Wenn die Sprache aufhört Menschen mit Demenz verstehen und begleiten Seminarunterlagen für ehrenamtliche MitarbeiterInnen ©Jörg Fuhrmann MSc (palliative-care) 2014 EINLEITUNG Ein Großteil unserer Gesellschaft gehört zu den hochbetagten und älteren Menschen. Viele von ihnen sind Menschen welche unter Demenz leiden. Für diese bedarf es einer besonderen Art der Zuwendung, Betreuung und Pflege. Es gilt jenen Menschen mit Demenz wieder einen Platz in „unserer“ Gesellschaft zu geben und sie als gleichwertig anzusehen. Um mit Ihnen in Kontakt zu treten ist viel Empathie gefragt und Feingefühl im Umgang mit Worten und bei Handlungen. Eine Vertrauensbasis muss als Grundlage geschaffen und gepflegt werden. Naomi Feil nannte es einst „In den Schuhen des Anderen gehen“. Der durch die Erkrankung hervorgehende Kontrollverlust und Verlust der Autonomie macht Menschen zornig und ängstlich. Herausforderndes Verhalten ist die Folge. Um diese Menschen mit Demenz auch zu verstehen, müssen wir lernen ihre Sprache zu sprechen, „die Sprache der Emotion“. Es geht darum sich einzulassen auf diese Menschen, betroffen zu sein von ihrer Situation und sich für Ihr Leben zu interessieren, um somit Handlungen und Reaktionen zu verstehen. Ein sichtbares Zeichen der Wahrung der Autonomie des Menschen mit Demenz sind die „Schuhe unter seinem Bett“ welche immer dort ihren Platz haben sollten. Es ist die Haltung mit der wir den Menschen mit Demenz begegnen. Stellen Sie sich vor der Betreuung und Pflege bewusst folgende drei Fragen… 1.Wer ist der Mensch den ich betreue und Pflege? Oder: Wer bist Du, der mich so nervt? 2.Was ist mein Ziel? 3.Wie wirke ich? …und reflektieren Sie diese nach jeder Betreuungs- und Pflegesituation für sich persönlich. Vielleicht finden Sie Antworten auf viele Fragen zum Thema Demenz. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 2 BEGRIFFSDEFINATION Eine Demenz (lat. Demens „ohne Geist“ bzw. Mens = Verstand, de = abnehmend) ist ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, das zu einer Beeinträchtigung sozialer und beruflicher Funktionen führt und meist mit einer diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einhergeht. Vor allem ist das Kurzzeitgedächtnis, ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik, bei einigen Formen auch die Persönlichkeitsstruktur betroffen. Maßgeblich ist der Verlust bereits erworbener Denkfähigkeiten im Unterschied zur angeborenen Minderbegabung. Heute sind verschiedene Ursachen von Demenzen geklärt; einige Formen können in gewissem Umfang behandelt werden, das heißt, die Symptome können im Anfangsstadium einer Demenz verzögert werden. Die am häufigsten auftretende Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Eine Demenz kann auf ganz verschiedenen Ursachen beruhen; für die Therapie ist die Klärung dieser Unterscheidungsmerkmale wichtig. Eine Demenz verläuft prinzipiell immer fortschreitend und führt nach unterschiedlich langer Zeit zum Tod. Durch eine medikamentöse Behandlung ist es möglich, das Fortschreiten mancher Demenz-Formen zu verzögern. Wichtig ist zu wissen, dass bei ca. 5- 10 % der demenziellen Störungen organische Ursachen zugrundeliegen, die gut behandelbar sind (sog. „reversible“ Demenzen, s.u.). Daher ist es bei der Diagnosestellung durch den Arzt immer sehr wichtig, diese gut behandelbaren Ursachen aufzuspüren und therapeutisch anzugehen. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 3 Eine Demenz umfasst folgende drei Elemente: • • • eine Störung des Gedächtnisses: Ein Patient kann sich z.B. gerade Besprochenes oder vereinbarte Termine nicht merken, oder er vergisst, wo er etwas soeben hingelegt hat; eine Beeinträchtigung in zumindest einem weiteren neuropsychologischen Teilbereich: z.B. eine Störung der Orientierung, des Sprachverständnisses, des Lesens, Schreibens oder Rechnens; eine damit verbundene alltagsrelevante Einschränkung der Lebensführung. Damit die Diagnose einer Demenz gestellt werden kann, muss die Symptomatik für mindestens sechs Monate bestehen. URSACHEN DER ERKRANKUNG Unter dem Oberbegriff Demenz werden verschiedene Formen der Demenz zusammengefasst. Da die häufigste Demenzerkrankung die Alzheimer-Demenz ist, wird in diesem Abschnitt vor allem auf diese Form der Demenz eingegangen. Die Ursachen für diese Form der Erkrankung sind trotz intensiver Forschung nicht vollständig geklärt. Es wird von multiplen Ursachen ausgegangen, wie z.B. den Erbanlagen oder Kopfverletzungen. Veränderung der Nervenzellen im Gehirn Im Gehirn eines Demenz-Kranken verändern sich die Nervenzellen, im Verlauf der Krankheit schrumpfen sie und Nervenzellkontakte