KP0801_08_PH_Wert 11.02.2008 13:02 Uhr Seite 8 Kosmetologie Der pH-Wert der Hautoberfläche Sauer oder Ein Maß für den Säurecharakter ist ganz allgemein der pH-Wert. In der Hautphysiologie ist er eine sehr wichtige Größe, die den Aufbau und die Funktionalität vor allem der Hornschicht wesentlich mitbestimmt. Damit hat der pH-Wert auch bei Kosmetika eine wichtige Funktion. Was ist der pH-Wert, wie misst man ihn, wie wird er beeinflusst und welche Bedeutung hat er für die Haut und für Kosmetika? D ie Haut hat einen sog. Säureschutzmantel, d.h., man kann an der Hautoberfläche einen sauren pH-Wert messen – das ist nicht zuletzt aus verschiedensten Werbeaussagen von Kosmetikfirmen allgemein bekannt. Doch wie Untersuchungsergebnisse der letzten Jahrzehnte zeigen, verbergen sich hinter dem einfachen und anschaulichen Begriff Säureschutzmantel komplizierte Mechanismen, die bis heute nicht vollständig verstanden sind. Ziel dieser Übersicht ist, die aktuellen Konzepte zur Bildung und Aufrechterhaltung dieses Säureschutzmantels sowie seine Bedeutung für die Kosmetik darzustellen. pH-Wert der Hautoberfläche Definition – Der pH-Wert gibt an, wie stark sauer oder basisch (alkalisch) eine wässrige Lösung ist (Definition 8 KOSMETISCHE Praxis 1/2008 und Erläuterung siehe Kasten S. 10). Da der Hydrolipidfilm auf der Haut Wasser enthält, kann man auch ihm einen pHWert zuordnen, und eine unmittelbare pH-Wert-Messung auf der Hautoberfläche ist damit möglich. Der Haut-pHWert wird heute meist mit Hilfe einer speziellen Glaselektrode gemessen (siehe Kasten S.9). Zahlenwert – Der pH-Wert der Hautoberfläche liegt, wie der Begriff „Säureschutzmantel der Haut“ ausdrückt, im sauren Bereich, die genauen Angaben schwanken in der Literatur. Im Allgemeinen werden aber Werte zwischen 4,0 bis 6,0 und im Mittel zwischen 4,8 und 5,5 angeben. Diese saure pH-Reaktion ist nicht nur an der Hautoberfläche zu messen, sondern kann im Prinzip in allen Schichten des Stratum corneum gefunden werden. Die Werte steigen allerdings nach innen zur Körnerzellschicht hin an. An der Grenze zur Körnerzellschicht erreicht der pH-Wert dann bereits 7,0. Variabilität – Im Gegensatz zu anderen hautphysiologischen Charakteristika hat der pH-Wert eine insgesamt geringere Variabilität. Lokalisationsunterschiede sind zum einen auf die Achselhöhlen, die Haut unter der Brust bei Frauen und die Leistenregion beschränkt, wo überall höhere pH-Werte gefunden werden. Zum anderen liegen die Werte in talgdrüsenreichen seborrhoischen Arealen niedriger. Auch scheint es bei Erwachsenen keine konstanten altersabhängigen Veränderungen des pH-Wertes zu geben, ein signifikanter Anstieg in höherem Alter wird diskutiert – allerdings lassen die verfügbaren Studien keine abschließenden Aussagen zu. Gleiches gilt auch für Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder für tageszeitliche Schwankungen des Hautoberflächen-pH-Wertes. Physiologische Funktion – Der saure pH-Wert leistet einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung von Aufbau und Funktion der Hautbarriere. So ist z. B. die Aktivität von Enzymen, die an der Abschilferung von Hornzellen beteiligt sind, pH-abhängig. Ähnliches Fotos: Pixelio.de (S. 8), Courage + Khazaka electronic GmbH (S. 10) basisch? KP0801_08_PH_Wert 11.02.2008 13:02 Uhr Seite 9 scheint für Enzyme zu gelten, die für die Struktur des Interzellularraumes wichtig sind. Außerdem hat der saure pH-Wert eine antimikrobielle Wirkung, d. h., er hält schädliche Bakterien ab und begünstigt gleichzeitig die Kolonisation der Hautoberfläche mit nicht krankheitsrelevanten Bakterien. Die Regulation des pH-Wertes Auch wenn es relativ einfach ist, festzustellen, dass der pHWert der Hautoberfläche sauer ist, so hat es sich als umso schwieriger herausgestellt, diejenigen Mechanismen zu identifizieren, die den sauren pH-Wert gewährleisten. Entsprechend werden verschiedene Mechanismen diskutiert, die dazu beitragen könnten. Im Folgenden nun die wichtigsten Konzepte: Milchsäure (INCI: Lactic acid) – Sie könnte den pH-Wert der Hautoberfläche wesentlich