Modellgussspezifische Planung 187 9.3 Modellgussspezifische Planung In Kap. 8 wurden bereits die Vorteile der starren Kopplung zwischen Sattel und Pfeilerzahn beschrieben. Diese ist mit Doppelkronen sehr gut realisierbar, denn alle Anforderungen an ein Halte- und Stützelement werden durch die zirkuläre Umfassung in idealer Weise erfüllt. Für die Gussklammer gilt, dass es sich nur um eine bedingt starre Lagerung handelt, da im retentiven Teil im Grunde federnde Elemente am Prothesenhalt mit beteiligt sind. Sowohl das Halteelement als auch der Stützanteil sind gegenüber der Doppelkrone wesentlich kleiner und graziler. Diese strukturbedingte Schwäche der Klammer erfordert zum Ausgleich einen erhöhten Planungsaufwand. So kommt neben der Überlegung, wo die Stützlinien verlaufen, bei der klammerverankerten Prothese hinzu, dass man bedenken muss, wie die sog. Haltelinien gelegt werden sollen und wo genau die Kavitäten für die Abstützungselemente präpariert werden. Haltelinien Während der Kaufunktion treten neben den Druckbeanspruchungen auch immer vertikale, abziehende Kräfte auf, welche die Prothese vom Lager lösen können. Diesen abziehenden Kräften müssen Haltekräfte entgegengesetzt werden. Für den Halt der Modellgussprothese sind primär die Retentionsarme der Klammern zuständig, die in die Infrawölbungen eingreifen. Ihre Retentionskraft, d. h. die zur Aufbiegung notwendige Kraft, sollte 5 – 10 N betragen, um einen schädigenden Einfluss auf den Zahnhalteapparat des Klammerzahns durch horizontale Kippungen bei Ein- und Ausgliederung zu vermeiden. Die retentiven Klammerteile sind die direkten Halteelemente. Die gedachten Verbindungslinien der retentiven Klammeranteile bezeichnet man als Haltelinien. Haltelinien sollen durch den Schwerpunkt der Prothese verlaufen. Nur wenn die Haltelinien durch die Prothese gehen, ist eine optimale Sicherung der Prothese gegen abziehende Kräfte möglich. Die retentiven Klammeranteile wirken nämlich nur dann gegen abziehende Kräfte, wenn sie in der Einschubrichtung gegen den prothetischen Äquator geführt werden. Dies ist bei dem Beispiel der Abb. 9.10 a nicht der Fall: Hierbei handelt es sich um eine KennedyKlasse I mit anteriorem Restgebiss. Die Prothese ist sattelnah abgestützt, mesial liegen bis auf die Transversalverbindung keine Prothesenanteile. Die Haltelinien liegen somit peripher zur Prothese, peripherer (in diesem Fall mesialer) als die Stützlinie. Zugbelastungen auf die Sättel führen nun dazu, dass die retentiven Anteile nicht gegen den Äquator geführt werden, sondern nach marginal rotieren und die Prothese sich löst. Die Haltelinie muss also verlagert werden. Dies ist möglich, indem mesial der Haltelinie zusätzliche Prothesenteile (hier: bei anteriorem Restgebiss Klammern mit Abstützungselementen) konstruiert werden, die da- Abb. 9.10 a – e Bilaterale Freiendsituation: Erläuterung der Kippmeiderfunktion. a Bei reiner sattelnaher Abstützung ist die Prothese nur schlecht gegen Zugbelastung geschützt (H = Haltelinie). b Eine zusätzliche anteriore Klammer erfüllt in idealer Weise die Kippmeiderfunktion mit dem Nachteil der Gefahr der Überkonstruktion. c Der Kompromiss liegt bei der sattelfernen Abstützung am sattelnahen Pfeilerzahn. d Im Diametral- und Diagonalfall liegt durch die beidseitigen ausgedehnten Sättel immer eine Kippmeiderfunktion vor. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Die Klammer als Halte- und Stützelement 9 Theorie der Modellguss-Klammerprothese durch die angreifende Abzugskraft umlenken und somit eine Kippmeiderfunktion bekommen (Abb. 9.10 b). Die retentiven Anteile der sattelnahen Klammer werden somit gegen den Äquator geführt und können mit ihrer ganzen Retentionskraft wirken. Eine ebenfalls häufig beschriebene Alternative, um Überkonstruktionen zu vermeiden, ist in Abb. 9.10 c dargestellt: Eine sattelferne Abstützung am sattelnahen Pfeiler als Regellösung, vorausgesetzt dass der Zahn eine hohe prothetische Wertigkeit hat. Bei Zähnen