Photodynamische Therapie

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DIE ÜBERSICHT
Photodynamische Therapie
Grundlagen und klinische Anwendung in der Dermatologie
Peter Wolf
ZUSAMMENFASSUNG
Die Photodynamische Therapie (PDT) ist eine Form der
Photochemotherapie, bei der die Interaktion eines Photosensibilisators mit sichtbarem Licht unter Vorhandensein
von Sauerstoff durch die Produktion zytotoxischer Substanzen, insbesondere des Singulett-Sauerstoffes, zur Zellund Gewebeschädigung mit nachfolgender (Tumor-)
Nekrose führt. In der Dermatologie wird zur Zeit welt-
weit die PDT mit dem endogenen
Porphyrinvorläufer 5-Aminolävulinsäure klinisch und experimentell zur Behandlung aktinischer Keratosen und superfizieller Hautkarzinome angewendet.
Schlüsselwörter: Sichtbares Licht, Sauerstoff, 5-Aminolävulinsäure, photodynamische Therapie, Hautkrebs
Photodynamic Therapy in Dermatology:
Basis and Clinical Use
Photodynamic therapy is a type of photochemotherapy in which the interaction of a photosensibilisator
with visible light in the presence of oxygen leads to
formation of cytotoxic substances. These subsequentially
lead to cell and tissue damage with (tumor) necrosis. In
Dermatology photodynamic therapy with 5aminolevulinic acid, an endogenous porphyrin
precursor, is now used in research and clinical practice
to treat solar keratoses and superficial skin cancers experimentally.
Key words: Visible light, oxygen, 5-aminolevulinic acid,
photodynamic therapy, skin cancer
D
er Begriff der photodynamischen Therapie (PDT) wurde
bereits im Jahre 1900 von O.
Raab erarbeitet, indem er erkannte,
daß die Interaktion des Farbstoffes
Acridin mit sichtbarem Licht unter
Vorhandensein von Sauerstoff durch
einen zytotoxischen Effekt zur Abtötung von Paramezien führte (9). Die
erste onkologische Anwendung der
PDT erfolgte 1903 durch A. Jesionek
und V. H. Tappeiner, die Hautkarzinome mit dem Farbstoff Eosin und
Lichtbestrahlung behandelten. Seit
den experimentellen Untersuchungen von W. Hausmann im Jahre 1911
über die sensibilisierende Wirkung
des Hämatoporphyrins bestand kontinuierliches Interesse an der Entwicklung von Photosensibilisatoren,
die auf Porphyringrundlage beruhten
(9). Lipson und Mitarbeiter synthetisierten in den 60er Jahren das komplexe lipophile Porphyringemisch
Hämatoporphyrinderivat (HPD), das
eine selektive Anreicherung im Tumorgewebe zeigte (9) und in der Folge insbesondere von T. J. Dougherty
für klinische PDT-Studien bei unterschiedlichen Tumoren verwendet
wurde (1, 8, 9).
Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie (Vorstand: Univ.-Prof. Dr. med. Helmut
Kerl), Karl-Franzens-Universität, Graz
SUMMARY
Photooxidative Reaktionen
Das Vorhandensein von Sauerstoff ist eine Voraussetzung für die
Zytotoxizität der PDT, die auf photooxidativen Reaktionen vom Typ I
und Typ II beruht (6, 9). Bei der
photooxidativen Reaktion vom Typ I
kommt es zu einer direkten Reaktion
des durch Licht exzitierten Photosensibilisators mit dem Gewebe. Redoxreaktionen und Radikalkettenreaktionen, die durch Elektronenübertragungen ausgelöst werden, sind hier
die Ursache der Zellzerstörung. Bei
der photooxidativen Reaktion vom
Typ II entsteht nach energetischer
Anhebung des Photosensibilisators in
den exzitierten Singulett-Zustand und
Übergang in den Triplett-Zustand
durch Energieübertragung auf molekularen Sauerstoff Singulett-Sauerstoff, der in der Folge mit dem Substrat (Gewebe) reagiert (Grafik 1) (1,
6, 9). Singulett-Sauerstoff ist hoch reaktiv und äußerst zytotoxisch gegenüber vielen biologischen Molekülen
und oxydiert Aminosäuren, Nukleinsäuren und ungesättigte Fette und
Fettsäuren. Die Produktion von Singulett-Sauerstoff im Rahmen der TypII-Reaktion ist hauptverantwortlich
für die Zytotoxizität der PDT. Beim
energetischen Rückfall des exzitierten Photosensibilisators vom Singu-
lett-Zustand in den Grundzustand
wird Licht als Fluoreszenzstrahlung
emittiert; die charakteristische rosarote Fluoreszenz weist auf das Vorhandensein von photosensibilisierenden Porphyrinen im Gewebe hin (Abbildung 1) (6, 8, 9). Die Interaktion
von Singulett-Sauerstoff mit einem
Photosensibilisator führt zu dessen
Inaktivierung oder „Lichtbleichung“
(„photobleaching“) (6, 8, 9).