gehen verloren. Bildlich gesprochen werden einzelne Informationen wie auf einer Festplatte unwiederbringlich gelöscht. Dies wird aber nicht sofort bemerkt, denn unser Gehirn ist trainiert, die fehlenden Informationen geschickt durch neue Verknüpfungen zu „ersetzen“. Verringern sich die Nervenzellen massiv, führt das zu einer Veränderung der Hirnstruktur. Es tritt ein Mangel an Botenstoffen, den Neurotransmittern, auf. Die Ausfälle sind offensichtlich. Ein Mangel an dem Botenstoff Acetylcholin z. B. löst Störungen in der Gedächtnisleistung aus. Das Fehlen von Noradrenalin oder Serotonin verändert das Verhalten eines Menschen, z. B. können Depressionen oder Angstzustände entstehen. Als Folge des Untergangs von Nervenzellen kommt es zur krankhaften Bildung von Eiweiß (Protein) und zu Ablagerungen im Gehirn. Hirngewebe, welches zuvor gesund war wird mit Amyloid-Plaques (abnorm veränderte Proteine zwischen den Zellen) und Neurofibrillen (z. B. Alzheimer-Fibrillen) durchsetzt. Innerhalb der Nervenzellen entsteht das giftige Protein A-beta-42, das den Stofftransport stoppt. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 4 Dadurch bilden sich in den Nervenzellen unlösliche Komplexe, die als Neurofibrillen identifiziert werden können. Zusätzlich schädigen die Plaques die angrenzenden Nervenzellen. Gesund Krank Über ein Computertomogramm (CT) lässt sich die Reduzierung des gesunden Hirngewebes (Atrophie) auch bildlich darstellen. Die Ursachen für die Demenzerkrankung lassen sich wie folgt aufzeigen: • 60 – 80 % Ursache Alzheimer – Krankheit • 10 – 25 % Gefäßerkrankungen – eine vaskuläre Demenz • Dritthäufigste Ursache sind sogenannte Lewy-Körperchen, die in den Nervenzellen und im Gehirn Beeinträchtigungen verursachen. • 5 – 10 % Frontallappen – Degeneration oder „Pick-Krankheit“ verwandt mit der Parkinson-Krankheit Weitere Ursachen sind: • Alkoholismus • Infektionskrankheiten wie HIV oder Syphilis • Stoffwechselstörungen • Vitamin B12-Mangel • Schilddrüsenunterfunktion SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 5 Formen von Demenz Es gibt verschiedene Formen der Demenz, die durch unterschiedliche Ursachen entstehen können. Nur Ihr Arzt kann durch einige Untersuchungen und Tests feststellen, um welche Form der Demenz es sich im konkreten Fall handelt. Dabei geht es ebenso um die kognitive Leistungsfähigkeit wie um verändertes Verhalten in Alltagssituationen oder die grundlegende Änderung der Persönlichkeit. Prozentuale Häufigkeit verschiedener Demenz-Ursachen: Reine Alzheimer-Demenz 55 %, vaskuläre Demenzen 15 %, vaskuläre Demenz und Alzheimer-Demenz gemischt 15 %, frontotemporale Demenzen (Morbus Pick) 5%, Demenzen bei anderen neurologischen Erkrankungen 5 %, reversible Demenzen 5 % Die Alzheimer-Demenz Etwa 70 Prozent der Demenz-Kranken leiden unter der Alzheimer-Demenz. Diese Erkrankung wurde nach seinem Entdecker, dem Psychiater und Neuropathologen Alois Alzheimer benannt. Sie tritt insbesondere nach dem 60. Lebensjahr auf. Die genaue Ursache ist noch ungeklärt, man weiß jedoch, dass die Gedächtnisstörungen durch die langsame Reduzierung von Nervenzellen ausgelöst werden. Symptome der Alzheimer-Demenz Die Ausprägung und Anzahl der Krankheitssymptome ist abhängig vom Krankheitsstadium und dem individuellen Verlauf der Krankheit. Eine Vielzahl der Patienten leiden unter Störungen des Gedächtnisses. Dies äußert sich in alltäglichen Situationen, z. B. beim Rechnen, einem eingeschränkten Erinnerungsvermögen und einer veränderten Wahrnehmung. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 6 Mit zunehmendem Verlauf der Krankheit hat der Betroffene Schwierigkeiten bei der Orientierung, er verliert langsam die Fähigkeit, sich zu artikulieren und verändert seine Persönlichkeit. Zudem verändert er sein Verhalten und leidet unter Angstzuständen und Verstimmungen. Alzheimer-Demenz: eine schleichende Krankheit Die Krankheit verläuft schleichend und die Symptome verändern sich im Verlauf der Krankheit. Die Alzheimer-Demenz kann in drei Stadien unterteilt werden: das frühe, mittlere und fortgeschrittene Krankheitsstadium. Frühes Krankheitsstadium Im frühen Krankheitsstadium bemerkt der Betroffene bzw. dessen Angehörige erste Gedächtnisstörungen. Der Betroffene hat Lücken in seinem Erinnerungsvermögen, er kann sich an zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern. Angehörige, aber auch der Betroffene selbst spüren, dass sich seine kognitive Leistungsfähigkeit verändert. Alltägliche Situationen, wie z. B. das Ausfüllen von Formularen, fallen schwerer. In der frühen Krankheitsphase werden die Einschränkungen