mit eingeschränkter Wertigkeit und fraglicher Prognose sollte aber besser ein zusätzliches Halte- und Stützelement konstruiert werden. Diese Probleme treten nicht auf, wenn auf beiden Seiten Prothesensättel notwendig sind, z. B. bei einem zusätzlichen Frontzahnersatz. Wie das Beispiel zeigt, bräuchten dann für die Haltefunktion sogar keine Auflagen vorhanden zu sein (Abb. 9.10 d): Mesial wie distal befinden sich Prothesensättel. Wird der mesiale Sattel auf Zug beansprucht, wird der Retentionsarm der handgebogenen Klammer wirksam gegen den Äquator geführt. Dies wäre bei einem alleinigen distalen Sattel und dessen Zugbeanspruchung nicht der Fall. Hier aber wirkt bei Zug auf den distalen Sattel der mesiale Prothesenkörper als Kippmeider: Er stoppt die Zugbewegung, lenkt die Hebelverhältnisse um und die Klammer wirkt retentiv, da sie wieder gegen die Suprawölbung des Äquators geführt wird. Es sei hier aber noch einmal ausdrücklich betont, dass Klammern ohne Abstützungselement nur im Diagonal- oder Diametralfall indiziert sind und in ihrer Indikation dem Resilienzteleskop entsprechen. Lage der Kavitäten für die Abstützungselemente Aus dem oben Dargelegten ergeben sich auch die Richtlinien für die Planung der Lage der Kavitäten für Stützelemente: 쐌 Zunächst muss das größtmögliche dentale Unterstützungsfeld gesucht werden. 쐌 Unter Berücksichtigung der Wertigkeit der potenziellen Pfeiler und des Gesamtgebisses muss die Anzahl der Klammerzähne festgelegt werden. 쐌 Zum Schluss wird entschieden, ob bei vorhandenen Freiendsätteln sattelfern am sattelnahen Pfeiler abgestützt werden muss oder ob bereits andere Kippmeiderelemente durch die Planung entstanden sind. Sattelferne oder sattelnahe Abstützung Die Frage, ob sattelfern oder sattelnah abgestützt werden sollte, stellt sich primär dann, wenn eine Freiendsituation ohne zusätzlichen Frontzahnersatz vorliegt, denn dann gilt es, zusätzlich eine Kippmeiderfunktion zu integrieren, die bei einem anterioren Sattel bereits automatisch vorhanden wäre. Auch bei diesem Konstruktionsdetail muss die Gesamtwertigkeit des Restgebisses mit Zähnen, Alveolarfortsatz und Schleimhäuten berücksichtigt werden. So spielt neben dem Ort und der Größe der Lasteinleitung ja auch die Länge des Freiendsattels eine Rolle (s. Abb. 8.24): Ein langer Sattel sinkt bei sonst gleichen Verhältnissen weniger ein als ein kurzer, d. h. – umgekehrt gedacht – dass er mehr Kraft aufnehmen kann. So bietet die sattelferne Abstützung am sattelnahen Pfeiler den Vorteil einer sparsamen Konstruktion. Nachteilig sind aber die größeren Freiheitsgrade des Sattels, der zusätzliche, parodontalhygienisch ungünstig verlaufende kleine Verbinder und die stärkere mesiale Randeinlagerung des Sattels mit höherer Belastung des Alveolarfortsatzes. Bei sattelnaher Abstützung hingegen ist kein zusätzlicher kleiner Verbinder notwendig und die Klammerkonstruktion ist einfach und übersichtlich. Zudem wird durch die distale Abstützung am Zahn eine mesiale Randeinsenkung des Sattels vermieden. Als nachteilig werden allerdings eine stärkere Distalkippung des Pfeilers und auch die mangelhafte Kippmeiderfunktion bei Zugbelastung der Prothese angesehen. Böning empfiehlt deshalb aus seinen Untersuchungen folgernd die Lösung mit einer modifizierten Ringklammer, bei der sowohl ein mesiales als auch ein distales Abstützungselement vorgesehen wird, eine gute körperliche Fassung vorhanden ist und die Kippmeiderfunktion ebenfalls abgedeckt wird. Anhand der Vielzahl der Einflussfaktoren wird auch wiederum deutlich, dass es nicht so einfach ist, eine gut funktionierende Modellgussprothese zu konstruieren. Als Beispiele seien noch einmal 3 Fälle angeführt (Abb. 9.11), die alle ihre Berechtigung haben, aber eben stark von den anatomisch-physiologischen Gegebenheiten abhängig sind. Deshalb kann die Planung einer Modellgussprothese nicht vom Zahntechniker alleine durchgeführt werden. Diese ist primär Aufgabe des Zahnarztes, die er im Idealfall im