Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Wechselkurs und Außenhandel In den letzten zwanzig Jahren hat sich die D-Mark gegenüber den Währungen der wichtigsten Handelspartner Deutschlands nominal kräftig aufgewertet. Im wesentlichen war dies Reflex des über viele Jahre kumulierten internationalen Stabilitätsvorsprungs der deutschen Währung. Die Kaufkraft der D-Mark ist auf diese Weise über die letzten Jahrzehnte hinweg nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland bemerkenswert stabil geblieben. Zeitweise ist die Wechselkursentwicklung aber auch deutlich von dem durch das Inflationsgefälle vorgezeichneten Pfad abgewichen, so daß der um die Inflationsdifferenzen bereinigte – reale – Wechselkurs der D-Mark auf kürzere Frist betrachtet mitunter ausgeprägten Schwankungen ausgesetzt war. Jüngstes Beispiel dafür ist die scharfe Aufwertung der D-Mark gegenüber dem Dollar und einigen europäischen Partnerwährungen vom Frühjahr 1995. Inzwischen hat sich diese Verzerrung im internationalen Währungsgefüge allerdings wieder vollständig zurückgebildet; für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft war dies aber zeitweilig eine schwere Belastung, zumal gleichzeitig hohe Lohnabschlüsse die Kostensituation der Unternehmen zusätzlich beeinträchtigten. Der vorliegende Beitrag untersucht die Einflüsse, die von derartigen Veränderungen der Wechselkurse auf den deutschen Außenhandel ausgehen. 43 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Das Problem Die Wechselkursentwicklung beeinflußt die Realer DM-Außenwert und Handelsbilanzsaldo Wettbewerbsposition einer Wirtschaft. Inländische Produkte werden vergleichsweise teurer und ausländische Güter werden entspre- Ende 1975 =100, log. Maßstab chend billiger, wenn die heimische Währung 110 bei gegebenen Kostenverhältnissen aufwer- 100 Realer Außenwert 1) tet. Im allgemeinen wird daraus der Schluß gezogen, daß eine reale Aufwertung die Absatzchancen der Exportwirtschaft auf den Auslandsmärkten beeinträchtigt und 90 80 % lin. Maßstab die 6 Handelsbilanzsaldo in % des BIP Wettbewerbslage im Inland zugunsten aus- 4 ländischer Importgüter verschiebt. Danach wäre zu erwarten, daß sich die Handelsbi- 2 lanz, also die Differenz aus Export- und Im- 0 portumsätzen, durch eine reale Aufwertung der Tendenz nach verschlechtert. Gemessen an diesem Vorverständnis ist die Reaktion des deutschen Außenhandels auf die starken Verzerrungen im Währungsgefüge im Jahr 1995 o) 1975 80 85 90 1995 1 Realer Außenwert der D-Mark gegenüber 18 Industrieländern auf der Basis des Gesamtabsatzdeflators. — o Ab 1991 Gesamtdeutschland. Deutsche Bundesbank in verschiedener Hinsicht bemerkenswert moderat ausgefallen: Die Ausfuhrtätigkeit der Handelsbilanz verschlechterte (siehe Schau- deutschen Wirtschaft hat sich bis in den bild). Umgekehrt hat sich die Außenhandels- Herbst 1995 als auffallend robust gegenüber position der deutschen Wirtschaft Mitte der der ungewöhnlich scharfen Aufwertung der achtziger Jahre trotz einer beträchtlichen D-Mark erwiesen; erst in der Folgezeit zeigte realen Aufwertung der D-Mark bis auf die sie die zu erwartende Abschwächung. Im Er- historischen Höchststände des Jahres 1989 gebnis ist der deutsche Handelsbilanzüber- verbessert. Der anschließende drastische Um- schuß 1995 nicht zurückgegangen, sondern schwung in der Entwicklung des Handels- nahm um nahezu 19 Mrd DM zu. bilanzsaldos war im wesentlichen durch die deutsche Vereinigung bedingt.1) Aber auch „Anomale“ Reaktionen der Handelsbilanz Ähnlich „anomale“ Reaktionen waren ver- unter Berücksichtigung dieses Tatbestands ist schiedentlich auch schon in früheren Jahren der im allgemeinen vermutete negative Wir- zu verzeichnen gewesen. So beispielsweise kungszusammenhang zwischen der Entwick- gegen Ende der siebziger Jahre und Anfang lung des realen Außenwerts der D-Mark und der achtziger Jahre, als die D-Mark im Anschluß an die zweite Ölkrise und die dadurch ausgelösten Preisverschiebungen vor allem gegenüber dem US-Dollar deutlich niedriger bewertet wurde, während sich die deutsche 44 1 Vgl. zu einer ausführlichen Darstellung der außenwirtschaftlichen Anpassungsreaktion auf die deutsche Vereinigung: Deutsche Bundesbank, Zum Stand der außenwirtschaftlichen Anpassung nach der deutschen Vereinigung, Monatsbericht, Mai 1996, S. 49 ff. Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 der deutschen Außenhandelsposition nicht sicherungsgeschäfte immunisieren. Das ge- ohne weiteres zu erkennen. wachsene Angebot der Finanzmärkte an derivativen Instrumenten bietet jedenfalls heute Komplexes Zusammenspiel verschiedener Einflüsse Die möglichen Erklärungen für die scheinbar bessere und vermutlich auch billigere Mög- widersprüchlichen Beobachtungen sind viel- lichkeiten dafür als etwa noch vor zwanzig fältig. Zunächst ist zu berücksichtigen, daß Jahren. sich die eingangs vermuteten Wirkungsbeziehungen im Unterschied zu den Handelsbi- Diese Überlegungen verdeutlichen, daß der lanzsalden nicht auf die wertmäßigen, son- einfache Vergleich der (nominalen) Außen- dern auf die realen Außenhandelsströme be- handelszahlen nur bedingt Schlüsse über die ziehen. In der Tat spricht vieles dafür, daß vor Art und den Umfang der Wirkungsbeziehun- allem auf kurze Sicht wechselkursbedingte gen zwischen der Wechselkursentwicklung Veränderungen der Außenhandelspreise mög- und den grenzüberschreitenden Handelsströ- liche reale Effekte bei Exporten und Importen men erlaubt. Im folgenden werden deshalb verdecken. Erst auf längere Sicht kommen die zunächst Preiswirkungen und Mengenreak- vermuteten Mengenreaktionen zum Tragen. tionen auf Wechselkursveränderungen von- Allein die zeitlichen Verzögerungen, die sich einander isoliert betrachtet, um auf diese zwischen den Auftragseingängen und den Weise der Komplexität des zugrundeliegen- Lieferterminen ergeben, sprechen für einen den Beziehungsgeflechts besser gerecht zu gewissen Zeitbedarf, bis die Mengenwirkun- werden. Darüber hinausgehende Einflüsse, gen in den Ausfuhr- und Einfuhrlieferungen die möglicherweise von der Volatilität der erkennbar sind. Aber auch vom Preisset- Wechselkurse für sich genommen auf die zungs- und Angebotsverhalten der Außen- Wahl der Produktionsstandorte der Wirt- handelsfirmen sind die Reaktionen der Han- schaft ausgehen, bleiben dabei unberück- delsbilanz auf Wechselkursänderungen ab- sichtigt. Preis- und Mengenreaktionen hängig. So gab es jedenfalls 1995 einige Anhaltspunkte dafür, daß die deutschen Exporteure durch entsprechende Preiszugeständ- Wirkungen auf die Außenhandelspreise nisse ihre Marktanteile verteidigten. Trotz temporärer Ertragseinbußen, die mit einer Die Wirkungen von Wechselkursänderungen solchen Strategie zwangsläufig verbunden auf die Preise der gehandelten Export- und sind, können derartige Verhaltensweisen Importgüter hängen entscheidend von den durchaus lohnend erscheinen, wenn bei- Kosten- und Wettbewerbsverhältnissen auf spielsweise die Störungen von der Wechsel- den jeweiligen Märkten ab. Entsprechend un- kursseite als nur vorübergehend angenom- terschiedlich können die zu beobachtenden men werden. Unabhängig davon ist schließ- Verhaltens- und Reaktionsmuster ausfallen. lich auch vorstellbar, daß sich Exporteure und Konkret reichen die möglichen Effekte vom Importeure gegen kurzfristige Wechselkurs- Extremfall der synchronen und vollständigen schwankungen durch entsprechende Ab- Weiterwälzung