Siehe

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Killerstämme der Hefe Saccharomyces cerevisiae zeichnen sich durch eine
cytoplasmatische Infektion mit Doppelstrang-RNA-Viren aus, die dazu führt,
dass die infizierte Hefe ein antibiotisch wirkendes Toxin produziert und
dadurch eine neue Fähigkeit erhält: Die Killereigenschaft. Die dsRNA-Viren
enthalten die genetische Information für einen Toxinvorläufer (Präprotoxin),
der ähnlich den Hormonen höherer Eukaryonten auf dem intrazellulären
Sekretionsweg der Hefe zum biologisch aktiven Killertoxin prozessiert und
sezerniert wird. Sensitive Hefen werden in einem rezeptorvermittelten Prozess
abgetötet, in dem die viralen Killerproteine zunächst mit Rezeptoren auf den
Ebenen von Hefezellwand und Cytoplasmamembran interagieren und daraufhin
ihre toxische Wirkung (als Ionophore oder Hemmstoffe der DNA-Synthese)
entfalten.
Mit Hilfe der modernen DNA-Rekombinationstechnologie ist es mittlerweile
möglich, die viralen Toxingene in Plasmid-Vektoren einzubauen, mit denen
"normale" Hefen zu potentiellen "Killern" transformiert werden können. Die auf
diese Weise generierten Killerhefen exprimieren dann einen Plasmidgetriebenen Killer-Phänotyp, der sich durch eine starke Toxinproduktion und
eine funktionelle (schützende) Immunität auszeichnet und nicht von dem
Phänotyp virusinfizierter Hefen zu unterscheiden ist. Intensive zellbiologische
und molekulargenetische Analysen machten deutlich, dass die viralen
Killertoxine hinsichtlich Synthese, Prozessierung und rezeptorabhängiger
Wirkungsweise erstaunliche Ähnlichkeiten zu den Hormonen höherer
Eukaryonten aufweisen. Durch intensive Struktur-/Funktionsanalysen des
viralen Killersystems der Hefe ist es mittlerweile möglich, Killerviren genetisch
so zu manipulieren, dass sie mittelfristig als effektives Vektor- und
Transfersystem zur gentechnischen Produktion medizinisch/pharmazeutisch
interessanter Substanzen in Hefen eingesetzt werden könnten. Aufgrund der
ausgeprägt selektiv-toxischen Wirkung der viralen Killertoxine auf Hefen und
höhere Pilze sollte es zudem möglich sein, gentechnisch hergestellte
Killertoxine als biologisch hoch-aktive Biopharmaka zur Behandlung recht
häufiger und therapeutisch schwer zugänglicher Pilzinfektionen beim
Menschen einzusetzen.
Manfred J. Schmitt
"Killerviren": Tödlich für Hefen - nützlich in
Gentechnik und Medizin?
Entdeckung Virus-infizierter "Killerhefen"
Während bakterielle Antibiotika, Bakteriophagen und Bakteriozine bereits Anfang des
Jahrhunderts beobachtet und beschrieben wurden, konnten ähnliche antibiotische
Phänomene bei Hefen trotz intensiver Suche erst vor etwa 35 Jahren gefunden
werden: Die "Killerhefen" wurden entdeckt. Zunächst wurde die Killereigenschaft
dieser Hefen noch nicht mit dem Auftreten der heute bekannten "Killerviren" in
Verbindung gebracht, sondern die abtötende Wirkung wurde auf ein als Killertoxin
bezeichnetes, hefeeigenes Protein zurückgeführt, das von der Hefe in das sie
umgebende Medium sezerniert wird und sensitive Hefen gleicher oder
unterschiedlicher Gattung abtötet. In klassisch genetischen Experimenten wurde
durch einfaches Kreuzen von Killer- und Nichtkiller-Hefen kurze Zeit später klar, dass
Viren ursächlich für die Killereigenschaft verantwortlich sind. Die virale Nukleinsäure
besteht (ähnlich wie bei Reo- und Rotaviren) aus doppelsträngiger RNA (dsRNA), die
von einem einfach aufgebauten Capsidprotein [Cap] umhüllt wird und im Cytoplasma
der Killerhefe stabil und in hoher Kopienzahl vorliegt. Die wegen ihres rein vertikalen
Übertragungsmodus auch als virusähnliche Partikel ("virus-like particles", VLP)
bezeichneten Mycoviren sind bei Hefen und vielen höheren Pilzen außerordentlich
häufig anzutreffen und stellen weniger die Ausnahme als vielmehr den Regelfall dar.