Wirkmechanismen
Membranen sind die primären
Zielstrukturen der PDT (Grafik 2).
Die in der PDT verwendeten Porphyrine und Porphyrinderivate binden im
Bereich der Plasmamembran, bevor
der Transport ins Zellinnere erfolgt (1,
9). Innerhalb weniger Stunden nach
PDT kommt es zu licht- und elektronenmikroskopisch sichtbaren Schäden
an Zellmembranen mit ballonartigen
Ausstülpungen (blebs) an der Plasmamembran und Schäden an den
Membranen des Zellkerns, der Mitochondrien, der Lysosomen, des GolgiApparats und des endoplasmatischen
Retikulums (1, 9). Mitochondriale
Schädigungen führen zur spezifischen
Hemmung der oxidativen Phosphorylierung, Hemmung der Elektronentransport-Enzyme und Verminde-
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 22, 4. Juni 1999 (45) A-1493
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DIE ÜBERSICHT
Grafik 1
Singulett-Zustand (1PS*)
Singulett-Sauerstoff (102*)
Triplett-Zustand (3PS*)
Energie
Lichtenergie
Fluoreszenz
Licht
Gewebesauerstoff (302)
Phosphoreszenz
Photosensibilisatoren
Grundzustand des
Photosensibilisators (PS)
Schematische Darstellung des Aktivierungsmechanismus eines Photosensibilisators und der Produktion von
Singulett-Sauerstoff
rung des zellulären Adenosintriphosphat-(ATP-)Spiegels (1, 9). Diese
Schäden führen zur Unterbrechung
der Zellteilung und nachfolgender
Zellyse. Obwohl auch DNS-Strangbrüche nach PDT auftreten, scheinen
diese nicht hauptverantwortlich für
den Zelltod zu sein (9). Die durch Porphyrine vermittelte Photosensitivität
führt zur Steigerung der Transkription der oxidativen Streßgene des
glucose-related protein und der Hämoxygenase mit begleitender Synthese der entsprechenden Proteine (9).
Ob die transkriptionelle Steigerung
dieser Proteine die PDT-Sensitivität
beeinflußt oder als Biomarker der
PDT-Effektivität dient, ist noch nicht
geklärt. Die meisten Zelltypen sind
sensitiv gegenüber PDT, wobei es jedoch nach wiederholten Behandlungen zur Therapieresistenz kommen
kann (9). Die dafür verantwortlichen
Mechanismen sind von der zellulären
Aufnahme des Photosensibilisators
unabhängig. Ähnlichkeiten zu den
Mechanismen der klassischen multidrug resistance bestehen nicht.
Klinisch ist die PDT durch einen
sehr schnell eintretenden Therapieeffekt gekennzeichnet (1, 9, 11). Bereits
während oder innerhalb weniger Minuten nach PDT kommt es zu lokalen
Reaktionen im Bereich bestrahlter
Tumoren, die über eine Koagulationsnekrose zur Tumorrückbildung führen. Als Wirkmechanismen der PDT,
rekte Schädigung von Erythrozyten
mit nachfolgender Agglutination tragen zum Thrombosierungsprozeß und
vollständigen vaskulären Kollaps bei.
Die Produktion und Freisetzung der
immunmodulierenden Zytokine Interleukin (IL) 1β, IL 2 und Tumornekrosefaktor (TNF) α sind bei der therapeutischen Wirksamkeit der PDT
ebenso von Bedeutung (1). TNF kann
über einen Effekt auf das Endothel
von Tumorgefäßen zur hämorrhagischen Nekrose führen.
