Biomembranen und Transportvorgänge

Werbung
Biomembranen und
Transportvorgänge
Ein Haus hat Wände, die es von der Umgebung abgrenzen und im Inneren in verschiedene Zimmer aufteilen. Genauso sind alle lebenden Zellen von Biomem­branen umschlossen und werden innen durch Biomembranen in unterschiedliche Reaktionsräume unterteilt.
Zimmer­wände müssen Türen haben, schließlich muss man hinein- und hinausgehen können.
Biomem­branen weisen dafür besondere Öffnungen und Schleusen auf, sodass Moleküle von
einer Seite auf die andere gelangen können. Aber spätestens hier trifft unser Vergleich nicht
mehr zu, denn Biomembranen leisten noch viel mehr als gemauerte Wände mit Türen und
Schleusen. Stellen Sie sich vor, Sie wollen in ein Haus einziehen und Ihr Klavier passt nicht
durch die Tür. Wenn eine Zelle vor so einem Problem steht, stülpt sich die Zellmembran einfach
ein, umfließt das zu große Partikel völlig und „spuckt“ es dann mitsamt seiner neuen Membranhülle in das Zellinnere wieder aus.
  3.1
  3.2
  3.3
  3.4
  3.5
  3.6
  3.7
3
Ein InfluenzaVirus (rot-gelb)
befällt eine Zelle
(blau).
(FalschfarbenTEM-Aufnahme)
Biomembranen sind ein flüssiges Mosaik aus Lipiden und Proteinen
Proteine und Kohlenhydrate machen Zellen von außen erkennbar
Substanzen diffundieren entlang einem Konzentrationsgefälle durch die Membran
Durch Osmose können Zellen Wasser aufnehmen oder abgeben
Kanal- und Transportproteine erleichtern die Diffusion durch Membranen
Der Transport gegen ein Konzentrationsgefälle kostet Energie
Makromoleküle oder größere Partikel können selektiv durch Membranen aus- und
eingeschleust werden
51
Biomembranen und Transportvorgänge
Zellen
3.1
Biomembranen sind ein flüssiges Mosaik aus Lipiden und Proteinen
Biomembranen sind hauchdünn: 6 000 von ihnen
müssten übereinandergelegt werden, um die Dicke
dieser Buchseite zu erreichen! Wie ist es möglich, dass
Biomembranen trotzdem so wirkungsvoll jede lebende Zelle von ihrer Umgebung abgrenzen können?
Grundbausteine aller Biomembranen sind die
Mem­b­ran­­lipide, z. B. Phospholipide ( Abb. 1, S. 34).
Membranlipide bestehen aus einer hydrophilen,
also gut mit Wasser benetzbaren Kopfgruppe und
hydrophoben, also wasserabweisenden Fettsäureresten ( Abb. 2). In wässriger Umgebung wechselwirken die hydrophoben Fettsäurereste stark mit-
­einander. Daher lagern sich Membranlipide zu einer
Lipid­doppelschicht zusammen, in der die hydrophoben
Bereiche innen liegen und durch die Kopfgruppen vom
Wasser abgeschirmt sind. Der hydrophobe Kernbereich
der Biomembran stellt eine wirkungsvolle Schranke
für Wasser und alle hydrophilen Moleküle dar.•
Struktur und
Funktion
Als äußere Begrenzung von Zellen sorgen Biomembranen dafür, dass Proteine und andere Biomoleküle nicht einfach die Zellen verlassen oder Stoffe
unkontrolliert von außen hereinkommen können. Aber
auch innerhalb der Zelle ist es wichtig, verschiedene
Reaktionsräume, die Kompartimente, voneinander
zu trennen.• In den Chloroplasten, Mitochondrien und
Lysosomen, die Sie im Kapitel 2 kennengelernt haben,
finden jeweils andere Stoffwechselvorgänge statt als
in der Umgebung. Ihr Inhalt darf sich daher nicht mit
der Umgebung vermischen. Deshalb sind alle diese
Zellorganellen von Biomembranen umhüllt.
Biomembranen bestehen nicht nur aus Lipiden.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil sind Proteine
( Abb. 1). Wir unterscheiden nach ihrer Lage inte­grale
Proteine von Transmembranproteinen
oder peri­
pheren Proteinen . Membranproteine üben vielfäl-
Zellinnenraum
Manche Lipide (Glykolipide)
tragen Kohlenhydratketten.
Membranproteine können Zellen
miteinander verknüpfen.
R = polarer Rest
R
Manche Proteine (Glykoproteine)
tragen Kohlenhydratketten.
O
O–
Cholesterolmoleküle
machen die Lipidschicht flüssiger.
äußeres Milieu
Die hydrophilen Kopfgruppen der Membranlipide wechselwirken mit
Wassermolekülen und
geladenen Molekülen.
O
Glycerol
O
H2C
O
CH2
O
C
CH
O
CH2
H2C
Zellinnenraum
CH2
H2C
CH2
H2C
CH2
CH2
H2C
Hydrophobe Fettsäurereste in der LipiddoppelCH2
schicht wechselwirken
H2C
untereinander und mit
CH2
hydrophoben Molekülen.
H2C
1
Die Biomembran besteht nach dem Flüssig-Mosaik-Modell aus einer Lipiddoppelschicht sowie auf- und eingelagerten
Proteinen. Sie ist eine dynamische Struktur, in der sich sowohl die Proteine als auch die Lipide seitwärts bewegen können.
CH2
HC
CH2
H2C
CH2
H2C
HC
CH2
HC
HC
CH2
H2C
CH2
H2C
CH3
52
CH2
H2C
H2C
Manche integralen
Proteine tauchen nur
teilweise in die Lipiddoppelschicht ein.
C
CH2
CH2
Transmembranproteine überspannen
als integrale Proteine mit ihren hydrophoben Bereichen die gesamte Lipiddoppelschicht und ragen mit ihren hydrophilen Bereichen auf beiden Seiten
der Membran heraus.
wässriges
Milieu
H2C
H2C
Periphere Proteine
sind der Membran
nur aufgelagert.