Im Unterschied zur horizontalen Übertragung der meisten tier- und
pflanzenpathogenen RNA-Viren besitzen die bei Pilzen vorkommenden Mycoviren
keinen infektiösen Lebenszyklus, sondern werden in vivo lediglich während der
Fusion von Hefezellen sowie der Fusion von Pilzhyphen übertragen. Da jedoch
gerade die Fusion von Hefen in der Natur häufig stattfindet, hat sich dieser im Lauf
der Evolution entwickelte Übertragungsmodus der Mycoviren auf die speziellen
Gegebenheiten der Hefe und anderer Pilze angepaßt.
Eigenschaften der "Killerviren"
Tab. 1: Am Killerphänomen beteiligte Doppelstrang-RNA-Viren der Hefe
Von den insgesamt fünf dsRNA-Genomen, die bei der Hefe bislang bekannt sind,
spielen lediglich zwei am Aufbau des Killerphänomens eine Rolle: L-A- und M-dsRNA
Viren (Tab.1). Beide Viren müssen in einer Zelle stets gemeinsam vorkommen, um
einen stabilen Killerphänotyp zu gewährleisten. Während die kleineren M-dsRNAhaltigen Viren die genetische Information für ein sekretorisches Killertoxin und die
dazugehörige, spezifische Immunitätskomponente tragen, kodiert die größere L-AdsRNA des zweiten Virus für ein Hauptcapsidprotein [Cap] sowie für eine RNAabhängige RNA-Polymerase [Cap/Pol] beider Viruspartikel. Letztere wird, ähnlich wie
bei der Translation retroviraler Gene, durch einen Leserahmenwechsel am Ribosom
als sogenanntes Cap/Pol-Fusionsprotein hergestellt.
Ein L-A-Virus fungiert somit als Helfervirus, das dem toxinkodierenden M-Satelliten
sowohl das Capsid als auch die zur Replikation und Verpackung notwendige
Polymerasefunktion bereitstellt. Von den toxinkodierenden M-Satelliten (den
eigentlichen "Killerviren") sind insgesamt drei Subtypen bekannt, die mit M1, M2 und
M28 bezeichnet werden und jeweils für ein distinktes Killertoxin kodieren (Tab. 1). Da
sich solche M-Satelliten jedoch in der Zelle gegenseitig auf der Ebene der viralen
Replikation ausschließen, kann in einer Hefe immer nur ein Typ von Killervirus
vorliegen: Entweder M1-, M2- oder M28-VLP, wodurch Killerhefen natürlicherweise
auch immer nur eines von drei möglichen Killertoxinen produzieren können
(entweder K, K2 oder K28). Durch Verlust der toxinkodierenden M-Satellitenviren wird
die ursprüngliche Killerhefe wieder zu einem sensitiven Nichtkiller ohne Immunität
gegen das betreffende Toxin.
Replikation und Übertragung der "Killerviren"
Abb. 1: Replikationszyklen der L-A- und M-dsRNA-Viren der Hefe. Durch Transkription der
dsRNA wird eine kodogene (+)Strang-RNA synthetisiert, die im Cytoplasma der Hefe in die
Virusproteine Cap (C) und Cap/Pol (C-POL) sowie in den Killertoxin-Vorläufer (Präprotoxin)
translatiert werden. Neue Viruspartikel besitzen eine (+)Strang-RNA, die von Cap/Pol durch
Replikation zum dsRNA-Molekül ergänzt wird.