insbesondere bei der Photosensibilisierung mit Porphyrinen, werden sowohl selektive Zerstörung von Tumorzellen als auch Schädigung der
Endothelien der tumorversorgenden
Gefäße mit nachfolgender Tumornekrose diskutiert (1, 9). Stasis in Arteriolen und Venolen mit arterieller
Vasokonstriktion, Thrombosierungen
von Venolen und perivaskuläres interstielles Ödem scheinen von Bedeu-
Abbildung 1: Typische rote Porphyrinfluoreszenz
aktinischer Keratosen unter Wood-Licht nach vierstündiger topischer Applikation von ALS
tung zu sein. Thrombozyten und neutrophile Granulozyten binden sich an
durch PDT geschädigte Membranen
und setzen inflammatorische, vasoaktive beziehungsweise gerinnungsmodulierende Substanzen wie die
Arachidonsäuremetabolite Prostaglandin (PG)E2, PGI2 und Thromboxan,
Willebrand-Faktor, Plättchen-Aktivierungs-Faktor oder Stickstoffoxyd
frei (1, 9). Diese Faktoren sowie di-
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Photosensibilisatoren zeigen in
vivo eine bevorzugte Anreicherung
im Tumorgewebe, wobei diese vom
Gewebe- und Tumortyp abhängig
ist und der Akkumulationsindex (Tumor-/Normalgewebe) der meisten
Photosensibilisatoren im Bereich von
2:1 bis 5:1 liegt (9). Die Akkumulation von Photosensibilisatoren ist zumindest teilweise auf deren Affinität zu Low-Density-Lipoproteinen
(LDL) zurückzuführen (9). Tumorgewebe nimmt die an LDL gebundenen Photosensibilisatoren bevorzugt
durch Endozytose auf. Weitere wichtige Faktoren der Akkumulation eines Photosensibilisators im Tumorgewebe sind dessen verstärkte Aufnahme durch Makrophagen und tumorassoziierte Monozyten und Tumorneovaskularisierung, dessen verstärkte Retention, durch herabgesetzte
Löslichkeit im sauren Milieu des Tumorgewebes und dessen verminderter Abtransport aufgrund unterentwickelter Tumorlymphgefäße (9).
Die am besten untersuchten
Photosensibilisatoren sind HPD
(zum Beispiel Photofrin I), ein
komplexes lipophiles Porphyringemisch, und die weiterentwickelte und
besser aufgereinigte Form Dihämatoporphyrinester-Dihämatoporphyrinäther (DHE) (zum Beispiel Photofrin
II) (Tabelle) (1, 6–10). Das Lichtabsorptionsspektrum von HPD und
DHE ist für Porphrine typisch und
zeigt ein Maximum beim Soretband
um 400 nm und weitere Banden abnehmender Intensität bei den Wellenlängen um 500, 525, 560 und 630
nm. Die Verabreichung von HPD
oder DHE führt zu einer sehr langen,
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durchschnittlich sechs bis acht Wochen andauernden, extremen Photosensibilisierung der Haut und Augen
und unerwünschte phototoxische
Reaktionen haben daher die klinische Anwendung der PDT in der
Vergangenheit stark eingeschränkt.
Als Alternative zu den Photosensibilisatoren der ersten Generation
werden zur Zeit BenzoporphyrinDerivat (BPD), Zink-Phthalozyanin,
Aluminiumchlorosulfophthalozyanin
(AlClSPz), meso-Tetraphenylporphine (meso-Tetraphenylporphinsulfonat [TPPS4]), Chlorine (Chlorin e6,
NPe6), Pupurine und kationische
Farbstoffe (Phenoxazin) untersucht
(1, 6–9), welche im Vergleich zu HPD
und DHE deutlich kürzere Photosensibilisierungszeiten aufweisen. So beträgt zum Beispiel die Photosensibilisierungsdauer nach der Gabe von
BPD nur ein bis zwei Tage. Die neueren Photosensibilisatoren haben Absorptionsbanden im langwelligeren
Bereich (Tabelle) und aufgrund der
größeren optischen Penetrationstiefe
des Lichtes bei diesen Wellenlängen
ist eine wirksame Therapie dickerer
Tumoren möglich.