kollegialen Gespräch mit dem Zahntechniker zu lösen versucht. Klammern und Frontzähne Die Klammerverankerung an Frontzähnen ist meistens eine schlechte Kompromisslösung. Einerseits ist eine schlechtere Abstützungsmöglichkeit durch die Zahnanatomie bedingt: Der sich nach inzisal verjüngende Zahn mit den kaum vorhandenen horizontalen Flächen bietet sehr wenig Möglichkeit, um eine optimale axiale Krafteinleitung zu erzielen. Deshalb muss die Anlage einer Kavität für das Stützelement sehr sorgfältig erfolgen. Wenn noch ein Tuberkulum vorhanden ist, kann man die bereits beschriebene bumerangförmige Kavitätenform erreichen. Bei sehr flacher, tuberkulumloser Oralfläche Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. 188 Grenzen der Modellgussprothese 189 wird man häufig nur noch ein Plateau präparieren können. In diesen Fällen bietet sich auch die inzisale Fassung an, wobei dies naturgemäß ästhetische Beeinträchtigungen mit sich bringt. Dennoch darf auf eine Abstützung nicht verzichtet werden. Dasselbe gilt für die körperliche Fassung des Zahnes, die wenigstens 180⬚ betragen muss. Der Zahn darf keine Chance haben, sich aus der Klammer „herauswinden“ zu können, um einem einseitigen Druck auszuweichen. Klammern ohne körperliche Fassung wirken als kieferorthopädisches Gerät und sind ohne Indikation. Somit ergeben sich für Frontzahnklammern meistens ästhetische Probleme, die bei der Anfertigung einer Modellgussprothese aber in Kauf genommen werden müssen. Mit dem Patienten muss dies ausdrücklich und eindeu- tig besprochen werden, um keine falschen Illusionen zu wecken. Klammerzähne müssen körperlich gefasst werden. Beim Ersatz eines Einzelzahnes kann besser ganz auf eine Belastung der der Lücke benachbarten Zähne verzichtet werden. In diesen Fällen wird nur ein Zahn auf einem Basisbestandteil befestigt. Günstig sind naturgemäß solche Situationen, in denen eine übermäßige Belastung nicht erwartet wird. Dies sind z. B. Fälle mit knappem bis gar keinem vertikalen Überbiss bzw. einem großen horizontalen Überbiss mit großer sagittaler Stufe. 9.4 Grenzen der Modellgussprothese Einschränkungen bei der Klammerplanung Einschränkungen bei der Indikation Die Grenzen einer problemlosen Klammeranlage sind erreicht, wenn es trotz sorgfältiger Vermessung der Modelle nicht gelingt, überall gleichmäßige Unterschnittsbereiche zu definieren. Teilweise muss man dann die entsprechenden Korrekturen entweder durch subtraktive oder – wenn dies nicht realisierbar ist – auch durch additive Maßnahmen durchführen. Ist eine Überkronung angezeigt, sollte dann aber der Schritt zum Teleskop gemacht werden, wenn es für den Patienten irgendwie erschwinglich ist. Die Anfertigung einer neuen Krone mit Verblendung und Klammeranlage ist mindestens genauso aufwändig wie ein Zylinderteleskop, passt dabei längst nicht so gut und hat weiterhin die der Klammer inhärenten Schwächen in Stabilität und Ästhetik. Wenn die Kieferrelation geändert werden muss, sind reine Modellgussprothesen nicht mehr indiziert. Die alleinige Klammeranlage ohne Korrektur der Zahnkontur würde bei einer Bisshebung zwar die Sättel mit den Zähnen in Kontakt bringen, aber zumindest die Pfeilerzähne hätten dann keinerlei Okklusionskontakt mehr. Statt einer Überkronung der betreffenden Zähne und der Planung einer Klammer ist bei solchen Fällen und umfangreichen Maßnahmen immer an eine Doppelkronenkonstruktion zu denken. Damit wird eine Lösung erzielt, die alle Optionen auch für spätere Problemstellungen (Erweiterung, Extraktion etc.) offen hält. Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden! Aus Pospiech, P.: Die prophylaktisch orientierte Versorgung mit Teilprothesen (ISBN 9783131269416) © 2001 Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart Heruntergeladen von: Thieme E-Books & E-Journals. Urheberrechtlich geschützt. Abb. 9.11 a – c Konstruktionsmöglichkeiten zur Verankerung von Freiendsätteln. a Modifizierte Ringklammer. b Bonwill-Klammer. c Back-Action-Klammer.