seminarunterlagen eine gemeinsame sprache sprechen

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Wenn die Sprache aufhört
Menschen mit Demenz verstehen und begleiten
Seminarunterlagen
für ehrenamtliche MitarbeiterInnen
©Jörg Fuhrmann MSc (palliative-care)
2014
EINLEITUNG
Ein Großteil unserer Gesellschaft gehört zu den hochbetagten und älteren
Menschen. Viele von ihnen sind Menschen welche unter Demenz leiden. Für diese
bedarf es einer besonderen Art der Zuwendung, Betreuung und Pflege.
Es gilt jenen Menschen mit Demenz wieder einen Platz in „unserer“ Gesellschaft zu
geben und sie als gleichwertig anzusehen.
Um mit Ihnen in Kontakt zu treten ist viel Empathie gefragt und Feingefühl im
Umgang mit Worten und bei Handlungen. Eine Vertrauensbasis muss als Grundlage
geschaffen und gepflegt werden. Naomi Feil nannte es einst „In den Schuhen des
Anderen gehen“.
Der durch die Erkrankung hervorgehende Kontrollverlust und Verlust der Autonomie
macht Menschen zornig und ängstlich. Herausforderndes Verhalten ist die Folge.
Um diese Menschen mit Demenz auch zu verstehen, müssen wir lernen ihre Sprache
zu sprechen, „die Sprache der Emotion“. Es geht darum sich einzulassen auf diese
Menschen, betroffen zu sein von ihrer Situation und sich für Ihr Leben zu
interessieren, um somit Handlungen und Reaktionen zu verstehen.
Ein sichtbares Zeichen der Wahrung der Autonomie des Menschen mit Demenz sind
die „Schuhe unter seinem Bett“ welche immer dort ihren Platz haben sollten. Es ist
die Haltung mit der wir den Menschen mit Demenz begegnen.
Stellen Sie sich vor der Betreuung und Pflege bewusst folgende drei Fragen…
1.Wer ist der Mensch den ich betreue und Pflege? Oder: Wer bist Du, der mich
so nervt?
2.Was ist mein Ziel?
3.Wie wirke ich?
…und reflektieren Sie diese nach jeder Betreuungs- und Pflegesituation für sich
persönlich. Vielleicht finden Sie Antworten auf viele Fragen zum Thema Demenz.
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BEGRIFFSDEFINATION
Eine Demenz (lat. Demens „ohne Geist“ bzw. Mens = Verstand, de = abnehmend) ist
ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, das zu einer
Beeinträchtigung sozialer und beruflicher Funktionen führt und meist mit einer
diagnostizierbaren Erkrankung des Gehirns einhergeht. Vor allem ist das
Kurzzeitgedächtnis, ferner das Denkvermögen, die Sprache und die Motorik, bei
einigen Formen auch die Persönlichkeitsstruktur betroffen. Maßgeblich ist der Verlust
bereits erworbener Denkfähigkeiten im Unterschied zur angeborenen
Minderbegabung. Heute sind verschiedene Ursachen von Demenzen geklärt; einige
Formen können in gewissem Umfang behandelt werden, das heißt, die Symptome
können im Anfangsstadium einer Demenz verzögert werden. Die am häufigsten
auftretende Form der Demenz ist die Alzheimer-Krankheit. Eine Demenz kann auf
ganz verschiedenen Ursachen beruhen; für die Therapie ist die Klärung dieser
Unterscheidungsmerkmale wichtig.
Eine Demenz verläuft prinzipiell immer fortschreitend und führt nach unterschiedlich
langer Zeit zum Tod. Durch eine medikamentöse Behandlung ist es möglich, das
Fortschreiten mancher Demenz-Formen zu verzögern. Wichtig ist zu wissen, dass
bei ca. 5- 10 % der demenziellen Störungen organische Ursachen zugrundeliegen,
die gut behandelbar sind (sog. „reversible“ Demenzen, s.u.). Daher ist es bei der
Diagnosestellung durch den Arzt immer sehr wichtig, diese gut behandelbaren
Ursachen aufzuspüren und therapeutisch anzugehen.
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Eine Demenz umfasst folgende drei Elemente:
•
•
•
eine Störung des Gedächtnisses: Ein Patient kann sich z.B. gerade
Besprochenes oder vereinbarte Termine nicht merken, oder er vergisst, wo er
etwas soeben hingelegt hat;
eine Beeinträchtigung in zumindest einem weiteren neuropsychologischen
Teilbereich: z.B. eine Störung der Orientierung, des Sprachverständnisses,
des Lesens, Schreibens oder Rechnens;
eine damit verbundene alltagsrelevante Einschränkung der Lebensführung.
Damit die Diagnose einer Demenz gestellt werden kann, muss die Symptomatik für
mindestens sechs Monate bestehen.
URSACHEN DER ERKRANKUNG
Unter dem Oberbegriff Demenz werden verschiedene Formen der Demenz
zusammengefasst. Da die häufigste Demenzerkrankung die Alzheimer-Demenz ist,
wird in diesem Abschnitt vor allem auf diese Form der Demenz eingegangen.
Die Ursachen für diese Form der Erkrankung sind trotz intensiver Forschung nicht
vollständig geklärt. Es wird von multiplen Ursachen ausgegangen, wie z.B. den
Erbanlagen oder Kopfverletzungen.
