therapeutische Methoden über das Ausmaß der kurzen Beratung hinaus vermittelt. Diese Maßnahmen sollen bezahlt und nicht in die normale Arbeit eingebettet sein. Empfehlungen zum Vorgehen bei kurzer Beratung in der täglichen ärztlichen Routine In der täglichen Praxis sollen bei jedem Raucher im Rahmen eines kurzen Gespräches die „Five A’s“ erhoben werden. Ask: Erfragen und systematisches Erfassen des Rauchverhaltens bei jedem Arztbesuch Advise: Empfehlung zum Aufhören für jeden Raucher Assess: Evaluierung der Bereitschaft, mit dem Rauchen aufzuhören Assist: Unterstützung und Entwicklung eines Managementplanes, wenn der Patient bereit ist aufzuhören Arrange: Follow-up zur Rückfallprävention arrangieren Für jene Raucher, die nicht bereit sind, mit dem Rauchen aufzuhören, sollte ein Versuch der Motivation mit den: „Five R’s“ erfolgen. Diese sind: Relevance: Erarbeiten von spezifischen, ganz persönlichen Gründen für das Aufhören, wie z.B. die eigene Gesundheit, die Umwelt der Kinder etc. Risks: Besprechen von akuten Risikofaktoren (CO-Gehalt der Ausatmungsluft, Impotenz, Infertilität), Langzeitfaktoren (Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Lungenerkrankungen) und Umweltfaktoren (höheres Krebsrisiko der Lebenspartner) Rewards: Besprechen von Vorteilen, die der Rauchstopp bringt. Roadblocks: Hinterfragen von Barrieren, die daran hindern, mit dem Rauchen aufzuhören Repetition: Wiederholung des Motivationsversuchs bei jedem Arztbesuch Empfehlungen für den Entwöhnungsspezialisten Dieser soll all jenen, die intensiverer Maßnahmen als eines kurzen Rats bedürfen, eine Verhaltenstherapie mit CopingStrategien sowie eine Nikotinersatztherapie und/oder Bupropion mit exakten Anwendungsinformationen anbieten. Das praktische Vorgehen beinhaltet: 1. Raucheranamnese: Anamnestisch sollen Packyears, Entwöhnungsversuche und das Rauchverhalten (Spiegelraucher/ Spitzenraucher, dissonant/konsonant) erhoben werden. Spiegelraucher sind Raucher, die über den ganzen Tag verteilt gleich viel rauchen. Spitzenraucher können oft über mehrere Stunden abstinent bleiben und greifen – dann aber oft sehr intensiv – in bestimmten Situationen zur Zigarette. Raucher des Mischtyps rauchen in gleich bleibenden Intervallen regelmäßig und zu bestimmten Anlässen wesentlich mehr. Nocturnal Sleep Disturbing Nicotine Craving: Manche Raucher werden nachts von ihrem Verlangen nach einer Zigarette geweckt und müssen ein oder mehrere Zigaretten rauchen, um weiterschlafen zu können. Das kommt nicht jede Nacht vor, aber mehrmals pro Monat. Die bisherige Forschung hat gezeigt, dass es sich durchwegs um hoch abhängige, in ihrer Lebensqualität eingeschränkte Raucher handelt. 2. Diagnostik: Dazu gehört das Erheben des Ausmaßes der Abhängigkeit und die Kohlenmonoxidmessung in der Ausatemluft. • Das Ausmaß der Abhängigkeit wird nach dem FagerströmTest ermittelt. Der Test besteht aus sechs Fragen und wird nach einem Punktesystem ausgewertet. Je höher die Punkteanzahl, umso höher die Abhängigkeit (siehe Tabelle 3 auf Seite 16). • CO-Messung: Mittels des Smokerlyzers kann der CO-Gehalt der Ausatmungsluft gemessen werden. Kohlenmonoxid entsteht als Verbrennungsprodukt beim Abbrand der Zigarette. Der CO-Wert (ppm) steigt mit der Zahl der pro Tag gerauchten Zigaretten. Mit dem Messgerät kann eine annähernde Angabe von Prozent CO-Hämoglobin im Blut gemacht werden. Die CO-Konzentration beträgt 14–23mg% in der Gasphase des Hauptstroms, im Zigarettenrauch 2,8–4,6 Volumsprozent. Das ist das Tausendfache der maximal zulässigen Arbeitsplatzkonzentration. Um vergleichbare Werte zu erzielen, sollte die Messung immer zur annähernd gleichen Tageszeit durchgeführt werden. Dann gibt sie eine gute Aussage über die Reduktion des Tabakkonsums oder die Abstinenz. 