apl. Prof. Dr. Edin Sarcevic Schwerpunkt 2 – Begriff und Verfassungsentwicklung Probleme: - Verfassungsbegriff : Verfassungslehre, Grundgesetz Entstehung eines verfassungsfähigen Staates Souveränitätsdenken Politische Praxis: England Definition der Verfassung Verfassung in formellem und in materiellem Sinne Verfassungsgeschichte in Europa und Nordamerika: Überblick a) Normierung politischer Herrschaft – Entstehung der verfassungsfähigen Staates b) Investiturstreit c) Reformation d) Souveränitätsgedanke e) Westfälischer Frieden f) Große Revolutionen: - Amerikanische Revolution - Französische Revolution Volkssouveränität: Demokratie und Parlamentarismus a) Politische Praxis in England: Evolution - Magna Charta - Bill of Rights b) Die Idee der Volkssouveränität: revolutionäre Lösung c) Amerikanische revolution: - Stamp Act Congeress - Unabhängigkeitserklärung d) Französische Revolution Persönliche Freiheit, Rechtsstaat und Gewaltenteilung a) England – Entwicklung - Magna Charta - Habeas Corpus Acte - Bill of Rights b) Gewaltenteilung c) Amerikanische Revolution - Virginia Declaration of Rights - Unabhängigkeitserklärung - Bill of Rights (USA) d) Französische Revolution - Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789 - Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1793 1 apl. Prof. Dr. Edin Sarcevic Schwerpunkt 2 – Begriff und Verfassungsentwicklung Verfassungsbegriff a) Allgemeiner Begriff. Die Verfassung als einheitliches Ganzes b) Politischer Verfassungsbegriff: Gesamtentscheidung über Art und Form politischer Einheit c) Funktionaler Verfassungsbegriff: Verfassung als soziale Integration – ökonomische, kulturelle und „konventionale“ Integration, Bildung der politischen Einheit des Staates, rechtliche Affirmation des gesellschaftlichen Grundkonsenses, Ordnungsfunktion, Stabilisierungsfunktion, Schutzfunktion Definition der Verfassung Verfassung: die meist in einer Urkunde niedergelegte Grundordnung eines politischen Gemeinwesens (z.B. das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland). Diese Grundordnung gilt vor und über allem anderen staatlich geschaffenen Recht, sie legt die Grundstruktur und die politische Organisation des Gemeinwesens (z.B. des Staates) fest, regelt das Verhältnis und die Kompetenzen der (Staats-)Gewalten untereinander und enthält die (Freiheits- und) Grundrechte der Bürger und Bürgerinnen. Aufgrund der Voranstellung der Verfassung sind ihre Änderungen und Ergänzung erschwert bzw. unzulässig. Beispiel: Der in Art. 1 GG festgelegte zentrale Grundsatz des Schutzes der Menschenwürde sowie die unmittelbare Wirkung der Grundrechte dürfen nicht geändert werden; dazu zählen: 1) die bundesstaatliche (föderalistische) Ordnung, 2) Demokratie und 3) Gewaltenteilung, Sozialstaat, 5) die Volkssouveränität und 6) das Widerstandsrecht. Zulässige Grundgesetzänderungen bedürfen einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat (Art. 79 II GG). Verfassung als rechtliche Ordnung des Staates: Oberste Rechtsnormen eines Staates Erhöhte Geltungskraft Änderung nur in qualifiziertem Verfahren In der Regel: Eigene Urkunde 2 apl. Prof. Dr. Edin Sarcevic Schwerpunkt 2 – Begriff und Verfassungsentwicklung Verfassung in formallem und in materiellem Sinne a) Verfassung im formellen Sinne Umfasst alle Normen, die in der Verfassung stehen - Kriterium: das Verfahren, in welchem eine Rechtsnorm erlassen wird - Eine besondere Art des Gesetzes - Merkmale: geschriebene Form + erschwerte Abänderbarkeit Geht einfachem Gesetzesrecht vor b) Verfassung im materiellen Sinn Umfasst die Normen, die in der Verfassung stehen sollen Konkret: Grundlegende Normen über den Staat Zusätzlich: Verankerung einer inhaltlichen Werteordnung (Verfassungsinhalt nach materiellem Verständnis) - Grundrechten und Grundpflichten - Staatszielbestimmungen und Programmartikel - Staatsaufgaben Im Bundessstaaten: Inklusive Kompetenzverteilung Bund/Gliedstaaten - Organisation des Staates und Zuständigkeit seiner Organe - Verfahren für Verfassungs- und Gesetzesänderungen c) Unterscheidung Verfassung – einfaches Gesetz Bedingungen der Abänderbarkeit Regelungsgegenstand Vorrangregel Normkontrolle im Rahmen der Verfassungsgerichtsbarkeit Die Besonderheiten der Verfassungsgeschichte Großbritanniens Keine Verfassungsurkunde - gewachsen im Laufe der Jahrhunderte Magna Carta vom 15. 06. 1215, Petition of Rights 1627, Habeas-Corpus-Acte 1679, Bill of Rights (1689) Die Besonderheiten: - Geschriebener und ungeschriebener Teil - Keine Verfassungsurkunde – iS eines einzelnen Dokuments - nicht zu einem fixierten Zeitpunkt entstanden - nicht formal beschlossen - umfasst die ungeschriebenen Konventionen Parallele zur Verfassungsentwicklung in Frankreich und USA Gemeinsamkeit: die verfassunggebenden Versammlungen beriefen sich auf die verfgbde. Gewalt des Volkes Unterschiede USA – selbstverständlich, mangels Alternative FR – ein Bruch mit der Vergangenheit USA – Neugründung des Staates FR – Neuordnung des Staates 3 apl. Prof. Dr. Edin Sarcevic Schwerpunkt 2 – Begriff und Verfassungsentwicklung Literatur zur Verfassungslehre: (Schwerpunkte 1 und 2) - S. Roßner, Verfassungsgeschichte, in: Krüper (Hrsg.), Grundlage des Rechts, § 6, S. 109 ff, - A. Katz, Staatsrecht, 17. Aufl. 2007 § 5II, S. 32-42; § 5 III, S. 42-48; - B. Schöbener, Allgemeine Staatslehre, 2009, § 2 II; - H. Maurer, Staatsrecht I, 5. Aufl. 2007, § 2. Wiederholungs- und Vertiefungsfragen zu Schwerpunkt 1-2: Worauf bezieht sich „Verfassung“? Welche Funktionen erfüllt eine Verfassung? Erklären Sie die Ähnlichkeiten und unterschiede der Verfassungsentwicklung in USA und in Frankreich – machen Sie hierzu eine Parallele. Definieren Sie den Begriff „Verfassung“ im materiell-formellen Sinne. Gibt es Staaten, die sehr wohl eine Verfassung im materiellen Sinn, aber keine Verfassungsurkunde besitzen? Nennen sie die Besonderheiten der britischen Verfassung. Nennen Sie jeweils einen für die rechtliche Sicherung individueller Freiheitsrechte wichtigen Rechttext aus der englischen, französischen und nordamerikanischen Verfassungsgeschichte. 4