O
P
CH3
2
Phospholipide sind Bausteine der Lipiddoppelschicht
der Biomembran.
tige Funktionen aus. Einige von ihnen sind sozusagen
Türen in der Membran, die Molekülen die Passage erlauben. Aber zumeist sind es „intelligente Türen“, die
auswählen, welche Moleküle passieren dürfen, oder
sie sogar aktiv auf die andere Membranseite befördern. Diese Funktion als Kanal- oder Transportproteine
werden Sie noch näher kennenlernen ( 3.5). Andere
Proteine befördern keine Moleküle, sondern melden
sie der Zelle. Diese Proteine sind Membranrezeptoren.
Wenn an ein solches Rezeptorprotein auf der einen
Membranseite ein Molekül bindet, z. B. ein Hormon,
dann ändert das Protein auf der anderen Membranseite seine Struktur und löst damit Stoffwechselreaktionen aus, zum Beispiel eine Hormonantwort ( 32.1).
Ein dritter Bestandteil von Membranen sind
Kohlenhydrate. Diese sind entweder an Membranproteine gebunden oder an Lipide; wir sprechen dann
von Glykoproteinen
bzw. Glykolipiden . Diese
Kohlenhydrate finden sich häufig auf der Außenseite
von Zellmembranen, also auf der Zelloberfläche, und
sind notwendig für die Erkennung von Zellen untereinander ( 3.2). Sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Erkennung körperfremder Zellen durch das
Immun­system ( 16.1).
Sie dürfen sich die Anordnung der Membran­
lipide mit den eingelagerten Proteinen nicht starr
wie eine Ziegelwand vorstellen. Die Lipidmoleküle
sind seitwärts (lateral) in ihrer Lipidschicht frei beweglich. Allerdings behält die Lipiddoppelschicht
trotz der Beweglichkeit der einzelnen Lipidmoleküle
ihre Dichtigkeit. Auch die Membranproteine können
sich in ihrer Membran seitwärts frei bewegen, so wie
Schiffe oder Eisberge im Wasser driften. Diese Beweglichkeit betont auch der Name des Membranmodells:
Flüssig-Mosaik-Modell. „Seitenwechsel“ sind aber
ausgeschlossen. Dadurch behält die Membran ihre
Asymmetrie im Aufbau bei.
Die beschriebene Dynamik von Membranlipiden
hat viele Vorteile. Sie macht Biomembranen elastisch
und damit widerstandsfähiger. Wenn durch mechanische Verletzung ein kleines Loch in eine Membran
gerissen wird, fließen seitwärts Lipidmoleküle ein und
verschließen es sofort wieder. Die frei beweglichen
Proteine können sich bei ihren verschiedenen Aufgaben in immer wieder neuen Kombinationen zusammenlagern. Beispielsweise können sie so benachbarte
Zellen punktgenau verknüpfen .
Bei tiefen Temperaturen können Membranen erstarren, womit die Lipidmoleküle ihre Beweglichkeit
verlieren. Das ist sehr ungünstig für die Zelle, da dann
viele Membranproteine ihre verschiedenen Funktionen nicht mehr ausüben können. Pflanzen und viele
Bakterien reagieren auf erniedrigte Temperaturen, indem sie die Fettsäuren in ihren Lipiden so verändern,
dass die Membranen auch in der Kälte flüssig bleiben.
Bei Tieren sorgt Cholesterol als Membranbestandteil
dafür, dass die Membranen nicht so leicht erstarren.
53
Komparti­
mentierung
Online-Link
Steckbrief: Schwamm
150010-0550
Zellen
1972 s. j. singer und g. nicolson schlugen aufgrund neuer Befunde ein prinzipiell verändertes,
dynamisches Membranmodell vor. Danach ist die
Membran ein Mosaik aus Proteinmolekülen, die in
einer flüssigen Doppelschicht aus Phospholipiden
liegen, das heute gültige Flüssig-Mosaik-Modell.
Phospholipideinzelschicht
Phospholipiddoppelschicht
Biomembranen und Transportvorgänge
Die entscheidende Bestätigung bekam das
Flüssig-Mosaik-Modell aufgrund der Möglichkeit,
anhand des Gefrierbruchverfahrens ( Abb. 4) Proteine in der Lipiddoppelschicht sichtbar zu machen.
In den letzten Jahren mehren sich in der Wissenschaft allerdings Hinweise darauf, dass das FlüssigMosaik-Modell noch verfeinert werden muss. Inten­
siv erforscht werden Lipidflöße (lipid rafts). Das sind
kleine Membranbereiche mit veränderter Lipid-
und Proteinzusammensetzung, die wie Flöße in der
Membran treiben. In diesen Flößen sind die Lipidmoleküle weniger beweglich; diese Membranbereiche sind
weniger flüssig. Sie durchmischen sich daher mit den
umgebenden Membranregionen nicht oder nur sehr
langsam. Die biologische Funktion solcher Lipidflöße
ist allerdings noch unklar.
Methode: Gefrierbruchtechnik
Aufgabe 3.1
Anwendung
Präparationsmethode der Elektronenmikroskopie
zur Untersuchung der inneren Strukturen von Zellen und von Biomembranen. Die Position von
Membranproteinen kann durch das Gefrierbruchverfahren sichtbar gemacht werden.
Davson-Danielli-Modell
Protein
hydrophiler Bereich
Gefrorenes Gewebe
wird mit einem sehr
scharfen Messer
gespalten.
Methode
hydrophober Bereich
Stellen Sie für die Biomembran die Einheit von Struktur und Funktion tabellarisch zusammen, also ausgehend von Strukturmerkmalen die Möglichkeit für bestimmte Funktionen.
3.2
Proteine und Kohlenhydrate machen Zellen von außen erkennbar
hydrophiler Bereich
Flüssig-Mosaik-Modell
Dabei werden die beiden Lipideinzelschichten einer Membran
voneinander getrennt.
hydrophile Region
des Proteins
Ergebnis
Phospholipiddoppelschicht
Integrale Membranproteine
ragen dann entweder aus
der Bruchfläche heraus …
Zellen können sich gegenseitig erkennen. Das kann
man eindrucksvoll an Schwämmen beobachten.