Ein L-A-Helfervirus besteht aus einer einzelnen Kopie der linearen L-A-dsRNA, die
von etwa 60 Kopien eines dimeren Hauptcapsidproteins [Cap] und einem Cap/PolDimer umhüllt wird (Abb. 1). Im Zuge der konservativen Replikation dieser Viren wird
zunächst eine einzelsträngige (+)Strang-RNA synthetisiert, die aus den Virushüllen
ausgeschleust wird und im Cytoplasma der Killerhefe sowohl als mRNA in die
Virusproteine Cap und Cap/Pol translatiert wird, als auch als RNA-Matrize dient, die
zu neuen Viruspartikeln verpackt wird. Neue, unreife Viren besitzen somit nur eine
einzelsträngige L-A (+)ssRNA, die von der viralen Replikase in viro (also innerhalb
der Viruspartikel) zum doppelsträngigen RNA-Molekül ergänzt wird, wodurch der
konservative Replikationszyklus wieder geschlossen ist. Der einzige Unterschied im
analogen Replikationszyklus der toxinkodierenden Killerviren besteht darin, dass die
M-Satelliten insgesamt zwei Kopien der M-dsRNA aufnehmen können ("headful
replication cycle") und dass erst, nachdem zwei komplette M-Kopien vorliegen, die
(+)Strang-Transkripte aus den Virushüllen ausgeschleust werden. Da die
toxinkodierenden M-Satelliten die von L-A bereitgestellten Virusproteine Cap und
Cap/Pol parasitieren, können M-dsRNA-haltige Viren nie ohne ein L-A-Helfervirus
existieren, während dies umgekehrt sehr wohl möglich ist: Vergleichende
Untersuchungen haben sogar ergeben, dass die Mehrheit aller S. cerevisiae Stämme
solche L-A-Helferviren beherbergen, die der infizierten Wirtszelle jedoch in
Abwesenheit eines M-Satelliten keinen Phänotyp verleihen und daher als kryptisch
zu klassifizieren sind.
Die eigentliche Übertragung beider Viren erfolgt in vivo vertikal während der Fusion
von Hefen, wobei jedoch eine infektiöse Route nicht absolut ausgeschlossen werden
kann, da isolierte Killerviren im Labor mit Erfolg zur Transfektion von Nichtkillerhefen
eingesetzt werden können. Bei diesen "künstlichen" Infektionen werden isolierte und
gereinigte Viruspartikel benutzt, um Sphaeroplasten (Hefen mit völlig oder teilweise
entfernter Zellwand) zu infizieren. Die Selektion der Transfektanten (also der
virusinfizierten Zellen) ist schwierig, da einzelne Killerklone aus einer großen
Population nicht-infizierter Hefen aufgespürt werden müssen. Zum leichteren
Erkennen wird daher mit einem episomalen DNA-Plasmid cotransformiert, das einen
in Hefe selektierbaren, genetischen Marker (z.B. das URA3 Gen, das auxotrophen
Hefen die Fähigkeit zur Uracil-Synthese vermittelt) exprimiert. Offensichtlich werden
Vektor und Virus häufig simultan übertragen und aufgenommen, denn unter den
transformierten Ura+-Hefen befinden sich viele, die gleichzeitig den Killerphänotyp
exprimieren und diese Eigenschaft auch stabil auf ihre Nachkommen weitergeben.
Eine solche Virusinfektion ist in vitro (also im Reagenzglas) nicht nur innerhalb der
gleichen Hefegattung (intragenerisch) möglich, sondern mittlerweile auch zwischen
unterschiedlichen Hefegattungen gelungen (intergenerisch): So konnten
Nichtkillerstämme der Weinhefe S. cerevisiae mit toxinkodierenden dsRNA-Viren der
Hefe Zygosaccharomyces bailii infiziert und erfolgreich zu Killerhefen transformiert
werden, die nun ein normalerweise nur bei virus-infizierten Zygosaccharomyceten
vorkommendes Killertoxin produzieren.