der Wechselkursveränderun- 45 Unterschiedliches Preissetzungsverhalten Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 gen in den betreffenden Verkaufspreisen auf eigenen Verkaufspreisen auf die ausländi- die Nachfrage bis zum andern Extrem der schen Abnehmer weiterzuwälzen, sondern einseitigen Übernahme der kursbedingten Er- durch Preiszugeständnisse in den eigenen lösschmälerung (oder -verbesserung) durch Gewinnmargen selbst aufzufangen, liegt in den jeweiligen Anbieter des betreffenden der Verteidigung der Marktanteile auf den Gutes. In der neueren außenhandelstheoreti- Auslandsmärkten gegenüber den ausländi- schen Literatur wird in dem zuerst genannten schen Mitbewerbern. Solche Strategien dürf- Fall vom vollständigen „exchange rate pass- ten immer dann vorteilhaft erscheinen, wenn through“ gesprochen, während das zuletzt die Kosten der späteren Rückgewinnung von genannte Preissetzungsverhalten als „pricing- Marktanteilen höher eingeschätzt werden als to-market“ bezeichnet wird. 2) die möglicherweise nur vorübergehend dafür in Kauf zu nehmenden Gewinneinbußen.3) „exchange rate passthrough“… Bei lückenlosem „pass-through“ wird die Angesichts der in vielen Fällen hohen und Wechselkursveränderung unmittelbar in ent- zunächst von den Absatzerfolgen unabhän- sprechenden Marktpreisbewegungen sicht- gigen Markteintrittskosten, wie etwa in Form bar: Eine Aufwertung der heimischen Wäh- von Werbemaßnahmen und des Aufbaus rung (D-Mark) bewirkt also bei den gege- einer Vertriebs- und Service-Infrastruktur, benen in- und ausländischen Kostenniveaus dürften diese Überlegungen bei vielen Indu- eine entsprechende Senkung der in D-Mark striegüterproduzenten häufig eine ausschlag- gerechneten Importpreise und eine Erhöhung gebende Rolle spielen. der in Fremdwährung gerechneten Export… oder „pricing-tomarket“ preise. Dagegen bleiben im Falle von „pri- Neuere Beiträge in der wissenschaftlichen cing-to-market“ die Absatzpreise im Import Diskussion des unternehmerischen Preisset- und Export unverändert. Die Wechselkursbe- zungsverhaltens betonen die Rolle von Wech- wegungen schlagen sich in entsprechenden selkurserwartungen für die „pricing-to-mar- Änderungen der Erlösspanne im Außenhan- ket“-Strategie von Unternehmen.4) Irrever- del nieder: Bei einer Aufwertung der heimi- sible „Menükosten“ – hierunter fallen alle schen Währung nehmen die inländischen Ex- nicht rückholbaren Ausgaben für die Preis- porteure Gewinneinbußen in Kauf, um die anpassung wie zum Beispiel Druckkosten für Absatzpreise auf den Exportmärkten unver- Kataloge und andere Aufwendungen zur In- ändert halten zu können; während auf der formation der Nachfrager – verzögern bei Importseite aufwertungsbedingte Extrage- Wechselkursschwankungen das kontinuier- winne bei den ausländischen Lieferanten liche „pass-through“ in den Absatzpreisen. und/oder den inländischen Importeuren anfallen. Zur Verteidigung von Marktanteilen Ein wichtiger Grund, der Exportunternehmen veranlassen kann, eine Aufwertung der eigenen Währung nicht unmittelbar in den 46 2 Krugman, P. R. (1986) Pricing to market when the exchange rate changes, NBER Working Paper No. 1926. 3 Krugman, P. R. (1989), Exchange Rate Instability, MIT Press. 4 Delgado, F. A. (1991), Hysteresis, Menu Costs, and Pricing with Random Exchange Rates, in: Journal of Monetary Economics, Vol. 28, S. 461 ff. Preissetzungsverhalten und Wechselkursvolatilität Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Vielmehr werden die Verkaufspreise häufig erst dann angepaßt, wenn die für die kommenden Ausfuhrpreise und Inlandspreise Perioden erwarteten Mindererträge aus einer 1975 =100; log. Maßstab unterlassenen Preiskorrektur die „Menü- kosten“ übertreffen. Dabei stehen die Preisstarrheiten in einem direkten Zusammenhang Inlandspreise 1) 160 150 zur Wechselkursvolatiliät. Bei starken und häufigen Wechselkursschwankungen steigt die 140 Wahrscheinlichkeit, eine wechselkursbedingte Ausfuhrpreise 130 Preisänderung später wieder zurücknehmen zu müssen. Deshalb verfolgen die Unternehmen, 120 solange sie eine Wechselkursänderung als temporär einschätzen, eine eher abwartende Stra- 110 tegie und lassen die Preise unverändert. In dieser Situation nehmen sie bei einer Aufwertung 100 eher eine Kompression ihrer Handelsspannen hin, anstatt die Kursbewegungen voll in den eigenen Absatzpreisen weiterzugeben. Im Falle einer Abwertung verzichten sie auf eine tem- o) 1975 80 85 90 1995 1 Erzeugerpreise im Verarbeitenden Gewerbe. — o Ab 1991 Gesamtdeutschland. Deutsche Bundesbank poräre Ausweitung ihrer Marktanteile und schöpfen den zeitweiligen Wettbewerbsvorteil färe Handelshemmnisse bei verhältnismäßig in Form höherer Gewinnspannen ab. In beiden geringen Preisdifferenzen solche Arbitrage- Fällen wird man erst bei einer als dauerhaft operationen unattraktiv machen. Zudem kön- eingestuften Wechselkursänderung von Anbie- nen Unternehmen durch gezielte Produktdif- terseite Preisänderungen vornehmen. ferenzierung bei den an sich schon heterogenen Industrieerzeugnissen die Arbitrage über Anreiz zu Arbitragegeschäften Letztlich läuft dies freilich auf ein gewisses „Graumarkt“-Geschäfte erschweren. Maß an internationaler Preisdifferenzierung hinaus, die früher oder später zu ausgleichen- Auf etwas längere Sicht wird der Preisaus- den Arbitragetransaktionen Anlaß geben gleich jedoch auch dadurch unterstützt, daß kann. Ein wichtiges Vehikel der internationa- anhaltende Verluste aus dem Exportgeschäft len Güterarbitrage sind Re-Importe der auf letztlich nicht durchzuhalten sind. Auf Dauer den Auslandsmärkten mit niedrigeren Er- kann jedenfalls kein Unternehmen zu Kosten tragsspannen abgesetzten Produkte. Die da- produzieren, die es auf den betreffenden Ab- durch in Gang gesetzten Preisangleichungs- satzmärkten nicht decken kann. Langfristiger Zwang zur Kostendeckung mechanismen werden in vielen Fällen zwar erst ab bestimmten Schwellenwerten ausge- Die empirische Evidenz paßt zu dem zuvor löst, da Informations- und Transportkosten gezeichneten Bild. Langfristig erweist sich die sowie gegebenenfalls tarifäre und nicht-tari- Entwicklung der Exportpreise in der Tat als 47 Entwicklung der Exportpreise Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 weitgehend kostendeterminiert. Das gilt je- Erlösrelation des Produzierenden Gewerbes und realer DM-Außenwert denfalls, wenn man als Maß für die heimische Kostenentwicklung die Erzeugerpreise des Verarbeitenden Gewerbes Westdeutschland, 1975 =100, log. Maßstab (Inlandsabsatz) heranzieht. Von kurzfristigen Abweichungen Erlösrelation 1) 102 abgesehen, haben sich diese während der letzten beiden Jahrzehnte weitgehend pa- 99 rallel zu den Exportpreisen entwickelt (siehe 96 Schaubild S. 47). Ein ähnliches Resultat erhält 93 man, wenn als umfassender Indikator für die 90 inländischen Kosten der gesamtwirtschaft- realer Außenwert lichen Wertschöpfung der Deflator des Ge- 104 98 samtabsatzes verwendet wird. In beiden Fäl92 len zeigt sich aber auch, daß es auf kürzere 86 Sicht durchaus Abweichungen der Exportpreisentwicklung von den Preisen im Inlandsabsatz oder den inländischen Kosten gibt, die möglicherweise durch das erwähnte „pricingto-market“-Verhalten zu erklären sind. Unab- 1975 80 85 90 1995 1 Wertschöpfung in jeweiligen Preisen in Relation zum Einkommen aus unselbständiger Arbeit. Deutsche Bundesbank hängig davon mag insbesondere bei den in den neunziger Jahren zu