Der Hauptausschuss 4

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Hauptausschuss (HA) 4
Der Hauptausschuss 4 ist ein der Generalversammlung untergeordnetes Gremium, das sich um besondere politische
Fragen und um Entkolonialisierung kümmert. Der HA 4 wurde ins Leben gerufen um ehemalige Kolonien und abhängige
Territorien beim Prozess zur Unabhängigkeit zu unterstützen. Mit der Zeit kamen weitere Aufgaben im Bereich der
Friedenssicherung sowie Minenräumung und im Bereich der Menschenrechte hinzu.
Der Hauptausschuss 4 kann selbst keine eigenen Resolutionen verfassen, da er ein der Generalverfassung
untergeordnetes Gremium ist. Die mit einfacher Mehrheit beschlossenen Resolutionsentwürfe werden der
Generalversammlung zugestellt. Diese kann sie verabschieden, ablehnen oder aber zur erneuten Überarbeitung an den
Hauptausschuss zurückschicken.
Die Vorsitzenden
Nach der Teilnahme an mehreren deutsch- und englischsprachigen MUN-Konferenzen
hat Anaïck Geißel als Vorsitzende verschiedener Gremien und in vielfältigen anderen
Funktionen im Team Erfahrungen gesammelt. Anaïck studiert in Stuttgart Germanistik,
Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie Französisch auf Lehramt. Bei MUNBW
2017 wird sie sich neben Ihrer Vorsitz-Tätigkeit in die Teilnehmendenwerbung und das
Bildungsprogramm einbringen.
[email protected]
Nachdem Ariane Schachtschabel 2015 sofort von MUNBW begeistert war, nahm
sie im Folgejahr gleich noch einmal als Delegierte eines Landes an der Konferenz teil.
Daraufhin entschloss sie sich, im Jahr 2017 etwas Neues zu wagen. Außerhalb der
MUN-Konferenz besucht die 16-Jährige die 11. Klasse am Gymnasium Unterrieden in
Sindelfingen. Sie hat großen Spaß an Politik und ist neben ihrer Rolle als Vorsitzende
des Jugendgemeinderats beim AK-Asyl und im VFL aktiv.
[email protected]
Tim Tull nahm 2014 das erste Mal bei MUNBW teil. Nach einer weiteren Teilnahme
2015 wechselt er 2016 ins Team und saß dort der Beratergruppe für Flüchtlinge vor.
Außerhalb von MUN-Konferenzen hat der 22-Jährige 2014 sein Abitur in Stuttgart
absolviert und studiert, nach einem freiwilligen sozialen Jahr, seit dem Wintersemester
2015/16 öffentliche Verwaltung in Halberstadt, einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt.
[email protected]
1
TOP 1
Der Westsahara-Konflikt
Einführung in das Thema
Das Gebiet der Westsahara an der
Atlantikküste Nordwestafrikas wird von der
internationalen Staatengemeinschaft auch als
“letzte Kolonie Afrikas” bezeichnet. Anlass für
diese Bezeichnung gibt die Tatsache, dass
die ehemals spanische Kolonie heute von
Marokko beansprucht und zu großen Teilen
annektiert wird. Da der Konflikt der
Westsahara durch die Kolonialisierung
verursacht wurde, widmet sich der
Hauptausschuss 4 als Ausschuss für besondere politische Fragen und
Entkolonialisierung diesem Thema. Der Ausschuss befasst sich mit dem Recht auf
Selbstbestimmung der als “Sahrauis” bezeichneten Bevölkerung der Westsahara. Dabei
muss beachtet werden, dass der völkerrechtliche Status dieses Gebietes noch immer
nicht geklärt ist.
Das Gebiet der Westsahara war seit der sogenannten “Kongokonferenz”, die 18841885 in Berlin stattfand, eine spanische Kolonie. Ab 1965 haben die Vereinten Nationen
Spanien in mehreren Resolutionen aufgefordert, die Westsahara zu dekolonialisieren.
1973 gründete sich die sahrauische Befreiungsfront „Frente Polisario“, die für einen
freien und selbstständigen Staat kämpft. 1975 haben die Vereinten Nationen sich
darauf geeinigt dem Willen der sahrauischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung zu
entsprechen. Der Beschluss der Vereinten Nationen sah vor, dass die Frente Polisario
unterstützt und die Westsahara unabhängig wird. Der Staat Marokko erkannte diese
Beschlüsse der UN jedoch nicht an und versuchte, die ehemalige spanische Kolonie zu
annektieren. Mit dem Tod Francos zog sich die Kolonialmacht Spanien aus der
Westsahara zurück, was es dem marokkanischen Militär ermöglichte, die Westsahara
zu besetzen. Durch die Reaktion des Staates Marokko konnte der Beschluss der
Vereinten Nationen nicht umgesetzt werden.
Die sahrauische Befreiungsfront rief 1976 die Demokratische Arabische Republik
Sahara aus. 1984 wurde der neu gegründete Staat in die Afrikanische Union
aufgenommen. Als Reaktion trat Marokko aus der Afrikanischen Union aus, da sie die
Westsahara weiterhin als marokkanisches Staatsgebiet betrachten. Zwei Drittel des
sahrauischen Staatsgebietes sind derzeit von Marokko annektiert, das „freie“ Drittel wird
von der Frente Polisario regiert.
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Der völkerrechtliche Status der Westsahara ist bis heute ungeklärt, da ein von den
Vereinten Nationen gefordertes Referendum nie durchgeführt wurde. Die von den
Vereinten Nationen in der Westsahara installierte Beobachtermission MINURSO soll den
Waffenstillstand in der Region beobachten und die Durchführung des Referendums
begleiten.
Das Gebiet der Westsahara ist derzeit durch eine verminte Grenzanlage geteilt, die den
von Marokko besetzten Teil der Westsahara von dem durch die Frente Polisario
regierten Teil trennt. Ein Großteil der Bevölkerung der Westsahara lebt inzwischen in
Flüchtlingslagern in Algerien. Viele sahrauische Jugendliche haben ihr Heimatland noch
nie betreten, da Marokko die Einreise sahrauischer Flüchtlinge in die Westsahara
unterbindet.
Akteure und Institutionen
Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die in diesen Konflikt eingebundenen
Akteure und Institutionen sowie ihre jeweilige Positionierung innerhalb des Konfliktes
gegeben werden:
Die Afrikanische Union erkennt die Demokratische Arabische Republik Sahara als
Staat an. Die DAR Sahara ist Mitgliedsstaat der Afrikanischen Union. Marokko ist als
einziger afrikanischer Staat nicht Mitglied der AU, da es die Anerkennung der DAR
Sahara ablehnt.