Veränderung der Nervenzellen im Gehirn
Im Gehirn eines Demenz-Kranken verändern sich die Nervenzellen, im Verlauf der
Krankheit schrumpfen sie und Nervenzellkontakte gehen verloren. Bildlich
gesprochen werden einzelne Informationen wie auf einer Festplatte
unwiederbringlich gelöscht. Dies wird aber nicht sofort bemerkt, denn unser Gehirn
ist trainiert, die fehlenden Informationen geschickt durch neue Verknüpfungen zu
„ersetzen“.
Verringern sich die Nervenzellen massiv, führt das zu einer Veränderung der
Hirnstruktur. Es tritt ein Mangel an Botenstoffen, den Neurotransmittern, auf. Die
Ausfälle sind offensichtlich.
Ein Mangel an dem Botenstoff Acetylcholin z. B. löst Störungen in der
Gedächtnisleistung aus. Das Fehlen von Noradrenalin oder Serotonin verändert das
Verhalten eines Menschen, z. B. können Depressionen oder Angstzustände
entstehen.
Als Folge des Untergangs von Nervenzellen kommt es zur krankhaften Bildung von
Eiweiß (Protein) und zu Ablagerungen im Gehirn. Hirngewebe, welches zuvor
gesund war wird mit Amyloid-Plaques (abnorm veränderte Proteine zwischen den
Zellen) und Neurofibrillen (z. B. Alzheimer-Fibrillen) durchsetzt. Innerhalb der
Nervenzellen entsteht das giftige Protein A-beta-42, das den Stofftransport stoppt.
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Dadurch bilden sich in den Nervenzellen unlösliche Komplexe, die als Neurofibrillen
identifiziert werden können. Zusätzlich schädigen die Plaques die angrenzenden
Nervenzellen.
Gesund
Krank
Über ein Computertomogramm (CT) lässt sich die Reduzierung des gesunden
Hirngewebes (Atrophie) auch bildlich darstellen.
Die Ursachen für die Demenzerkrankung lassen sich wie folgt aufzeigen:
• 60 – 80 % Ursache Alzheimer – Krankheit
• 10 – 25 % Gefäßerkrankungen – eine vaskuläre Demenz
• Dritthäufigste Ursache sind sogenannte Lewy-Körperchen, die in den
Nervenzellen und im Gehirn Beeinträchtigungen verursachen.
• 5 – 10 % Frontallappen – Degeneration oder „Pick-Krankheit“ verwandt mit der
Parkinson-Krankheit
Weitere Ursachen sind:
• Alkoholismus
• Infektionskrankheiten wie HIV oder Syphilis
• Stoffwechselstörungen
• Vitamin B12-Mangel
• Schilddrüsenunterfunktion
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Formen von Demenz
Es gibt verschiedene Formen der Demenz, die durch unterschiedliche Ursachen
entstehen können. Nur Ihr Arzt kann durch einige Untersuchungen und Tests
feststellen, um welche Form der Demenz es sich im konkreten Fall handelt. Dabei
geht es ebenso um die kognitive Leistungsfähigkeit wie um verändertes Verhalten in
Alltagssituationen oder die grundlegende Änderung der Persönlichkeit.
Prozentuale Häufigkeit verschiedener Demenz-Ursachen: Reine Alzheimer-Demenz
55 %, vaskuläre Demenzen 15 %, vaskuläre Demenz und Alzheimer-Demenz
gemischt 15 %, frontotemporale Demenzen (Morbus Pick) 5%, Demenzen bei
anderen neurologischen Erkrankungen 5 %, reversible Demenzen 5 %
Die Alzheimer-Demenz
Etwa 70 Prozent der Demenz-Kranken leiden unter der Alzheimer-Demenz. Diese
Erkrankung wurde nach seinem Entdecker, dem Psychiater und Neuropathologen
Alois Alzheimer benannt. Sie tritt insbesondere nach dem 60. Lebensjahr auf. Die
genaue Ursache ist noch ungeklärt, man weiß jedoch, dass die Gedächtnisstörungen
durch die langsame Reduzierung von Nervenzellen ausgelöst werden.
Symptome der Alzheimer-Demenz
Die Ausprägung und Anzahl der Krankheitssymptome ist abhängig vom
Krankheitsstadium und dem individuellen Verlauf der Krankheit. Eine Vielzahl der
Patienten leiden unter Störungen des Gedächtnisses. Dies äußert sich in alltäglichen
Situationen, z. B. beim Rechnen, einem eingeschränkten Erinnerungsvermögen und
einer veränderten Wahrnehmung.
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Mit zunehmendem Verlauf der Krankheit hat der Betroffene Schwierigkeiten bei der
Orientierung, er verliert langsam die Fähigkeit, sich zu artikulieren und verändert
seine Persönlichkeit. Zudem verändert er sein Verhalten und leidet unter
Angstzuständen und Verstimmungen.
Alzheimer-Demenz: eine schleichende Krankheit
Die Krankheit verläuft schleichend und die Symptome verändern sich im Verlauf der
Krankheit. Die Alzheimer-Demenz kann in drei Stadien unterteilt werden: das frühe,
mittlere und fortgeschrittene Krankheitsstadium.
Frühes Krankheitsstadium
Im frühen Krankheitsstadium bemerkt der Betroffene bzw. dessen Angehörige erste
Gedächtnisstörungen. Der Betroffene hat Lücken in seinem Erinnerungsvermögen,
er kann sich an zurückliegende Ereignisse nicht mehr erinnern.