Schwämme sind vielzellige Meeresbewohner mit ei-
nem relativ einfachen Körperbau. Anders als bei den
meisten anderen Organismen kann man die einzelnen
Zellen eines Schwamms voneinander trennen, indem
Suberites gehört zum Tierstamm der Schwämme.
Es gibt weiße und rote Arten dieses Schwamms,
der regelmäßig von einem Einsiedlerkrebs bewohnt wird.
Das Gewebe der beiden
Schwämme enthält jeweils
ähnliche, aneinander gebundene Zellen …
hydrophobe Region des Proteins
3
Das Modell der Biomembran wurde stes neuen
Forschungsergebnissen angepasst.
Abb. 3 zeigt, wie das Modell der Biomem­­bran im
20. Jahrhundert weiterent­wickelt wurde.
1917 i. langmuir stellte künstliche Phospho­lipid­
memb­ranen her, deren hydrophile Köpfe in die
wässrige Lösung eintauchten.
1925 e. gorter und f. grendel maßen den Phospholipidgehalt roter Blutzellen und schlossen aufgrund ihrer Daten zur Oberflächengröße auf eine
Lipiddoppelschicht als Zellmembran.
h. davson und j. danielli erweiterten die Modellvorstellung um die Hypothese einer beidseitig aufliegenden Proteinschicht. Dieses Sandwich-Modell
wurde in den 1950er Jahren durch die ersten elek­
tronenmikroskopischen Aufnahmen der Zellmembran unterstützt. In den 1960er Jahren wurde es so
zum generellen Modell einer Biomembran.
54
… oder hinterlassen
ein Loch in der Lipideinzelmembran.
Die Bruchfläche der
Membran wird in einem
Elektronenmikroskop
sichtbar gemacht.
An den exponierten Bereichen ihrer Membranproteine erkennen sich jeweils die weißen und die
roten Schwammzellen und binden fest aneinander.
… zu weißen und
roten Zellklumpen.
4
Mit der Gefrierbruchtechnik lassen sich Membran­
proteine im Elektronenmikroskop darstellen.
… die man voneinander trennen
kann, indem man die beiden Gewebe
durch ein engmaschiges Sieb drückt.
Dann sortieren sich
die Zellen artspezifisch…
1
Bei diesen beiden Schwämmen erkennen sich die Zellen an ihren Membranproteinen und binden artspezifisch.
55
Biomembranen und Transportvorgänge
Zellen
Information
und Kommunikation
man ihn mehrfach durch ein feinmaschiges Sieb
presst. Das Erstaunliche: Wenn man die getrennten
Zellen in einem Gefäß mit Meerwasser für eine Weile
schüttelt, dann finden sie sich wieder und setzen sich
spontan zu Zellklumpen zusammen, aus denen sich
wieder vollständige Schwämme bilden können. Was
noch erstaunlicher ist: Wenn man die Zellen von zwei
artverschiedenen Schwämmen miteinander mischt,
dann setzen sich die Zellen artspezifisch zusammen
und regenerieren wieder zu Schwämmen der beiden
verschiedenen Arten ( Abb. 1, S. 55).
Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus dieser
Beobachtung? Als erstes müssen die Zellen in der Lage
sein, sich gegenseitig zu erkennen. Dabei können sie
offenbar auch unterscheiden, ob eine andere Zelle zur
eigenen Schwammart oder zu einem Schwamm einer
anderen Art gehört. Zweitens können sich die Zellen,
die aus demselben Organismus stammen, an­einander
festhalten und so wieder ein neues vielzelliges Gewebe bilden. Für beides sind Membranproteine der
Zellmembran und Kohlenhydrate auf der Membran­
oberfläche verantwortlich.
Wie Sie schon wissen, haben alle Zellmembranen
einen ähnlichen Grundaufbau mit Membranlipiden
als Grundbaustein. Die Zusammensetzung verschiedener Sorten von Membranlipiden kann von einer
Membran zur anderen variieren, aber wirklich unterscheidbar werden Membranen erst durch ein- oder
aufgelagerte Membranproteine und Kohlenhydrate.
Durch diese Strukturen außen auf der Zellmembran
können Schwammzellen sich gegenseitig erkennen.
Die Kohlenhydrate sind zumeist kurze verzweigte Ketten aus 10 – 20 Zuckermolekülen, die überwiegend an
Proteine, aber teilweise auch an Lipide gebunden sind.
Diese Verbindungen werden auch als Glyko­proteine
oder Glykolipide bezeichnet ( Abb. 1, S. 52). Die
hydrophilen Abschnitte mancher Membranproteine,
die an der Zell­oberfläche aus der Membran heraus­
ragen, bilden bei ihrer Faltung Bindestellen, die genau
zu einem Mem­branprotein auf einer anderen Zelle
oder einem Kohlenhydrat oder beiden zusammen passen. Die zueinander passenden Oberflächenstrukturen
sorgen also für eine Zell-Zell-Erkennung.• Die gleichen
Wechselwirkungen sind die Ursache dafür, dass zu­
einander passende Zellen aneinander hängen bleiben.
In dem in Abb. 1, S. 55, beschriebenen Experiment
passen die Oberflächenstrukturen von Zellen aus dem
gleichen Schwamm gut zueinander, Zellen aus zwei
verschiede­nen Schwamm­­arten dagegen nicht.
Unser Körper aus vielen unterschiedlichen Zell­
typen kann sich nicht ganz so erstaunlich regenerieren
wie der der Schwämme. Aber die Zell-Zell-Erkennung
spielt auch für uns eine wichtige Rolle. Sie sorgt dafür,
dass unterschiedliche Organe wie Muskeln, Leber und
Haut jeweils ein zusammenhängendes Ganzes bilden
und nicht zerfallen. Auch die Feinunterscheidung zwischen eng verwandten Arten und Individuen einer Art
wird besonders häufig durch die Kohlenhydrate an
Zelloberflächen geleistet. Ein Beispiel sind die unterschiedlichen Blutgruppen A, B, AB und 0. Sie werden
durch unterschiedliche Glykolipide auf der Oberfläche
der roten Blutzellen festgelegt ( Abb. 3, S. 225).