Die Europäische Union hat ein Freihandelsabkommen mit Marokko geschlossen, das
die Einfuhr marokkanischer Güter in die EU erleichtert. Dieses Abkommen beinhaltet die
erleichterte Einfuhr auch für Produkte, die in der Westsahara produziert werden und als
„marokkanisch“ deklariert werden. Die Frente Polisario hat 2014 gegen dieses
Abkommen geklagt, weil sie darin eine Anerkennung der Annektion der Westsahara
sieht. Der europäische Gerichtshof entschied zugunsten der Frente Polisario: Produkte
aus der Westsahara dürfen nicht als „marokkanische Produkte“ in die EU eingeführt
werden. Das Urteil beinhaltet politischen Sprengstoff: Marokko sieht seine nationale
Souveränität in Frage gestellt, da es die Westsahara als marokkanisches Staatsgebiet
sieht.
Die Vereinten Nationen fordern, das Referendum endlich durchzuführen, um den
völkerrechtlichen Status der Westsahara zu klären. Dabei gibt es aber einige Probleme:
Aktuelle Entwicklung
Aktuell bewegen sich die Konfliktparteien insofern aufeinander zu, als dass sowohl
Marokko als auch die Frente Polisario das von der UN geforderte Referendum abhalten
wollen, um zu klären, ob die Westsahara zu Marokko gehört oder ein unabhängiger
Staat sein kann. Seit Jahren scheitert das Referendum jedoch daran, dass Marokko
und die Frente Polisario sich nicht darüber einig werden, welche Bevölkerungsteile bei
dem Referendum stimmberechtigt sind. Marokko wird unterstellt, gezielt Marokkaner in
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das besetzte Gebiet umzusiedeln, um eine Mehrheit bei der Abstimmung zu erzielen.
Die Frente Polisario argumentiert, anstatt zugezogenen Marokkaner und Mauretanier in
die Abstimmung einzubeziehen, soll die Abstimmung nur innerhalb der ursprünglichen
sahrauische Bevölkerung durchgeführt werden. Somit müssten nach der Argumentation
der Frente Polisario auch die geflüchteten Sahrauis in den algerischen Flüchtlingslagern
abstimmen dürfen.
Die letzten Verhandlungsrunden zum Referendum sind 2010 gescheitert, da der von
den UN vorgeschlagene Kompromiss zwar von der Frente Polisario angenommen, von
Marokko aber abgelehnt wurde.
Ein Versuch der Zusammenführung der Konfliktparteien in Form eines im Jahr 2012
vom Hohen Kommissar für Flüchtlinge der UN entworfenen Aktionsplans für
vertrauensbildende Maßnahmen blieb den Konfliktparteien weitgehend unbeachtet
blieb.
Am 29. April 2016 wurde das
MINURSO Mandat für ein weiteres
Jahr verlängert. Gleichzeitig wird in
den UN eine Debatte über die
Blauhelmtruppen geführt, seit
bekannt wurde, dass
Blauhelmsoldaten in einigen UN
Friedensmissionen an sexuellen
Übergriffen auf die zu schützende
Bevölkerung beteiligt waren. Auch in
der Westsahara wurden Fälle von
sexuellem Missbrauch durch Blauhelmsoldaten bekannt. 2015 besuchte der
Kommissar die Flüchtlingslager in Tindouf und berichtete den Vereinten Nationen über
die prekären Verhältnisse dort, die im Zuge von gravierenden Regenfällen drastisch
verschlimmert wurden.
Der Konflikt stagniert seit einigen Jahren, eine Konfliktlösung wird aufgrund der
prekären Lage in den Flüchtlingslagern und den besetzten Gebieten immer dringender.
Der Hauptausschuss 4 muss der Generalversammlung durch Beschlussvorlage
dringend Handlungsvorschläge unterbreiten, die den Konflikt endlich effektiv lösen.
Dafür ist eine Umsetzung des lange überfälligen Referendums unabdingbar.
Punkte zur Diskussion:
Um eine Konfliktlösende Resolution verabschieden zu können, sollten Sie sich
folgenden Diskussionspunkten widmen:
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§
§
§
§
Der völkerrechtliche Status der Westsahara muss endlich geklärt werden. Wie kann
dazu das Referendum umgesetzt werden? Diskutieren Sie hierbei, wie die Vereinten
Nationen bei der Umsetzung des Referendums unterstützen können. Versuchen Sie
einen Kompromiss zu finden, der eine Festlegung darüber beinhaltet, wer als
Sahrauische Bevölkerung am Referendum teilnehmen darf, dies muss der Fokus
Ihrer Diskussionen und Kompromissfindung sein.
Das Referendum muss zeitnah durchgeführt werden. Wie auch immer es ausgeht,
die Flüchtlingslager in Algerien werden kurzfristig nicht geräumt werden können. Wie
kann gleichzeitig erreicht werden, dass die prekäre Situation in den
Flüchtlingscamps verbessert wird?
Wie kann die Afrikanische Union als regional wichtigster Partner in eine
Konfliktlösung eingebunden werden? Beachten Sie dabei die Sonderrolle Marokkos,
das als einziger afrikanischer Staat nicht Mitglied der AU ist. Führt eine Einbeziehung
der AU zu einer besseren Konfliktlösung, da regionale Lösungen nachhaltiger und
näher an den Bedürfnissen der menschen vor Ort sind, oder führt die Einbeziehung
der AU zu einer Blockadehaltung Marokkos, das nicht Teil der AU sein möchte?
Braucht es eine erneute Verlängerung des MINURSO Mandats? Welche Befugnisse
soll die Friedensmission haben und welche Rolle kann sie in der Durchführung und
Begleitung des Referendums einnehmen?
Wichtige Dokumente, Quellen und Weiterführende Links:
§
§
§
§
§
§
§
Resolution 1514 der Generalversammlung zur Dekolonialisierung und
Selbstbestimmung von Völkern. Die deutsche Version finden Sie hier:
http://www.un.org/depts/german/gv-early/ar1514-xv.pdf
S/RES/2285: Deutsche Übersetzung der aktuellsten Resolution zur Westsahara, in
der das MINURSO Mandat bis 2017 verlängert wurde:
http://www.un.org/Depts/german/sr/sr_16/sr2285.pdf
S/2007/202: Bericht des Generalsekretärs vom 13. April 2007 zur Lage in der
Westsahara. Den Bericht finden Sie hier: https://documents-ddsny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N07/299/28/PDF/N0729928.pdf?OpenElement
Resolution 1754 (2007) des UN Sicherheitsrates zur Situation in der Westsahara.