Angehörige, aber auch der Betroffene selbst spüren, dass sich seine kognitive
Leistungsfähigkeit verändert. Alltägliche Situationen, wie z. B. das Ausfüllen von
Formularen, fallen schwerer. In der frühen Krankheitsphase werden die
Einschränkungen im Alltag häufig auf das hohe Alter geschoben, ein Besuch beim
Arzt wird nicht in Erwägung gezogen. Auch Angehörige erkennen die DemenzSymptome oft nicht als mögliche Krankheit.
Falls Sie an sich selbst eine Veränderung merken, raten wir dazu, den Arzt Ihres
Vertrauens aufzusuchen und ihm die Symptome zu schildern. Er kann Ihren
Gesundheitszustand richtig einschätzen und eine Diagnose stellen.
Mittleres Krankheitsstadium
In diesem Krankheitsstadium wird in den meisten Fällen die Krankheit diagnostiziert.
Die Beschwerden gehen über Gedächtnisstörungen hinaus. Der Betroffene hat
Probleme, alltägliche Aufgaben zu bewältigen. Er ist auf fremde Hilfe angewiesen, z.
B. beim Einkaufen, Kochen oder bei der Körperpflege.
Mit zunehmendem Verlauf der Krankheit weiten sich die Gedächtnisstörungen auch
auf länger zurückliegende Ereignisse aus. Der Betroffene kann sich nicht mehr
erinnern, er verliert langsam das Gefühl für Raum und Zeit und hat Schwierigkeiten,
sich verbal auszudrücken.
Die Probleme, die sich durch die Krankheit ergeben, belasten besonders die
Angehörigen. Der Betroffene zieht sich immer mehr zurück. Erschwerend kommt
hinzu, dass der Betroffene selbst oftmals nicht das Gefühl hat, dass er krank ist.
Er empfindet keinen Leidensdruck, eine besonders belastende Situation für
Angehörige. Medizinisch wird dieses Phänomen Anosognosie genannt.
SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 7
In dieser Situation hilft es nicht, dem Demenz-Kranken Vorwürfe zu machen oder an
seinen Willen zu appellieren. Die Angehörigen müssen lernen, mit der veränderten
Situation umzugehen und sich auf die Krankheit und die neuen Umstände
einzulassen.
Fortgeschrittenes Krankheitsstadium
Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium baut der Betroffene körperlich und geistig
weiter ab. Er verliert die Kontrolle über Körperfunktionen, z. B. kann er unter Darmund Blaseninkontinenz leiden.
In diesem Stadium ist der Betroffene auf fremde Hilfe angewiesen und muss gepflegt
werden. Er benötigt eine Betreuung rund um die Uhr, also während des Tages und
auch in der Nacht.
Vaskuläre Demenz
Die Symptome einer vaskulären Demenz sind denen anderer Demenzformen sehr
ähnlich. Nach der Alzheimer-Demenz ist die vaskuläre Demenz die zweithäufigste
Demenzerkrankung. Allerdings unterscheidet sich diese Form der Demenz durch die
Ursache und demzufolge auch in der Therapie der Erkrankung.
Ursache der vaskulären Demenz ist, dass durch Verengungen der Blutgefäße Teile
des Gehirns nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden. Deshalb ist es
möglich, diese Form der Demenz zu therapieren bzw. die Ursache zu beheben. Als
Begleiterkrankungen können Depressionen oder Epilepsie auftreten.
Hinweise auf vaskuläre Demenz sind z. B. Bluthochdruck oder ein Schlaganfall.
Zudem zeigen Betroffene mit einer vaskulären Demenz einen raschen Beginn der
Demenz-Symptome.
Parkinson-Demenz
In Deutschland leben etwa 250.000 bis 300.000 Parkinson-Patienten. Ähnlich wie bei
der Demenzerkrankung sind von Parkinson vor allem ältere Patienten betroffen, es
ist jedoch auch möglich, an Parkinson in jungen Lebensjahren zu erkranken.
Die Ursache der Parkinson-Demenz ist noch nicht geklärt. Man weiß jedoch, dass
sich die Parkinson-Demenz von anderen Formen der Demenz unterscheidet, z. B. in
den betroffenen Hirnarealen.
Die Symptome der Parkinson-Demenz sind anderen Demenzformen ähnlich, wenn
auch nicht gleich. Jedoch sollte ein Arzt die Demenzform genau spezifizieren und
diagnostizieren. Die Behandlung einer Parkinson-Demenz erfordert eine angepasste,
individuelle Behandlung.
Besonders kritisch ist bei der Parkinson-Demenz die erste Diagnose durch Laien,
also durch Betroffene selbst oder Angehörige.
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Es kann leicht vorkommen, dass die Symptome der Parkinson-Demenz dem Morbus
Parkinson zugeschrieben werden. Dadurch kann der Patient nicht adäquat therapiert
werden, und die Krankheit kann ungehindert voran schreiten. Immerhin 40 Prozent
der Parkinson-Patienten leiden unter der Parkinson-Demenz; deshalb sollten Sie als
Betroffener bzw. als Angehöriger besonders sensibel für Symptome dieser Demenz
sein.
Symptome einer Parkinson-Demenz
Die Parkinson-Demenz tritt in der Regel erst Jahre nach den motorischen
Symptomen des Morbus Parkinson auf. Der Betroffene leidet zusätzlich zu den
Symptomen des Morbus Parkinson unter Veränderungen des Denkens, der
Wahrnehmung, der Gedächtnisleistung und der Erinnerung. Begleitet wird diese
Erkrankung durch eine Veränderung der Persönlichkeit, durch Verhaltensstörungen,
Schlafstörungen oder Depressionen.