3. Therapieplan: Der Raucherentwöhnungsspezialist und der Patient sollen gemeinsam einen Therapieplan erstellen. Grundlagen der Therapie der Tabakabhängigkeit sind Verständnis der chemischen Abhängigkeit, die Verhaltenstherapie, die pharmakologische Therapie sowie die Nachsorge und Rückfallprophylaxe. Pneumologisch 1/03 Diplomfortbildungsprogramm Nichtmedikamentöse Therapie Medikamentöse Therapie Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Nikotinentwöhnungstherapie ist der Wille, mit dem Rauchen aufzuhören. Zu einer effektiven Raucherentwöhnung gehört aber auch eine individuelle Beratung mit Motivation, eine Verhaltenstherapie und eventuell eine medikamentöse Therapie. Nikotinersatztherapie (NET) Die Beratung kann in Gruppen oder Einzelgesprächen durchgeführt werden und sollte in regelmäßigen Abständen über mehrere Wochen mittels persönlichem Kontakt oder telefonisch durchgeführt werden. Der Erfolg steigt mit der Zahl der Sitzungen. Der Raucher muss sein Rauchverhalten analysieren und lernen, Gewohnheiten abzulegen und Versuchungen zu erkennen. In der Verhaltenstherapie sollen Strategien zur Bewältigung von Stress und Versuchung, das Management der Entzugssymptomatik und Maßnahmen zur Rückfallsprophylaxe entwickelt werden. Auch der Umgang mit möglichen oder wahrscheinlichen Risikosituationen soll besprochen und trainiert werden. Ebenso gilt es, die Gewohnheit des Rauchens zu beherrschen. Es soll eine Entkoppelung bestimmter Situationen vom Rauchen stattfinden. Dazu dienen Raucherprotokolle mit der Analyse von Rauchsituationen und die Selbstkontrolle. Die Nikotinersatztherapie ist eine alternative Methode zur Aufnahme von Nikotin, ohne Tabak zu rauchen. Obwohl die Pharmakokinetik der erhältlichen Produkte variiert, setzt kein Präparat so rasch Nikotin in die Zirkulation frei wie das Inhalieren beim Zigarettenrauchen. Im Vergleich zum Rauchen werden durch die Nikotinersatztherapie niedrigere Nikotinspiegel aufgebaut. Die Einnahme von Nikotin vermindert in den ersten Monaten der Raucherentwöhnung die Entzugserscheinungen. Dadurch wird dem Betroffenen die Bewältigung der psychologischen und verhaltenstherapeutischen Aspekte des Rauchens ermöglicht. Die Dosis des Nikotinersatzpräperates wird parallel mit dem Rückgang der Entzugssymptome stufenweise reduziert (über zwei bis sechs Wochen). Nur wenn die Dosis des Nikotinersatzpräparates jenen Milligramm an Nikotin, die beim Zigarettenrauchen pro Tag aufgenommen wurden, entspricht, kann die Therapie erfolgreich sein und Entzugssymptome verhindern. Eine Metaanalyse aus 53 Studien (Silagy 1994) mit insgesamt 17.703 Studienteilnehmern hat die Verdoppelung des Langzeiterfolges durch die Nikotinersatztherapie gezeigt. Die Studie zum Vergleich verschiedener Nikotinersatzpräparate mit Placebo ergab eine Odds Ratio von 1,61 für den Kaugummi, für das Pflaster 2,07, für den Nasalspray 2,9 und 3,05 für den Inhaler. Tabelle 3 Fagerström-Test Frage 1. Wie lange dauert es, bis Sie nach dem Aufwachen Ihre erste Zigarette rauchen? 