1
Ein gelöster Stoff bewegt sich ungerichtet und ohne äußeres Zutun. Er wird dadurch in der Lösung verteilt.
gelöste Salz immer weiter nach oben verteilt, ohne
dass Sie umrühren oder schütteln. Wie kommt das zustande?
In der Flüssigkeit sind alle Moleküle ständig in
Bewegung, und zwar auf einem ungerichteten Zickzackkurs, weil sie immer wieder zusammenstoßen.
Diese Bewegung wurde schon 1827 von robert brown
vermutet. Er beobachtete im Mikroskop ein Pollenkorn, das auf einer Wasseroberfläche in allen Richtungen hin und her zappelte, verursacht durch ständige
Zusammenstöße mit Wassermolekülen. Diese Bewegung, die Brown'sche Mole­kularbewegung, sorgt dafür, dass sich ein gelöster Stoff allmählich über die gesamte Flüssigkeit verteilt. Alle gelösten Substanzen in
Flüssigkeiten oder gasförmige Stoffe in Gasgemischen
„fließen“ so vom Bereich höherer Konzentration zum
Bereich niedrigerer Konzentration. Diese spontane
Bewegung gelöster Substanzen entlang ihrem Konzen­
trationsgefälle heißt Diffusion ( Abb. 2). Auch wenn
auf beiden Seiten einer Biomembran Substanzen mit
jeweils unterschiedlicher Konzentration gelöst vorliegen, können diese Stoffe durch die Membran hindurch
diffundieren. Dabei wandert im Endeffekt jede Substanz entlang ihrem Konzentrationsgefälle. Voraussetzung dafür ist, dass die Membran für diese Substanzen
permeabel, das heißt durchlässig ist.
Die Geschwindigkeit der Diffusion hängt von einer Reihe physikalischer Parameter ab. Sie ist umso
größer,
•• je höher die Temperatur ist,
•• je kleiner die diffundierenden Partikel sind,
•• je größer das Konzentrationsgefälle ist.
Aufgabe 3.2
gelöste Teilchen
Züricher Wissenschaftler entwickelten eine Methode, Bakterien einzufangen, die menschliche Zellen befallen können. Sie
beschichteten Glasoberflächen mit Kohlenhydraten, die man auch auf der Ober­fläche menschlicher Zellen an die Zellmembran
gebunden findet. Erklären Sie das Prinzip der Methode.
3.3
Gleichgewicht
Substanzen diffundieren entlang einem Konzentrationsgefälle durch
die Membran
Wenn Sie einen Ball bei Windstille auf eine ebene
Rasenfläche legen und nicht dagegentreten, wird er
sich nicht von der Stelle bewegen. In Wasser gelöste Substanzen können sich dagegen ganz spontan
und ohne äußeres Zutun in vorhersagbarer Richtung
fortbewegen. Zum Nachweis können Sie das Experiment, das in Abb. 1 dargestellt ist, ganz einfach selbst
durchführen. Einige Kristalle von Kaliumpermanga-
56
Membran
nat, einem tief­violetten Salz, werden ganz langsam
und vorsichtig in ein Glas mit Wasser gelegt. Sie lösen sich auf und bilden am Boden des Glases eine
intensiv violett gefärbte Zone ( ). Mit der Zeit wandert die obere Grenze des gefärbten Bereichs immer
weiter nach oben, bis schließlich, nach geduldigem
Warten, der ganze Zylinderinhalt gleichmäßig gefärbt
ist ( ). Sie werden also beobachten, dass sich das
Alle gelösten Teilchen
bewegen sich ungerichtet.
Trifft ein Teilchen dabei
zufällig auf eine Pore in
der Membran, bewegt es
sich hindurch.
Nachdem die gelöste Substanz teilweise auf die
andere Membranseite diffundiert ist, gelangen
einige Teilchen wieder zurück. Aber auf der Seite
höherer Konzentration treffen pro Zeiteinheit
mehr Teilchen zufällig auf eine Pore. Daher wird
sich netto weiterhin gelöste Substanz in Richtung ihres Konzentrationsgefälles bewegen.
Der Prozess endet im Diffusionsgleichgewicht;
das heißt, dass die Substanz auf beiden Seiten
der Membran gleich konzentriert ist. Noch
immer passieren Teilchen die Membranporen,
aber es sind gleich viele in beiden Richtungen.
2
Die Diffusion einer Substanz erfolgt entlang ihrem Konzentrationsgefälle in einer Nettobewegung.
57
Online-Link
Osmose (interaktiv)
150010-0580
Zellen
Biomembranen sind aufgrund ihres hydrophoben
Innenbereichs für kleine, unpolare Moleküle permeabel. Dazu gehören Benzol und andere organische
Lösungsmittel. Dies ist der Grund dafür, dass der Hautkontakt mit solchen Lösungsmitteln so gefährlich ist.
Wasser als polare Substanz (VV VAbb. 1, S. 25) kann nur
langsam durch eine Lipiddoppelschicht hindurch dif-
Biomembranen und Transportvorgänge
fundieren. In den meisten Biomembranen erleichtern
und beschleunigen spezielle Poren die Wasserdiffusion
( Abb. 1, S. 61). Größere Biomoleküle und Ionen benötigen Poren, Kanäle oder Transporter, um die Membran
zu durchqueren ( Abb. 2, S. 61, und Abb. 1, S. 62). Für
Gase wie Sauerstoff, Stickstoff oder Kohlenstoffdioxid
bildet die Membran dagegen keine Diffusionsbarriere.
hypertonische Umgebung
(konzentrierter als innen)
isotonische Umgebung
(gleich wie innen)
Aufgabe 3.3
Wassermolekül
Sie bringen Zellen in eine Lösung mit einem Farbstoff, für den die Zellmembran permeabel ist. Der Farbstoff diffundiert hinein
und färbt das Cytoplasma an. Nun wollen Sie die Zellen wieder entfärben. Erläutern Sie Ihr Vorgehen.