Eine neue Therapiemodalität
stellt die von J. Kennedy entwickelte
PDT mit endogenen Porphyrinen
nach exogener Applikation von 5-
Tabelle
Spezielle Photosensibilisatoren
I*2
HPD (zum Beispiel Photofrin I)
DHE (zum Beispiel Photofrin II)
627–633
627–633
II*3
Benzoporphyrin-Derivat
Chlorine
Purpurine
Phthalozyanine
Kationische Farbstoffe
Porphine
690
640–700
630–715
675–700
660
645
III
5-ALA-induzierte endogene
Porphyrine
380–670
*1 Wellenlängen, die zur Exzitation bei der PDT mit den entsprechenden
Photosensibilisatoren verwendet werden
*2 Photosensibilisatoren der ersten Generation
*3 Photosensibilisatoren der zweiten Generation
Aminolävulinsäure (ALS) dar (2–5,
11, 12). ALS ist ein Vorläufer von
Häm im körpereigenen Stoffwechsel
und wird durch das Enzym Aminolävulinsynthase aus Glyzin und
Succinat gebildet (Grafik 3). ALS
selbst ist kein Photosensibilisator,
wird aber im Zielgewebe zu Porphyrinen, hauptsächlich Protoporphyrin
IX, metabolisiert. Durch die exogene
Zufuhr von ALS umgeht man den die
Porphyrinsynthese begrenzenden er-
Grafik 2
Innere Hüllenmembran
Äußere Hüllenmembran
Strangbrüche
DSB
Zytochrom
Sukzinat C Oxidase
dehydrogenase
Inneres
Chondrioplasma
FoF1 ATP
Synthase
ESB
(Mitochondrium)
Malat
Glutamat
Isozitrat
Äußeres Chondrioplasma
Adenylatkinase
DNS
Plasmamembran
Exzitationswellenlängen (nm)*1
Photosensibilisator
Zellkern
Kernmembran
Schädigungsstellen?
Proteasen
Nukleasen
Glykosidasen
Sulfatasen
Lipasen
Lysosomen
Membran
Schädigungstellen?
Schematische Darstellung der zellulären Zielstrukturen der PDT (nach Mitchell et al., aus Morstyn G und
Kaye A K, Phototherapy of Cancer, Harwood Academic Publishers, 1990)
A-1496 (42) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 22, 4. Juni 1999
sten Reaktionsschritt im Hämstoffwechsel. Die Produktion endogener
Porphyrine, die normalerweise durch
einen negativen Rückkoppelungsmechanismus über die freie Hämkonzentration geregelt ist, kann folglich ungehemmt und rasch ablaufen. Protoporphyrin IX wird als vorletztes Glied
der Kette nur relativ langsam durch
die Einlagerung von Eisen in Häm
umgewandelt und es kommt zu dessen
exzessiver Anreicherung (Grafik 3).
Die durch ALS verursachte Lichtempfindlichkeit dauert nur 8 bis 24
Stunden an. Topisch verabreicht
durchdringt in Öl-in-Wasser-Emulsionen gelöste ALS bevorzugt die abnormale Hornschicht und ermöglicht daher eine hochgradig selektive Sensibilisierung kutaner Tumoren (Abbildung 1). Eine systemische Photosensibilisierung tritt bei der epikutanen
Applikation von ALS nicht auf.
Lichtbestrahlung
Als Bestrahlungsquellen bei der
PDT kommen argon- oder kupferdampfgepumpte Rhodaminfarbstofflaser zur Anwendung, die optisch verstellbar das Spektrum von 300 bis
1 200 nm umfassen (6, 8). Diese Laser,
eingestellt bei einer Wellenlänge von
630 nm, sind für die PDT mit HPD
oder DHE (Absorptionsband bei 627
bis 633 nm) optimal geeignet. Der
Golddampflaser, der bei einer Wel-
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lenlänge von 628 nm emittiert, ist
ebenso für die PDT mit Photosensibilisatoren der ersten Generation verwendbar (6). Frequenzverdoppelte
Neodym-YAG-Laser mit einer Wellenlänge von 532 nm sind für oberflächliche Anwendungen der PDT
wie bei In-situ-Karzinomen einsetzbar, bei denen eine tiefe Gewebepenetration des Lichtes nicht erforderlich ist. Die Festkörperlaser (solidstate laser) wie der Alexandrit-Laser
(Wellenlängenbereich 720 bis 800 nm)
und der Titanium-Saphir-Laser (Wellenlängenbereich 700 bis 900 nm) sind
vor allem für die PDT mit Photosensibilisatoren der zweiten Generation nutzbar. Die neuartigen, kompakten und preisgünstigen HalbleiterDioden-Laser (semiconductor diode
laser), insbesondere der GalliumAluminium-Arsenid-Laser, der im
Bereich zwischen 770 und 850 nm
durch Temperaturänderung verstellbar ist, erscheinen ebenso für die PDT
mit Photosensibilisatoren der zweiten Generation vielversprechend. Die
Entwicklung von Lichtkabinen mit
LED (light emitting diodes) (7) könnte zukünftig die Bestrahlung großer
Flächen oder die Ganzkörpertherapie
bei generalisierten Hautkrankheiten
wie Mykosis fungoides (12) ermöglichen. In der Dermatologie werden
Grafik 3
Glyzin + Succinyl-Coenzym A
–
5-ALA
Porphobilinogen
Uroporphyrinogen
Koproporphyrinogen
Protoporphyrinogen
Fe
Protoporphyrin IX
Häm
Porphyrin- und Hämstoffwechsel
gerne polychromatische Lichtquellen
wie 250-W- oder 500-W-Quarz-Halogen-Lampen herkömmlicher Diaprojektoren oder Xenonstrahler zur
PDT verwendet (2–5, 11, 12). Die
Vorteile dieser polychromatischen
Strahlungsquellen liegen darin, daß
sie einerseits wesentlich preisgünstiger als Laser in der Anschaffung sind
und andererseits eine homogene Bestrahlung großflächiger Hautareale
ermöglichen.