Die Resolution finden Sie unter folgendem Link: http://www.arso.org/S-RES-17542007e.pdf
S/PV.5669: Das Dokument S/PV.5669 ist das Wortprotokoll der Sitzung des UN
Sicherheitsrates am 30. April 2007, bei dem über die Resolution 1754 zur Situation
in der Westsahara abgestimmt wurde. Das Dokument finden Sie hier:
https://documents-ddsny.un.org/doc/UNDOC/PRO/N07/323/48/PDF/N0732348.pdf?OpenElement
Zur aktuellen Entwicklung unter Anderem
http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=54770
Infobrief des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags zum Konflikt
in der Westsahara:
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§
§
§
https://www.bundestag.de/blob/191996/ba00742c91f3e9bf307af06f15e00dc4/we
stsahara-data.pdf
Hier finden Sie eine Übersicht über die Resolutionen und andere Dokumente, die der
UN Sicherheitsrat zur Westsahara veröffentlicht hat:
http://www.securitycouncilreport.org/un-documents/western-sahara/
Resolution 34/37 der UN Generalversammlung zur Situation in der Westsahara:
http://www.un.org/documents/ga/res/34/a34res37.pdf
Wikipedia führt eine Auflistung aller Staaten, die die Demokratische Arabische
Republik Sahara anerkennen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Anerkennung_der_Demokratischen_Ara
bischen_Republik_Sahara
TOP 2
Auswirkungen atomarer Strahlung
Einführung in das Thema
Die Entdeckung der Radioaktivität von H. Becquerel im Jahr 1896, und einige Zeit
später die Entdeckung des Neutrons von James Chadwick im Jahr 1932, waren
Meilensteine von denen die Weltgemeinschaft heute noch profitiert, die aber zeitgleich
auch verheerende Folgen nach sich ziehen. Einerseits ist die Atomspaltung eine
Energiequelle die als kostengünstig und klimaschützend deklariert wird, andererseits
kann sie als Massenvernichtungswaffe genutzt werden und ganze Regionen
auslöschen.
Mit der Erforschung der Entwicklung und des Baus einer Atombombe begannen die
USA und England bereits 1942. Unter dem Decknahmen „Manhattan Projekt“ führten
sie drei Jahren lang Forschung durch, bis es schlussendlich 1945 zur Zündung der
ersten Atombombe kam. Der s.g. “Trinity”-Test fand in Alamogordo, 430 Kilometer
südlich von Los Alamos, in den USA statt und übertraf alle Erwartungen der beteiligten
Physiker. Die Ausmaße der Zerstörung waren enorm. Nur kurze Zeit später, am 6.
August 1945, wurde in der Endphase des Pazifikkriegs eine Atombombe über dem
Zentrum von Hiroshima abgeworfen, um Japan zur Kapitulation zu zwingen. Am 9.
August folgte die zweite Atombombe gegen Nagasaki. Insgesamt fielen den beiden
Atomwaffenangriffen über 270 000 Menschenleben zum Opfer. Weitere
Atomwaffenangriffe und Test, unter anderem auch mit Wasserstoffbomben, folgten.
Im Jahr 1953 erkannten die USA, dass Atomkraft auch Vorteile im täglichen Leben
versprechen muss, um von der Öffentlichkeit akzeptiert zu werden. Der US-Präsident
Dwight D. Eisenhower präsentierte auf einer Vollversammlung der Vereinten Nationen
unter dem Titel „Atoms for Peace“ seine Vision einer friedlichen Nutzung der
Atomenergie. Daraufhin fand 1955 die erste Genfer Atomkonferenz statt. Diese führte
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zur Gründung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) die seitdem den
Beitrag der Kernenergie zu Frieden und Wohlstand fördert und die Militärische Nutzung
der Technologien der Kernspaltung überwacht. Sie berichtet regelmäßig an die
Generalversammlung der Vereinten Nationen, ebenso wie an den UN-Sicherheitsrat,
wenn sie eine Gefährdung der internationalen Sicherheit feststellt.
Atomare Strahlung entsteht beim radioaktiven Zerfall von instabilen Atomkernen. Dieser
Vorgang kann sowohl auf natürliche Weise als auch durch die Einwirkung des
Menschen passieren. Abhängig vom Atomkern werden dabei Alpha-, Beta-, Gammaoder Neutronenstrahlen aus dem Atomkern geschleudert. Die unterschiedlichen
Strahlen besitzen verschiedene Stärken mit denen sie Materialien durchdringen können.
So können Alphastrahlen beispielsweise bereits von Papier abgeschirmt werden,
während Gammastrahlen nur von Blei ausreichend absorbiert werden.
Aktuelle Entwicklung
Ein Ausbau der Kernenergie findet derzeit haupsächlich in China, Südkorea und Indien
statt. Zwar befinden sich in Russland und Weißrussland momentan neun Reaktoren im
Bau, jedoch ist ein leichter Rückgang der Atomkraft in Europa zu erwarten, was unter
anderem auf den Atomausstieg Deutschlands zurückzuführen ist, der auf das
Reaktorunglück in Fukushima folgte. Großbritannien hingegen hat sich entschieden
zwei weitere Kernkraft-Reaktoren zu bauen. Weltweit erzeugen momentan über 430
Reaktoren Strom. Damit hat die Atomenergie einen Anteil am weltweiten
Primärenergieverbrauch von etwa sechs Prozent, Tendenz sinkend. (Stand September
2016)
Probleme
Die radioaktive Strahlung von Spaltprodukten, die bei der Kernspaltung entstehen, kann
bereits in kurzer Zeit und sehr geringer Menge, erheblichen Schaden im menschlichen
Körper anrichten. Sie verursachen s.g. Strahlenkrankheiten wie Schilddrüsenkrebs,
Knochentumore, Leukämie oder Lungenkrebs. Die verschiedenen radioaktiven Isotope
besitzen eine unterschiedliche Halbwertszeit. Diese gibt an wie lange es braucht, bis die
Hälfte des Stoffes zerfallen ist. Während Iod eine Halbwertszeit von 8 Tagen besitzt,
dauert es bei Cäsium 30 Jahre bis die Hälfte des Stoffes Zerfallen ist.