Wirkungsweise der viralen Killertoxine
Abb. 2: Wirkungsmechanismus des viralen Killertoxins K28. Nach der Bindung an die äußeren
Mannotriose-Seitenketten eines primären Zellwandrezeptors (R1) interagiert das Killertoxin mit
seinem Membranrezeptor (R2), wird über rezeptorvermittelte Endozytose (mittels C-terminalem
HDEL-Motiv der Toxin-β-Untereinheit) internalisiert und führt nach Interaktion mit der Hog1p
MAP-Kinasekaskade im Zellkern der sensitiven Hefe zu einer Hemmung der DNA-Synthese.
[Mutationen in den chromosomalen Genloci MNN2 und MNN5 führen zur Toxinresistenz auf der
Ebene der Hefezellwand]
Obwohl sich die drei bei der Hefe bekannten Killertoxine in ihren physikochemischen
Eigenschaften und in ihren Abtötungsspektren unterscheiden, ist ihnen gemeinsam,
dass sie sensitive Hefen in einem Rezeptor-abhängigen Prozess abtöten; ein
Prozess, an dem toxinspezifische Rezeptoren auf den Ebenen von Hefezellwand und
Cytoplasmamembran beteiligt sind. Für eines dieser Killertoxine (K28) konnten wir
zeigen, dass es zunächst in einem energieunabhängigen Schritt an einen
Primärrezeptor bindet, bei dem es sich um ein hochmolekulares Mannoprotein der
Hefezellwand handelt, das quasi als erste "Andockstelle" für das Killertoxin fungiert
(Abb. 2). Die Bindestellen für das Killertoxin bestehen in den äußeren Mannotriose-
Seitenketten dieses als Zellwand-Rezeptor fungierenden Mannoproteins. Hefen,
denen aufgrund einer chromosomalen mnn Mutation die terminalen Mannosereste
fehlen, sind nicht mehr in der Lage, Killertoxin zu binden, und zeigen daher eine
Toxinresistenz auf Ebene der Hefezellwand. Nach der primären Bindung an die
Hefezellwand kommt es zu einem energieabhängigen Transfer des Killertoxins auf
die Stufe der Plasmamembran, wo es mit einem sekundären Membranrezeptor
interagiert (Abb. 2; R2) und daraufhin den Tod der sensitiven Hefezelle einleitet.
Hefen, die aufgrund eines genetischen Defektes in diesem Membranprotein
toxinresistent wurden (kre28 Mutanten), sind im
Vergleich zum Wildtyp nicht mehr in der Lage,
ausreichende Mengen Killertoxin an die Membran
zu binden. Im Anschluß an die Interaktion des
Killertoxins mit seinem Membranrezeptor wird es
vermutlich über seine HDEL-Sequenz am CTerminus der Toxin-b-Untereinheit als
Toxin/Rezeptorkomplex internalisiert, durchläuft in
der Zelle einen retrograden (also reversen)
Sekretionsweg, um schließlich über Golgi und
endoplasmatisches Retikulum (ER) das Cytoplasma
der sensitiven Zielzelle zu erreichen. Das eigentlich
toxische Signal wird schließlich über die
Hog1p/Pbs2p MAP-Kinasekaskade transduziert und
führt innerhalb weniger Minuten im Zellkern der
Hefe zu einer gezielten Hemmung der DNASynthese (Abb. 2). Die auf diese Weise geschädigte
Hefezelle ist somit nicht mehr in der Lage, ihre
genetische Information (und damit alle ihre Gene)
zu kopieren und auf ihre Tochterzellen
weiterzugeben: Die Zelle stirbt.
In Zellzyklusstudien an synchronisierten Hefen
konnten wir zudem zeigen, dass das virale
Abb. 3: Intrazelluläre Prozessierung
Killertoxin seine letale Wirkung nur in einer
von Killertoxin K28 und Analogie zur
distinkten Phase des Zellteilungszyklus der Hefe
Prohormon-Konversion höherer
entfalten kann und spezifisch die Initiation, also den
Eukaryonten. [Erklärung siehe Text]
ersten Schritt der DNA-Synthese, blockiert. Hefen,
die in ihrem Zellzyklus vor diesem Schritt arretiert
werden (beispielsweise mit Hilfe des Paarungshormons a-Faktor), sind effektiv vor
der Toxinwirkung geschützt und können nach Entfernung des Zellzyklusblocks (in
Abwesenheit von externem Killertoxin) ungehindert in ihrem Zellzyklus fortschreiten
und überleben.