beobachtenden Ab- Produzierenden Gewerbes, das mit einer Ex- weichungen auch der zeitweilig beträchtliche portquote von fast 30 % eine überdurch- inländische Kostenauftrieb eine wichtige schnittliche Außenhandelsabhängigkeit auf- Rolle gespielt haben, der von den Unterneh- weist (siehe Schaubild). Beide Reihen be- men offenbar nur zum Teil in den Absatz- wegen sich weitgehend spiegelbildlich zu- preisen an den internationalen Märkten wei- einander, tergegeben werden konnte und von daher geschilderten „pricing-to-market“-Verhalten die Gewinnsituation der deutschen Export- steht. Nur zur Zeit der zweiten Ölkrise wirtschaft belastete – und umgekehrt die scheint der ansonsten zu beobachtende Zu- Wettbewerbsposition der ausländischen An- sammenhang stark von anderen Einflüssen bieter stärkte. überlagert worden zu sein. In diesen Jahren was im Einklang mit dem ist die Erlösrelation im Produzierenden GeErlösrelation im Produzierenden Gewerbe Einen gewissen Anhaltspunkt dafür, daß die werbe aufgrund der sprunghaft gestiegenen deutschen Unternehmen kurzfristige Wech- Energie- und Rohstoffpreise, ebenso wie selkursschwankungen in der Tat nicht voll aufgrund eines verstärkten inländischen auf ihre Absatzpreise im Exportgeschäft Kostenauftriebs, trotz der erheblichen DM- durchschlagen lassen, liefert auch der Ver- Abwertung stark zurückgegangen. gleich der Entwicklung des realen Außenwerts der D-Mark mit der Erlösrelation des 48 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Entwicklung der Importpreise Ein weit weniger klares Bild vermittelt ein Einfuhrpreise und ausländische Kostenentwicklung Blick auf die Entwicklung der deutschen Einfuhrpreise. Mangels eines vergleichbaren Er- 1975=100, log. Maßstab zeugerpreisindex für das Verarbeitende Gewerbe der 18 wichtigsten Handelspartner Deutschlands wurde dabei auf die in D-Mark 170 Einfuhrpreise 160 umgerechneten, gewogenen Lohnstückko- Lohnstückkosten im Ausland 1) 150 sten im Verarbeitenden Gewerbe dieser Länder abgestellt (siehe Schaubild). Darüber hin- 140 aus wurde in den ökonometrischen Schät- 130 zungen zu diesem Zweck der Deflator des Einfuhrpreise ohne Energieträger 120 Gesamtabsatzes herangezogen. Der Zusammenhang zwischen diesen Kostenindikatoren 110 und der Entwicklung der deutschen Importpreise ist hier auch auf längere Sicht betrach- 100 o) tet weitaus weniger eng als auf der Seite der Exportpreise. Ein Grund dafür ist in dem hohen Rohstoff- und Energieanteil an den deutschen Importen zu suchen. Zum einen 1975 80 85 90 1995 o Ab 1991 Gesamtdeutschland. — 1 Lohnstückkosten des Verarbeitenden Gewerbes im Ausland (in D-Mark gerechnet). Deutsche Bundesbank stehen nämlich die Preise auf diesen Märkten in keinem vergleichbaren Zusammenhang zur erweist sich der langfristige Zusammenhang Kostenentwicklung in den Industrienationen, zwischen der deutschen Einfuhrpreisentwick- auf welche die verwendeten Kostenindika- lung und der – in D-Mark umgerechneten – toren abstellen. Zum andern schlagen die Lohnkostenentwicklung in den für den deut- DM-/Dollarkursausschläge auf die an den schen Außenhandel wichtigen Industrielän- Weltrohstoff- und Energiemärkten typischer- dern dementsprechend als wesentlich enger, weise in Dollar notierten Preise voll durch. als die zuvor betrachteten Gesamtzahlen auf Dementsprechend sind die Abweichungen den ersten Blick vielleicht vermuten ließen. gerade von Ende der siebziger bis etwa Mitte Allerdings zeigen sich auch hier auf kurze der achtziger Jahre zu beobachten, als sich Sicht immer noch durchaus beträchtliche Ab- der Ölpreisanstieg und die Befestigung des weichungen, die auch auf der Importseite auf Dollar in ihrer Wirkung auf die deutschen ein „pricing-to-market“-Verhalten schließen Preise für Energieimporte gegenseitig ver- lassen. stärkten – ebenso wie die folgende Entspannung an den Rohöl- und Energiemärkten zu- Insgesamt legt dies die vorläufige Schlußfol- sammen mit der ausgeprägten Dollarschwä- gerung nahe, daß auf längere Sicht zwar che in den Jahren 1985/86 die deutschen ein fast lückenloses „exchange rate pass- Importpreise wieder kräftig fallen ließ. Ohne through“ zu beobachten ist; Exporteure und Rohstoff- und Energieeinfuhren gerechnet, Importeure geben also langfristig Wechsel- 49 Zwischenergebnis Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 kursveränderungen nahezu vollständig in ihre kurzfristig gewährten Preisnachlässe ihren Verkaufspreisen weiter. Kurzfristig gibt nicht vollständig bei ihren Meldungen über es jedoch recht deutliche Anhaltspunkte die Entwicklung der Exportpreise an das Stati- für zeitweiliges „pricing-to-market“-Verhal- stische Bundesamt berücksichtigen. Zwar ten und ein entsprechendes „Atmen“ der werden die Exportpreise hier als Effektivpreise Gewinnspannen. und nicht als Listenpreise erhoben, trotzdem sind solche „Fehlerquellen“ nicht auszu- Geschätzte Preisanpassung Auch die Ergebnisse einer ökonometrischen schließen. Analyse dieser Frage (siehe Anhang) deuten darauf hin, daß vor allem in kurzer Frist so- Dennoch muß man wohl davon ausgehen, wohl auf der Export- als auch auf der Import- daß solche Preisstrategien für die Exportwirt- seite das „pricing-to-market“-Verhalten eine schaft in den betrachteten zwei Jahrzehnten gewisse Relevanz besitzt. Im Einklang mit den insgesamt nur eine begrenzte Rolle spielten. vorangegangenen Überlegungen ist dessen Eine Erklärung dafür ist wohl auch darin zu Bedeutung allerdings sowohl in quantitativer sehen, daß über viele Jahre hinweg der stär- Hinsicht, als auch bezüglich der Zeitdauer, in kere Preisanstieg im Ausland beziehungs- der solche Preisreaktionen zu beobachten weise der Stabilitätsvorsprung der D-Mark sind, relativ beschränkt. Nach diesen Schät- der deutschen Exportwirtschaft temporäre zungen führte eine reale Aufwertung der Wettbewerbsvorteile verschafft hat, die zu- D-Mark um 5 % unter sonst unveränderten nächst zum Ausbau der Marktposition ge- Bedingungen im Durchschnitt der letzten bei- nutzt wurden, zumal die mehr oder weniger den Jahrzehnte dazu, daß die DM-Export- ausgleichende DM-Aufwertung häufig erst preise in der gleichen Periode um 0,5 % fie- verzögert erfolgte. Aufgrund dieser eher am len. Im Schnitt gaben die Exporteure Wech- Ausbau von Marktanteilen orientierten Stra- selkursveränderungen also zu 90 % in ihren tegie mögen die Unternehmen unter diesen in Fremdwährung gerechneten Verkaufsprei- Umständen zu preispolitischen Maßnahmen sen weiter. Für einzelne Industriebereiche gar keinen Anlaß gesehen haben. Soweit und für einzelne Phasen des betrachteten diese Interpretation zutrifft, wäre es durchaus Zwanzig-Jahreszeitraums mögen die Ergeb- vorstellbar, daß „pricing-to-market“ als Ver- nisse aber durchaus etwas anders ausfallen. haltensweise zur Verteidigung von Marktan- Dafür sprechen beispielsweise Umfragen, die teilen erst nach den übermäßigen Lohn- das HWWA-Institut schon vor einiger Zeit bei kostensteigerungen in den frühen neunziger Exportunternehmen durchführte und die Jahren und 1995 eine größere Rolle spielte, deutlich stärkere Ausgleichsreaktionen sei- als die Schätzergebnisse der ökonometri- 5) tens der Exporteure erkennen ließen. Auch schen Untersuchungen für den gesamten statistische Gründe könnten das überra- Zeitraum der letzten 20 Jahre nahelegen. So schend niedrige Gewicht des „pricing-tomarket“-Verhaltens erklären, wenn die Unternehmen bei einer Aufwertung der D-Mark 50 5 Scharrer, H.