Die radioaktiven Stoffe können sich nicht nur im menschlichen Körper absetzen,
sondern werden unter anderem auch von Pflanzen durch das Grundwasser
aufgenommen, und gelangen dort von den Wurzeln bis in die Blätter. So können auch
Nahrungsmittel für Mensch und Tier radioaktiv belastet sein. Man spricht dann von
Kontaminierung. Allgemein gilt hierbei: Pflanzen und weitere Lebensmittel, die viel
Wasser speichern, wie etwa Salat, Pilze, Spinat, Fisch, Algen und Muscheln sind stärker
durch die Einlagerung von radioaktivem Cäsium belastet als andere. Meist sind diese
Lebensmittel allerdings nicht so lange kontaminiert wie beispielsweise Pflanzen im Wald.
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Dort bleiben die, durch Regen in den Boden eingetragenen, radioaktiven Niederschläge
besonders lange vorhanden. Beispielsweise ist Cäsium 137 hier in der oberen
Humusschicht noch lange nach Atomunfällen verfügbar, da dies durch
Bodenorganismen, Pflanzen und Pilze aufgenommen wird, und im Herbst durch Laub
erneut dem Boden zugeführt. Meist werden radioaktive Partikel zudem durch Wind
weiter über die Sperrzonen hinausgetragen und regnen dann in bis zu 1000km
entfernten Gebieten ab. Ferner wäscht der Regen radioaktive Partikel aus
kontaminierten Gebieten in die Flüsse und anschließend ins Meer. Dieses wird nach
einem Reaktorunfall aber nicht nur durch Kontaminierten Regen belastet, sondern wie
bspw. in Fukushima auch durch austretendes kontaminiertes Kühlwasser aus dem
Reaktor. Neben der Kontaminierung des Wassers, werden auch darin lebende Pflanzen
und Tiere radioaktiv verseucht.
Noch ist relativ wenig erforscht welche genauen Auswirkungen radioaktive Strahlung auf
Tiere und Pflanzen hat, da Forscher bislang mehr die Auswirkungen auf den Menschen
im Fokus hatten. Dies hat sich jedoch in letzter Zeit geändert. Man hat etwa einen
Zusammenhang zwischen radioaktiver Bestrahlung von Vögeln im Sperrgebiet
Tschernobyl und dem Schrumpfen des Gehirns der Vögel nachgewiesen. Des
Weiteren, fand man heraus, dass beispielsweise Mäuse vermehrt Tumore an der
Schilddrüse bilden, wenn sie radioaktiv bestrahlt werden. Diese waren allerdings
größtenteils gutartig.
Täglich ereignen sich Zwischenfälle in Reaktoren weltweit, die in gewöhnlichen
Kraftwerken nicht gravierend während, bei Atomreaktoren allerdings schwere Folgen
haben können. Seit 1945 haben unzählige dieser Art stattgefunden. Nicht alle haben in
einer Katastrophe geendet, jedoch haben einige schwerwiegende Atomfälle Menschen
umgebracht oder verletzt. Diese ziehen zudem weitere Folgen weltweit nach sich. Die
schwersten Atomunfälle fanden 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima statt, aber
auch Unfälle wie Harrisburg, Sellafield, Majak, Tomsk-7 und Tokaimura sind nicht außer
Acht zu lassen. Die Reaktorunfälle in Tschernobyl und Fukushima werden als SUPERGAU bezeichnet. Der GAU (Größte anzunehmende Unfall) ist der schlimmste
anzunehmende Störfall beim Betrieb eines Atomkraftwerkes, für den die
Sicherheitssysteme der Anlage ausgelegt sein müssen. Ein SUPER-GAU dagegen ist
eine Reaktorkatastrophe die nicht mehr beherrschbar ist. Dies war sowohl in
Tschernobyl als auch in Fukushima der Fall. Zwar haben sich die bekanntesten
nuklearen Unfälle in Kernkraftwerken ereignet, jedoch kann es auch an anderen Orten,
an denen mit Kernenergie gearbeitet wird, zu solchen Unfällen kommen, beispielsweise
in Krankenhäusern und Forschungslaboren.
Atomspaltung kann jedoch, wie bereits erwähnt, nicht nur positiv genutzt werden,
sondern ist zugleich auch Material für eine Massenvernichtungswaffe. Bereits einige
Atomwaffenangriffe haben seit dem ersten Abwurf einer Atombombe 1945
stattgefunden und verheerende Folgen mit sich gezogen.
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Doch nicht nur Atomwaffenangriffe sondern auch Atomwaffentests haben erhebliche
Schäden für Mensch und Umwelt zufolge. Seit 1945 wurden 2056 Atomwaffentests in
der Atmosphäre und unter der Erde durchgeführt. Der Großteil davon von den fünf
Atomwaffenstaaten USA, UdSSR, Frankreich, Großbritannien und China. Diese
Atomwaffentests haben zu einer immensen weltweiten Strahlenbelastung geführt die
große Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen hat und haben wird. In der
Nähe der Testgelände führten die atmosphärischen Tests häufig zu radioaktiven
Niederschlag und zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen der lokalen
Bevölkerung sowie zur Kontaminierung der Umwelt. Atomwaffentests, die in mehreren
hundert Kilometern Höhe im Weltraum durchgeführt wurden, verursachten elektromagnetische Störungen in der Ionosphäre und führten auf der Erde zum Zerreißen des
Van-Allen-Gürtel. Mehr als 1500 unterirdischen Atomtests zwischen 1957 und 1998
hatten zur Folge, dass langlebige Radionuklide in die unterirdische Umwelt eingebracht
wurden. In allen Test-Ländern kam es zur Freisetzung von Radioaktivität.
Neben der Sicherheit in Atomkraftwerken und der Verbreitung von atomwaffenfähigem
Material gibt es ein drittes schwerwiegendes Problem in der Atomtechnik: der
unvermeidbare, hochradioaktive Atommüll. Neben ausgedienten Brennelementen fallen
Abfälle aus Wiederaufbereitungsanlagen, Brennfabriken, Urananreicherungsanlagen und
stillgelegten Reaktoren an. Ursprünglich ging die Nutzung der Kernenergie von einer
Wiederaufbereitung der Kernbrennstoffe aus, dem sogenannten Brennstoffkreislauf.
Diese hat sich jedoch nur als Verschiebung des Atommüll-Problems herausgestellt. In
neu hergestellten Brennelementen kann nur ein Teil des Materials kann wieder verwertet
werden – der Rest fällt als atomarer Müll an, der vom Volumen her noch größer als die
ursprünglichen Brennelemente ist. Außerdem haben sich Wiederaufbereitungsanlagen
als gefährlichster Schritt in der Atomenergienutzung herausgestellt. Im Normalbetrieb
geben sie, im Vergleich zu Kernkraftwerken, deutlich größere Mengen radioaktiver
Substanzen an die Umwelt ab.