BEDÜRFNISSE VON MENSCHEN MIT DEMENZ
In diesem Kapitel möchte ich die Bedürfnisse der Menschen mit Demenz in den
Vordergrund stellen, bevor ich weiter auf das Krankheitsbild eingehe.
Bedürfnisse haben alle Menschen. Vom Tag der Geburt an werden diese in der
Regel auch gestillt. Ein gesunder Mensch, welcher in einem intakten sozialen Umfeld
lebt, kann diese Bedürfnisse ohne Probleme befriedigen und Verluste können wieder
kompensiert werden.
Ein Mensch mit Demenz oft hochbetagt und multimorbid kann diese, seine
Bedürfnisse nicht mehr alleine stillen, hier müssen andere Personen für ihn
versuchen, diese, seine Bedürfnisse zu befriedigen.
Die Grundbedürfnisse eines jeden Menschen und besonders der Menschen mit
Demenz sind das
•
Bedürfnis nach Trost
•
Bedürfnis nach Identität
•
Bedürfnis nach Beschäftigung
•
Bedürfnis nach Einbeziehung und das
•
Bedürfnis nach Bindung
Es ist darauf zu achten, dass sich Bedürfnisse auch überschneiden können, d.h.
versuche ich ein Bedürfnis zu stillen, kann sich das auch positiv oder negativ auf ein
anderes Bedürfnis auswirken. Die Prioritäten können sich im Laufe des Lebens
verändern.
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Wichtig ist, dass man beim Versuch der Bedürfnisstillung auf die jeweilige
Lebensgeschichte achtet, das bedeutet, ein biographisches Arbeiten ist
unvermeidlich.
Das Bedürfnis nach Trost
Aufgrund der Demenzerkrankung verliert die betroffene Person immer mehr an
Autonomie. Menschen mit Demenz müssen daher vermehrt Trost aus ihrer
Umgebung wahrnehmen. Trost bedeutet, dem Betroffenen Nähe, Geborgenheit, ein
„sicheres“ Umfeld, usw. zu geben. Eine Vertrauensbasis schaffen und pflegen.
Das Bedürfnis nach Identität
Jeder Mensch hat eine eigene Identität. Man darf den Menschen mit Demenz
keinesfalls etwas aufdrängen. Ehrlichkeit steht hierbei an höchster Stelle.
Betreuungspersonen, und alle anderen Personen im Umfeld sollen den betroffenen
Personen kongruent gegenübertreten, d.h. Gesprochenes stimmt mit den
Handlungen überein.
Es dürfen nie Versprechen in Vertretung von anderen Personen gegeben werden,
denn die Menschen mit Demenz spüren und fühlen es wenn sie belogen oder gar
betrogen werden.
Leider wird dies oft vergessen und es entsteht ein vermehrtes Gefühl des Verlassen
seins, welches dem Gefühl des Verloren seins folgt. Menschen mit Demenz
brauchen Menschen in ihrer Umgebung welche sie unterstützen ihre Identität zu
bewahren.
Empathisches Handeln ist das Um und Auf. Nicht zu vergessen das „aktive“ Zuhören
und der Respekt vor dem Menschen mit Demenz.
Das Bedürfnis nach Beschäftigung
Beschäftigung gehört zum Leben. Von Kindheit an, ist der Mensch gewohnt gewisse
Handlungen zu vollziehen und dem Leben einen Sinn zu geben. Menschen mit
Demenz können sich jedoch nicht mehr „normal" beschäftigen, d.h. wie es ein
gesunder Mensch kann.
Sie sind wesentlich schneller überfordert und können nicht mehr so viele Reize
bewältigen. Überfordert man den Menschen mit Demenz mit Radio oder Fernsehen,
d.h. Musik oder Filme, welche für geistig intakte Menschen gedacht sind, lässt sich
dies ohne weiteres mit Gewalt vergleichen.
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Da Menschen mit Demenz sich oft nicht mehr verbal äußern können, können sie nur
nonverbal agieren und reagieren, d.h. sie wirken gestresst und unruhig.
Beschäftigung ist für Menschen mit Demenz sehr wichtig, es muss jedoch darauf
geachtet werden, dass das Angebot der Beschäftigung für die jeweilig betroffene
Person passt und nicht für die Personen im Umfeld (Betreuer, Angehörige,…). Dann
erhält auch das Leben des Menschen mit Demenz wieder einen Sinn.
Das Bedürfnis nach Einbeziehung
Menschen sind dafür geschaffen mit anderen Menschen in Beziehung zu treten, d. h.
Menschen brauchen Menschen.
Oft werden Menschen mit Demenz von der „normalen“ Welt alleine gelassen. Sie
werden zwar in der Gesellschaft eingegliedert, aber kaum jemand beschäftigt sich
mit ihnen. Die Folge ist, dass sie sich immer mehr in ihre eigene Welt zurückziehen,
in ihr innerstes Ich, und somit sind sie für die Außenwelt nicht mehr erreichbar.
Betreuende Personen müssen darauf schauen, dass genau dieser Rückzug nicht
stattfindet. Dabei muss allerdings genau darauf geachtet werden, was der Mensch
mit Demenz braucht, d.h. es soll keinerlei Über- oder Unterforderung stattfinden.