Durch den Wasserverlust
schrumpft der Zellkörper; die
Zellmembran zieht sich von der
Zellwand zurück (Plasmolyse).
hypotonische Umgebung
(verdünnter als innen)
Zuckermolekül
Durch den fehlenden Innendruck ist die Zelle schlaff.
Normalzustand einer Pflanzenzelle:
der Zellkörper drückt gegen die Zellwand und wird prall (turgeszent).
Pflanzenzelle
3.4
Sie haben Freunde eingeladen und wollen ihnen einen frischen Blattsalat servieren. Eine Viertelstunde
vor Ankunft Ihrer Gäste gießen Sie eine würzig-salzige
Soße über den Salat. Eine halbe Stunde später sitzen
Sie und Ihre Freunde vor einem Häufchen kläglich
zusammengefallener grüner Blätter! Dieses Missgeschick wird Ihnen nie wieder passieren, wenn Sie verstanden haben, wie Osmose funktioniert.
Die meisten Biomembranen sind semipermeabel,
das heißt halbdurchlässig. Wassermoleküle können sie
passieren, nicht aber Ionen und Biomoleküle wie Zucker und Aminosäuren. Wenn eine solche Membran
eine Zuckerlösung von reinem Wasser trennt, dann
wird Wasser entlang seinem Konzentrationsgefälle
in die Zuckerlösung hinein diffundieren ( Abb. 1).
Anders ausgedrückt, wenn eine semipermeable Membran zwei Lösungen mit unterschiedlicher Konzen­
tration an gelöstem Material trennt, wird Wasser von
der Seite mit niedrigerer Konzentration des gelösten
Stoffes zur Seite höherer Konzentration fließen, da die
Konzentration der Wassermoleküle dort niedriger ist.
Diese Wasserdiffusion an einer semipermeablen Membran nennen wir Osmose. Dabei kommt es nicht auf
die Art der gelösten Teilchen an, sondern nur auf ihre
Konzentration. Wenn durch einen Konzentrationsunterschied bestimmter Größe wird ein ganz bestimmter
osmotischer Druck aufgebaut. Die Lösung mit der höheren Konzentration an Gelöstem heißt hypertonisch
und die mit der geringeren heißt hypotonisch. Lösungen mit gleicher Konzentration werden als isotonisch
bezeichnet. Sie können sich also auch merken, dass
bei Osmose das Wasser immer von der hypotonischen
zur hypertonischen Lösung durch die semipermeable
Membran übertritt.
58
zentrale Vakuole
Durch Osmose können Zellen Wasser aufnehmen oder abgeben
Die Osmose kommt zum Stillstand, wenn
der osmotische Druck, bestimmt durch die
Zuckerkonzentration, gleich dem hydrostatischen Druck der Wassersäule ist.
Die Steighöhe entspricht dem hydrostatischen Druck
Die Zellen verlieren Wasser
und schrumpfen.
Normalzustand einer roten
Blutzelle: Gleichgewicht der
osmotischen Verhältnisse
Die Zellen nehmen
Wasser auf, schwellen
an und platzen.
rote Blutzelle
Wassermolekül
Zuckermolekül
2
semipermeable
Membran
hypertonische
Lösung
hypotonische
Lösung
Da in der Zuckerlösung pro Volumen
relativ weniger Wassermoleküle vorliegen, diffundieren Wassermoleküle
in die Zuckerlösung.
1
Im Osmometer sind die Lösung und das Lösungsmittel
Wasser durch eine Membran getrennt, durch die nur die
Wassermoleküle diffundieren können.
Tier- und Pflanzenzellen erhalten auch durch Osmose ihre äußere Form.
Die Osmose spielt für alle lebenden Zellen eine
wichtige Rolle, es gibt aber deutliche Unterschiede.
Tierische Zellen brauchen eine isotonische Umgebung. Nur unter dieser Bedingung zeigen rote Blutzellen ihre normale linsenförmige Gestalt ( Abb. 2).
Wenn Zellen sich in einer hypertonischen Flüssigkeit
befinden, schrumpfen sie; in hypotonischer Flüssigkeit dagegen dehnen sie sich durch Wasseraufnahme
in das Cytoplasma aus, bis sie platzen. Daher ist für
viele Tiere die Homöostase (das heißt die Konstanz)
der osmotischen Verhältnisse in den Körperflüssigkeiten extrem wichtig ( S. 82). Pflanzenzellen dagegen
befinden sich meistens in hypotonischer Umgebung.
Der Zellsaft in der zentralen Vakuole ( Abb. 2, S. 41)
weist eine relativ hohe Konzentration an gelösten Salzen auf. Wie bei den Tierzellen strömt osmotisch Wasser ein. Aber anders als Tierzellen haben Pflanzen eine
relativ starre Zellwand. Dadurch dehnt die Zelle sich
nicht bis zum Platzen aus, sondern baut einen Innendruck auf, den Turgor ( Abb. 2, S. 123). Die Zelle wird
turgeszent. Der Turgor gibt den einzelnen Zellen und
auch ganzen Pflanzen, soweit sie nicht verholzt sind,
ihre Form und Standfestigkeit.• Wie beim Osmometer
( A
A bb. 1) kommt auch hier die Osmose zum Stillstand,
wenn der Turgor, der Innendruck der Zelle, gleich groß
wird wie der osmotische Druck. Dieser wird vom
Konzen­trationsunterschied an gelösten Substanzen
innerhalb und außerhalb der Zelle bestimmt. In isotonischer Umgebung verlieren pflanzliche Zellen ihren
Turgor und werden schlaff.
Wenn Sie Pflanzenzellen in eine hypertonische
Umgebung bringen, z.B. Ihren Blattsalat mit salziger
Salatsoße begießen, dann strömt wie bei Tierzellen
Wasser aus und der Zell­innenraum schrumpft. Da die
59
Struktur und
Funktion
Online-Link
Überblick: Membranproteine
150010-0610
Zellen
3
4
Plasmolyse. Befinden sich Pflanzenzellen in einer hypertonischen Lösung (beispielsweise Salzwasser), strömt Wasser
aus. Der schrumpfende Zellkörper löst sich von der Zellwand.
Dieses Pflanzengewebe welkt.