Jährlich finden mehrere hunderttausend Transporte mit radioaktivem Material statt. Ob
von Abbauort zu Kernkraftwerk oder von Wiederaufbereitungsanlagen zu
Zwischenlagern. Neben Unfallgefahren können undichte Transporter zu erhöhter
Abgabe von radioaktiven Stoffen führen. Die Endlagerung von radioaktiven Abfällen ist
ein Problem das allgegenwärtig ist, für das es momentan allerdings noch keine Lösung
gibt. Es gilt einen Weg zu finden die radioaktiven Stoffe so lange zu lagern bis sie zu
nichtmehr-radioaktiven Stoffen zerfallen sind. Da Technetium-99 aber beispielsweise
eine Halbwertszeit von 210.000 Jahre und Neptunium-237 eine Halbwertszeit von 2,1
Millionen Jahre besitzt, scheint die Lösung dieses Problems gerade zu unmöglich.
Atomkraft wird zwar als umweltfreundlich bezeichnet, Quellen behaupten aber, der
Betrieb von Atomkraftwerken würde die Energiewende hin zu erneuerbaren Energien
blockieren. Die Atomkraft würde damit letztendlich das Problem des Klimawandels
verschlimmern, da der Modernisierungsdruck der Motor für den Ausbau der
Erneuerbaren Energien sei.
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Punkte zur Diskussion
Aus den oben genannten Punkten ergeben sich einige wichtige Punkte, die bei der
Behandlung des Themas genannt werden sollten und einige Frage die es zu diskutieren
gibt:
§ Wie können Reaktorunfälle verhindert werden? Falls es zu einem Unfall kommen
sollte, wie können die Auswirkungen eines Unfalls so gering wie möglich
gehalten werden?
§ Wie könnten Atomwaffentests besser abgeschirmt werden, um so wenig
radioaktive Strahlung wie möglich an die Umwelt abzugeben? Und was für
Möglichkeiten gibt es den Umfang von Atomwaffentest zu verringern?
§ Wie kann die sichere Nutzung von Atomkraft gefördert werden, während generell
eine Abkehr von Atomkraft gefördert wird?
§ Wie kann ein Ausgleich zwischen Industrienationen, die ihre Energieversorgung
bereits teilweise differenzieren, gegenüber Entwicklungsländern aussehen, die
nach Atomkraft streben, um ihre entwicklungspolitischen Ziele zu erreichen.
§ Menschen, Tiere und Umwelt müssen zukünftig vor langfristigen Auswirkungen
von Atomkraft geschützt werden, wie könnte das aussehen? Was für
Möglichkeiten gibt es bereits vorhandene langfristige Auswirkung von Atomkraft,
wie beispielsweise die Kontaminierung von Landstrichen, einzudämmen?
§ Ein weiterer Punkt zur Diskussion stellt die bisher ergriffenen Maßnahmen, zur
Förderung der Friedlichen Nutzung von Atomenergie, der Vereinten Nationen
dar. Sind diese ausreichend und sinnvoll? *Wie könnten diese ggf. verbessert
werden?
§ Wie kann eine Lösung für die nukleare Endlagerung aussehen und wie lässt sich
diese am besten umsetzen?
Quellen und weiterführende Links
§
§
§
§
Unterschiedliche Artikel rund um radioaktive Strahlung: http://www.radioaktivestrahlung.org/
Bericht über das Reaktorunglück in Fukushima und die Folgen radioaktiver
Strahlung auf den Menschen, auf Englisch:
http://www.who.int/ionizing_radiation/a_e/fukushima/who-response/en/
Informationen der IAEA zum Reaktorunglück in Fukushima, auf Englisch:
https://www.iaea.org/
https://www.iaea.org/newscenter/focus/fukushima/fukushima-nuclear-accidentinformation-sheet;
Bericht des Wissenschaftlichen Ausschuss der Vereinten Nationen zur
Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (United Nations Scientific
Committee on the Effects of Atomic Radiation, UNSCEAR) über die Folgen des
Reaktorunfalls in Tschernobyl sowie über die gesundheitlichen Folgen von einem
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§
Reaktorunglück, auf Englisch:
http://www.unscear.org/unscear/en/chernobyl.html#Health
Artikel des NABU über die Auswirkungen eines Super-GAU auf die Natur und Tiere:
https://www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/energie/atomkraft/13629.html
TOP 3
Die sozio-ökonomische Stellung von Palästinensern und
palästinensischen Flüchtlingen
Einführung in das Thema
Die Region um Israel und
Palästina ist eines der am
stärksten umkämpften
Gebiete der Welt. Der
momentan herrschende
sogenannte Nahostkonflikt
hatte seinen Anfang in der
Gründung des jüdischen
Staates Israel, die nach
einer Resolution der
Generalversammlung der Vereinten Nationen erfolgte. In dieser wurde festgelegt, dass
für die beiden größten, sich bekämpfenden Bevölkerungsgruppen in der Region,
Palästinenser und Juden, jeweils ein separater Staat geschaffen werden sollte. Da sich
das Land jedoch die vorangegangenen Jahre in Hand der palästinensischen Araber
befunden hatte, akzeptierten weder die palästinensische Bevölkerung noch die
angrenzenden arabischen Staaten die Teilung. Nach Ausrufung des Staates Israel am
15. Mai 1948 erklärten diesem mehrere der arabischen Anrainerstaaten den Krieg.
Diesen gewann Israel und konnte sein Territorium auf Kosten der eigentlich den
Palästinensern zugesprochenen Gebiete auf 76% statt 54% der Gesamtfläche
erweitern. Dieser Krieg und die territorialen Veränderungen führten dazu, dass große
Teile der palästinensischen Bevölkerung ihre Heimat verloren und fliehen mussten,
entweder in die ihnen verbliebenen Gebiete Westjordanland und Gaza-Streifen oder in
benachbarte Staaten.
Um diesen etwa 700.000 Geflüchteten zu helfen, wurde das Hilfswerk der Vereinten
Nationen für Palästina Flüchtlinge im Nahen Osten, kurz UNRWA, gegründet, welches
am 01. Mai 1950 seine Arbeit aufnahm.