Killertoxine werden analog und homolog zur Prohormon-Konversion
höherer Eukaryonten prozessiert
Die meisten sekretorischen Proteine von Eukaryonten (und damit auch des
Menschen) werden auf ihrem intrazellulären Sekretionsweg im Lumen des
endoplasmatischen Retikulums (ER) und Golgi-Apparates noch vielfach modifiziert,
bevor sie in einem späten Golgi-Kompartiment zum biologisch aktiven Protein
konvertiert und schließlich sezerniert werden. Bei dieser intrazellulären "Reifung" der
Proteine kommt es beispielsweise zum Anknüpfen von Zuckermolekülen an das
Protein (Glykosylierung) sowie zu einem enzymatisch katalysierten Ausschneiden
bestimmter Proteinbereiche (posttranslationales Prozessieren). Eine solche
proteolytische Proteinmodifikation ist bei höheren Eukaryonten nicht nur für die
Bildung eines biologisch aktiven Proteins (z.B. eines Enzymes) notwendig, sondern
häufig auch Bedingung dafür, dass das betreffende Protein korrekt sezerniert und
damit aus der Zelle ausgeschleust werden kann. Eines der am besten
charakterisierten Enzyme, die eine solche Protein-Prozessierung katalysieren, ist die
Kex2p-Endopeptidase der Hefe. Diese vom KEX2 Gen kodierte Endopeptidase ist
intrazellulär im Lumen eines späten Golgi-Kompartimentes lokalisiert und spaltet dort
sekretorische Proteine bevorzugt C-terminal von dibasischen Aminosäurepaaren (wie
Lysin/ Arginin oder Arginin/Arginin). Entdeckt wurde Kex2p an Killerhefen, da diese
Hefen - wenn sie eine Mutation im chromosomalen KEX2 Gen tragen - einen
Nichtkiller-Phänotyp zeigen. Die Killertoxine werden in solchen kex2 Mutanten nicht
mehr prozessiert, demzufolge auch nicht mehr sezerniert, sondern als "Hausmüll" zur
Vakuole der Zelle geleitet und dort "entsorgt" (abgebaut).
Durch die eingehende Charakterisierung der KEX-abhängigen Prozessierung konnte
die intrazelluläre Reifung der viralen Killertoxine im Detail aufgeklärt werden: Alle drei
viralen Toxine werden zunächst im Cytoplasma der Hefe als höhermolekulare
Vorläufer (Präprotoxine) synthetisiert, die eine typische Domänenstruktur erkennen
lassen und aus je einer N-terminalen, hydrophoben "Leader"-Sequenz, einer a- und
b-Toxin-Untereinheit sowie aus einer potentiell N-glykosylierten g-Sequenz bestehen
(Abb. 3). Das komplette Präprotoxin wird im Lumen von ER und Golgi zunächst
glykosyliert und durch die Wirkung von Kex2p so prozessiert, dass die Nglykosylierte g-Sequenz entfernt und die beiden Toxin-Untereinheiten (a und b) des
reifen Killerproteins freigesetzt werden. Beide Toxin-Untereinheiten sind im reifen
und biologisch aktiven Molekül über einzelne Disulfidbrücken kovalent miteinander
verknüpft; die reifen Toxine sind somit klassische a/b-Heterodimere. Die durch die
Wirkung von Kex2p freigesetzten C-Termini von a und b werden in der Zelle noch
durch ein weiteres Enzym, die Carboxypeptidase Kex1p, entfernt.
