58 4 Das Emotionale Feld: Entwicklung und Arbeitsabläufe Der Einstieg in die Entwicklung des Emotionalen Feldes geschieht durch szenische Imagination. Dabei stellen sich die Patienten nach Möglichkeit mit geschlossenen Augen eine problematische Szene vor, die sie in ihrem Alltag erlebt haben. Aus Sicht der Kognitionspsychologie ähnelt dies der Erfahrung einer Wahrnehmung, ereignet sich aber in Abwesenheit eines dazu passenden externen Stimulus (Kosslyn et al. 2006). Imagination ist kein Vorgang, der in Isolation vom Körper geschieht. Die meisten Forscher stimmen heute darin überein, dass die neuralen Prozesse, die den multimodalen Wahrnehmungen zugrunde liegen, auch bei der Imagination aktiv werden (Kosslyn et al. 2006). Imaginationsleistungen bedienen sich nicht nur des motorischen Systems, sondern beziehen – genauso wie dies beim Wahrnehmen und Erkennen geschieht – den ganzen Körper mit ein. Die Imagination lässt sich somit angemessen nur aus der Perspektive des Embodiment verstehen und nimmt eine Schlüsselstellung innerhalb vieler Formen mentaler Simulation ein (Barsalou 2008; Moulton u. Kosslyn 2009). Die zweite Form der Emotionsaktivierung – sie ist in der gegenwärtigen Therapiepraxis neuartig – repräsentiert die Embodiment-Perspektive in geradezu klassischer Weise. Es handelt sich dabei um die Darstellung der Emotionen mithilfe des Körpers. Dies ist günstig, wenn Patienten nicht über einen ausreichenden emotionalen Erfahrungsschatz verfügen, z. B. weil sie solche Emotionen systematisch vermeiden. Unsere Embodiment-Techniken setzen nicht voraus, dass sich die Patienten in entsprechende Vorstellungen, z. B. eine Beerdigung, hineinversetzen, damit eine spezifische Emotion, wie z. B. Trauer, induziert wird. Dies hat den Vorteil, dass nicht noch zusätzlich Nebenschauplätze aktiviert werden. Das willkürliche Herstellen von Körperhaltungen, Gesichtsausdrücken und Atemmustern reicht zu diesem Zweck schon aus. In Kapitel 3 haben wir die entsprechenden »Emotionsmuster« beschrieben. Bei unserem Vorgehen geschieht emotionale Aktivierung also auf zweierlei Weise: durch szenische Imagination und yy durch Einsetzen der Emotionsmuster, deren Embodiment-Techniken in Kayy pitel 3 beschrieben sind. Die eigentliche Arbeit im Emotionalen Feld ist in sieben Schritte gegliedert. Innerhalb dieser Schrittfolge kommen verhaltenstherapeutische Prinzipien der Aufmerksamkeitslenkung, der Exposition und des Diskriminationslernens zur Anwendung (▶ Abb. 4-1). Hauke, Dall’Occhio: Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) . ISBN: 978-3-7945-3067-0. © Schattauer GmbH 4 Das Emotionale Feld: Entwicklung und Arbeitsabläufe Vorbereitung Schritt I: Aufmerksamkeitslenkung Schritt II: Exposition Klinische Daten Überlebensstrategie Achtsamkeit und Körperfokus Auswahl und Aktivierung des Erlebens einer Problemsituation Schritt III: Diskrimination, Exposition Entwickeln des Emotionalen Feldes Schritt IV: Diskrimination Unterscheiden primärer und sekundärer Emotionen Schritt V: Exposition Schritt VI: Diskrimination, Exposition Schritt VII: Regulation 59 Vertiefen der Arbeit mit primären Emotionen Vertrautwerden mit weiteren Emotionen im Feld Emotional Mastery Abb. 4-1 Stufen der Emotionalen Aktivierungstherapie (EAT). Links die Prinzipien, die im jeweiligen therapeutischen Schritt im Vordergrund stehen. Die Patienten sollen lernen, die Fülle ihrer Gefühle gerade in problematischen Situationen wahrzunehmen und zu benennen. Im unmittelbaren Erleben erfahren sie die Wirkungen primärer und sekundärer Emotionen sowie die Vielfalt weiterer beteiligter Emotionen. Voraussetzung dafür ist das Aushalten unangenehmer bzw. oft vermiedener Gefühle. Weiterhin muss erlebt werden, wie sich unterschiedliche Handlungsimpulse diverser Emotionen »anfühlen«, damit auch ihr Kernthema zuverlässig erkannt werden kann. Im letzten Schritt geht es um die Verbindung von Emotionen und Zielsetzungen. Das »Meistern von Emotionen« (emotional mastery) umschreibt hier die Fähigkeit, Emotionen funktional für das Entwickeln und Erreichen persönlicher Ziele in der behandelten Problemsituation einsetzen zu können. Hauke, Dall’Occhio: Emotionale Aktivierungstherapie (EAT) . ISBN: 978-3-7945-3067-0. © Schattauer GmbH