Deplasmolyse. Tauscht man die Salzlösung in der Umgebung plasmolysierter Zellen gegen Wasser aus (hypotonische Umgebung), strömt Wasser osmotisch wieder ein. Der
Zellkörper legt sich wieder an die Zellwand.
Zellwand aber starr ist, löst sich beim Schrumpfen
die Zellmembran von der Zellwand; wir sprechen dann
von Plasmolyse ( Abb. 3). Dieser Vorgang kommt
durchaus in lebenden Pflanzen vor, wenn sie auf­-
grund langer Trockenheit welken. Falls die Trocken­heit
nicht zu lange anhält, überleben Pflanzen die Plasmo-
lyse. Bei einsetzendem Regen wird die Zellumgebung
wieder hypotonisch, der osmotische Druck baut sich
auf und die Zellmembran legt sich wieder an die Zellwand an (Deplasmolyse,  Abb. 4). Den Effekt sehen
Sie auch von außen, wenn sich eine welke Pflanze
nach dem Gießen wieder auf­richtet.
Aufgabe 3.4
Bei Infusionen in das Blutsystem ist es extrem wichtig, als Infusionsflüssigkeit eine physiologische Kochsalzlösung zu nehmen,
die eine ganz bestimmte Salzkonzentration aufweist. Begründen Sie.
3.5
Kanal- und Transportproteine erleichtern die Diffusion durch Membranen
Der hydrophobe Kern von Biomembranen stellt für
fast alle Biomoleküle eine wirksame Schranke dar und
hindert sie daran, die Zelle oder ein Zellkompartiment
zu verlassen. Selbst das kleine Wassermolekül kann
nur recht langsam hindurch diffundieren. Andererseits
erfordert der Prozess der Osmose eine semipermeable
Membran, die für Wasser gut durchlässig ist, aber
nicht für gelöste Substanzen. Sehr oft muss eine Zelle
auch kleine und große Biomoleküle mit ihrer Umgebung oder mit anderen Zellen rasch und gezielt austauschen können. Wie erfüllen Biomembranen diese
verschiedenen Aufgaben?
60
Membranproteine ermöglichen vielen Substanzen eine schnelle Diffusion. Eine solche Diffusion wird
daher auch erleichterte Diffusion genannt wird. Membranproteine als Helfer für die Diffusion bieten zwei
weitere Vorteile:
•• Sie können die Moleküle, die die Membran durchqueren, nach deren Größe und chemischen Eigenschaften sortieren. Wir sprechen dann von selektiv
permeablen Membranen.
•• Sie können die Diffusion kontrollieren, indem sie
den Durchgang durch die Membran öffnen oder
schließen.
Biomembranen und Transportvorgänge
Für die Osmose sind Membranporen wichtig, die
die Membran semipermeabel machen. Die wichtigsten Vertreter solcher Kanalproteine, die Aquaporine,
sind erstaunlich effiziente Diffusionshelfer.• Durch ein
Aquaporin ( Abb. 1) können pro Sekunde 3 Milliarden
Wassermoleküle passieren! Und durch 100 cm2 (das
entspricht ca. einem Viertel dieser Buchseite) einer
Membran mit Aquaporinen kann in wenigen Sekunden ein ganzer Liter Wasser diffundieren. Daher findet
man besonders viele Aquaporine in Zellmembranen
von Zellen, für die eine so schnelle Wasserdiffusion
wichtig ist, etwa Nierenzellen oder schnell wachsende
Zellen.
Andere Kanalproteine ermöglichen es größeren
Molekülen, die Membran zu durchqueren ( Abb. 2). In
vielen Fällen sind solche Kanäle gesteuert, das heißt,
auf ein elektrisches oder chemisches Signal hin können sie geöffnet oder geschlossen werden. Ein wichtiges Beispiel sind Ionenkanäle, die häufig verschieden
große Ionen wie Natrium- und Kalium-Ionen selektiv
durchlassen. Im Zusammenhang mit dem Nervensystem werden Sie Natrium- und Kaliumkanäle kennenlernen, die sich durch eine benachbarte Erregung sehr
schnell öffnen und wieder schließen. Dabei strömen
Natrium- und Kalium-Ionen in gegenläufiger Richtung
durch die Nervenfasermembran und die Erregung wird
fortgeleitet ( Kap. 28).
Membrantransport setzt nicht immer einen Kanal voraus. Viele Membranproteine können ein Molekül spezifisch binden und dann eine Umlagerung
ihrer Faltungsstruktur, eine Konformationsänderung,
vollziehen. Dadurch kann das gebundene Molekül seine Bindestelle auf der anderen Membranseite wieder
verlassen ( Abb. 2). Solche Transportproteine nennen wir auch Carrier. Wenn Sie einen Schokoriegel
gegessen haben und Ihr Blutzuckerspiegel ansteigt,
Ein Kanalprotein erleichtert
die Diffusion von polaren
Molekülen oder Ionen.
Wassermoleküle
hydrophiler Innenbereich
hydrophober Außenbereich
1
Aquaporine sind Kanalproteine, die Wassermolekülen
die Diffusion durch die Membran erleichtern. Durch
den Flaschenhals des Aquaporins passen nur die kleinen
Wassermoleküle. Die positiven Ladungen hindern Protonen
am Durchtritt (formal: H+, tatsächlich H3O+).
dann bewirkt zum Beispiel ein Glucose-Carrier, dass
Glucose aus dem Blutplasma in Blut-, Leber- oder
Muskelzellen hinein diffundieren kann. Der Carrier hat
eine Bindestelle, die für Glucose spezifisch ist. Anders
als ein Enzym bei einer Stoffwechselreaktion ( 4.3)
verändert ein Glucose-Carrier das Glucosemolekül
aber nicht, sondern bewegt es lediglich auf die andere
Membranseite.
Sie sollten Folgendes im Gedächtnis behalten:
Bei all diesen verschiedenen Möglichkeiten, eine Membran zu durchqueren, strömen Substanzen entlang
Ein Transportprotein bindet ein passendes Molekül und setzt
es nach einer Umlagerung auf der anderen Seite wieder frei.