Das Bedürfnis nach Primärer Bindung
Primäre Bindungen bilden schon seit unserer Kindheit ein Netz, wo man sich sicher
fühlt. Ohne diese Bindung wäre man voller Ungewissheit. Auch erwachsene
Menschen brauchen diese Bindung. Verliert man diese, gerät man in eine
Trauerphase, wo die Angst vor allem Neuen täglich präsent ist. Menschen mit
Demenz müssen diese Angst tagtäglich neu erleben, da sie immer und immer wieder
diese primäre Bindungen verlieren.
Betreuende Personen müssen sehr hellhörig und weitsichtig sein. Es gibt hier nicht
eine Wirklichkeit, es gibt mehrere.
Sie müssen darauf achten, dass sie den Betroffenen dort abholen wo er gerade steht
um ihn optimal, an seinen Bedürfnissen orientiert begleiten zu können. Betreuende
Personen müssen „in den Schuhen des Anderen gehen“.
Erfolgt diese angepasste Begleitung, wird das Leben für alle beteiligten Personen
leichter.
Die Lebensqualität des Menschen mit Demenz wird gesteigert und herausforderndes
Verhalten, wie z.B. ständiges Schreien als eine Art der Kommunikation und des
„Selbst-Erlebens“, vermindert.
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KOMMUNIKATION MIT MENSCHEN MIT DEMENZ
Die Kommunikation in der „palliativen“ Pflege und Betreuung von Menschen mit
Demenz hat einen hohen Stellenwert.
Mit dem Altern beginnt allmählich ein Abbauprozess, d.h. Fähigkeiten gehen verloren
– „Use it, or lose it“ (Weisenberger-Leduc 2009).
Um diese verlorenen Potenziale kompensieren zu können, beginnen oft Menschen
mit Demenz und Hochbetagte nicht selten z.B. zu spucken, zu schreien, zu
schlagen, ständig umherzugehen, zu urinieren an verschiedenen Plätzen, zu weinen
usw.
Es ist von hoher Wichtigkeit, dass diese „neuen“ Eigenschaften als ein Instrument
der Selbsthilfe wahrzunehmen sind. Werden diese nicht als solches wahrgenommen,
wird oft eine Therapie mit z.B. Psychopharmaka begonnen, obwohl es sich hierbei
nur um Methoden der Kommunikation des Menschen mit Demenz handelt. Um den
Menschen mit Demenz kompetent und empathisch gegenüber treten zu können,
müssen alle Personen im Umfeld zweier Methoden der Kommunikation mächtig sein.
Dies sind zum einen der verbale und zum anderen der nonverbale
Kommunikationsstil. In den meisten Fällen jedoch erreicht man mit der nonverbalen
Technik bei älteren Menschen und Menschen mit Demenz mehr, da das
gesprochene Wort oftmals nicht mehr verstanden bzw. missverstanden wird.
Menschen mit Demenz sprechen ebenso wie Sterbende und Kinder eine eigene
Sprache, welche wir verlernt haben. Es ist die Sprache der Emotionen. Durch die
Emotionen entstehen primäre Bindungen welche den tieferen Zugang zu den
Menschen mit Demenz ermöglichen. Nur durch den Mut selber emotional zu werden
und dadurch ein Stück verletzbarer, als betreuende Person oder Angehöriger, gelingt
es diese Sprache der Emotion zu sprechen und die Menschen mit Demenz zu
verstehen!
Mit dieser Art der Kommunikation, d.h. auf jeden Betroffenen individuell abgestimmt,
wird man seine Bedürfnisse erkennen, Verhaltensweisen verstehen und akzeptieren
können.
Die Verständigung sollte in einer einfachen Sprache geschehen. Zum Einen ist dies
durch die meist erschwerte Kommunikation durch Altersschwerhörigkeit gegeben,
zum Anderen ist durch die Beeinträchtigung des abstrakten Denkvermögens ein
Verständnis langer Sätze nicht immer gegeben. Jeder Satz sollte nur eine
Information enthalten. Also nicht: „Steh auf und zieh dir den Mantel an“ sondern nur
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„steh bitte auf“ und erst dann den nächsten Schritt. Die Sprache sollte dabei einfach
sein und die Sätze prägnant und kurz.
Meistens werden Sprichwörter und Redensarten besser verstanden als abstrakte
Wendungen. Hilfreich ist es, sich Wendungen und Begriffe zu merken, die vom
Demenzkranken verstanden wurden, um dann auf diese zurückzugreifen. Ein
Streitgespräch mit dem an Demenz erkrankten Menschen sollte unter allen
Umständen vermieden werden, auch wenn er eindeutig im Unrecht ist; dies würde
die Verwirrtheit und das unzufriedene „Gefühl“, das nach einem Streit bleibt (obgleich
sich der Betroffene nicht mehr an den Streit selbst erinnern kann), verstärken.
Für den demenzkranken Menschen ist der Streit auch deshalb sehr bedrohlich, weil
er nicht auf die Erfahrung zurückgreifen kann, dass der Streit auch wieder vorbei
geht, denn Demenzkranke leben fast ausschließlich in der Gegenwart. Zukunft hat
für sie keine Bedeutung.