im Alltag häufig auf das hohe Alter geschoben, ein Besuch beim Arzt wird nicht in Erwägung gezogen. Auch Angehörige erkennen die DemenzSymptome oft nicht als mögliche Krankheit. Falls Sie an sich selbst eine Veränderung merken, raten wir dazu, den Arzt Ihres Vertrauens aufzusuchen und ihm die Symptome zu schildern. Er kann Ihren Gesundheitszustand richtig einschätzen und eine Diagnose stellen. Mittleres Krankheitsstadium In diesem Krankheitsstadium wird in den meisten Fällen die Krankheit diagnostiziert. Die Beschwerden gehen über Gedächtnisstörungen hinaus. Der Betroffene hat Probleme, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Er ist auf fremde Hilfe angewiesen, z. B. beim Einkaufen, Kochen oder bei der Körperpflege. Mit zunehmendem Verlauf der Krankheit weiten sich die Gedächtnisstörungen auch auf länger zurückliegende Ereignisse aus. Der Betroffene kann sich nicht mehr erinnern, er verliert langsam das Gefühl für Raum und Zeit und hat Schwierigkeiten, sich verbal auszudrücken. Die Probleme, die sich durch die Krankheit ergeben, belasten besonders die Angehörigen. Der Betroffene zieht sich immer mehr zurück. Erschwerend kommt hinzu, dass der Betroffene selbst oftmals nicht das Gefühl hat, dass er krank ist. Er empfindet keinen Leidensdruck, eine besonders belastende Situation für Angehörige. Medizinisch wird dieses Phänomen Anosognosie genannt. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 7 In dieser Situation hilft es nicht, dem Demenz-Kranken Vorwürfe zu machen oder an seinen Willen zu appellieren. Die Angehörigen müssen lernen, mit der veränderten Situation umzugehen und sich auf die Krankheit und die neuen Umstände einzulassen. Fortgeschrittenes Krankheitsstadium Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium baut der Betroffene körperlich und geistig weiter ab. Er verliert die Kontrolle über Körperfunktionen, z. B. kann er unter Darmund Blaseninkontinenz leiden. In diesem Stadium ist der Betroffene auf fremde Hilfe angewiesen und muss gepflegt werden. Er benötigt eine Betreuung rund um die Uhr, also während des Tages und auch in der Nacht. Vaskuläre Demenz Die Symptome einer vaskulären Demenz sind denen anderer Demenzformen sehr ähnlich. Nach der Alzheimer-Demenz ist die vaskuläre Demenz die zweithäufigste Demenzerkrankung. Allerdings unterscheidet sich diese Form der Demenz durch die Ursache und demzufolge auch in der Therapie der Erkrankung. Ursache der vaskulären Demenz ist, dass durch Verengungen der Blutgefäße Teile des Gehirns nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Deshalb ist es möglich, diese Form der Demenz zu therapieren bzw. die Ursache zu beheben. Als Begleiterkrankungen können Depressionen oder Epilepsie auftreten. Hinweise auf vaskuläre Demenz sind z. B. Bluthochdruck oder ein Schlaganfall. Zudem zeigen Betroffene mit einer vaskulären Demenz einen raschen Beginn der Demenz-Symptome. Parkinson-Demenz In Deutschland leben etwa 250.000 bis 300.000 Parkinson-Patienten. Ähnlich wie bei der Demenzerkrankung sind von Parkinson vor allem ältere Patienten betroffen, es ist jedoch auch möglich, an Parkinson in jungen Lebensjahren zu erkranken. Die Ursache der Parkinson-Demenz ist noch nicht geklärt. Man weiß jedoch, dass sich die Parkinson-Demenz von anderen Formen der Demenz unterscheidet, z. B. in den betroffenen Hirnarealen. Die Symptome der Parkinson-Demenz sind anderen Demenzformen ähnlich, wenn auch nicht gleich. Jedoch sollte ein Arzt die Demenzform genau spezifizieren und diagnostizieren. Die Behandlung einer Parkinson-Demenz erfordert eine angepasste, individuelle Behandlung. Besonders kritisch ist bei der Parkinson-Demenz die erste Diagnose durch Laien, also durch Betroffene selbst oder Angehörige. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 8 Es kann leicht vorkommen, dass die Symptome der Parkinson-Demenz dem Morbus Parkinson zugeschrieben werden. Dadurch kann der Patient nicht adäquat therapiert werden, und die Krankheit kann ungehindert voran schreiten. Immerhin 40 Prozent der Parkinson-Patienten leiden unter der Parkinson-Demenz; deshalb sollten Sie als Betroffener bzw. als Angehöriger besonders sensibel für Symptome dieser Demenz sein. Symptome einer Parkinson-Demenz Die Parkinson-Demenz tritt in der Regel erst Jahre nach den motorischen Symptomen des Morbus Parkinson auf. Der Betroffene leidet zusätzlich zu den Symptomen des Morbus Parkinson unter Veränderungen des Denkens, der Wahrnehmung, der Gedächtnisleistung und der Erinnerung. Begleitet wird diese Erkrankung durch eine Veränderung der Persönlichkeit, durch Verhaltensstörungen, Schlafstörungen