-E., Langer, C. (1988), Wechselkursverschiebungen und Unternehmensreaktionen, in: Wirtschaftsdienst, Jg. 68, Heft 9, September, S. 470 ff. Stabilitätsvorsprung der D-Mark als Wettbewerbsvorteil Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 gesehen kann das Preisverhalten der Unter- der EU absetzen. Danach geben die Expor- nehmen im Fall von temporären Wettbe- teure kurzfristig in ihren Geschäftsbeziehun- werbsnachteilen durchaus von Situationen gen außerhalb der Union nur 31 % der jewei- abweichen, in denen sie zeitweilig von Wett- ligen Wechselkursveränderungen in ihren Ab- bewerbsvorteilen gegenüber ihren Mitbewer- satzpreisen weiter, verglichen mit 45 % im bern profitieren. Falle des innereuropäischen Handels. Ursache hierfür könnten die relativ starken Schwan- Bedeutung der Volatilität der Wechselkurse Wichtig für die angemessene Interpretation kungen der D-Mark gegenüber den großen der genannten Untersuchungsresultate ist Weltwährungen sein, während die Volatilität aber auch, daß ein „pricing-to-market“- gegenüber den EU-Währungen erheblich ge- Verhalten offenbar in engem Zusammen- ringer ist; zeitweilig waren die Kurserwartun- hang zur Volatilität der Wechselkurse steht, gen innerhalb Europas sogar von einer ausge- wie dies in den oben dargestellten Vorüber- sprochenen „Festkursillusion“ geprägt, die legungen bereits als möglicher Erklärungs- aus der Sicht der Betroffenen entsprechende ansatz geschildert wurde. In der Tat liefern Kurssicherungsgeschäfte überflüssig zu ma- die chen schien. hierzu durchgeführten Schätzungen gewisse Anhaltspunkte dafür, daß Export- Geringeres „pass-through“ im außereuropäischen Handel unternehmen, die sich auf ihren Absatzmärk- Andererseits können die Schätzresultate auch ten mit volatileren Kursbewegungen kon- als Indiz für den hohen Integrationsgrad der frontiert sehen, ihr Preisverhalten mehr an europäischen Gütermärkte gewertet werden. ihren etwas längerfristigen Wechselkurser- Setzt ein Anbieter im Binnenmarkt unter- wartungen ausrichten und die als vorüber- schiedliche Preise, so muß er viel eher damit gehend eingestuften Kursausschläge eher in rechnen, daß die Preisunterschiede von Arbi- ihren Ertragsspannen abfangen, soweit sie trageuren mittels Re-Importen ausgenützt nicht ohnehin mit Hilfe von Kurssicherungs- werden. Dieser Gefahr „der Konkurrenz geschäften die kurzfristigen Währungsrisiken durch eigene Produkte“ setzt sich dagegen abdecken. Vor allem in den letzten Jahren ein deutscher Übersee-Exporteur wohl nicht dürften die Unternehmen vermehrt davon so sehr aus, bedarf es hier doch aufgrund der Gebrauch gemacht haben, zumal die Banken höheren Transportkosten, der zum Teil unter- im Zuge der stärkeren Verbreitung von wäh- schiedlichen Güter- und Sicherheitsnormen rungsbezogenen Derivaten kostengünstige und nicht zuletzt wegen möglicher Zölle er- und bedarfsgerechte Absicherungsmöglich- heblicher Wechselkursausschläge, bis sich ein keiten anbieten. „Grau“-Import lohnt. Im Ergebnis zeigen die Schätzungen jedenfalls, daß Exporteure, die außerhalb des EU-Raums operieren, stärker ausgeprägtes „pricing-to-market“-Verhalten aufweisen als Unternehmen, die ihre Produkte innerhalb 51 Hoher Integrationsgrad innerhalb der EU Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Wirkungen auf die realen Konkurrenzpreisverhältnisses. Erst in dem auf Außenhandelsströme die Wechselkursänderung folgenden Quartal sind erste Nachfragereaktionen festzustellen. Verzögerte Mengenreaktionen Die Preispolitik der Anbieter steht im unmit- Langfristig reagieren die Wirtschaftssubjekte telbaren Zusammenhang zu den Mengenre- auf wechselkursbedingte Preisveränderun- aktionen der Nachfrager. Solange sie versu- gen, indem sie die teurer gewordenen Pro- chen, ihre Verkaufspreise auf den Absatz- dukte durch vergleichsweise günstigere Kon- märkten konstant zu halten, ist unter sonst kurrenzgüter ersetzen. Dabei erweist sich die gleichen Bedingungen nicht mit einer Men- ausländische Nachfrage nach deutschen Pro- genreaktion auf Wechselkursveränderungen dukten insgesamt gesehen als eindeutig zu rechnen. Daneben können aber auch an- preisempfindlicher im Vergleich zur deut- dere Einflüsse zu Verzögerungen in den Re- schen Importnachfrage. So bewegt sich die aktionen der Nachfrager führen. Dabei ist vor langfristige allem an die möglicherweise anfallenden An- Nachfrage nach den Gütern der deutschen passungskosten zu denken. Diese bestehen Exportwirtschaft auf Veränderungen des rea- zum einen darin, daß Handelsbeziehungen len Außenwerts der D-Mark nach den durch- vielfach über längere Zeiträume gewachsen geführten Schätzungen in einer Größenord- und in Form von längerlaufenden Lieferver- nung von – 0,8; das heißt eine Aufwertung trägen mit bestimmten Abnahmeverpflich- der D-Mark um 5 % hat langfristig einen tungen ausgestaltet sind. Unter solchen Be- Rückgang der realen Exportnachfrage um dingungen beeinflussen Preisveränderungen 4 % zur Folge. Dagegen beträgt die entspre- das Nachfrageverhalten erst, wenn dabei be- chende Elastizität der deutschen Importnach- stimmte Schwellenwerte überschritten wer- frage etwa 0,2, so daß eine Aufwertung der den und/oder wenn nach Ablauf der beste- D-Mark um 5 % langfristig einen Anstieg der henden Verträge Neuverhandlungen anste- realen Importnachfrage um 1 % nach sich hen. Zum andern benötigen die Abnehmer zieht. Elastizität der ausländischen Zeit, um sich die erforderlichen Informationen über die Preise von anderen Anbietern zu Eine mögliche Erklärung für diese Beobach- beschaffen. tung könnte in der Rohstoffabhängigkeit Deutschlands liegen. Importierte Rohstoffe Preiselastizität der Exportund Importnachfrage Nimmt man diese Einflüsse zusammen, so sind in der Regel schwerer durch andere Pro- läßt dies erwarten, daß die Mengenreakti- dukte zu ersetzen als beispielsweise Industrie- onen nur mit einer gewissen Verzögerung erzeugnisse, zumal sich Deutschland gerade den Wechselkursänderungen folgen. Die hier einer zunehmenden Weltmarktkonkur- durchgeführten ökonometrischen Analysen renz ausgesetzt sieht. bestätigen diese Vermutung. Anfangs zeigen sich sowohl die deutschen Importe als auch Ein einfacher Vergleich der Entwicklung der die Exporte völlig unempfindlich gegenüber realen Exporte und Importe mit den Bewe- wechselkursinduzierten Veränderungen des gungen des realen Außenwerts der D-Mark 52 Wechselkurseffekte und andere Einflußfaktoren Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 scheint mit den hier genannten Schätzergebnissen für die Wechselkurselastizität des Wirtschaftsentwicklung und reale Außenhandelsströme deutschen Außenhandels allerdings nur be- 1975 =100, log. Maßstab dingt vereinbar zu sein. So ist der Einbruch bei den deutschen Ausfuhren im weiteren Verlauf von 1995 wesentlich schärfer ausgefallen, als nach den berechneten Elastizitäten 350 300 250 eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Der Grund dafür liegt insbesondere darin, daß die Ausfuhr (Volumen) 200 Außenhandelsentwicklung des Jahres 1995 – ähnlich wie in anderen Jahren davor – auch 150 von zusätzlichen Faktoren, wie insbesondere der Abschwächung des allgemeinen Wirt- Welthandelsvolumen 125 400 schaftswachstums in Deutschland und in wichtigen Partnerländern, beeinflußt worden 100 350 ist. In den erwähnten (und im Anhang im 300 einzelnen beschriebenen) Schätzansätzen ist 250 diesem Tatbestand dadurch Rechnung getra- Einfuhr (Volumen) gen, daß neben den hier primär interessie- 200 renden Wechselkurseinflüssen simultan auch das allgemeine Welthandelswachstum oder 150 die entsprechende gesamtwirtschaftliche Einkommensentwicklung als Determinanten des 125 Außenhandels mitberücksichtigt worden sind. Hohe Einkommenselastizität der deutschen Importe … Reales Bruttoinlandsprodukt o) Für die Erklärung der Export- und Importströme spielen demnach die von der Wechselkursseite ausgehenden Einflüsse nur eine untergeordnete Rolle. Für die Importe gilt 100 1975 80 85 90 1995 o Ab 1991 Gesamtdeutschland. Deutsche Bundesbank dies in besonderer Weise. Hier ist das in- schen Wirtschaft und die zunehmende inter- ländische Einkommenswachstum die ent- nationale Diversifizierung der Produktion scheidende treibende Kraft (siehe Schaubild). ihren Niederschlag. Letztlich ist dadurch der Im Durchschnitt der letzten 20 Jahre lag Importgehalt der deutschen Produktion ge- die Einkommenselastizität der Importe bei wachsen. Auch das Konsumgüterangebot in knapp 2; das heißt eine einprozentige Erhö- Deutschland wird im Zeitablauf überpropor- hung des Bruttoinlandsprodukts ging mit tional durch ausländische Waren ergänzt. einer fast zweiprozentigen Erhöhung der Im- Beides ist Ausdruck der zunehmenden Ar- porte einher. Hierin finden der hohe außen- beitsteilung in der Weltwirtschaft. wirtschaftliche Verflechtungsgrad der deut- 53 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Reaktion der Handelsbilanz auf Wechselkursänderungen In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird der Einfluß von Wechselkursänderungen auf die Handelsbilanz üblicherweise im Rahmen eines partialanalytischen Elastizitätenansatzes diskutiert.1) Danach reagiert die Handelsbilanz „normal“ in dem Sinne, daß sie sich bei einer Aufwertung (Abwertung) der heimischen Währung verschlechtert (verbessert), wenn die Summe der Nachfrageelastizitäten auf der Export- und Importseite – absolut betrachtet – größer als Eins ist („Marshall-Lerner-Bedingung“). Rein formal gesehen ist diese Voraussetzung nach den im Anhang erläuterten Schätzungen der entsprechenden Elastizitäten langfristig erfüllt. Streng genommen ist die Marshall-Lerner-Bedingung hier aber nicht anwendbar, da sie nur für den Fall eines vollständigen „exchange rate pass-through“ gilt – wie dies in der traditionellen außenwirtschaftlichen Literatur im allgemeinen angenommen wurde. Legt man statt dessen die hier verwendeten Ansätze für das Preis- und Nachfrageverhalten zugrunde, die sich etwas vereinfacht folgendermaßen darstellen lassen, α1 PX = P · PX PM P P* = = = = α2 β1 ( ) , PM = ( ) P* W P* W β2 ·P ,X= ( PX · W P* –η PM P –ε W X M = gewogener nominaler Außenwert = Exportmenge = Importmenge, ) ,M=( ) Exportpreis Importpreis Inlandspreisniveau Auslandspreisniveau so erhält man als Bedingung für eine normale Reaktion der Handelsbilanz: –η · α2 + η + α2 + ε · β1 – β1 > 0, wobei η die Preiselastizität der Exportnachfrage und ε die Preiselastizität der Importnachfrage bezeichnen; die Exponenten α1 und α2 beziehungsweise β1 und β2 stehen für den „pass-through“- und den „pricing-tomarket“-Koeffizienten in der Exportpreis- beziehungsweise Importpreisgleichung. Für α2 = 0 und β1 = 1 erhält man unmittelbar die „herkömmliche“ Marshall-Lerner-Bedingung: η + ε > 1. In diesem Sinne handelt es sich bei der modifizierten Bedingung um eine Art „verallgemeinerter“ Marshall-Lerner-Bedingung, die dem Aspekt eines möglichen „pricing-to-market“ Rechnung trägt. Bei einer Koeffizientenkonstellation analog den Schätzergebnissen für die Kurzfristgleichung im Anhang (α2 = 0,10, β1 = 0,47, η = 0 und ε = 0), ist diese Bedingung nicht erfüllt, d. h. der Handelsbilanzsaldo reagiert kurzfristig anomal. Nach den Schätzungen für die Langfristbeziehung (α2 = 0,11, β1 = 1,00, η = 0,87 und ε = 0,18) ist dagegen die Bedingung einer normalen Reaktion der Handelsbilanz gegeben.2) Neben dieser eher theoretischen Lösung kann man den Wechselkurseinfluß auf den Handelsbilanzsaldo im Rahmen von Simulationsrechnungen bestimmen. Hier faßt man die einzeln geschätzten Preis- und Mengenfunktionen für Exporte und Importe zu einem Gesamtsystem zusammen und beurteilt die Wechselkurswirkungen im Gesamtzusammenhang. Die Simulationsergebnisse (siehe nebenstehende Tabelle) zeigen, daß eine 5 %ige reale Aufwertung der D-Mark zunächst zu einer Erhöhung der Terms of Trade um rund 1,8 % führt, wobei sich dieses Ergebnis zusammensetzt aus einer 2,3 %igen Verbilligung der Importgüter und einer – bedingt durch eine kurzfristige „pricing-to-market“-Strategie der Exporteure – 0,5 %igen Reduzierung der DM-Ausfuhrpreise. Im weiteren Verlauf erreicht der Anstieg der Terms of Trade mit einem Wert von 4,4 % fast das Niveau der anfangs angenommenen Aufwertung von 5 %. Der verbleibende Abstand von 0,6 % ist auf das auch in längerer Frist anhaltende „pricing-to-market“ der Exporteure zurückzuführen, in dem sich bis zu einem gewissen Grade allerdings auch statistische Unzulänglichkeiten widerspiegeln mögen. Der Preisreaktion stehen die Mengenbewegungen gegenüber, die jedoch erst im Laufe der Zeit an Bedeutung gewinnen. Auf lange Sicht addieren sie sich auf insgesamt – 4,8 %; davon entfallen 3,9 % auf den Rückgang der Exportmenge und 0,9 % auf die Zunahme der Importgüternachfrage. Insgesamt verbleibt nach vollzogener Anpassung eine Verschlechterung der Handelsbilanz in der Größenordnung von 0,4 %. 1 Zur näheren Erläuterung vgl. zum Beispiel Jarchow, H.-J., Rühmann, P. (1991), Monetäre Außenwirtschaft, Band I, 3. Auflage, Göttingen, S. 43 ff. — 2 Im Kern entspricht der Verlauf des Handelsbilanzsaldos somit dem Deutsche Bundesbank 54 sogenannten J-Kurveneffekt. Siehe dazu zum Beispiel Willms, M. (1995), Internationale Währungspolitik, München, S. 45 ff. Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 … und der Exporte Ähnlich stellt sich die Situation auf der Exportseite dar; auch hier sind das Wachstum Simulation: Dauerhafte Aufwertung der D-Mark um 5 % der Absatzmärkte der deutschen Wirtschaft Veränderung in % oder das gesamte Welthandelsvolumen die Kurzfristige Reaktion maßgeblichen Erklärungsgrößen für die Ge- Export real Import real + 0,0 + 0,0 samtentwicklung. Eine einprozentige Erhö- Handelsbilanzsaldo 1) real + 0,0 hung des Welthandelsvolumens ging im Exportpreise Importpreise – 0,5 – 2,3 Durchschnitt der letzten zwanzig Jahre mit Terms of Trade + 1,8 einem Wachstum der deutschen Ausfuhren Export nominal Import nominal – 0,5 – 2,3 in fast ähnlichem Ausmaß einher.6) Demnach Handelsbilanzsaldo 1) nominal + 1,8 konnte die deutsche Exportwirtschaft ihre Langfristige Reaktion Weltmarktanteile zwar nicht ohne Abstriche Export real Import real – 3,9 + 0,9 halten; die hier zu verzeichnenden Markt- Handelsbilanzsaldo 1) real – 4,8 anteilsverluste haben sich ähnlich wie bei den Exportpreise Importpreise – 0,6 – 5,0 anderen Industrieländern aber im wesent- Terms of Trade + 4,4 lichen aus der zunehmenden Integration der Export nominal Import nominal – 4,5 – 4,1 Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft er- Handelsbilanzsaldo 1) nominal – 0,4 geben. Auch die Vereinigung der beiden Teile 1 Hier definiert als Verhältnis der Exporte zu den Importen. Deutschlands und der fortschreitende Trans- Deutsche Bundesbank formationsprozeß in Mittel- und Osteuropa haben, vor allem während der letzten Jahre, weise im Falle einer Aufwertung verhältnis- dazu