Wenn die Sprache kaum noch möglich ist, wird es umso wichtiger, die übrigen Sinne
anzusprechen. Zugang kann auch über schmecken, riechen, sehen, hören, tasten
oder Bewegung geschaffen werden. Z. B. bekannte Volkslieder, bei denen die
Betroffenen wahrlich aufblühen können. Allerdings ist auch hier zu beachten, dass
sich einige Sinne verändern können. So spricht der Geschmackssinn vor allem auf
süße Speisen an. Bei allen Reizen sollte darauf geachtet werden, nicht zu viele auf
einmal einzusetzen. Eine Überlagerung verschiedener Sinneseindrücke kann
bedrohlich wirken, da die verschiedenen Urheber nicht mehr getrennt und
zugeordnet werden können. Ein Überangebot an Reizen führt damit eher zu
Verwirrtheit als zu Stimulation. Es sollte also ein Gleichgewicht gefunden werden
zwischen Überangebot und absoluter Reizarmut.
Im Idealfall ist der Betreuende in der Lage, sich in die Gedankenwelt des Dementen
einzufühlen, z.B. durch Validation.
Die Umgebung sollte auf den Erkrankten angepasst werden. Man stelle sich die
Situation vor, die z.B. beim Aufwachen in einem Seniorenheim entsteht: Ein Mensch
wacht auf in einem fremden Zimmer ohne vertraute Gegenstände; ein Mensch
(Pflegekraft) kommt herein, den er noch nie gesehen hat und fängt ohne zu fragen
und vollkommen selbstverständlich an, den Menschen zu waschen und anzukleiden.
Die Pflegekraft sollte sich möglichst vorstellen und vorher in einfachen Sätzen
erklären, was sie vorhat und auch weitere Handlungen kommentieren.
Hier zeigt sich, wie wichtig das Einstreuen vertrauter Gegenstände in die nähere
Umgebung des Erkrankten ist, um dessen Verwirrtheit und daher aufkeimende Angst
SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 13
zu bekämpfen. Denn vertraute Gegenstände, Geräusche usw. geben Sicherheit.
Wichtig ist auch eine gute Beleuchtung, da Schatten häufig zu Verunsicherung
führen, da sie nicht eingeordnet werden können. Weiterhin nimmt bei
Demenzkranken das räumliche, dreidimensionale Sehvermögen ab. Deshalb werden
farbliche Veränderungen des Bodens häufig als Schwellen interpretiert. Es gilt also,
den Patienten angstfrei und möglichst orientiert zu halten, um mit ihm arbeiten zu
können.
Der Pflegeforscher Erwin Böhm setzt auf Kindheitsemotionen, um demenzkranke
Senioren zu rehabilitieren. Böhm rät, in jungen Jahren ein so genanntes Sozigramm
zu erstellen. Darin solle man genau vermerken, was einem als Kind und Jugendlicher
Spaß gemacht hat.
Diese Informationen können später verwendet werden, um Kindheitserinnerungen
aufleben zu lassen. Dadurch entstehen Emotionen, die besonders Demenzkranke
glücklich machen und ihnen neue Lebensenergie einflößen. Die Krankheit könne auf
diese Weise zwar nicht geheilt, aber in ihren Auswirkungen vermindert werden.
HINSEHEN – HINHÖREN - HINFÜHLEN
In der Begleitung und Pflege ist es wesentlich den Augenblick zu leben. Die
Begegnungen zwischen betroffenen und betreuenden Menschen leben von ihrer
Aktivität und Intensivität. Es geht nicht um Weite es geht vielmehr um die Tiefe einer
Begegnung. Daher liegt es an uns den uns anvertrauten Menschen 100%
Aufmerksamkeit und Dasein zu schenken. Oft sind es nur wenige Minuten am Tag
die das Wohlbefinden eines Menschen beeinflussen. Diese wenigen Minuten leben
aus dem 100% Einlassen, Zulassen und Aushalten sowie Dasein!
Es geht um aktives
1. Hinsehen
2. Hinhören
3. Hin fühlen
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ERLEBEN DES MENSCHEN MIT DEMENZ
Wenn man versucht, sich in die Gefühlswelt demenzkranker
hineinzuversetzen, fällt die Kommunikation mit ihnen leichter.
Menschen
Für Demenzkranke sieht die Welt merkwürdig und unverständlich aus, weil sie die
spezifische menschliche Wahrnehmungsfähigkeit, die Orientierung, verlieren.
Sie können die Gegenstände, Situationen und Personen nicht in einen größeren
Kontext einordnen. Aufgrund ihrer Erinnerungsstörungen ist ihnen der Zugriff auf
früheres Wissen (semantisches Gedächtnis) und Erlebnisse (episodisches
Gedächtnis- zurücklöschend) verwehrt, um sich mit deren Hilfe in der jetzigen
Situation zurechtzufinden. Es fehlt das Wissen und die Sicherheit von Ressourcen,
die der Bewältigung aktueller Situationen dienen.
Oft verschwimmt der Unterschied zwischen Traum, Vergangenheit und Realität. Oft
kommt es zu Halluzinationen. Im Umgang mit dementen Personen ist es oft nicht
möglich, diesen, die Irrealität der Halluzinationen zu erklären. Im Idealfall erfassen
die Pflegenden die hinter den Halluzinationen stehende Stimmung und gehen auf
diese ein.
Wenn der erkrankte Mensch noch in der Lage ist zu erkennen, dass er in einer
Situation nicht angemessen reagiert hat, kann das bei ihm Unruhe und Resignation
auslösen.
Demente benötigen viel Zeit für alle Reaktionen und Handlungen. In
fortgeschrittenen Stadien ist beispielsweise eine ausreichende Ernährung auf
natürlichem Weg nicht mehr möglich, weil die Betroffenen aufgrund ihrer schweren
Antriebsstörung nicht mehr in der Lage sind, die Nahrung hinunterzuschlucken. Die
Geduld und die zeitlichen Möglichkeiten der Pflegenden stoßen deswegen
regelmäßig im Spätstadium an ihre Grenzen.