oder Depressionen. BEDÜRFNISSE VON MENSCHEN MIT DEMENZ In diesem Kapitel möchte ich die Bedürfnisse der Menschen mit Demenz in den Vordergrund stellen, bevor ich weiter auf das Krankheitsbild eingehe. Bedürfnisse haben alle Menschen. Vom Tag der Geburt an werden diese in der Regel auch gestillt. Ein gesunder Mensch, welcher in einem intakten sozialen Umfeld lebt, kann diese Bedürfnisse ohne Probleme befriedigen und Verluste können wieder kompensiert werden. Ein Mensch mit Demenz oft hochbetagt und multimorbid kann diese, seine Bedürfnisse nicht mehr alleine stillen, hier müssen andere Personen für ihn versuchen, diese, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen und besonders der Menschen mit Demenz sind das • Bedürfnis nach Trost • Bedürfnis nach Identität • Bedürfnis nach Beschäftigung • Bedürfnis nach Einbeziehung und das • Bedürfnis nach Bindung Es ist darauf zu achten, dass sich Bedürfnisse auch überschneiden können, d.h. versuche ich ein Bedürfnis zu stillen, kann sich das auch positiv oder negativ auf ein anderes Bedürfnis auswirken. Die Prioritäten können sich im Laufe des Lebens verändern. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 9 Wichtig ist, dass man beim Versuch der Bedürfnisstillung auf die jeweilige Lebensgeschichte achtet, das bedeutet, ein biographisches Arbeiten ist unvermeidlich. Das Bedürfnis nach Trost Aufgrund der Demenzerkrankung verliert die betroffene Person immer mehr an Autonomie. Menschen mit Demenz müssen daher vermehrt Trost aus ihrer Umgebung wahrnehmen. Trost bedeutet, dem Betroffenen Nähe, Geborgenheit, ein „sicheres“ Umfeld, usw. zu geben. Eine Vertrauensbasis schaffen und pflegen. Das Bedürfnis nach Identität Jeder Mensch hat eine eigene Identität. Man darf den Menschen mit Demenz keinesfalls etwas aufdrängen. Ehrlichkeit steht hierbei an höchster Stelle. Betreuungspersonen, und alle anderen Personen im Umfeld sollen den betroffenen Personen kongruent gegenübertreten, d.h. Gesprochenes stimmt mit den Handlungen überein. Es dürfen nie Versprechen in Vertretung von anderen Personen gegeben werden, denn die Menschen mit Demenz spüren und fühlen es wenn sie belogen oder gar betrogen werden. Leider wird dies oft vergessen und es entsteht ein vermehrtes Gefühl des Verlassen seins, welches dem Gefühl des Verloren seins folgt. Menschen mit Demenz brauchen Menschen in ihrer Umgebung welche sie unterstützen ihre Identität zu bewahren. Empathisches Handeln ist das Um und Auf. Nicht zu vergessen das „aktive“ Zuhören und der Respekt vor dem Menschen mit Demenz. Das Bedürfnis nach Beschäftigung Beschäftigung gehört zum Leben. Von Kindheit an, ist der Mensch gewohnt gewisse Handlungen zu vollziehen und dem Leben einen Sinn zu geben. Menschen mit Demenz können sich jedoch nicht mehr „normal" beschäftigen, d.h. wie es ein gesunder Mensch kann. Sie sind wesentlich schneller überfordert und können nicht mehr so viele Reize bewältigen. Überfordert man den Menschen mit Demenz mit Radio oder Fernsehen, d.h. Musik oder Filme, welche für geistig intakte Menschen gedacht sind, lässt sich dies ohne weiteres mit Gewalt vergleichen. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 10 Da Menschen mit Demenz sich oft nicht mehr verbal äußern können, können sie nur nonverbal agieren und reagieren, d.h. sie wirken gestresst und unruhig. Beschäftigung ist für Menschen mit Demenz sehr wichtig, es muss jedoch darauf geachtet werden, dass das Angebot der Beschäftigung für die jeweilig betroffene Person passt und nicht für die Personen im Umfeld (Betreuer, Angehörige,…). Dann erhält auch das Leben des Menschen mit Demenz wieder einen Sinn. Das Bedürfnis nach Einbeziehung Menschen sind dafür geschaffen mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, d. h. Menschen brauchen Menschen. Oft werden Menschen mit Demenz von der „normalen“ Welt alleine gelassen. Sie werden zwar in der Gesellschaft eingegliedert, aber kaum jemand beschäftigt sich mit ihnen. Die Folge ist, dass sie sich immer mehr in ihre eigene Welt zurückziehen, in ihr innerstes Ich, und somit sind sie für die Außenwelt nicht mehr erreichbar. Betreuende Personen müssen darauf schauen, dass genau dieser Rückzug nicht stattfindet. Dabei muss allerdings genau darauf geachtet werden, was der Mensch mit Demenz braucht, d.h. es soll keinerlei Über- oder Unterforderung stattfinden. Das Bedürfnis nach Primärer Bindung Primäre Bindungen bilden schon seit unserer Kindheit ein Netz, wo man sich sicher fühlt. Ohne diese Bindung wäre man voller Ungewissheit. Auch erwachsene Menschen brauchen diese Bindung. Verliert man diese, gerät man in eine