Nach den Auseinandersetzungen von 1948/1949 kehrte eine Zeit der verhältnismäßigen
Ruhe ein, die mit dem sogenannten Sechs-Tage-Krieg 1967 endete. Seither kam es in
der Region immer wieder zu Kriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen
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zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten, sowie zwischen Israelis und
Palästinensern. Da es noch immer keinen palästinensischen Staat gibt und in das
Gebiet kein Frieden eingekehrt ist, leben 7,4 Millionen Menschen - die Geflüchteten
dieser Kriege und ihre Nachkommen - teilweise noch heute unter prekären
Lebensbedingungen in Flüchtlingslagern.
Probleme
Das oben genannte UNRWA nimmt unter den Hilfsorganisationen der Vereinten
Nationen eine Sonderrolle ein, da es das einzige UN-Flüchtlingshilfswerk ist, dass nur in
einer spezifischen Region operiert. Ursprünglich nur für drei Jahre ins Leben gerufen,
bezog sich das Mandat des UNRWA ausschließlich auf direkte Hilfsprogramme für die
Geflüchteten. Da die Bereitstellung dieser Hilfe nach Ansicht der Vereinten Nationen
jedoch solange notwendig ist, wie der Konflikt weiterbesteht, wurde das Mandat des
UNRWA seit jeher um drei Jahre verlängert, zuletzt bis zum 30. Juni 2017. Dabei
wurden die Aufgaben Schritt für Schritt angepasst und weiterentwickelt. Heute kümmert
sich das UNRWA um die Gesundheitsversorgung, soziale Hilfeleistungen und die
Ausbildung seiner Schutzbefohlenen und unterhält zu diesem Zweck unter anderem
über 600 Schulen. Außerdem vergibt es Kleinkredite, um Menschen zu ermöglichen,
sich eine bessere Lebensgrundlage zu schaffen.
Zur Zeit der Gründung des UNRWA wurden außerdem zwei weitere Organisationen ins
Leben gerufen, die sich mit Flüchtlingsangelegenheiten befassen sollten: Die UNCCP
(UN-Versöhnungskommission für Palästina) und das UNHCR, das Hochkommissariat
der Vereinten Nationen für Flüchtlinge.
Die Generalversammlung definierte in der Resolution 194(III) vom 1. Dezember 1948,
mit der sie die UNCCP ins Leben rief, wer als palästinensischer Flüchtling gelte und
somit Anspruch auf Hilfe durch UNRWA und UNCCP habe. Demnach sind dies
Personen, die ihren Wohnsitz in Palästina oder die palästinensische Staatsbürgerschaft
hatten und entweder während des Konflikts 1947-49 vertrieben worden waren oder
nicht auf das Gebiet, das sich unter israelischer Kontrolle befand, zurückkehren
konnten. Außerdem fallen mittlerweile Menschen, die in Folge des Sechs-Tage-Krieges
ihre Heimat verloren haben, in den Aufgabenbereich des UNRWA. Anders als der
Flüchtlingsstatus des UNHCR kann der Status als Palästinaflüchtling weitervererbt
werden.
Aufgabe der UNCCP war es, Rechte und Interessen der Flüchtlinge zu schützen und
nach einer dauerhaften Lösung für ihre Probleme zu suchen sowie eine endgültige
Konfliktlösung zu erarbeiten. Damit ergänzte sich die Arbeit der UNCCP und des
UNRWA zu umfassender Flüchtlingshilfe.
Das UNHCR ist das weltweit agierende Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Es
soll Schutz und humanitäre Hilfe für die Personen bereitstellen, die unter die universelle
Flüchtlingsdefinition fallen und außerdem die Einhaltung der Genfer
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Flüchtlingskonvention überwachen. Da für Palästinaflüchtlinge bereits umfassender
Schutz bestand, wurden sie aus dem Zuständigkeitsbereich des UNHCR
ausgeschlossen.
Problematisch wurde die Situation der Palästinaflüchtlinge, als der UNCCP Ende der
50er Jahre ein Großteil der Mittel gestrichen wurden, weil sie keine ihrer Aufgaben
angemessen erfüllen konnte. In der Folgezeit verlor sie weiter an Bedeutung, bis sie
schließlich de jure aufhörte zu existieren. Dadurch ergeben sich diverse Probleme, die
zusammengefasst als Schutzlücke bezeichnet werden.
Da das Mandat des UNRWA explizit nicht den Schutz der Flüchtlinge beinhaltet und
diese aus allen anderen Flüchtlingsschutzabkommen ausgenommen sind, genießen
Palästinaflüchtlinge nicht ausreichend Schutz vor Vertreibung oder Diskriminierung und
haben keine internationale Interessenvertretung.
Ein weiteres Problem ist, dass palästinensische Flüchtlinge, aber auch Palästinenser im
Allgemeinen, häufig keine Staatsbürgerschaft haben. Zwar kann die palästinensische
Autonomiebehörde, die das Westjordanland und den Gaza-Streifen verwaltet,
Reisepässe ausstellen, die häufig als Ausweispapiere anerkannt werden, aber eine
wirkliche palästinensische Staatsbürgerschaft gibt es nicht. Von den allgemeingültigen
Abkommen zum Schutz Staatenloser sind Palästinenser aber aus den gleichen
Gründen ausgeschlossen, aus denen ihnen auch der Schutz des UNHCR verwehrt ist.
Ziel der Vereinten Nationen im Umgang mit Palästinaflüchtlingen war es immer, dass
diese in ihre Heimat zurückkehren sollen, sobald ein palästinensischer Staat, wie von
der Generalversammlung bereits 1947 vorgesehen, gegründet wurde. Da auch die
vornehmlich arabischen Gastländer diese Politik verfolgen, ist die Integration der
Flüchtlinge in der Regel nur sehr gering vorangeschritten. Außerdem verwehrt Israel bis
heute das von den Vereinten Nationen eingeforderte Rückkehrrecht in Gebiete, die jetzt
unter israelischer Kontrolle stehen.
Aktuelle Entwicklung
Die sozioökonomische Stellung von Palästinensern und palästinensischen Flüchtlingen
hängt in besonderer Weise von dem Land ab, in dem sie leben. Hierbei sind zum einen
die Situationen in Syrien, dem Libanon und Jordanien sowie zum anderen die im GazaStreifen und Westjordanland untereinander vergleichbar.