Der passive Transport erfolgt
mit dem Konzentrationsgefälle.
2
Kanalproteine und Transportproteine erleichtern die Diffusion durch eine Membran entlang dem Konzentrations­
gefälle. Sie ermöglichen den Transport prinzipiell in beide Richtungen.
61
Komparti­
mentierung
Online-Link
Glucosetransport
150010-0630
Zellen
Stoff- und
Energie­
umwandlung
ihrem Konzentrationsgefälle. Die hier genannten Kanäle und Carrier können alle die Diffusion im Prinzip
in beiden Richtungen zulassen. Da die Diffusion durch
das Konzentrationsgefälle angetrieben wird, erfolgt
der Transport der gelösten Substanz netto immer von
derjenigen Mem­branseite, auf der die höhere Konzentration dieser Substanz vorliegt, auf die andere Seite.
Dabei erfordert der Transport kein weiteres Zutun und
keine Energie der Zelle.• Er wird daher auch passiver
Transport genannt ( Abb. 2, S. 61).
Biomembranen und Transportvorgänge
Zunächst transportiert eine Protonenpumpe H + -Ionen unter Verbrauch des
Energieträgers ATP in das Außenmilieu
(primär aktiver Transport, Uniport).
Zellinnenraum
äußeres Milieu
1. Protonenpumpe (Uniport)
Aufgabe 3.5
P
Die Diffusion einer Substanz durch ein Kanalprotein wird immer schneller, je höher ihr Konzentrationsgefälle ist. Erfolgt dagegen der Transport durch ein Transportprotein, stellt sich Sättigung ein: Ab einer bestimmten Substanzkonzentration führt eine
weitere Erhöhung des Konzentrationsgefälles nicht mehr zu einer Steigerung der Transportgeschwindigkeit. Erklären Sie den
Unterschied.
Wurzelhaar
2. Nitrat-Carrier (Symport)
3.6
Der Protonengradient wird dann vom NitratCarrier benutzt, um Nitrat (NO3– ) im Symport mit
je zwei Protonen in das Zellinnere zu befördern
(sekundär aktiver Transport).
Der Transport gegen ein Konzentrationsgefälle kostet Energie
2
(K+)
Die Konzentration an Kalium-Ionen
in einer Pflanzenzelle liegt üblicherweise bei ca. 10 mg/ml. Das
Kalium, das im Bodenwasser für Pflanzen verfügbar
ist, ist oft um den Faktor 1 000 geringer konzentriert.
Wie kommt das Kalium, das Pflanzen genau wie wir
dringend brauchen, in die Pflanzenzellen hinein? Ganz
sicher ist, dass Kalium-Ionen nicht einfach in die Pflanzenzellen diffundieren, denn Diffusion kann immer nur
entlang einem Konzentrationsgefälle geschehen.
Wenn eine Substanz gegen ein Konzentrationsgefälle über eine Membran transportiert werden soll,
muss dafür Energie aufgewendet werden. Ein solcher
Vorgang wird daher aktiver Transport genannt.
Der aktive Transport
erfolgt gegen das
Konzentrationsgefälle.
Der passive Transport von Substanzen kann in
der einen oder anderen Richtung über die Membran
erfolgen, je nachdem in welcher Richtung das Konzentrationsgefälle liegt. Dagegen ist der energieabhängige aktive Transport immer gerichtet. Das Transportprotein bindet sein Passagier-Molekül immer in einer
passge­nauen Bindestelle und ist somit spezifisch für
bestimmte Substanzen. Allerdings können manche
Transportproteine mehr als eine Molekülart gleichzeitig transportieren ( Abb. 1). Werden zwei verschiedene Moleküle in die gleiche Richtung transportiert,
sprechen wir von Symport. Ein Beispiel ist die Aufnahme von Aminosäuren in Zellen der Darmschleimhaut,
aktiver Transport
als Uniport
als Symport
aktiver Transport
als Antiport
Der Nitrat-Carrier in Wurzelhaarzellen der Pflanzenwurzeln ist ein sekundär aktiver Transporter.
die immer jeweils zusammen mit einem NatriumIon erfolgt. Beim Antiport werden zwei Substanzen
gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung transportiert. Das ist der Fall bei Natrium-Kalium-Pumpen, die
in Nervenzellen, aber auch in vielen anderen Zellen
vorhanden sind. Sie befördern Kalium-Ionen in die
Zellen hinein und Natrium-Ionen hinaus ( 28.3). Ein
typischer Uniport, also der Transport einer einzigen
Substanz, ist der H+-Transport durch Protonenpumpen
( Abb. 2, S. 111). In allen genannten Transportvorgängen liefert der Energieträger Adenosintriphosphat
(ATP) die notwendige Energie ( Abb. 2, S. 67). Daher
handelt es sich jeweils um primär aktiven Transport.
Im sekundär aktiven Transport ist ATP nur indirekt
beteiligt. Es wird nämlich dazu benutzt, um zunächst
ein Konzentrationsgefälle von anderen Molekülen
aufzubauen, häufig von H+- oder Natrium-Ionen. Dieses Gefälle liefert dann die Energie für den sekundä­
ren Transport. Denn wenn die H+- oder Natrium-Ionen
entlang ihrem Konzentrationsgefälle zurückströmen,
sorgen sie dafür, dass die Substanz, die aktiv transportiert werden soll, im Symport oder Antiport gegen
ihr Konzentrationsgefälle die Membran überquert. Ein
Beispiel ist die Aufnahme des Nitrats in Pflanzenwurzeln ( Abb. 2). Hier nehmen zurückströmende Protonen gleichsam huckepack ein Nitrat-Ion mit, das damit
gegen sein Konzentrationsgefälle aufgenommen werden kann.
Die Energie für den aktiven Transport wird in den
allermeisten Fällen vom Energieträger ATP bereitgestellt.• Im Zusammenhang mit dem Thema Fotosynthese werden Sie aber auch aktive Transportvorgänge kennenlernen, die durch Lichtenergie angetrieben
werden ( 8.4), und bei der Zellatmung spielen Protonenpumpen eine Rolle, deren Antrieb die chemische
Energie nicht aus ATP, sondern aus anderen Molekülen
bezieht ( 6.4).