Trauerphase, wo die Angst vor allem Neuen täglich präsent ist. Menschen mit Demenz müssen diese Angst tagtäglich neu erleben, da sie immer und immer wieder diese primäre Bindungen verlieren. Betreuende Personen müssen sehr hellhörig und weitsichtig sein. Es gibt hier nicht eine Wirklichkeit, es gibt mehrere. Sie müssen darauf achten, dass sie den Betroffenen dort abholen wo er gerade steht um ihn optimal, an seinen Bedürfnissen orientiert begleiten zu können. Betreuende Personen müssen „in den Schuhen des Anderen gehen“. Erfolgt diese angepasste Begleitung, wird das Leben für alle beteiligten Personen leichter. Die Lebensqualität des Menschen mit Demenz wird gesteigert und herausforderndes Verhalten, wie z.B. ständiges Schreien als eine Art der Kommunikation und des „Selbst-Erlebens“, vermindert. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 11 KOMMUNIKATION MIT MENSCHEN MIT DEMENZ Die Kommunikation in der „palliativen“ Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz hat einen hohen Stellenwert. Mit dem Altern beginnt allmählich ein Abbauprozess, d.h. Fähigkeiten gehen verloren – „Use it, or lose it“ (Weisenberger-Leduc 2009). Um diese verlorenen Potenziale kompensieren zu können, beginnen oft Menschen mit Demenz und Hochbetagte nicht selten z.B. zu spucken, zu schreien, zu schlagen, ständig umherzugehen, zu urinieren an verschiedenen Plätzen, zu weinen usw. Es ist von hoher Wichtigkeit, dass diese „neuen“ Eigenschaften als ein Instrument der Selbsthilfe wahrzunehmen sind. Werden diese nicht als solches wahrgenommen, wird oft eine Therapie mit z.B. Psychopharmaka begonnen, obwohl es sich hierbei nur um Methoden der Kommunikation des Menschen mit Demenz handelt. Um den Menschen mit Demenz kompetent und empathisch gegenüber treten zu können, müssen alle Personen im Umfeld zweier Methoden der Kommunikation mächtig sein. Dies sind zum einen der verbale und zum anderen der nonverbale Kommunikationsstil. In den meisten Fällen jedoch erreicht man mit der nonverbalen Technik bei älteren Menschen und Menschen mit Demenz mehr, da das gesprochene Wort oftmals nicht mehr verstanden bzw. missverstanden wird. Menschen mit Demenz sprechen ebenso wie Sterbende und Kinder eine eigene Sprache, welche wir verlernt haben. Es ist die Sprache der Emotionen. Durch die Emotionen entstehen primäre Bindungen welche den tieferen Zugang zu den Menschen mit Demenz ermöglichen. Nur durch den Mut selber emotional zu werden und dadurch ein Stück verletzbarer, als betreuende Person oder Angehöriger, gelingt es diese Sprache der Emotion zu sprechen und die Menschen mit Demenz zu verstehen! Mit dieser Art der Kommunikation, d.h. auf jeden Betroffenen individuell abgestimmt, wird man seine Bedürfnisse erkennen, Verhaltensweisen verstehen und akzeptieren können. Die Verständigung sollte in einer einfachen Sprache geschehen. Zum Einen ist dies durch die meist erschwerte Kommunikation durch Altersschwerhörigkeit gegeben, zum Anderen ist durch die Beeinträchtigung des abstrakten Denkvermögens ein Verständnis langer Sätze nicht immer gegeben. Jeder Satz sollte nur eine Information enthalten. Also nicht: „Steh auf und zieh dir den Mantel an“ sondern nur SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 12 „steh bitte auf“ und erst dann den nächsten Schritt. Die Sprache sollte dabei einfach sein und die Sätze prägnant und kurz. Meistens werden Sprichwörter und Redensarten besser verstanden als abstrakte Wendungen. Hilfreich ist es, sich Wendungen und Begriffe zu merken, die vom Demenzkranken verstanden wurden, um dann auf diese zurückzugreifen. Ein Streitgespräch mit dem an Demenz erkrankten Menschen sollte unter allen Umständen vermieden werden, auch wenn er eindeutig im Unrecht ist; dies würde die Verwirrtheit und das unzufriedene „Gefühl“, das nach einem Streit bleibt (obgleich sich der Betroffene nicht mehr an den Streit selbst erinnern kann), verstärken. Für den demenzkranken Menschen ist der Streit auch deshalb sehr bedrohlich, weil er nicht auf die Erfahrung zurückgreifen kann, dass der Streit auch wieder vorbei geht, denn Demenzkranke leben fast ausschließlich in der Gegenwart. Zukunft hat für sie keine Bedeutung. Wenn die Sprache kaum noch möglich ist, wird es umso wichtiger, die übrigen Sinne anzusprechen. Zugang kann auch über schmecken, riechen, sehen, hören, tasten oder Bewegung geschaffen werden. Z. B. bekannte Volkslieder, bei denen die Betroffenen wahrlich aufblühen können. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass sich einige Sinne verändern können. So spricht der Geschmackssinn vor allem auf süße Speisen an. Bei allen Reizen sollte darauf geachtet werden, nicht zu viele auf einmal einzusetzen. Eine Überlagerung verschiedener Sinneseindrücke kann bedrohlich wirken, da die verschiedenen Urheber nicht mehr getrennt und zugeordnet werden können. Ein Überangebot an Reizen führt damit eher zu Verwirrtheit als zu Stimulation. Es sollte also ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen Überangebot und absoluter Reizarmut. Im Idealfall ist der Betreuende in der Lage, sich in die Gedankenwelt des Dementen einzufühlen, z.B. durch Validation. Die Umgebung sollte auf den Erkrankten angepasst werden. Man stelle sich die Situation vor, die z.B. beim Aufwachen in einem Seniorenheim entsteht: Ein Mensch wacht auf in einem fremden Zimmer ohne vertraute Gegenstände; ein Mensch (Pflegekraft) kommt herein, den er noch nie gesehen hat und fängt ohne zu fragen und vollkommen selbstverständlich an, den Menschen zu waschen und anzukleiden. Die Pflegekraft sollte sich möglichst vorstellen und vorher in einfachen Sätzen erklären, was sie vorhat und auch weitere Handlungen kommentieren. Hier zeigt sich, wie wichtig das Einstreuen vertrauter Gegenstände in die nähere Umgebung des Erkrankten ist, um dessen Verwirrtheit und daher aufkeimende Angst SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 13 zu bekämpfen. Denn vertraute Gegenstände, Geräusche usw. geben Sicherheit. Wichtig ist auch eine gute Beleuchtung, da Schatten häufig zu Verunsicherung führen, da sie nicht eingeordnet werden können. Weiterhin nimmt bei Demenzkranken das räumliche, dreidimensionale Sehvermögen ab. Deshalb werden farbliche Veränderungen des Bodens häufig als Schwellen interpretiert. Es gilt also, den Patienten angstfrei und möglichst orientiert zu halten, um mit ihm arbeiten zu können. Der Pflegeforscher Erwin Böhm setzt auf Kindheitsemotionen, um demenzkranke Senioren zu rehabilitieren. Böhm rät, in jungen Jahren ein so genanntes Sozigramm zu erstellen. Darin solle man genau vermerken, was einem als Kind und Jugendlicher Spaß gemacht hat. Diese Informationen können später verwendet werden, um Kindheitserinnerungen aufleben zu lassen. Dadurch entstehen Emotionen, die besonders Demenzkranke glücklich machen und ihnen neue Lebensenergie einflößen. Die Krankheit könne auf diese Weise zwar nicht geheilt, aber in ihren Auswirkungen vermindert werden. HINSEHEN – HINHÖREN - HINFÜHLEN In der Begleitung und Pflege ist es wesentlich den Augenblick zu leben. Die Begegnungen zwischen betroffenen und betreuenden Menschen leben von ihrer Aktivität und Intensivität. Es geht nicht um Weite es geht vielmehr um die Tiefe einer Begegnung. Daher liegt es an uns den uns anvertrauten Menschen 100% Aufmerksamkeit und Dasein zu schenken. Oft sind es nur wenige Minuten am Tag die das Wohlbefinden eines Menschen beeinflussen. Diese wenigen Minuten leben aus dem 100% Einlassen, Zulassen und Aushalten sowie Dasein! Es geht um aktives 1. Hinsehen 2. Hinhören 3. Hin fühlen SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 14 ERLEBEN DES MENSCHEN MIT DEMENZ Wenn man versucht, sich in die Gefühlswelt demenzkranker hineinzuversetzen, fällt die Kommunikation mit ihnen leichter. Menschen Für Demenzkranke sieht die Welt merkwürdig und unverständlich aus, weil sie die spezifische menschliche Wahrnehmungsfähigkeit, die Orientierung, verlieren. Sie können die Gegenstände, Situationen und Personen nicht in einen größeren Kontext einordnen. Aufgrund ihrer Erinnerungsstörungen ist ihnen der Zugriff auf früheres Wissen (semantisches Gedächtnis) und Erlebnisse (episodisches Gedächtnis- zurücklöschend) verwehrt, um sich mit deren Hilfe in der jetzigen Situation zurechtzufinden. Es fehlt das Wissen und die Sicherheit von Ressourcen, die der Bewältigung aktueller Situationen dienen. Oft verschwimmt der Unterschied zwischen Traum, Vergangenheit und Realität. Oft kommt es zu Halluzinationen. Im Umgang mit dementen Personen ist es oft nicht möglich, diesen, die Irrealität der Halluzinationen zu erklären. Im Idealfall erfassen die Pflegenden die hinter den Halluzinationen stehende Stimmung und gehen auf diese ein. Wenn der erkrankte Mensch noch in der Lage ist zu erkennen, dass er in einer Situation nicht angemessen reagiert hat, kann das bei ihm Unruhe und Resignation auslösen. Demente benötigen viel Zeit für alle Reaktionen und Handlungen. In fortgeschrittenen Stadien ist beispielsweise eine ausreichende Ernährung auf natürlichem Weg nicht mehr möglich, weil die Betroffenen aufgrund ihrer schweren Antriebsstörung nicht mehr in der Lage sind, die Nahrung hinunterzuschlucken. Die Geduld und die zeitlichen Möglichkeiten der Pflegenden stoßen deswegen regelmäßig im Spätstadium an ihre Grenzen. Menschen, die an Demenz erkrankt sind, fühlen sich oft falsch verstanden, herumkommandiert oder bevormundet, da sie die Entscheidungsgründe, der sie Pflegenden, nicht erfassen können. Überraschend viele an Demenz erkrankte Personen können ihre Wünsche ausdrücken. Manche sind noch in der Lage, zu spüren, wenn sich Mitmenschen langweilen oder von ihrem Verhalten peinlich berührt sind. Im Spätstadium geht immer mehr auch die Fähigkeit zum emotionalen Kontakt verloren, was für die Angehörigen sehr belastend sein kann. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 15 Demenzkranke reagieren gelegentlich sehr verärgert, wenn man sie für Dinge verantwortlich macht, die sie inzwischen vergessen haben. Damit werden sie gleich doppelt in die Enge getrieben: einmal dadurch, dass ihnen vorgeworfen wird, absichtlich Fehler zu begehen, und zum anderen, weil sie mit ihren Schwächen – sich nicht erinnern zu können – konfrontiert werden. Auch demenzkranke Menschen haben Gefühle. Besonders Depressionen sind ein häufiges Problem, oft bereits vor der Manifestation der Demenz, oft dann, wenn die Betroffenen ihren geistigen Verfall wahrnehmen. Da die Symptome einer Depression denen der Demenz ähnlich sind, können beide Krankheiten bei unzureichenden Kenntnissen verwechselt werden. Je weiter die Demenz fortschreitet, desto mehr verflacht aber auch die Gefühlswelt, und weicht parallel zu einer zunehmenden Interessenlosigkeit einer affektiven Indifferenz mit der Unfähigkeit, sich zu freuen oder traurig zu sein bzw. die Emotionen auszudrücken. Der Umgang mit Demenzkranken sollte an deren verändertes Erleben angepasst sein. Als hilfreiche Methoden im Umgang mit Demenzkranken haben sich erwiesen: Validation, Biografiearbeit/Erinnerungspflege, Basale Stimulation und die Selbsterhaltungstherapie (SET) nach Barbara Romero. UMGANG MIT MENSCHEN MIT DEMENZ Das Wichtigste im Umgang mit an Demenz Erkrankten ist Geduld. Durch Ungeduld seitens der Kontaktpersonen hat der Betroffene das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben - dies ist Ursache für Unzufriedenheit, Traurigkeit und Unwohlsein (kein Mensch macht gerne Dinge falsch). Wichtig ist ferner, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Betroffenen aufgrund ihrer Gedächtnisstörungen nur bedingt lernfähig sind. Das Meiste, was man ihnen sagt, haben sie innerhalb weniger Minuten wieder vergessen. Mit dementen Menschen ist daher nichts zuverlässig zu vereinbaren. Eine Konditionierung von Demenzkranken ist dennoch möglich; führt man einen Betroffenen immer wieder an einen bestimmten Platz an einem Tisch und erklärt ihm, dies sei sein Platz, so ist es durchaus möglich, dass er sich diese Stelle in Zukunft selbst zum Sitzen aussucht. Auf die Frage: „Wo ist Ihr Platz?“ wird der Betroffene dennoch ausweichend antworten. Deswegen ist es sinnvoll, möglichst auf Fragen zu verzichten. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 16 Einige typische Missverständnisse zwischen (beruflich) Pflegenden und an Alzheimer leidenden Personen sind z.B. Bevormundung, Fixierung als vorgebliche Sicherheit vor Stürzen, unangepasste Beschäftigungsangebote und zu große, zu laute Personengruppen. AGRESSIONEN UND EREGBARKEIT Demenzverhalten zeigt sich unter anderem auch mit Verhaltensweisen wie Agitation, Irritierbarkeit, verbaler und körperlicher Aggression. Agitation kann durch verschiedene Dinge ausgelöst werden, dazu gehören Umweltfaktoren, Angst und Müdigkeit. Diverse Untersuchungen belegen, dass Agitation am häufigsten auftritt, wenn sich die Person kontrolliert fühlt. Das lässt darauf schließen, dass Einschränkungsmaßnahmen die Verhaltensweise von erregten älteren Personen eher verschlimmern als verbessern. • Wie wirke ich? • Reduzieren Sie Lärm • Sichere und verlässliche Tagesstruktur • Wenig Veränderung des Umfeldes (Bilder, Möbel, Gegenstände,…) • Sanfte Berührungen • Musikalische Reize (nicht zu laut) • Ruhiger Tonfall • Blickkontakt halten • Autonomie erhalten – selber tun können und dürfen (z.B. Kleidung aussuchen) • Verständnis über den Ärger und der Frustration aufgrund des Kontrollverlustes • Verwenden gleicher Worte – einfache Worte und Sätze • Auf nonverbale Signale und Körpersprache achten SCHMERZ UND DEMENZ „Es gibt keinen Schmerz, der nicht zu übertreffen wäre, das einzige Unendliche ist der Schmerz.