beigetragen. mäßig schnell und stark abnehmen, während „pricing-to-market“-Verhalten auf der Exportseite das „Durchwirken“ der Aufwertung Zusammenfassung: Wechselkurs und der heimischen Währung auf die in Fremd- Handelsbilanz währung gerechneten Absatzpreise abmildert. Spiegelbildlich dazu geben in dieser Typische Reaktionsmuster Die zusammengefaßten Wirkungen von Phase also die DM-Exportpreise etwas nach. Wechselkursänderungen auf den Außenhan- Den hier vorgelegten Rechnungen zufolge ist del finden, wie eingangs geschildert, in der der Effekt aber nicht sehr ausgeprägt, so daß Handelsbilanz ihren Niederschlag. Ihre Ent- bei einer realen DM-Aufwertung per saldo wicklung ist also letztlich Ausdruck des Zu- von der Preisseite her mit einer deutlichen sammenspiels von Preis- und Mengeneffek- Verbesserung des realen Austauschverhältnis- ten, die mit unterschiedlichen zeitlichen Verzögerungen die wertmäßigen Handelsströme beeinflussen. Typischerweise treten die Preisreaktionen am raschesten ein. Das gilt insbesondere für die Wirkung einer Wechselkursänderung auf die Importpreise, die beispiels- 6 In dem betragsmäßigen Unterschied zwischen der genannten Importelastizität in bezug auf das deutsche Realeinkommen und der Exportelastizität in bezug auf das Welthandelsvolumen spiegelt sich letztlich das höhere Wachstumstempo des Welthandels wider, der im Durchschnitt etwa doppelt so schnell gestiegen ist wie das weltweite Bruttoinlandsprodukt. 55 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 ses (Terms of Trade) und daher zunächst mit gen werden. Auf dieser Basis erhält man die einer tendenziellen Aktivierung des Handels- in der Übersicht auf Seite 55 angegebenen bilanzsaldos zu rechnen ist. Größenordnungen. Im Gesamtergebnis zeigt sich, daß die deutsche Außenhandelsbilanz Die entsprechenden Mengenwirkungen tre- langfristig auf Wechselkursänderungen nor- ten erst nach einiger Zeit auf. Im Falle einer mal reagiert; das heißt einer realen Aufwer- Aufwertung der heimischen Währung beste- tung steht auf längere Sicht eine Verschlech- hen diese in einer Dämpfung der realen Ex- terung der Außenhandelsbilanz gegenüber, porte und in einer allerdings nur verhältnis- und umgekehrt. Bei einem Vergleich der ab- mäßig schwach ausgeprägten Anregung der geleiteten Reaktionsmuster mit der tatsäch- Importe. Die Wirkung auf den Saldo der Han- lichen Entwicklung der deutschen Handels- delsbilanz ist von daher eindeutig negativ; bilanz während der betrachteten letzten das heißt die Handelsbilanz passiviert sich 20 Jahre ist aber zu beachten, daß neben den tendenziell. hier in erster Linie untersuchten Wechselkurseffekten auch noch andere wichtige Einfluß- Der gesamte Effekt aus den geschilderten faktoren, wie beispielsweise das Wirtschafts- Preis- und Mengenbewegungen ist ohne nä- wachstum und die Entwicklung des Welthan- here Quantifizierung der einzelnen Preis- und dels, maßgeblich den Außenhandel mitbe- Mengenwirkungen unbestimmt. stimmen. Im allgemeinen dominieren die Um hierüber dennoch nähere Aufschlüsse zu davon ausgehenden Wirkungen sogar die zu erlangen, ist es notwendig, die Bedeutung beobachtenden Entwicklungstendenzen. Von der Einzeleffekte abzuschätzen, und sie in daher ist erklärlich, daß sich der Einfluß der einer Simulationsanalyse miteinander zu ver- Wechselkurse auf die deutsche Handelsbilanz knüpfen. Als Grundlage dafür können bei- mit dem „bloßen Auge“ kaum erkennen spielsweise die im Anhang näher erläuterten läßt. zunächst ökonometrischen Schätzungen herangezo- Anhang Theoretische Vorüberlegungen Zur ökonometrischen Analyse der Wir- gegangen, daß die Unternehmen ihren Angebots- kungen von Wechselkursveränderungen preis im Wege der Aufschlagskalkulation ermitteln auf Außenhandelspreise und -mengen („mark-up pricing“). Ausgangspunkt der ökonometrischen Unter- suchungen sind Bestimmungsgleichungen für die Export- und Importpreise sowie die entsprechenden Nachfragefunktionen. In Anlehnung an andere empirische Studien7) wird hierbei davon aus- 56 7 Menon, J. (1996), The Degree and Determinants of Exchange Rate Pass-Through: Market Structure, NonTariff Barriers and Multinational Corporations, in: The Economic Journal, Vol. 106, S. 438. Normale Reaktion der deutschen Handelsbilanz Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Exportpreise Der Exportpreis (in inländischer Währung) ergibt setzung dagegen allein an der eigenen Kosten- sich also durch einen Gewinnaufschlag auf die situation (γ = 0), dann ist 100%iges „exchange Stückkosten des exportierenden Unternehmens:8) rate pass-through“ gegeben, das heißt der Exportpreis in ausländischer Währung (W · PX) bewegt (1) PX = (1 + π) · C sich im Gleichlauf zu den Wechselkursschwankungen. Zwischen diesen beiden Extremen (0 < γ < 1) PX = Exportpreis (in inländischer Währung) führen Wechselkursausschläge zur gleichzeitigen π = Gewinnaufschlag („mark-up“) Variation von Gewinnmargen und Verkaufsprei- C = inländisches Kostenniveau. sen. Ein Wert für den „pricing-to-market“-Koeffizienten von γ = 0.3 impliziert beispielsweise, daß Der Aufschlagsatz π ist allerdings nicht konstant, der Exporteur nach einer zehnprozentigen Auf- sondern abhängig von der Wettbewerbssituation wertung seine Stückerlöse um 3% reduziert und auf dem betreffenden Absatzmarkt. Ein Maß für seine Verkaufspreise im Ausland um 7% erhöht. die preisliche Wettbewerbsfähigkeit des betrachteten Exporteurs auf den betreffenden ausländi- Die Importpreise lassen sich, in Analogie zu der schen Exportmärkten ist das Verhältnis zwischen Exportpreisgleichung, als Funktion des ausländi- dem ausländischen Konkurrenzpreis für das be- schen Kostenniveaus (in heimische Währung um- treffende Gut und dem eigenen Angebotspreis gerechnet) und des inländischen Konkurrenzpreis- des Exportunternehmens (umgerechnet in auslän- niveaus modellieren (in logarithmierter Form): dische Währung). Je höher der ausländische Konkurrenzpreis im Verhältnis zum Angebotspreis des (4) pm = δ · p + (1 – δ) · (c* – w), 0 ≤ δ ≤ 1 Exporteurs ist, desto höher kann dieser den eigenen Aufschlagsatz π wählen: pm = Importpreise (in inländischer Währung) p P* β , mit β ≥ 0 (2) (1 + π) = W · PX ( ) = inländischer Konkurrenzpreis c* = ausländisches Kostenniveau w P* = Konkurrenzpreis im Ausland (in ausländischer = gewogener nominaler Außenwert der D-Mark. Währung) W = Außenwert der inländischen Währung. Allerdings ließen die Schätzresultate auf der Basis dieses Ansatzes keine stabile Kointegrationsbezie- Gleichung (2) eingesetzt in (1) ergibt in logarithmierter Form: (3) px = γ · (p* – w) + (1 – γ) · c, mit γ = hung erkennen. Weiterhin war – unabhängig von den zugrundegelegten Preisreihen – der Koeffi- β ≥ 0. 