Ein Vergleich der in der Hefezelle ablaufenden Toxin-Prozessierung mit den
Vorgängen bei der Konversion von Präproinsulin zum reifen Insulin beim Menschen
(Abb. 3) macht deutlich, dass auch in höheren Eukaryonten Proteinvorläufermoleküle
in ganz analoger und homologer Weise prozessiert werden, und in der Tat konnten
die KEX-Gene der Hefe mit Erfolg als Sonden eingesetzt werden, um die am
Prohormon-Prozessieren beteiligten Gene im Genom des Menschen zu
identifizieren. Die auf diese Weise isolierten Gene sind auch umgekehrt in der Lage,
in der Hefe eine chromosomale kex Mutation funktionell zu komplementieren, d.h.
Nichtkillerhefen mit einer kex2 Mutation können durch das homologe Gen des
Menschen wieder zu Killerhefen transformiert werden.
Abb. 4: Aufbau und Plasmid-getriebener Phänotyp eines K28-Expressionsvektors. [Erklärung
siehe Text; rechts, Phänotypen von S. cerevisiae S86c ohne Vektor (oben) sowie nach
Transformation mit dem Vektor ohne M28-cDNA (Mitte, pDT-PGK) sowie mit dem kompletten
K28-Expressionsvektor (unten, pMS33)]
Das virale Präprotoxin ist ein multifunktionelles Protein
Durch Klonierung einer zur viralen M28-dsRNA komplementären cDNA ist es möglich,
die genetische Information zur Produktion von Killertoxin mit Hilfe eines DNAPlasmids in sensitiven Nichtkillerhefen zu exprimieren und dadurch Nichtkillerhefen
zu potentiellen Killerhefen zu transformieren (Abb. 4).
Der betreffende Expressionsvektor vermittelt dann sowohl eine starke
Toxinproduktion als auch eine schützende Immunitätskomponente, die die Killerhefe
vor der Wirkung ihres eigenen Toxins schützt. Durch gezielte Deletionen und
Punktmutationen innerhalb des toxinkodierenden Leserasters wurden „mutierte“
Killertoxine erhalten, deren veränderte Phänotypen auf eine multifunktionelle
Domänenstruktur des viralen Präprotoxins schließen lassen (Abb. 5).
Abb. 5: Einfluß gerichteter Mutationen innerhalb des viralen K28-Präprotoxingens auf die
Sekretion, Toxizität und Immunität des veränderten Killerproteins. [Die dargestellten
Deletionsvarianten wurden jeweils in den oben schematisch dargestellten Expressionsvektor
eingebaut und nach Transformation in sensitiven Nichtkillerhefen exprimiert].
Die Entfernung der hydrophoben Signalsequenz hat einen Nichtkiller-Phänotyp zur
Folge, da das virale Killertoxin nun nicht mehr sezerniert, sondern vermutlich zur
Vakuole der Hefe dirigiert und dort abgebaut wird. Durch Entfernung eines Großteils
der α-Untereinheit und der potentiell N-glykosylierten γ-Sequenz werden nur noch
schwache Killer erhalten, die keine vollständige Immunität mehr exprimieren und
unter geeigneten Kulturbedingungen durch ihr eigenes Toxin abgetötet werden. Alle
so gewonnenen Mutagenesedaten deuten darauf hin, dass einzelne Domänen des
Toxins ganz unterschiedliche biologische Funktionen realisieren (Abb. 6): Während
die b-Untereinheit für die Bindung des Toxins an die Hefezellwand und die
rezeptorvermittelte Endocytose verantwortlich ist, kommt der hydrophoben a-
Untereinheit eine Schlüsselrolle bei der Interaktion des Toxins mit dem
Membranrezeptor sowie bei der eigentlichen Toxizität des viralen Proteins zu. Die
Immunitätskomponente, die die Killerhefe vor der Wirkung ihres eigenen Toxins
schützt, konnte bislang noch keiner distinkten Toxindomäne zugeordnet werden;
vermutlich wirkt der unprozessierte Toxinvorläufer selbst als schützende
Determinante, in dem er von der cytoplasmatischen Seite an die Toxinrezeptoren der
Membran bindet und dadurch möglicherweise die Andockstellen des reifen Toxins
maskiert.