Menschen, die an Demenz erkrankt sind, fühlen sich oft falsch verstanden,
herumkommandiert oder bevormundet, da sie die Entscheidungsgründe, der sie
Pflegenden, nicht erfassen können. Überraschend viele an Demenz erkrankte
Personen können ihre Wünsche ausdrücken. Manche sind noch in der Lage, zu
spüren, wenn sich Mitmenschen langweilen oder von ihrem Verhalten peinlich
berührt sind. Im Spätstadium geht immer mehr auch die Fähigkeit zum emotionalen
Kontakt verloren, was für die Angehörigen sehr belastend sein kann.
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Demenzkranke reagieren gelegentlich sehr verärgert, wenn man sie für Dinge
verantwortlich macht, die sie inzwischen vergessen haben. Damit werden sie gleich
doppelt in die Enge getrieben: einmal dadurch, dass ihnen vorgeworfen wird,
absichtlich Fehler zu begehen, und zum anderen, weil sie mit ihren Schwächen –
sich nicht erinnern zu können – konfrontiert werden.
Auch demenzkranke Menschen haben Gefühle. Besonders Depressionen sind ein
häufiges Problem, oft bereits vor der Manifestation der Demenz, oft dann, wenn die
Betroffenen ihren geistigen Verfall wahrnehmen. Da die Symptome einer Depression
denen der Demenz ähnlich sind, können beide Krankheiten bei unzureichenden
Kenntnissen verwechselt werden. Je weiter die Demenz fortschreitet, desto mehr
verflacht aber auch die Gefühlswelt, und weicht parallel zu einer zunehmenden
Interessenlosigkeit einer affektiven Indifferenz mit der Unfähigkeit, sich zu freuen
oder traurig zu sein bzw. die Emotionen auszudrücken.
Der Umgang mit Demenzkranken sollte an deren verändertes Erleben angepasst
sein. Als hilfreiche Methoden im Umgang mit Demenzkranken haben sich erwiesen:
Validation, Biografiearbeit/Erinnerungspflege, Basale Stimulation und die
Selbsterhaltungstherapie (SET) nach Barbara Romero.
UMGANG MIT MENSCHEN MIT DEMENZ
Das Wichtigste im Umgang mit an Demenz Erkrankten ist Geduld. Durch Ungeduld
seitens der Kontaktpersonen hat der Betroffene das Gefühl, etwas falsch gemacht zu
haben - dies ist Ursache für Unzufriedenheit, Traurigkeit und Unwohlsein (kein
Mensch macht gerne Dinge falsch).
Wichtig ist ferner, sich darüber im Klaren zu sein, dass die Betroffenen aufgrund ihrer
Gedächtnisstörungen nur bedingt lernfähig sind. Das Meiste, was man ihnen sagt,
haben sie innerhalb weniger Minuten wieder vergessen. Mit dementen Menschen ist
daher nichts zuverlässig zu vereinbaren. Eine Konditionierung von Demenzkranken
ist dennoch möglich; führt man einen Betroffenen immer wieder an einen bestimmten
Platz an einem Tisch und erklärt ihm, dies sei sein Platz, so ist es durchaus möglich,
dass er sich diese Stelle in Zukunft selbst zum Sitzen aussucht. Auf die Frage: „Wo
ist Ihr Platz?“ wird der Betroffene dennoch ausweichend antworten. Deswegen ist es
sinnvoll, möglichst auf Fragen zu verzichten.
SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 16
Einige typische Missverständnisse zwischen (beruflich) Pflegenden und an Alzheimer
leidenden Personen sind z.B. Bevormundung, Fixierung als vorgebliche Sicherheit
vor Stürzen, unangepasste Beschäftigungsangebote und zu große, zu laute
Personengruppen.
AGRESSIONEN UND EREGBARKEIT
Demenzverhalten zeigt sich unter anderem auch mit Verhaltensweisen wie Agitation,
Irritierbarkeit, verbaler und körperlicher Aggression. Agitation kann durch
verschiedene Dinge ausgelöst werden, dazu gehören Umweltfaktoren, Angst und
Müdigkeit. Diverse Untersuchungen belegen, dass Agitation am häufigsten auftritt,
wenn sich die Person kontrolliert fühlt. Das lässt darauf schließen, dass
Einschränkungsmaßnahmen die Verhaltensweise von erregten älteren Personen
eher verschlimmern als verbessern.
• Wie wirke ich?
• Reduzieren Sie Lärm
• Sichere und verlässliche Tagesstruktur
• Wenig Veränderung des Umfeldes (Bilder, Möbel, Gegenstände,…)
• Sanfte Berührungen
• Musikalische Reize (nicht zu laut)
• Ruhiger Tonfall
• Blickkontakt halten
• Autonomie erhalten – selber tun können und dürfen (z.B. Kleidung aussuchen)
• Verständnis über den Ärger und der Frustration aufgrund des Kontrollverlustes
• Verwenden gleicher Worte – einfache Worte und Sätze
• Auf nonverbale Signale und Körpersprache achten
SCHMERZ UND DEMENZ
„Es gibt keinen Schmerz, der nicht zu übertreffen wäre,
das einzige Unendliche ist der Schmerz.“ (Elias Canetti)
Schmerz wird nicht umsonst als der bellende Wächter der Gesundheit bezeichnet. Es
liegt an uns Pflegenden die Schmerzen der uns anvertrauten Menschen rechtzeitig
wahr und vor allem ernst zu nehmen, um entsprechend unser Handeln auszurichten!