2. Fällt es Ihnen schwer, an Orten, an denen Rauchen verboten ist, wie z.B. in der Kirche, der Bibliothek, im Kino etc., darauf zu verzichten? 3. Bei welcher Zigarette würde es Ihnen am schwersten fallen, auf sie zu verzichten? 4. Wie viele Zigaretten rauchen Sie täglich? 5. Rauchen Sie in den ersten Stunden nach dem Aufwachen mehr als während des restlichen Tages? 6. Rauchen Sie selbst dann, wenn Sie so krank sind, dass Sie den größten Teil des Tages im Bett bleiben müssen? Testauswertung/Beurteilung der Abhängigkeit: 0–2 Punkte: sehr gering 3–4 Punkte: gering 5 Punkte: mittel 6–7 Punkte: stark 8–10 Punkte: sehr stark Pneumologisch 1/03 Wahlmöglichkeit Innerhalb von fünf Minuten Sechs bis 30 Minuten 31 bis 60 Minuten Nach 60 Minuten Ja Nein Bei der ersten morgens Bei einer anderen Bis 10 11–20 21–30 31 und mehr Ja Nein Ja Nein Punkte 3 2 1 0 1 0 1 0 0 1 2 3 1 0 1 0 Diplomfortbildungsprogramm In einer von Hajek P. et al. (Arch. Intern. Med. 1999; 159: 2038) durchgeführten randomisierten, kontrollierten Studie wurden die vier Formen der Nikotinersatztherapie direkt miteinander verglichen. Das Ergebnis in der zwölften Woche des Follow-up war für alle Produkte gleich. Hinsichtlich der Compliance zeigten sich jedoch Unterschiede. Sie war beim Pflaster am höchsten, am zweithöchsten beim Kaugummi und am niedrigsten beim Inhaler und beim Nasenspray. Nikotinersatzpräparate können miteinander kombiniert werden. Einige Studien zeigen höhere Erfolgsraten bei Kombinationstherapie als bei Nikotinersatz-Monotherapie. Obwohl Nikotin Auswirkungen auf den kardialen Output hat, gibt es für die NET keine Kontraindikation bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen und stabiler Angina pectoris. Pflaster: Die Wirkung tritt nach zwei bis vier Stunden ein. Über 16–24 Stunden wird eine fixe Nikotindosis abgegeben. Das Pflaster soll nach 16–24 Stunden gewechselt werden. Das neue Pflaster soll an anderer Stelle aufgebracht werden. Kontraindikation für das Nikotinpflaster sind Pflasterunverträglichkeit und eventuelle Hauterkrankungen. Die anderen Produkte haben einen schnelleren Wirkungseintritt und einen kürzere Wirkdauer und dienen dazu, den Nikotinspiegel rascher an den individuellen Bedarf anzupassen. Kaugummi: Der Wirkungseintritt erfolgt nach ungefähr 20 Minuten. Der Kaugummi soll gekaut werden, bis sich ein intensiver Geschmack entwickelt. Danach soll er in der Backentasche ruhen, bis der Geschmack nachlässt, um dann erneut gekaut zu werden. Mögliche Nebenwirkungen sind Irritationen der Mundschleimhaut, Dyspepsie und Singultus. Als Dosierungsrichtlinie wird etwa ein Stück pro Stunde empfohlen. Inhaler: Beginn der Wirkung ist nach etwa 20 Minuten. Durch das Ansaugen der Luft wird Nikotin aus der Kunststoffschicht freigesetzt und gelangt über die Mundschleimhaut in den Blutkreislauf. Nebenwirkungen sind Mund- und Rachenirritationen Mikrotabs: Dabei handelt es sich um Sublingualtabletten, die unter die Zunge gelegt werden, wo sie sich langsam (innerhalb von 30 Minuten) auflösen und Nikotin freisetzen. Sie dürfen weder geschluckt noch gekaut werden. Nebenwirkungen: Singultus, Beschwerden des Magen-Darm-Traktes. Als Dosierungsrichtlinie gilt etwa ein Tab pro