Aufgabe 3.6
Gramicidin ist ein Antibiotikum, das sich in Bakterienmembranen einlagert und diese für Kationen (positiv geladene Ionen)
durchlässig macht. Danach kommen fast alle sekundär aktiven Transportvorgänge in diesen Membranen zum Erliegen. Erklären Sie das beobachtete Ergebnis.
1
Aktiver Transport erfordert Stoffwechselenergie und ist gerichtet.
62
63
Stoff- und
Energie­
umwandlung
Zellen
3.7
Makromoleküle oder größere Partikel können selektiv durch Membranen ausund eingeschleust werden
Cytoplasma
äußeres Milieu
Vesikel
Zellmembran
Energie und Enzyme
4
Binden passende Moleküle an
die Rezeptoren der Zellmembran,
dann lösen die Rezeptorproteine
die Endocytose aus.
LDL-Cholesterol-Komplex
Rezeptor
Zellinnenraum
1
Cholesterol wird durch rezeptorvermittelte Endocytose aufgenommen.
Struktur und
Funktion
Komparti­
mentierung
Manchmal müssen Zellen Partikel aufnehmen, die
für Kanal- oder Transportproteine zu groß sind. Diese
Aufnahme geschieht, wie Sie in Abb. 1, S. 46, gesehen
haben, durch Endocytose: Die Membran stülpt sich
ein, umfließt das aufzunehmende Partikel und schnürt
sich nach innen als Vesikel ab. Über diesen Weg kann
im Prinzip jedes Partikel in eine Zelle gelangen. Was
geschieht jedoch, wenn aus einer Mischung vieler verschiedener Partikel nur ganz bestimmte selektiv aufgenommen werden sollen?
Zu den Substanzen, die durch selektive Endocy­
tose in menschliche Zellen aufgenommen werden,
gehört Cholesterol. Cholesterol ist für unsere Zellen
überlebenswichtig, da es für eine gleichbleibende Beweglichkeit der Zellmembranen sorgt ( 3.1). Außerdem dient es als Vorstufe für die Synthese einer Reihe
von Hormonen und anderer Substanzen. Cholesterol
wird in der Blutbahn zu den Zellen transportiert, ist
aber im Blutplasma unlöslich und liegt daher fest an
Proteine gebunden vor, die Low density-Lipoproteine
(LDL, Lipoproteine geringer Dichte). Diese Proteine
werden von Rezeptoren in der Zellmembran erkannt
und gebunden ( Abb. 1). Rezeptoren besitzen Bindungsstellen für bestimmte Moleküle. Die LDL-Rezeptoren sind Membranproteine, die aus der Zellmem­bran
ragen. Nach der Bindung lösen die Rezeptoren die
Endocytose aus, wodurch LDL zusammen mit Cholesterol in einem Vesikel ins Zell­innere befördert wird.
Dieser Prozess heißt rezeptorvermittelte Endocytose.•
Menschen, die an der Erbkrankheit Familiäre Hyper­
cholesterinämie leiden, fehlt das Rezeptorprotein für
den LDL-Cholesterol-Komplex. Dadurch kann Cholesterol nicht ausreichend in die Zellen aufgenommen
werden und liegt in sehr hohen Konzentrationen im
Blut vor. Das ist gefährlich, denn der zu hohe Cholesterolspiegel verursacht frühzeitige Arteriosklerose (Ablagerungen an den Innenwänden der Blutgefäße) mit
Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall.
Nicht nur der Membranbestandteil Cholesterol
wird den Membranen von außen zugeführt, sondern
auch zahlreiche andere Substanzen, darunter die
Grundbausteine der Memb­ranen, die Lipide. In Tierund Pflanzenzellen werden Phospholipide auf der
Oberfläche des glatten endoplasmatischen Reticulums
( Abb. 1, S. 46) synthetisiert. Von hier werden sie auf
andere Membranen verteilt, indem sie sich als Vesikel
abschnüren und diese dann mit den anderen Mem­
branen verschmelzen.• Mithilfe von Vesikeln findet
also ein intensiver Membranfluss zwischen verschiedenen Reaktionsräumen einer Zelle statt.
Aufgabe 3.7
Beschreiben Sie, auf welche Weise der Membranbaustein Cholesterol aus dem Blut in die Zellen gelangt.
64
Test Zellen  Online-Link: 150010-0340
Das Wasser im Stausee besitzt potenzielle Energie und eine Energieschwelle, den
Staudamm. Beseitigt man diese Schwelle, etwa durch Öffnen von Schleusen, beginnt das
Wasser zu fließen und seine potenzielle Energie wird zu kinetischer Energie. Diese ist für
Arbeit nutzbar, sie treibt Turbinen für die Erzeugung von elektrischem Strom an. Biomoleküle
lebender Systeme enthalten chemische Energie, eine Form von potenzieller Energie. Chemische Reaktionen, bei denen Energie frei wird, laufen oft von selbst ab. Warum zerfallen unsere
Biomoleküle dann nicht spontan in CO2 und H2O? Weil auch hier zunächst eine Energieschwelle überwunden werden muss. Im Körper sind unzählige Biokatalysatoren, Enzyme genannt, nur
damit beschäftigt, hier, da und dort Schleusen zu öffnen und wieder zu verschließen, um so die
einzelnen Stoffwechselreaktionen zu beschleunigen und zu steuern.
  4.1
Lebewesen benötigen Energie, um existieren zu können
  4.2
Eine chemische Reaktion läuft von selbst ab, wenn die freie Energie sinkt
  4.3
Enzyme beschleunigen chemische Reaktionen, indem sie Energiebarrieren senken
  4.4
Fast jede chemische Reaktion in der Zelle wird von einem spezifischen Enzym katalysiert
  4.5
Die Geschwindigkeit einer Enzymreaktion hängt von der Substratkonzentration ab
  4.6
pH-Wert und Temperatur beeinflussen die Enzymaktivität
  4.7
Enzyme werden durch andere Moleküle reguliert
Zervreila
Stausee,
Graubünden,
Schweiz
65
Herunterladen