1+β zient δ in allen Fällen nicht signifikant von Null verschieden. Anscheinend ist die Preispolitik der ausländischen Lieferanten oder der deutschen Im- Der Koeffizient γ mißt, inwieweit sich die Expor- porteure langfristig im wesentlichen kostenorien- teure bei ihrer Preisgestaltung am Preis konkurrierender Anbieter aus dem Ausland orientieren. Bei γ = 1 betreiben die Exporteure ein 100%iges „pricing-to-market“. Orientieren sie sich bei der Preis- 8 Theoretische Grundlage ist das ,Extended Dixit-StiglitzModell’. Dornbusch, R. (1987), Exchange Rates and Prices, in: The American Economic Review, Vol. 77, No. 1, S. 99 ff. 57 Importpreise Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 tiert. Im Hinblick auf den relativ hohen Anteil von y = inländische Aktivitätsvariable (real) Energierohstoffen an den deutschen Einfuhren ist p = Inlandspreisniveau. dies nicht unplausibel. Daher wurde für die Importpreise ein etwas modifizierter Ansatz verwen- Die Preis- und Mengengleichungen wurden mit det; neben dem ausländischen Kostenniveau wur- Hilfe eines einstufigen Fehlerkorrekturmodells den die Energierohstoffpreise als selbständige nach Stock geschätzt.12) Zusätzlich berechnen wir Determinante der inländischen Einfuhrpreise be- hier für die Langfristkoeffizienten die t-Statistiken rücksichtigt. In logarithmierter Form lautet der ge- mit Hilfe der Bewley-transformierten Gleichung,13) wählte Schätzansatz wie folgt: da auf die herkömmlichen t-Werte der Stock-Me- Schätzmethode thode die üblichen Signifikanztests aufgrund der (4’) pm = α · (c* – w) + β · (roh – w$) Nichtstationarität der Regressoren nicht anwendbar sind.14) w$ = nominaler Außenwert der D-Mark gegenüber dem US-Dollar Der den Schätzungen zugrundegelegte Beobach- roh = Energierohstoffpreis in Dollar gerechnet. tungszeitraum erstreckt sich vom 1. Quartal 1975 bis einschließlich 4. Quartal 1995. Alle verwende- Dabei wird der Langfristkoeffizient des ausländi- ten Zeitreihen sind saisonbereinigt.15) Bei den in- schen Kostenniveaus (α) auf Eins restringiert.9) Das ländischen Zeitreihen wurde bis zum 4. Quartal heißt, die Einfuhrpreise werden bei gegebenen 1990 auf Quartalsdaten für Westdeutschland zu- Energierohstoffpreisen als langfristig proportional rückgegriffen, ab 1. Quartal 1991 auf die ent- 10) Export- und Importnachfrage zum Kostenniveau im Ausland angenommen. sprechenden Zahlen für Gesamtdeutschland. Die Export- und Importnachfragefunktionen lassen 9 Die in Gleichung (3) und (4) gesetzten a priori Restriktionen gewährleisten in Verbindung mit den Exportund Importnachfragegleichungen (5) und (6), daß eine proportionale Entwicklung des inländischen und ausländischen Preis- beziehungsweise Kostenniveaus – das heißt, der reale Außenwert bleibt konstant – ohne langfristige Auswirkungen auf den Außenhandelsbilanzsaldo bleibt. 10 Diese vorab gesetzte Annahme wird durch nicht restringierte Schätzungen gerechtfertigt. Statistische Testverfahren zeigen hier, daß der „frei“ geschätzte Koeffizient des ausländischen Kostenniveaus nicht signifikant von Eins verschieden ist. 11 Vgl. zu einer ausführlichen Diskussion Sanderman, G. (1975), Die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik Deutschland. 12 Stock J.H. (1987), Asymptotic Properties of Least Square Estimators of Cointegrating Vectors, in: Econometrica, Vol. 55, S. 1035 ff. 13 Scharnagl, M. (1996), Geldmengenaggregate unter Berücksichtigung strukureller Veränderungen an den Finanzmärkten, Diskussionspapier 2/96, Volkswirtschaftliche Forschungsgruppe der Deutschen Bundesbank, S. 21. 14 West, K.D. (1988), Asymptotic Normality, When Regressors Have A Unit Root, in: Econometrica, Vol. 56, S. 1397 ff. 15 Saisonbereinigung hier mit Hilfe der Prozedur „Ratio to Moving Average – Multiplicative“ des zur Schätzung verwendeten Programmpakets Eviews (Version 2.0). sich aus nutzen- und/oder produktionstheoretischen Überlegungen ableiten. Im Ergebnis ist die jeweilige Nachfrage von einer Aktivitätsvariablen und den relativen Preisen abhängig.11) Die (logarithmierte) Schätzfunktion für die (realen) Exporte lautet demnach: (5) x = η0 + η1 · y* – η2 · (px – (p* – w)) x = Exporte (real) y* = ausländische Aktivitätsvariable (real) p* = Auslandspreisniveau. Ähnlich gilt für die (realen) Importe: (6) m = ε0 + ε1 · y – ε2 · (pm – p) m = Importe (real) 58 Daten Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Die Export- und Importpreise wurden durch die den Schätzgleichungen für die Export- und Import- deutschen Ausfuhrpreise und Einfuhrpreise ge- nachfrage durch einen „Shiftdummy“ Rechnung messen; das inländische und ausländische Kosten- getragen, dessen Wert vom 1. Quartal 1975 bis beziehungsweise Preisniveau wurde durch den einschließlich dem 4. Quartal 1990 Null und an- 16) Alternativ schließend Eins beträgt. Ein zusätzlicher „Shift- dazu wurden auch andere Indikatoren – wie bei- dummy“ berücksichtigt den statistischen Bruch, spielsweise die Lohnstückkosten und die Erzeuger- der durch die Umstellung der Außenhandelsstati- preise des Verarbeitenden Gewerbes (Inlandsab- stik Anfang 1993 eingetreten ist. Der Wert dieses satz) verwendet. Die Ergebnisse erwiesen sich „Binnenmarkt-Dummy“ zwar im allgemeinen als weitgehend unabhängig 4. Quartal 1992 Null, danach Eins. Gesamtabsatzdeflator abgebildet. ist bis einschließlich von der Wahl des Preis- beziehungsweise Kostenindex; in den Schätzungen für die Exportpreise Für die Preisgleichungen wird dagegen nur ein zeigte sich jedoch der Gesamtabsatzdeflator als Dummy für den vereinigungsbedingten Bruch der 17) der überlegenere Kostenindikator. Preisvariablen verwendet. Dabei wird der „Vereinigungsdummy“ hier nicht als eine reine (0,1)-Varia- Als Preise für Energierohstoffe wurde der entspre- ble modelliert, sondern als ,gleitende’ Variable, um chende HWWA-Preisindex (auf US-Dollarbasis) ver- den sukzessiven Preisanpassungen in Ostdeutsch- wendet. land gerecht zu werden. Der Wert des Dummys beträgt vom 1. Quartal 1975 bis einschließlich Zur Schätzung der Import- und Exportnachfrage 4. Quartal 1990 Null. Nach diesem Zeitpunkt wird wurde als zu erklärende Variable die Wareneinfuhr er bis zum 3. Quartal 1994 logarithmisch an den beziehungsweise Warenausfuhr in der Abgren- Wert Eins herangeführt, womit unterstellt wird, zung des Spezialhandels (cif/fob) herangezogen, daß die Preisanpassung in Ostdeutschland bis die mit Hilfe der Einfuhrpreise beziehungsweise Mitte 1994 weitgehend vollzogen war. Ausfuhrpreise preisbereinigt wurden. Bei der Schätzung der Preisgleichungen muß Als Aktivitätsvariable diente bei der Schätzung der zwangsläufig auf hochaggregierte Preis- bezie- Importnachfrage das (deutsche) reale Bruttoin- hungsweise Kostenindizes zurückgegriffen wer- landsprodukt und bei der Exportnachfrage das den. In diesem Zusammenhang treten häufig In- Welthandelsvolumen. dexaggregationsprobleme auf, die aus Strukturverschiebungen in den zugrundeliegenden unter- Alle Variablen sind integriert vom Grade 1 (Irrtumswahrscheinlichkeit < 5%), das heißt, sie sind differenzenstationär. Damit ist die Grundvoraussetzung zur Anwendung des hier benutzten Verfahrens erfüllt. Statistische Brüche in den Zeitreihen Dem vereinigungsbedingten statistischen Bruch in den Reihen für die realen Exporte und Importe sowie des realen Bruttoinlandsprodukts wurde in 16 Der ausländische Gesamtabsatzdeflator wird als geometrisches Mittel für die Gruppe der 18 Industrieländer ermittelt, wobei die Gewichte analog der Berechnung des gewogenen Außenwerts eingesetzt werden. Zu näheren Angaben über die Berechnungsmethode siehe Deutsche Bundesbank, Aktualisierung der Außenwertberechnung für die D-Mark und fremde Währungen, Monatsbericht, April 1989, S. 44 ff. 17 Vgl. Clostermann, J. (1996), Der Einfluß des Wechselkurses auf die Handelsbilanz, Diskussionspapier 7/96, Volkswirtschaftliche Forschungsgruppe der Deutschen Bundesbank. 