Demenzformen und ihre unterschiedlichen

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DEMENZFORMEN UND IHRE UNTERSCHIEDLICHEN
AUSWIRKUNGEN AUF DIE BETROFFENEN UND DIE BEGLEITUNG
ANDREAS KUTSCHKE | KÖLN 2010
1.
Grundlagen
1.1.
Begriff der Demenz
1.1.1. Definition und Einteilung nach gebräuchlichen Klassifikationssystemen
1.1.2. Demenz als pflegebegründende Diagnose
1.2.
Epidemiologie
1.2.1. Inzidenz und Prävalenz im nationalen und internationalen Vergleich
1.3.
Gesundheitsökonomische Bedeutung der Demenz
2.
Verschiedene Demenzformen
2.1.
Alzheimer Demenz
2.2.
Vaskuläre Demenzen (Multiinfarkt Demenz / Morbus Binswanger)
2.3.
Frontotemporale Degenerationen / Demenzen (FTD / Morbus Pick)
2.4.
Demenz mit Lewy-Körperchen
1. Grundlagen
Chronische hirnorganische Psychosyndrome werden oft als Demenz bezeichnet, ihnen können vielfältige Krankheitsprozesse zugrunde liegen. In dem folgenden Kapitel werden Ursachen, Häufigkeit, Beschreibungen, Einschätzungen und Behandlung vor allem unter einer
pflegerischen Perspektive beleuchtet.
1.1. Begriff der Demenz
Der Begriff der Demenz bzw. Dementia wurde bereits in der Antike benutzt. Es existieren unterschiedliche Definitionen für den Begriff Demenz, inhaltlich ähneln sich diese meistens.
Kötter und Hampel übersetzen den Begriff etwa mit „des Verstandes beraubt“ (Hampel 2002),
Füsgen leitet den Begriff der „Unvernunft“ ab (2001).
In der Vergangenheit wurden für das gleiche Krankheitsbild unterschiedliche Bezeichnungen verwendet, einige finden sich auch heute noch in der Literatur und in Diskussionen wieSeite 1/16
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der, beispielsweise: psychoorganisches Syndrom, hirnorganisches Psychosyndrom (HOPS),
zerebrale bzw. zerebrovaskuläre Insuffizienz, zerebrale Leistungsminderung, chronische Verwirrtheit oder Zerebralsklerose.
1.1.1. Beschreibung und Einteilung der Demenz nach gebräuchlichen
Klassifikationssystemen
Beschreibung
Bei einem komplexen Krankheitsgeschehen wie der Demenz, die verschiedene Ursachen und
Symptome aber auch unterschiedliche Verläufe hat, wird versucht, eine größere Übersichtlichkeit mit Rastern und Klassifikationen herzustellen.
Grundsätzlich lässt sich über die Demenz sagen, dass sie gekennzeichnet ist durch:
die Abnahme des Gedächtnisses und anderer kognitiver Fähigkeiten,
charakterisiert durch eine Verminderung der Urteilsfähigkeit und des Denkvermögens.
eine verminderte Affektkontrolle mit mindestens einem der folgenden Merkmale:
emotionale Labilität – Reizbarkeit – Apathie.
eine Vergröberung des sozialen Verhaltens.
eine Dauer von mindestens einem halben Jahr.
Die Störungen führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens.
Sie impliziert keine Bewusstseinseintrübung (dieses Beobachtung ist notwendig um ein
Delir auszugrenzen).
Diese Beschreibung lässt sich aus dem Diagnosesystem ICD – 10 ableiten (Dilling, Mombour 2000)1.
1
ICD-10 (International Classification of Diseases) hier verwendete Internationale Klassifikation psychischer Stö-
rungen Kapitel V (F) (2000). Die Entwicklung der ICD-10 geht in die 70er Jahre zurück, wo die Weltgesundheitsorganisation versuchte, das Wissen und die verschiedenen Klassifikationssysteme weltweit abzugleichen.
Norman Sartorius, ehemaliger Direktor der Abteilung Mental Health der WHO, sagt zur IDC-10: „Sie wurde in der
Hoffnung entwickelt, dass sie für die Menschen, die weltweit mit psychisch Kranken und ihren Familien arbeiten, eine Hilfe sei.“
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Einteilung
Häufig wird eine Unterscheidung in leichte, mittelgradige und schwere Beeinträchtigungen
bzw. Stadien vorgenommen. Zur Verdeutlichung werden die Stadien mit typischen kognitiven, nicht kognitiven und den Alltag beeinflussenden Faktoren beschrieben. Die GDS (Global Deterioration Scale) nach Reisberg beschreibt die demenzielle Entwicklung in 7 Schritten.
Der Mini Mental Status MMSE nach Folstein, als eines der bekanntesten Assessments, schätzt
den Schweregrad in leichte, mittlere und schwere Demenz ein.