Die meisten Flüchtlinge und Vertriebenen in den arabischen Staaten des UNRWAAktivitätsgebietes leben in Flüchtlingslagern, die von der Hilfsorganisation betrieben und
verwaltet werden. Die Lebensumstände sind meist sehr schlecht. Da die Gebäude nicht
dafür gebaut sind, dauerhaft zu bestehen, sind sie baufällig und häufig ohne
Fundamente. Die Infrastruktur ist ebenfalls mangelhaft. Und es gibt nur bedingt
elektrischen Strom oder fließend Wasser. Letzteres ist häufig verunreinigt, was zur
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Ausbreitung von Krankheiten beiträgt. Im Detail jedoch unterscheiden sich die
Lebenssituationen der Palästinenser in den unterschiedlichen Gebieten.
Vor dem syrischen Bürgerkrieg, der 2011 begann, war die Situation für Geflüchtete in
Syrien verhältnismäßig gut. So gab es beispielsweise eine Behörde, die sich um die
Lage der Geflüchteten kümmerte und ihnen Hilfeleistungen zur Verfügung stellte. Mit
Beginn des Bürgerkrieges änderte sich die Sicherheitslage dramatisch und die Anliegen
palästinensischer Geflüchteter fanden fast kein Gehör mehr. Die meisten der 450.000 in
Syrien lebenden Palästinenser flohen in den Libanon oder nach Jordanien.
Somit kamen zu den bereits im Libanon lebenden circa 500.000 palästinensischen
Flüchtlingen weitere 50.000 hinzu, was die schon prekären Lebensbedingungen dort
weiter verschlechterte. Die Flüchtlingslager des UNRWA im Libanon sind in besonders
schlechtem Zustand. Diverse rechtliche Einschränkungen erschweren das Leben für
Palästinenser darüber hinaus. So empfangen sie Bildung, medizinische Versorgung
oder Sozialleistungen ausschließlich durch das UNRWA und sind von Handel und
Arbeitsmarkt im Libanon weitestgehend ausgeschlossen. Die insgesamt äußerst
repressive Politik des Libanon liegt vor allem daran, dass das Machtgleichgewicht im
Staat sehr sensibel ist und innerpolitische Spannungen die Interessen der
palästinensischen Flüchtlinge überlagern. Ohne dass sich die innenpolitische Situation
des Libanon ändert, ist ein Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik nicht zu erwarten.
In Jordanien lebt mit 1,5 Millionen Menschen der größte Teil der palästinensischen
Flüchtlinge. Da Jordanien lange eine integrative Politik verfolgte und nach Ende des
Sechs-Tage-Krieges sogar einigen Palästinensern die jordanische Staatsbürgerschaft
gewährte, ist die Lebenssituation dort am besten, wenn auch weiterhin
verbesserungswürdig. Erst als im Zuge des Bürgerkrieges in Syrien weitere 250.000
Palästinenser nach Jordanien kommen wollten, wurde die Politik restriktiver.
Anders stellt sich die Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten GazaStreifen und Westjordanland dar. Israel übt gegenüber diesen massiven politischen und
wirtschaftlichen Druck aus und führt exzessive Grenzkontrollen durch. Es beschränkt
den palästinensischen Handel und Import, vor allem bezüglich dringend benötigter
Güter wie Lebensmitteln, Medikamente und allen voran Wasser. Somit sind die
wirtschaftlichen Aktivitäten der Autonomiegebiete auf ein Minimum reduziert. Der
Mangel an Arbeitsplätzen und die herrschende Perspektivlosigkeit führen zu einer
zunehmenden Radikalisierung der jugendlichen Bevölkerungsteile.
Der immer noch andauernde Konflikt ist besonders im Gaza-Streifen spürbar, vor allem
aber, wenn die Spannungen sich, wie zuletzt im Jahr 2014, zuspitzen, es zu massiven
Gewaltausbrüchen kommt und sogar Schulen und Krankenhäuser zerstört werden.
Ein Problem im Westjordanland ist die israelische Siedlungspolitik. Der Staat ermutigt
und unterstützt Israelis, die auf palästinensischem Gebiet Siedlungen aufbauen, und so
die Bevölkerung weiter zurückdrängen und das Gebiet in schlecht verbundene
Teilregionen spalten.
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Im Umgang mit diesen Autonomiegebieten verstößt Israel regelmäßig gegen
internationales Recht und einschlägige Abkommen. Da dies jedoch von den USA
gebilligt wird, die die Siedlungspolitik ebenso wie Israel und im Gegensatz zu den
Vereinten Nationen als legal erachten, ist der Sicherheitsrat bezüglich eventueller
Sanktionen jedoch handlungsunfähig. Der wichtigste Akteur und größte Hilfeleister für
palästinensische Flüchtlinge ist das UNRWA, das jedoch chronisch unterfinanziert ist.
Dies führt dazu, dass es bei einer sich wegen des syrischen Bürgerkriegs
verschlechternden Lage immer größere Probleme hat, Qualität und Quantität seiner
Angebote stabil zu halten. Außerdem hängt der Erfolg jedes Programmes von der
Kooperationsbereitschaft der Gastländer ab. Das UNRWA liefert also den wichtigsten
Beitrag zur Verbesserung der sozioökonomischen Lage seiner Schützlinge, doch gegen
gesellschaftliche und juristische Diskriminierung bleibt es machtlos.
Das UNRWA geriet in der Vergangenheit mehrmals in Kritik, da ihm Verbindungen zur
radikalen Hamas nachgesagt werden. So wurden vom Hilfswerk betriebene Schulen in
den Auseinandersetzungen von 2014 als Depot für Waffen und Raketen oder als
Schutzstätte für Kämpfende missbraucht. Außerdem gab es regelmäßig personelle
Verwicklungen zwischen beiden Organisationen. Diese Kritik sorgt für negative
Schlagzeilen, was sich im Haushalt des UNRWA niederschlägt, da es einen Großteil
seiner Gelder durch freiwillige Spenden erhält.
Punkte zur Diskussion
Das größte Problem für palästinensische Flüchtlinge ist die oben beschriebene
Schutzlücke, die durch ihre gesonderte rechtliche Stellung entsteht. Diese zu schließen
ist jedoch schwierig, da entweder in den einschlägigen Regelungen der universell
operierenden Flüchtlingsschutzorgane die Absätze gestrichen werden müssten, die
Palästinenser aus deren Tätigkeitsgebiet ausschließen, was jedoch praktisch unmöglich
ist, oder das UNRWA abgeschafft werden muss, damit die Geflüchteten diesen
Absätzen nicht mehr entsprechen, was ebenfalls aufgrund der wichtigen Arbeit des
UNRWA nicht umsetzbar ist.
§ Wie kann also trotz dieser rechtlichen Problematik ein größtmöglicher Schutz der
palästinensischen Flüchtlinge gewährleistet werden?