a)
b)
c)
d)
Die Tiefenwirksamkeit der PDT
ist durch die optische Penetrationstiefe des Lichtes begrenzt (1, 6, 9), wobei
ein optisches Fenster in der Haut für
Wellenlängen zwischen 600 und 1 200
nm besteht. Wellenlängen unter 600
nm werden größtenteils durch Hämoglobin und Wellenlängen über 1 200
nm durch Wasser absorbiert. Photonen der Wellenlängen größer als 850
bis 900 nm sind zu energiearm und lösen daher keine photochemischen Reaktionen aus. Mittels Oberflächenbestrahlung ist im Wellenlängenbereich
zwischen 600 und 800 nm eine ausreichende therapeutische Wirksamkeit
der PDT nach intravenöser Gabe von
Photosensibilisatoren bis zu einer maximalen Gewebetiefe und Tumordicke von 10 mm erzielbar. Im Gegensatz dazu erscheint die Wirksamkeit
der topischen PDT nach epikutaner
Applikation von ALS auf eine Gewebetiefe von etwa 1 mm begrenzt (4).
Die biologisch wirksame Dosis,
die sogenannte „photodynamische
Dosis“, ergibt sich aus dem Produkt
der akkumulierten Photosensibilisatormenge und der Lichtbestrahlungsdosis. Die optimalen Bestrahlungsdosen und -stärken für eine wirksame
und selektive PDT sind noch nicht sicher festgelegt (1, 9). In der Regel liegen die Bestrahlungsdosen zwischen
Abbildung 2: PDT eines superfiziellen spinozellulären
Karzinoms (Morbus Bowen)
nach topischer Photosensibilisierung mit 20 Prozent ALS.
a) Vor PDT. b) 24 Stunden
nach PDT, ödematöse und
vesikulöse Reaktion im Bereich des bestrahlten Tumorareals und eines etwa
1 cm breiten Hautstreifens.
c) Sieben Tage nach PDT,
krustöse Auflagerungen im
Bereich des behandelten
Areals. d) Fünf Wochen
nach PDT, teilweise Abheilung des Karzinoms unter geringgradiger Hyperpigmentierung
Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 22, 4. Juni 1999 (49) A-1497
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25 und 300 J/cm2. Zu hohe Bestrahlungsdosen führen zur Schädigung des
an den Tumor angrenzenden normalen Gewebes und die Selektivität der
PDT geht dabei verloren. Fraktionierte Bestrahlungen können die Selektivität einer PDT erhöhen, wobei
die verantwortlichen Mechanismen
noch nicht geklärt sind (9).
Klinische Anwendung
Unterschiedliche Neoplasien wie
spinozelluläre Karzinome, Basaliome, Melanome, Kaposi-Sarkome, lokal-rezidivierende Mammakarzinome
und Tumoren der Mykosis fungoides
wurden mit PDT nach intravenöser
Applikation von HPD oder DHE in
nicht kontrollierten klinischen Studien palliativ und teilweise sogar kurativ behandelt (1, 6–10). Wilson und
Mitarbeiter (10) therapierten 151 Basoliome bei 37 Patienten mit PDT
durch DHE und 630-nm-Licht eines
Farbstofflasers und beobachteten bei
nahezu 90 Prozent der Fälle eine vollständige Remission, wobei sich allerdings bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 29 Monaten eine Rezidivrate von etwa 20 Prozent ergab.