Abb. 6: Gezielte Mutagenesen innerhalb des viralen Toxingens identifizieren distinkte
biologische Funktionen einzelner Killertoxin-Domänen (SP, Signalpeptidase: führt im ERLumen zur Abspaltung des hydrophoben "Leaders”)
Modifizierte "Killerviren" als mögliche Vektoren zur heterologen
Genexpression in Hefe
Die Sequenzanalyse der M28-cDNA macht deutlich, dass das toxinkodierende
Virustranskript [M28(+)ssRNA] im 3’-terminalen, nicht-kodierenden Bereich zwei
deutlich vorhersagbare Haarnadelschleifen ("stem-loops") besitzt, die alle Kriterien
von sogenannten "viral binding sites" (VBS) erfüllen (Abb. 7). Bei diesen VBSStrukturen handelt es sich um regulatorische Regionen auf dem Virustranskript, die
von der helferviralen Polymerase erkannt und gebunden werden und für die
Verpackung zu neuen Viren absolut notwendig sind. Im Unterschied zu den K1- und
K2-toxinkodierenden Transkripten, die beide jeweils nur eine VBS-Struktur im 3’Bereich besitzen, enthält das M28-Transkript zwei starke VBS-Strukturen, von denen
wir annehmen, dass sie in vivo erkannt und deutlich effektiver zu Viruspartikeln
verpackt werden.
Abb. 7: DNA-Konstrukt zur Synthese von in vitro Transkripten des toxinkodierenden M28Killervirus mittels RNA-Polymerase des Bacteriophagen SP6. Die eingezeichneten
Sekundärstrukturen (VBS1, VBS2) sind für die Verpackung der M28(+)ssRNA zu intakten
Killerviren verantwortlich (Zeichenerklärung: Sig, Signalpeptid; (A)x, intramolekularer PolyATrakt; VBS; "viral binding site”)
Mit Hilfe der PCR-Technik kann der toxinkodierenden cDNA am 5’-Ende ein
künstlicher SP6-Promotor vorgeschaltet werden, der es nun erlaubt, auch im
Reagenzglas große Mengen an Virustranskripten zu synthetisieren (Abb. 7). Diese
künstlichen Virustranskripte können schließlich mit Hilfe der Biolistik (einer
ballistischen Transformations-Technik) in L-A-haltige Nichtkillerhefen eingeschleust
werden. Die auf diese Weise in die Hefe "eingeschossenen" Transkripte werden
auch tatsächlich von dem L-A-Helfervirus erkannt und zu echten, toxinkodierenden
Killerviren verpackt.
Aufbauend auf dieser Strategie ist es mittlerweile gelungen, modifizierte
Virustranskripte zu synthetisieren; und zwar Transkripte, die lediglich einen kurzen 5’Bereich sowie die zur Verpackung und Replikation notwendigen 3’-VBS-Strukturen
des natürlichen Virustranskriptes besitzen, zusätzlich aber noch die Möglichkeit
bieten, Fremd-DNA einzubauen (Abb. 8). Auf diese Weise können fremde Gene (wie
z.B. Gene für Hormone oder Blutgerinnungsfaktoren des Menschen sowie Gene von
Anti-Tumorsubstanzen) auf einem rekombinanten Virusgenom in die Hefe eingeführt
werden, wo sie stabil und in hoher Kopienzahl persistieren, ohne die transfizierte
Hefe in erkennbarer Weise zu schädigen. Durch das Vorschalten (auf cDNA-Ebene)
einer in Hefe funktionellen Sekretions- und Prozessierungs-Signalsequenz kann
zudem dafür gesorgt werden, dass die transfizierte Hefe das Fremdgenprodukt in
das Kulturmedium sezerniert, wodurch die spätere Isolierung und Reinigung des
betreffenden Fremdproteines erheblich erleichtert wird (Abb. 8). Der Vorteil dieses
neuartigen Expressionssystems besteht also darin, dass das Fremdgen in der Hefe
auf einem Satellitenvirus lokalisiert ist und daher auch ohne einen äußeren
Selektionsdruck stabil und in hoher Kopienzahl in der Hefe erhalten bleibt; Kriterien,
die gerade bei großtechnischen Fermentationen mit rekombinanten Mikroorganismen
von enormer Bedeutung sind, da hierbei häufig Probleme auftreten, die ursächlich
auf Plasmidinstabilitäten und/oder zu geringe Expressionsraten zurückzuführen sind.