§ Wie kann überwacht werden, dass den Palästinensern die ihnen zustehenden
Rechte gewährt werden? Beachten Sie hierbei, dass das UNRWA diese Aufgabe im
Rahmen seines Mandates nicht wahrnehmen kann.
Da die meisten palästinensischen Flüchtlinge, die sich nicht in den Autonomiegebieten
aufhalten, in Flüchtlingslagern leben, ist die Verbesserung der Lebensumstände dort
essenziell.
§ Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um gegen die herrschenden
Probleme wie Infrastruktur- und Arbeitsplatzmangel vorzugehen? Reicht es, die
15
§
§
Arbeit des UNRWA zu unterstützen und fortzusetzen oder müssen darüber hinaus
andere Maßnahmen getroffen werden? Wie könnten solche Maßnahmen aussehen?
Vor allem die Zusammenarbeit mit den Regierungen der Gastländer und mit anderen
regionalen Akteuren ist von größter Wichtigkeit.
o Wie können Anreize geschaffen werden, die rechtliche Stellung der
Flüchtlinge in den Gastländern zu verbessern?
o Ist es möglich, den Palästinensern einen besseren Zugang zu Arbeitsmärkten
des jeweiligen Gastlandes zu gewähren?
o Wie können Nichtregierungsorganisationen bei diesen Prozessen mitwirken?
Misstrauen und Spannungen zwischen der Bevölkerung der Gastländer und den
palästinensischen Flüchtlingen stehen einer Verbesserung der Situation im Weg. Wie
können Vorurteile beseitigt und die Akzeptanz auf beiden Seiten erhöht werden?
Das UNRWA als wichtigster Akteur in dieser Thematik hat das größte Potential,
dauerhafte und nachhaltige Verbesserungen zu bewirken.
§ Wie kann seine Finanzierung verbessert werden, damit weder Qualität noch
Quantität seiner Angebote leiden?
§ Welche weiteren Angebote könnte das UNRWA im Rahmen seines Mandates zur
Verfügung stellen?
§ Wie kann in Zukunft verhindert werden, dass es Verbindungen zwischen dem
UNRWA und radikalen Organisationen gibt? Wie können eventuell auftauchende
Vorwürfe schnell und objektiv beurteilt werden, damit die wichtige Arbeit der
Organisation so wenig wie möglich leidet?
Für die Verbesserung der Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten ist vor
allem eine Zusammenarbeit mit der israelischen Regierung notwendig. Diese jedoch
betont bei der Begründung der Kontrollen stets, dass von radikalen palästinensischen
Organisationen ein Sicherheitsrisiko ausgeht, dass nur so begrenzt werden kann.
§ Wie kann darauf hingearbeitet werden, dass den Autonomiegebieten mehr
ökonomische Freiheiten gewährt werden, damit sie aus sich heraus Verbesserungen
erzielen können, ohne, dass dadurch unnötige Sicherheitsrisiken eingegangen
werden?
Wichtige Dokumente
§
§
§
Genfer Flüchtlingskonvention:
http://www.unhcr.de/fileadmin/user_upload/dokumente/03_profil_begriffe/genfer_flu
echtlingskonvention/Genfer_Fluechtlingskonvention_und_New_Yorker_Protokoll.pdf
Satzung des UNHCR:
http://www.unhcr.de/fileadmin/user_upload/dokumente/02_unhcr/01_UNHCRSatzung.pdf
Teilungsresolution der Generalversammlung vom 29. November 1947:
http://www.un.org/depts/german/gv-early/ar181-ii.pdf
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§
§
§
Resolution der Generalversammlung über die Anwendbarkeit des Genfer
Abkommens vom 12. August 1949 zum Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten
auf die besetzten palästinensischen Gebiete: http://www.un.org/depts/german/gv70/band1/ar70088.pdf
Resolution der Generalversammlung „Hilfe für Palästinaflüchtlinge“:
http://www.un.org/depts/german/gv-70/band1/ar70088.pdf
Es gibt diverse weitere Resolutionen der Generalversammlung zu der Thematik. Um
diese einzusehen, folgen Sie dem Link, wählen Sie „Resolutionen und Beschlüsse“
und anschließend „Resolutionen nach Nummern“ im Abschnitt 70. Tagung (2015).
Nutzen Sie die Tastenkombination strg+F (Suchfunktion), um Ihre Suchbegriffe (z.B.
Palästina oder palästinensisch) einzugeben.
http://www.un.org/depts/german/gv/fs_gv_zwischenseite.html
Quellen und weiterführende Links
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§
Offizielle Seite des UNRWA: http://www.unrwa.org/ (englisch)
Bericht des UNRWA über seine Arbeit:
http://www.unrwa.org/userfiles/2010011791015.pdf (englisch)
Bericht des UNRWA über die sozioökonomische Situation palästinensischer
Flüchtlinge in Jordanien:
http://www.unrwa.org/sites/default/files/insights_into_the_socioeconomic_conditions_of_palestinian_refugees_in_jordan.pdf (englisch)
Bericht über die Situation palästinensischer Flüchtlinge in Syrien vor dem syrischen
Bürgerkrieg: https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/mittlererosten-zentralasien/syrien/syrien-status-von-palaestinensischen-fluechtlingen.pdf
Bericht über die Situation in den palästinensischen Autonomiegebieten:
https://www.bmz.de/de/laender_regionen/naher_osten_nordafrika/palaestinensisch
e_gebiete/zusammenarbeit/index.html
Artikel der bpb über das UNRWA
http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/229614/unrwa
Bericht der bpb über die Situation palästinensischer Flüchtlinge im Libanon:
http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/laenderprofile/228365/palaestinenser-imlibanon
Status palästinensischer Flüchtlinge: http://fokus-nahost.de/unerwunscht-undwegdefiniert-zum-status-palastinensischer-fluchtlinge/
Kritik am Umgang der UNO mit palästinensischen Flüchtlingen
https://lizaswelt.net/2009/01/19/die-hatschelkinder-der-uno-i/
Rechtliche Situation palästinensischer Flüchtlinge:
http://www.kas.de/palaestinensische-gebiete/de/pages/11536/
Situation palästinensischer Flüchtlinge, besonders von Frauen, im Libanon:
https://www.ecoi.net/local_link/326706/467129_de.html
Zumach, Andreas: Globales Chaos und machtlose UNO. Ist die Weltorganisation
überflüssig geworden?. Seiten 65-96. Zürich: Rotpunktverlag 2015
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