Santoro und Mitarbeiter (7) berichteten über ähnliche Ergebnisse nach
topischer Anwendung des Photosensibilisators TPPS4 und PDT von
292 Basaliomen bei insgesamt 50
Patienten. Während die PDT mit
DHE als Photosensibilisator der ersten Generation in Kanada für Blasenkrebs, in den Niederlanden für
Lungen- und Speiseröhrenkrebs, in
Japan für Lungen-, Speiseröhren-,
Magen- und Gebärmutterhalskrebs
staatlich bereits als Behandlungsmethode anerkannt ist (7), gibt es für
dermatologische Indikationen zur
Zeit noch keine Zulassung oder abgeschlossene kontrollierte Phase-IIIStudien. BPD, ein Photosensibilisator
der zweiten Generation mit äußerst
kurzer Photosensibilisierungsdauer
(24 bis 48 Stunden), wird nach vielversprechenden Ergebnissen abgeschlossener klinischer Phase-I- und PhaseII-Studien mit nahezu 100 Prozent klinischen Ansprechraten zur Zeit in einer Phase-III-Studie bei spinozellulären Karzinomen und Basaliomen
untersucht (7).
Die PDT mittels Photosensibilisierung durch die topische Applikation von ALS wird zur Zeit an vielen
Zentren in Kanada, USA und Europa
klinisch und experimentell untersucht
(2–5, 11, 12). Dabei wird ALS, die in
Öl-in-Wasser-Emulsion löslich ist, epikutan für 4 bis 24 Stunden unter Okklusivverbänden auf die Haut aufgebracht, was zur endogenen Porphyrinsynthese in den zu behandelnden
Hautarealen und Tumoren führt. Die
ersten nicht kontrollierten klinischen
Studien ergaben hohe initiale klinische Ansprechraten (90 bis 100 Prozent) und ausgezeichnete kosmetische
Ergebnisse für die ALS-PDT in der
Behandlung aktinischer Keratosen,
superfizieller Basaliome und spinozellulärer Karzinome (Abbildungen
2a–d) (2–5, 11, 12). Allerdings sprechen dickere Tumoren wie zum Beispiel knotige oder exulzerierte Basaliome schlecht auf die ALS-PDT an
(11). Weiterhin berichteten Fink und
Mitarbeiter (4) vor kurzem trotz hoher initialer Ansprechraten auf die topische ALS-PDT nach einer mittleren
Nachbeobachtungszeit von 8 und 19
Monaten von einer Rezidivrate von 44
Prozent für superfizielle Basaliome
und 69 Prozent für superfizielle spinozelluläre Karzinome. Die Ursachen
dieser nicht akzeptablen Rezidivraten
sind zur Zeit noch nicht sicher geklärt,
jedoch dürften zumindest teilweise zu
niedrig gewählte Lichtbestrahlungsdosen verantwortlich sein (4). Im Gegensatz zu Hautkarzinomen erscheinen die Langzeitergebnisse der ALSPDT bei aktinischen Keratosen zufriedenstellend und mit denen anerkannter Standardtherapien vergleichbar zu
sein (3). Penetrationsfördernde Maßnahmen wie „Stripping“ der Hornschicht, Iontophorese oder die Gabe
von Chelatbildnern wie Deferoxamin
könnten zukünftig die Wirksamkeit
der ALS-PDT verbessern (2). Sicherlich muß nun aber auf die Langzeitergebnisse anderer Zentren gewartet
werden, bevor definitive Schlußfolgerungen zur klinischen routinemäßigen
Anwendbarkeit der ALS-PDT zu ziehen sind. Insbesondere die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der zur
Zeit in den USA laufenden klinischen
Phase-III-Studien der ALS-PDT bei
aktinischen Keratosen werden zeigen,
ob die topische ALS-PDT, die zur Zeit
A-1498 (50) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 22, 4. Juni 1999
noch als eine rein experimentelle Therapie anzusehen ist, für die zuletzt genannte Indikation als erste Form einer
PDT zu den dermatologischen Standardtherapien hinzufügbar ist.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1999; 96: A-1493–1498
[Heft 22]
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Anschrift des Verfassers
Ao. Univ.-Prof. Dr. med. Peter Wolf
Universitätsklinik für Dermatologie
und Venerologie
Karl-Franzens-Universität
Auenbruggerplatz 8
A-8036 Graz
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