Stunde. Mint-Lutschtabletten: Sie setzen beim Lutschen Nikotin frei und dürfen ebenfalls nicht gekaut oder geschluckt werden. Nasalspray: In jedes Nasenloch wird ein Sprühstoß abgegeben. Es darf nicht aufgeschnupft werden, da es sonst zu übermäßigem Niesreiz und tränenden Augen kommt. Mit einem Peak des Blut-Nikotin-Spiegels innerhalb von 5–10 Minuten kommt der Nasalspray der Nikotinaufnahme durch Zigarettenrauchen am nächsten. Bupropionhydrochlorid (Zyban®) Bupropionhydrochlorid ist ein selektiver Dopamin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer. Es führt einerseits durch Erhöhung des Dopaminspiegels im mesolimbischen System (Belohnungseffekt) zu einer Verminderung des Craving und andererseits über die Beeinflussung noradrenerger Neurone zu einer Verringerung der Entzugssymptomatik. Der exakte Wirkungsmechanismus ist allerdings nicht bekannt. In einer randomisierten, placebokontrollierten Studie von Jorenby D. et al. (NEJM 1999; 340: 685–91) zeigte sich unter Bupropion allein und in Kombination mit dem Nikotinpflaster eine wesentlich höhere Entwöhnungsrate nach einem Jahr (35,5%) als unter Placebo oder unter dem Nikotinpflaster allein. Dosierung: Zyban® 150mg wird nach einer einwöchigen Phase einmal täglich und dann für weitere sieben Wochen zweimal täglich eingenommen. Wechselwirkungen: Zu beachten ist, dass Bupropionhydrochlorid über CYP2B6 metabolisiert wird. Deshalb wird die Substanz bei Einnahme von Orphenadrin, Cyclophosphamid, Isophosphamid langsamer abgebaut. Bupropion und Hydroxybupropion hemmen CYP2D6 und führen zu einem verlangsamten Metabolismus von einigen Beta-Blockern (Beloc®), Antiarrhythmika (Rytmonorma®, Aristocor®), Antidepressiva (Tofranil®, Pertofran®, Seroxat®) und Antipsychotika (Melleril®). Gegenmaßnahme ist die Dosisreduktion dieser Medikamente. Kontraindikationen sind Überempfindlichkeit gegen Bupropion oder einen anderen Inhaltsstoff, bestehende oder anamnestisch bekannte Neigung zu Krampfanfällen, bestehende oder anamnestisch bekannte Bulimie oder Anorexia nervosa, schwere Leberzirrhose und die Verwendung von MAO-Hemmern innerhalb der letzten 14 Tage sowie manisch-depressive Psychosen. Warnhinweise: Vorsicht ist geboten bei zu Anfällen prädisponierenden Faktoren (Schädeltrauma, ZNS-Tumor) beziehungsweise bei klinischen Situationen, die mit einem erhöhten Anfallsrisiko verbunden sind. Die Sicherheit für die Schwangerschaft/Stillperiode ist nicht belegt. Die Substanz soll in diesen Situationen nicht angewendet werden. Bupropion und seine Metaboliten gehen in die Muttermilch über. Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit: Bupropion kann wie andere ZNS-aktive Arzneimittel die Fähigkeit beeinflussen, Tätigkeiten auszuüben, die Urteilsvermögen oder motorische und kognitive Geschicklichkeit erfordern. Patienten sollen, bevor sie ein Fahrzeug lenken oder eine Maschine bedienen, abklären, wie sie auf Zyban® reagieren. Literatur bei der Verfasserin Lecture Board: Univ.-Prof. Dr. Manfred Götz, Univ.-Prof. Dr. Rolf Wolfgang Pohl, Univ.-Prof. Dr. Werner Schlick und Dr. Hans Schwaiger Die Autorin Die Autorin OA Dr. Irmgard Homeier II. Interne Lungen abteilung, OttoOA Dr. Irmgard Homeier Wagner-Spital, Pulmologisches Zentrum WienII.In Die dardHomeier II. Interne Lungenabteilung, OttoWagner-Spital, Pulmologisches Zentrum Wien Pneumologisch 1/03