SEMINARUNTERLAGEN EINE GEMEINSAME SPRACHE SPRECHEN ©FUHRMANN 2014 Seite 17
Dazu reicht nicht alleine eine fachliche Kompetenz aus, vielmehr ist eine
menschliche Kompetenz und Empathie gefordert im Umgang mit Schmerzen.
Schlussendlich ist es unsere eigene Schmerzbiographie und unser
Schmerzverhalten, welches unser Handeln beeinflusst und steuert. Schmerz ist
immer eine individuelle Wahrnehmung eines Gefühls von Unwohlsein bzw. Erkennen
physischer und psychischer Beschwerden.
Schmerz ist also das was von den PatientInnen geäußert wird, und nicht das
was wir sehen und interpretieren.
Wir unterscheiden daher vier Dimensionen des Schmerzerlebens:
den physischen Schmerz (körperlicher Schmer)
den psychischen Schmerz (Trauma, Erlebnisse, Kummer)
den spirituellen Schmerz und
den sozialen Schmerz
diese nehmen wir oft nicht wahr, wobei diese oft überwiegen und die Grundlage des
physischen Schmerzes bilden.
Häufige indirekte Schmerzzeichen:
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Angespannter Gesichtsausdruck
Verkrampfte Haltung
Schonhaltung
Veränderter Atemrhythmus
Verschlechterung des AZ
Blutdruckanstieg
Tachykardie
Zunehmende Bewegungsunlust
Verstärkter Rückzug
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Appetitlosigkeit
Unruhe, Schreien, Anklammern
Aggressivität
Zunehmende Verwirrtheit
Schlafstörungen, etc.
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Nicht jede Verhaltensänderung muss zwangsläufig im Kontext mit Schmerzen
stehen. Zeichen richtig zu deuten ist eine der größten Herausforderungen in der
Betreuung dementer und anderweitig in der Kommunikation eingeschränkter
Menschen. Grundvoraussetzung für ein gutes Gelingen ist eine einfühlende
Wahrnehmung des Anderen und gründliche Reflexion der eigenen Wahrnehmung.
Den Anderen in seinem gesamten „Person sein“ wahrnehmen, bedeutet mit ihm in
Beziehung zu treten, sich auf den Anderen einlassen, in diesem Augenblick offen
und neutral sein, für das was der Andere uns mitteilt.
„Alles wirkliche Leben ist Begegnung“ (Martin Buber)
Eine adäquate Schmerztherapie sollte sich individuell an dem WHO-Stufenplan
orientieren!
SEXUALITÄT UND IDENTITÄT
Sexuelle Bedürfnisse bei Menschen mit Demenz werden weitgehend ignoriert und
tabuisiert. Dies kann sich für den Betroffenen besonders negativ auswirken, wenn er
in einer öffentlichen Institution wie in einem Pflegeheim ist.
Ein sensibler Umgang mit den Bedürfnissen nach Zärtlichkeit, auch eines Menschen
mit Demenz, ist unbedingt notwendig.
So sollte nach Wunsch die Möglichkeit bestehen ein Einzelzimmer zur Verfügung zu
stellen, oder eine Tafel mit der Aufschrift „Bitte nicht stören“ anzubringen und
zumindest anzuklopfen, bevor man in ein Zimmer geht.
In Mehrbettzimmern sollte zumindest Sichtschutz möglich sein, nicht zuletzt auch zur
Wahrung der Intimsphäre bei Pflegemaßnahmen.
Diese Möglichkeiten müssen von Betreuenden angeboten werden, da Betroffene
sich oft nicht trauen diese intimen Bedürfnisse anzusprechen und zu äußern.
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SELBSTFÜRSORGE – VOM UMGANG MIT BELASTUNGSGRENZEN
Stellen Sie sich öfter die Frage nach dem Warum tue ich was ich tue? Warum nehme
ich mir mehr Zeit für andere als für mich selber.
Wichtig in der Betreuung von Menschen mit Demenz und deren sozialen Umfeldes
ist das Wissen….
1.es braucht nicht immer eine Lösung,
2.es braucht nicht immer Worte, und
3. es braucht nicht immer eine Handlung
ZEIT FÜR MICH!!!!!!
• Abstand nehmen von der intensiven Betreuung und Pflege
• Reflexion der Begleitung und des Weges
• Persönliches Ritual
• Wanderung
• Essen mit Freunden
• Alles Tun was MIR gut tut
• ICH bin mir wichtig und selbst am nächsten
• Supervision
• Spüren der eigenen Grenzen und neues Festlegen der Grenzen durch
Erfahrungen auf dem zurückgelegten Weg.
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NACHWORT
Es gäbe noch viel zu sagen und zu schreiben zum Thema „Demenz“. Wesentliche
Seminarinhalte habe ich versucht in diesen Unterlagen zusammen zu fassen. Das
Wichtigste in der Begleitung und in der Betreuung von Menschen mit Demenz ist und
bleibt die Menschlichkeit und die Empathie sowie ein umfassendes Wissen über die
Erkrankung.
Jörg Fuhrmann
„Sei du die
Veränderung,
die du in der
Welt sehen
willst!“
(Mahatma Ghandi)
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