“ (Elias Canetti) Schmerz wird nicht umsonst als der bellende Wächter der Gesundheit bezeichnet. Es liegt an uns Pflegenden die Schmerzen der uns anvertrauten Menschen rechtzeitig wahr und vor allem ernst zu nehmen, um entsprechend unser Handeln auszurichten! SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 17 Dazu reicht nicht alleine eine fachliche Kompetenz aus, vielmehr ist eine menschliche Kompetenz und Empathie gefordert im Umgang mit Schmerzen. Schlussendlich ist es unsere eigene Schmerzbiographie und unser Schmerzverhalten, welches unser Handeln beeinflusst und steuert. Schmerz ist immer eine individuelle Wahrnehmung eines Gefühls von Unwohlsein bzw. Erkennen physischer und psychischer Beschwerden. Schmerz ist also das was von den PatientInnen geäußert wird, und nicht das was wir sehen und interpretieren. Wir unterscheiden daher vier Dimensionen des Schmerzerlebens: den physischen Schmerz (körperlicher Schmer) den psychischen Schmerz (Trauma, Erlebnisse, Kummer) den spirituellen Schmerz und den sozialen Schmerz diese nehmen wir oft nicht wahr, wobei diese oft überwiegen und die Grundlage des physischen Schmerzes bilden. Häufige indirekte Schmerzzeichen: • • • • • • • • • Angespannter Gesichtsausdruck Verkrampfte Haltung Schonhaltung Veränderter Atemrhythmus Verschlechterung des AZ Blutdruckanstieg Tachykardie Zunehmende Bewegungsunlust Verstärkter Rückzug • • • • • Appetitlosigkeit Unruhe, Schreien, Anklammern Aggressivität Zunehmende Verwirrtheit Schlafstörungen, etc. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 18 Nicht jede Verhaltensänderung muss zwangsläufig im Kontext mit Schmerzen stehen. Zeichen richtig zu deuten ist eine der größten Herausforderungen in der Betreuung dementer und anderweitig in der Kommunikation eingeschränkter Menschen. Grundvoraussetzung für ein gutes Gelingen ist eine einfühlende Wahrnehmung des Anderen und gründliche Reflexion der eigenen Wahrnehmung. Den Anderen in seinem gesamten „Person sein“ wahrnehmen, bedeutet mit ihm in Beziehung zu treten, sich auf den Anderen einlassen, in diesem Augenblick offen und neutral sein, für das was der Andere uns mitteilt. „Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ (Martin Buber) Eine adäquate Schmerztherapie sollte sich individuell an dem WHO-Stufenplan orientieren! SEXUALITÄT UND IDENTITÄT Sexuelle Bedürfnisse bei Menschen mit Demenz werden weitgehend ignoriert und tabuisiert. Dies kann sich für den Betroffenen besonders negativ auswirken, wenn er in einer öffentlichen Institution wie in einem Pflegeheim ist. Ein sensibler Umgang mit den Bedürfnissen nach Zärtlichkeit, auch eines Menschen mit Demenz, ist unbedingt notwendig. So sollte nach Wunsch die Möglichkeit bestehen ein Einzelzimmer zur Verfügung zu stellen, oder eine Tafel mit der Aufschrift „Bitte nicht stören“ anzubringen und zumindest anzuklopfen, bevor man in ein Zimmer geht. In Mehrbettzimmern sollte zumindest Sichtschutz möglich sein, nicht zuletzt auch zur Wahrung der Intimsphäre bei Pflegemaßnahmen. Diese Möglichkeiten müssen von Betreuenden angeboten werden, da Betroffene sich oft nicht trauen diese intimen Bedürfnisse anzusprechen und zu äußern. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 19 SELBSTFÜRSORGE – VOM UMGANG MIT BELASTUNGSGRENZEN Stellen Sie sich öfter die Frage nach dem Warum tue ich was ich tue? Warum nehme ich mir mehr Zeit für andere als für mich selber. Wichtig in der Betreuung von Menschen mit Demenz und deren sozialen Umfeldes ist das Wissen…. 1.es braucht nicht immer eine Lösung, 2.es braucht nicht immer Worte, und 3. es braucht nicht immer eine Handlung ZEIT FÜR MICH!!!!!! • Abstand nehmen von der intensiven Betreuung und Pflege • Reflexion der Begleitung und des Weges • Persönliches Ritual • Wanderung • Essen mit Freunden • Alles Tun was MIR gut tut • ICH bin mir wichtig und selbst am nächsten • Supervision • Spüren der eigenen Grenzen und neues Festlegen der Grenzen durch Erfahrungen auf dem zurückgelegten Weg. SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 20 NACHWORT Es gäbe noch viel zu sagen und zu schreiben zum Thema „Demenz“. Wesentliche Seminarinhalte habe ich versucht in diesen Unterlagen zusammen zu fassen. Das Wichtigste in der Begleitung und in der Betreuung von Menschen mit Demenz ist und bleibt die Menschlichkeit und die Empathie sowie ein umfassendes Wissen über die Erkrankung. Jörg Fuhrmann „Sei du die Veränderung, die du in der Welt sehen willst!“ (Mahatma Ghandi) SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 21 KONTAKTADRESSE Jörg Fuhrmann MSc Unterberg 133 Top 15 A – 5611 Großarl oder Untersteinerstrasse 72A D – 83471 Schönau am Königssee Mobil Tel: 0664 / 52 11 363 E-Mail: [email protected] besuchen sie mich auch auf meiner Homepage www.franziskus.co.at SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 22