beeinflussen. Milchsäure ist eine Hydroxycarbonsäure (eine organische Säure mit einer zusätzlichen OH-Gruppe). Eine wichtige Quelle ist der Schweiß. Die neutrale Molekülform, d. h. die nicht-dissoziierte (nicht in Ionen aufgespaltene) Form, wird als Milchsäure bezeichnet. In dissoziiertem Zustand, d. h., wenn das Milchsäuremolekül ein positiv geladenes Wasserstoffion abgegeben hat, bezeichnet man den negativ geladenen sog. Säurerest als Laktat. In welchem Verhältnis beide Formen vorliegen, hängt stark vom pH-Wert der Umgebung ab. Entsprechend können die beiden Formen des Moleküls auch zur Konstanz der pH-Wertes beitragen: Z.B. kann die nicht-dissoziierte Milchsäure bei einem Verlust von Wasserstoffionen Wasserstoffionen abgeben und somit den pH-Wert konstant halten. Laktat kann umgekehrt Wasserstoffionen aufnehmen. Man spricht vom Laktat-Milchsäure-System, das eine Pufferfunktion ausübt, was bedeutet, dass das System je nach Erfordernissen Wasserstoffionen abgibt oder aufnimmt. Aminosäuren – Auch Aminonsäuren werden als wesentlicher Einflussfaktor auf den pH-Wert der Hautoberfläche diskutiert. Sie werden einerseits in der Haut gebildet und können andererseits über den Schweiß auf die Hautoberfläche gelangen. Auch die Haaranlage wird als Quelle für Aminosäuren angesehen. Das gemeinsame chemische Charakteristikum von Aminosäuren ist, MESSUNG DES PH-WERTS Den pH-Wert kann man mit Säure-Base-Indikatoren (Substanzen, die je nach pH-Wert bestimmte Farben annehmen) – z.B. mit Universalindikatorpapier – bestimmen oder mit einem pH-Messgerät, dem pH-Meter, messen. Der Messfühler dieser pH-Meter ist meist eine sog. Glaselektrode, die sich in ihrem Aufbau grundsätzlich nicht von einer Laborelektrode unterscheidet. Das ist eine Einstabmesskette, die aus zwei Einzelzellen besteht, die über einen elektrischen Leiter verbunden sind. Die innere Elektrode ist eine Referenzelektrode und enthält eine Lösung mit bekanntem pH-Wert. Die äußere Elektrode ist die Messelektrode, die mit einer speziellen Glasmembran ausgestattet ist. Diese Glasmembran hat eine solche Struktur, dass Wasserstoffionen über Natriumionen im Glas ein elektrisches Potential erzeugen können, das unter Einbeziehung der Referenzelektrode zur Errechnung des pH-Werts verwendet wird. Die Elektrode zur Messung an der Hautoberfläche hat eine flache Glasmembran, die Laborelektrode eine runde. Die pH-Meter finden in der Kosmetik breiten Einsatz nicht nur bei der Hauttyp-Bestimmung, sondern auch bei der Evaluation von Kosmetika. KP0801_08_PH_Wert 11.02.2008 13:03 Uhr Seite 10 Kosmetologie Der pH-Wert von Kosmetika PH-WERT – DEFINITION Der pH-Wert ist ein Maß für die Stärke der sauren bzw. basischen (alkalischen) Wirkung einer wässrigen Lösung. „pH“ ist die Abkürzung für den lateinischen Begriff „potentia hydrogenii“ (potentia = Kraft, hydrogenium = Wasserstoff) und bedeutet „Stärke des Wasserstoffs“. zentration (und natürlich auch die OH–Konzentration) sehr klein ist, hat man zur Vereinfachung den logarithmischen Wert der H+-Konzentration, den pH-Wert, als Maß für den Säurewert eingeführt: Der pH-Wert ist definiert als der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffionen-Konzentration: pH = -log [H+] Die Skala reicht von 0 bis 14. Sind die Konzentrationen von H+-Ionen und OH– -Ionen gleich, beträgt der pH-Wert 7 und die Lösung ist neutral. Überwiegen die H+-Ionen, ist der pH-Wert kleiner als 7 und die Lösung ist sauer. Überwiegen die OH–-Ionen, ist der pH-Wert größer als 7 und die Lösung ist alkalisch/ basisch. Neben Geräten zur pH-Wert-Messung stehen u.a. Systeme zur Bestimmung der Hautfeuchtigkeit und des Talggehaltes zur Verfügung Beispiele Zitronensaft ........................... Kaffe ...................................... Hautoberfläche ..................... Milch ...................................... Wasser ................................... Meerwasser ........................... Seife ....................................... Natronlauge 3 % .................... In wässrigen Lösungen kommen Wasserstoffionen (H+; exakter: Hydroniumionen, H3O+) in gesetzmäßigem Verhältnis zu Hydroxidionen (OH–) vor. Da die H+-Kon- dass sie eine Wasserstoffionen-annehmende Aminogruppe und eine Wasserstoffionen-abgebende Carboxylgruppe (Säuregruppe) tragen. Somit können auch sie in Abhängigkeit von der Umgebung Wasserstoffionen aufnehmen oder abgeben und zur Konstanz des pH-Wertes beitragen. Manche Aminosäuren tragen außerdem entweder noch eine weitere basische oder eine weitere saure Gruppe. Welche Aminosäuren in besonderem Maße zur Einstellung und Regulation des pH-Wertes beitragen, ist nicht bekannt. Man geht aber davon aus, dass vor allem die Aminosäuren Serin, Threonin, Citrullin, Asparginsäure, Glycin, Alanin und Glautaminsäure von Bedeutung sind. Proteine – Auch eine Beteiligung der Keratine, den wesentlichen Hornschichtproteinen, wird diskutiert, da Proteine aus Aminosäuren aufgebaut sind, deren Seitenketten wiederum zum Teil Wasserstoffionen aufnehmen oder abgeben können. Fettsäuren – Sie finden sich im Bereich der Zwischenzellschicht des Stratum corneum entweder in freier Form 10 KOSMETISCHE Praxis 1/2008 pH-Wert 2,8 5,0 5,5 6,5 7,0 7,5–8,4 9,0–10,0 14,0 oder in gebundener Form, und zwar in Form von Ceramiden (Sphingolipiden). Möglicherweise kann die Abspaltung von Fettsäuren aus Ceramiden, wonach dann freie Fettsäuren vorliegen, zur Senkung des pH-Wertes beitragen. Eine weitere mögliche Quelle für Fettsäuren ist der Talg. Aktiver Ionen-Transportmechanismus – Auch ein aktiver Transportmechanismus zur Aufrechterhaltung des pH-Wertes des Zellzwischenraumes wird diskutiert. So könnte ein aktiver Pumpmechanismus Wasserstoffionen aus dem Zellinnern in den Extrazellularraum und im Gegenzug Natriumionen in die Zelle pumpen und somit den Extrazellularraum ansäuern. Kohlendioxid (CO2) – Kohlendioxid kann sich in Wasser lösen und zu Hydrogencarbonat (HCO3-) und Wasserstoffionen (H+) umgewandelt werden. Da Kohlendioxid jedoch ein Stoffwechselprodukt ist, das relativ frei durch die Haut diffundieren (eindringen) kann, wird ein Beitrag des Kohlendioxids zum sauren pH-Wert der Hornschicht diskutiert. Hautneutral – Der pH-Wert eines kosmetischen Produktes kann den pHWert der Hautoberfläche wesentlich beeinflussen. Die pH-Werte von Hautpflegemitteln und Reinigungsprodukten auf Syndet-Basis werden in der Regel dem physiologischen pH-Wert angepasst, d. h. das Ziel ist, den pHWert des Produktes so einzustellen, dass der saure pH-Wert der Hautoberfläche nicht tangiert wird. Im Allgemeinen gilt pH 5,5 als hautneutral. Bekanntermaßen wird dies von einigen Marken auch in Werbeaussagen verwandt. Die wohl wichtigste Substanz zur Einstellung des pH-Wertes in Kosmetika ist die Zitronensäure (INCI: Citric acid), eine sog. Tricarbonsäure, d. h. eine organische Säure mit drei Säuregruppen (Carboxylgruppen). Wie die Milchsäure besitzt sie außerdem eine zusätzliche OH-Gruppe. Als alkalische Komponente wird in Kosmetika meist Natronlauge (NaOH) verwendet. Abweichungen – Aber nicht alle Produkte ermöglichen einen pH-Wert von 5,5. So ist etwa bei der Anwendung von Kernseife mit einem Anstieg des pH-Wertes der Hautoberfläche zu rechnen, ein Hauptnachteil der Seifen, zumindest bei empfindlicher Haut. Neben den Seifen, bei denen die alkalische Wirkung in Kauf genommen wird, gibt es zahlreiche kosmetische Anwendungen, bei denen bewusst eine Abweichung des pH-Wertes vom physiologischen Wert angestrebt wird, um so bestimmte Effekte zu erzielen. Sauer – So führen Fruchtsäure-Peelings infolge der sauren Eigenschaften der Fruchtsäuren zu einem ph-Wert-Abfall, der viele Stunden bestehen kann. Auch Antitranspirantien, die Aluminiumsalze enthalten, können den pHWert der Hautoberfläche senken. Alkalisch – Produkte, bei denen ein alkalischer pH-Wert angestrebt wird, gehören vorwiegend zur Haarkosmetik. So gibt es mit Natronlauge alkalisierte Produkte zur kosmetischen Haarentfernung, die ein Aufweichen der Haare bewirken sollen. Eine anderes Beispiel sind alkalische Haarwellmittel. Dr. Tilmann Reuther, Fachrichtung Kosmetikwissenschaften, Department Chemie, Universität Hamburg