Abb. 8: Rekombinante Killerviren als Vehikel zur heterologen Genexpression in Hefe.
Dargestellt ist ein rekombinantes M28-cDNA/PCR-Konstrukt, das zur Isolierung künstlicher
Virustranskripte und anschließenden Transfektion L-A-haltiger Nichtkillerhefen eingesetzt
werden kann. Auf cDNA-Ebene kann durch das Vorschalten eines viralen Sekretions- und
Prozessierungssignales (K1-pptox) die Sekretion des exprimierten Fremdproteins erreicht
werden [Erklärung siehe Text].
Killertoxine als neuartige Antimykotika - Killertoxingene in der
Krebsforschung
Während die viralen Killertoxine der Hefe S. cerevisiae nur auf nahe verwandte
Hefen toxisch wirken, gibt es unter den mehr "exotischen" Hefen Williopsis
californica, Zygosaccharomyces bailii und Hanseniaspora uvarum Killerstämme,
deren Killertoxine deutlich breitere Wirkungsspektren besitzen und auch
humanpathogene Pilze wie Candida albicans und Sporothrix schenkii effektiv
abtöten; Hefen also, die beim Mensch recht häufig sehr unangenehme und
therapeutisch schwer zu bekämpfende Haut- und Urogenitalinfektionen verursachen.
Aufgrund der hoch-spezifischen Wirkungsweise einiger dieser Killertoxine, die
ausschließlich auf Hefen und höhere Pilze toxisch wirken, wird zur Zeit versucht,
Killertoxine als neuartige Antimykotika zur Bekämpfung von Pilzinfektionen
einzusetzen.
Da wir mittlerweile die Molekularbiologie der Killertoxine recht gut verstehen, sollte es
in Zukunft möglich sein, Killertoxine in größerem Maßstab gentechnisch zu
gewinnnen und auf ihre Tauglichkeit als neuartige Biopharmaka zur Behandlung von
Mykosen zu testen.
Neben der möglichen pharmazeutischen Anwendung ist auch auf dem Gebiet der
Krebsforschung ein Einsatz von Killertoxinen und deren Gene denkbar: So könnten
beispielsweise virale Toxingene als induzierbare Expressions-Kassetten in
Tumorzellen eingeschleust und exprimiert werden, um dadurch die entarteten Zellen
des Tumors quasi von innen her abzutöten. Mittelfristig versuchen wir hierzu das Gen
des viralen K28-Präprotoxins einzusetzen, da das biologisch aktive Toxin aufgrund
seiner spezifischen Wirkungsweise als besonders geeignet erscheint, indem es in
der eukaryontischen Zielzelle schnell und gezielt die DNA-Synthese blockiert und
damit jegliches Zellwachstum verhindert. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist
jedoch, dass es uns gelingt, das Toxingen zuvor noch so zu "funktionalisieren", dass
dessen Genprodukt (Killertoxin) möglichst ausschließlich (oder zumindest verstärkt)
in der zu bekämpfenden Tumorzelle exprimiert wird und dort seine toxische Wirkung
entfaltet.
Danksagung
Die Ergebnisse der vorgestellten Untersuchungen wurden und werden durch
Personal- und Sachmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert.
Allen Mitgliedern der "Killergruppe" (insbesondere Katrin Eisfeld, Thorsten Geyer,
Andrea Karrenbauer, Johannes Mentges, Sabine Prediger, Klaus Rehfeldt, Frank
Riffer, Simone Theisen und Daniela Thomas) sei an dieser Stelle ganz herzlich
gedankt.
Literaturhinweise
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