59 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Exportpreis (I/1975-IV/1995) Position Exportpreis insgesamt Exportpreis EU Exportpreis Nicht-EU Koeffizient t-Wert Koeffizient t-Wert Koeffizient t-Wert Langfristregression 1) Konstante Gesamtabsatzdeflator Inland Gesamtabsatzdeflator Ausland/Außenwert Trend Dummy1 4,64 0,89 0,11 – 0,00 – 0,07 (182,29) (23,27) (3,02) (9,41) (6,93) 4,68 0,91 0,09 – 0,00 – 0,08 (396,48) (53,27) (5,27) (15,58) (12,62) 4,63 0,89 0,11 – 0,00 – 0,06 (128,63) (16,19) (2,00) (6,80) (4,89) 0,41 – 0,03 0,45 0,04 – 0,31 (5,62) (1,95) (4,90) (2,85) (5,16) 0,27 – 0,03 0,31 0,09 – 0,24 (3,08) (1,86) (2,84) (2,65) (3,86) Kurzfristregression d(Exportpreis(– 1)) d(Dummy1) d(Gesamtabsatzdeflator Inland) d(Gesamtabsatzdeflator Ausland/Außenwert Fehlerkorrekturterm 0,31 – 0,03 0,35 0,10 – 0,22 (3,95) (2,47) (3,91) (4,14) (3,52) Teststatistiken Korr. R2 DW 0,70 1,96 0,70 2,16 0,59 1,95 1 Langfristkoeffizienten der beiden Preisvariablen sind auf Eins restringiert. Deutsche Bundesbank Schätzergebnisse für die Ausfuhrpreise … schiedlichen Warenkörben resultieren.18) Um dem Dagegen kommt in der kurzen Frist dem „pricing- Rechnung zu tragen, wurde bei den ökonometri- to-market“ eine relativ größere Bedeutung zu. schen Schätzungen in den Preisgleichungen zu- Kostenveränderungen schlagen sich auf kurze sätzlich eine Trendvariable berücksichtigt.19) Sicht nur zu 35% in den Exportpreisen nieder. Die Schätzergebnisse für die deutschen Ausfuhr- Um mögliche regionale Unterschiede im Preisver- preise sind in der obenstehenden Tabelle darge- halten zu testen, wurden die Exportpreise separat stellt. Der Koeffizient des Fehlerkorrekturterms ist für die deutsche Warenausfuhr in die EU 20) und negativ und auf dem 10-%-Niveau signifikant, so außerhalb der EU geschätzt. Die langfristigen daß langfristig die Koeffizienten der Kointegra- Schätzresultate der beiden regionalspezifischen tionsbeziehung zum Tragen kommen. Danach betreiben die deutschen Exporteure langfristig weitgehend eine Politik des „exchange rate passthrough“. Auf lange Sicht wird eine Aufwertung der D-Mark zu rund 90 % in den Verkaufspreisen im Ausland weitergereicht und zu etwa 10 % durch niedrigere Gewinnmargen absorbiert. 60 18 Athukorala, P., Menon, J. (1995), Exchange Rates and Strategic Pricing: The Case of Swedish Machinery Exports, in: Oxford Bulletin of Economics and Statistics, Vol. 57, No. 4, S. 536. 19 Ketelsen U., Kortelainen M (1996), The Pass-Through of Exchange Rate Changes to Import Prices, Bank of Finland Discussion Paper 26/96, S.17. 20 Die EU umfaßt hier laut Exportpreisstatistik folgende Ländergruppe: Belgien/Luxemburg, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Holland, Italien, Dänemark, Griechenland, Portugal, Irland; die Nicht-EU repräsentiert alle übrigen Länder. Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Exportpreisgleichungen zeigen sowohl untereinan- Importpreis der als auch gegenüber den Ergebnissen für die Gesamtschätzung keine nennenswerte Unterschiede (siehe Tabelle S. 60). Regionalspezifische (I/1975–IV/1995) Importpreis gesamt Position Koeffizient Unterschiede sind allein kurzfristig zu beobachten. Bei Exporten in Nicht-EU-Länder geht nach diesen Schätzungen im Durchschnitt eine zehnprozentige Aufwertung mit einer einprozentigen Reduktion Langfristregression Konstante P* Energierohstoffpreis Trend Dummy1 der Gewinnmargen einher, während bei den Ausfuhren in die EU eine gleich hohe Aufwertung nur zu 0,5% durch eine Verringerung der Gewinnspanne ausgeglichen wird. Gewisse Anhaltspunkte gibt es überdies dafür, daß auch Veränderungen der Kostensituation von den deutschen Exporteuren bei Lieferungen innerhalb und außerhalb der stisch signifikant. Eine zehnprozentige Kostener- 4,23 (140,21) 1,00 (restringiert) 0,09 (5,22) – 0,00 (9,67) 0,05 (1,69) Kurzfristregression d(Importpreis(– 1)) d(Importpreis(– 3)) d(Dummy1) d(Energierohstoffpreis) d(P*) d(P*(– 1)) d(P*(– 4)) d(P) d(P(– 1)) Fehlerkorrekturterm EU preispolitisch unterschiedlich umgesetzt werden; allerdings sind diese Unterschiede nicht stati- t-Wert 0,46 0,12 – 0,06 0,09 0,47 – 0,17 – 0,25 0,60 – 0,61 – 0,18 (5,44) (2,00) (1,54) (6,66) (6,24) (2,06) (3,88) (2,12) (2,19) (3,40) Teststatistiken Korr. R2 DW 0,83 1,78 höhung führt nach den vorliegenden Ergebnissen P* = Gesamtabsatzdeflator Ausland/Außenwert. – P = Gesamtabsatzdeflator Inland. bei den Exporten in EU-Länder im ersten Quartal Deutsche Bundesbank zu einem Preisanstieg von 4,5%, während sich die deutschen Absatzpreise außerhalb der EU nur um satzdeflator als Maß für das Konkurrenzpreis- rund 3% erhöhen. Darüber hinaus passen sich die niveau aufgenommen, um kurzfristiges „pricing- Exporteure bei ihrer Preisgestaltung im Handel to-market“-Verhalten aufdecken zu können. Da- innerhalb der EU schneller an die langfristigen, nach scheinen die Importeure, ähnlich wie die Ex- vornehmlich porteure, kostendeterminierten „Gleichge- Wechselkursschwankungen zunächst wichts“-Preise an. Ungleichgewichte zwischen ak- zwar großteils durch Variationen der Gewinnmar- tuellem und langfristigem Verkaufspreis werden gen zu neutralisieren, aber später in ihren Absatz- hier pro Quartal um rund 30% abgebaut; bei den preisen weiterzugeben. Exporten außerhalb der EU beträgt die Anpassung nur ungefähr 25%. Auch diese Unterschiede sind Die Schätzergebnisse für die Export- und Import- jedoch nicht statistisch signifikant; insofern sollten nachfrage sind in der Tabelle auf S. 62 zusammen- auch keine zu weitreichenden Schlußfolgerungen gefaßt. In beiden Gleichungen besitzt der Fehler- daraus gezogen werden. korrekturterm jeweils das für ein langfristig stabiles Gleichgewicht erforderliche signifikant nega- … und Einfuhrpreise Bei den deutschen Einfuhrpreisen sind langfristig tive Vorzeichen (Irrtumswahrscheinlichkeit < 1%). wie auch kurzfristig die Energiepreis- und Kosten- Gleichzeitig ist die Anpassungsgeschwindigkeit an entwicklung im Ausland die dominanten Erklä- das langfristige Gleichgewicht mit einem Wert von rungsgrößen (siehe Tabelle). In die Kurzfristregres- rund 0,6 beziehungsweise 0,8 sehr hoch. Die Ak- sion wurde außerdem der inländische Gesamtab- tivitätsvariable ist in beiden Fällen sowohl lang- 61 Export- und Importnachfrage Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 1997 Export- und Importnachfrage I/1975–IV/1995 Exportnachfrage Position Koeffizient Importnachfrage t-Wert Position Langfristregression Konstante Dummy1 (Vereinigung) Dummy2 (Binnenmarkt) Exportpreis/Gesamtabsatzdeflator Ausland/Außenwert Welthandelsvolumen 13,73 – 0,08 – 0,08 – 0,87 0,80 – 0,20 – 0,06 0,68 – 0,59 2,68 – 0,11 – 0,07 (6,58) (7,01) (5,48) – 0,18 1,90 (4,52) (43,11) Kurzfristregression (2,48) (2,23) (4,26) (6,38) d(Importe real(– 2)) d(Importe real(– 4)) d(Dummy1) d(Dummy2) d(Bruttoinlandsprodukt (real)) Fehlerkorrekturterm Teststatistiken Korr. R2 DW t-Wert Langfristregression (31,42) Konstante (4,52) Dummy1 (Vereinigung) (4,04) Dummy2 (Binnenmarkt) Importpreis/Gesamtabsatzdeflator (10,48) Inland (25,23) Bruttoinlandsprodukt (real) Kurzfristregression d(Exporte real(– 1)) d(Dummy2) d(Welthandelsvolumen) Fehlerkorrekturterm Koeffizient 0,55 1,99 0,21 0,13 – 0,05 – 0,09 1,51 – 0,76 (2,84) (1,89) (1,81) (4,23) (7,49) (6,49) Teststatistiken Korr. R2 DW 0,63 2,17 Deutsche Bundesbank fristig als auch kurzfristig die dominante Erklä- feststellbar. Dagegen liegt die langfristige Preis- rungsgröße. Kurzfristig ist keine signifikante Reak- elastizität der Exportnachfrage bei knapp – 0,9, tion sowohl der Exporte als auch der Importe auf während die Importnachfrage „nur“ einen Wert Preis- beziehungsweise Wechselkursänderungen von – 0,2 erreicht. 62