Betrachtet man die gesamte Inzidenzrate zur Demenz in Deutschland, so liegt diese zwischen
1,4 und 2,4 %, wobei die Zahlen für die Alzheimererkrankung sehr einheitlich sind, die der anderen Demenzen je nach Studie stark von einander abweichen. Bickel errechnet daraus
120000 – 160000 neu an Alzheimer Erkrankte, und 40000 neu an vaskulären Demenzen Erkrankte pro Jahr (Bickel in Wallesch, Förstl 2005:6). Die Häufigkeit der einzelnen Demenzformen, werden den einzelnen Krankheitsbeschreibungen zugeordnet, soweit diese zu
ermitteln sind, denn nicht zu allen Demenzformen gibt es auch genaue Zahlen.
Definition: Inzidenzrate
Die Inzidenzrate beziffert den Anteil der Neuerkrankungen an den zuvor Gesunden,
über den Zeitraum eines Jahres.
Definition: Prävalenz
Die Prävalenz beziffert den Krankenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt.
2. Verschiedene Demenzformen
Natürlich kann die Frage gestellt werden, ob es sinnvoll ist, verschiedene Demenzformen in
der pflegerischen Betrachtung und Arbeit überhaupt zu unterscheiden. Es gibt verschiedene
Gründe, die diese Differenzierung nahe legen:
Die Krankheitsverläufe sowie begleitende Symptome der einzelnen Demenzen unterscheiden sich zum Teil deutlich voneinander.
Prophylaxen können unter Umständen vergleichsweise früh einsetzen (Sturz, Kontinenz
etc.) und sind zum Teil sehr unterschiedlich, wenn z.B. kognitive Trainings oder Kraft-Balancetraining angeboten werden.
Die Angehörigenberatung, bezogen auf die Krankheitsperspektive, ist u. U. sehr individuell.
Phänomene und Verhaltensweisen können von spezifischen Erkrankungen abgeleitet
werden.
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Es könnte vorausschauend gehandelt werden, vor allem, wenn es um Prophylaxen geht
(beispielsweise Sturzprophylaxe bei Lewy Körper Demenz, Normaldruckhydrozephalus).
Bewohner werden weniger über- oder unterfordert, dies bezieht sich nicht nur auf intellektuelle sondern ebenfalls auf körperliche Anforderungen.
Verhaltensweisen sind häufig erklärbar (nicht nur den Pflegenden, sondern auch den
Angehörigen).
Veränderungen können besser eingeschätzt werden (sollte ein Alzheimer Erkrankter
früh in der Erkrankung in der Gehfähigkeit eingeschränkt sein, wird es wahrscheinlich
einen anderen Grund als die Demenz geben).
Beratungsaufgaben können kompetenter wahrgenommen werden, weil Krankheitsverläufe prospektiv beschrieben werden können.
In der Fachliteratur werden über hundert verschiedene Erkrankungen aufgeführt, die zu einer
Demenz führen können, hier werden die häufigsten Erkrankungen besprochen. Alle dementiellen Entwicklungen haben in Bezug auf ihre Symptomatik einen vergleichbaren Ablauf, der inhaltlich aber nicht zeitlich vorbestimmbar ist. Allerdings sind die
Alzheimererkrankung und die vaskuläre Demenz mit 90 % die am häufigsten vertretenen
(Füsgen 2001) Demenzformen und bedürfen deshalb einer besonderen Betrachtung. Wächtler ist der Meinung, dass die Demenz, frühzeitig erkannt und individuell behandelt, Leid für
den Betroffenen und seine Angehörige mildern und Kosten senken kann (2003).
2.1. Die Alzheimer Demenz
Beschreibung und Ursache
Der Name der häufigsten Demenzform geht auf Alois Alzheimer zurück, der 1907 einen typischen Fall mit progredienter (fortschreitender) Gedächtnisschwäche, räumlicher Orientierungsstörung, paranoiden Denkinhalten und einer ausgeprägten Ratlosigkeit beschrieb. Die
Alzheimer Krankheit (AK), ist ein langsam fortschreitender degenerativer Prozess, mit einer
vermutlichen Dauer von 20 –30 Jahren. Die Diagnose wird erst im Verlauf bei Auftreten der
ersten Symptome gestellt, von diesem Zeitpunkt an beträgt die Dauer der Alzheimer Krankheit ca. 5 – 8 Jahre (Wallesch, Förstl 2005).
Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer Degeneration des Gehirns, bei der es zu Ablagerungen durch Plaques kommt. Man nimmt an, dass eine Störung des Abbaus oder des Abtransports des Amyloid (Plaques) eine wesentliche pathogenetische Rolle spielt und damit
einer der Mitverursacher der AK ist (Kurz, Diehl, et. Al. in Wächtler 2003).
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Häufigkeit
Das häufigste klinische Erscheinungsbild der Demenz ist die Alzheimer Krankheit. Die Erkrankung gilt mit einem Anteil von über 60 % (Füsgen 2001) als Hauptursache aller Demenzen. Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass landläufig bei Vorliegen einer Demenz vom
„Alzheimer“ gesprochen wird.
Diagnostik und Symptome
Die Alzheimer Krankheit unterliegt einer Ausschlussdiagnostik, Kriterien nach DSM IV / ICD
– 10 sind z.B.
das Vorliegen einer Demenz
ein schleichender Beginn und progrediente Verschlechterung
kognitive Verschlechterungen.
Die Symptome können nicht auf andere Erkrankungen des ZNS zurückgeführt werden (Insulte, Hirntumoren, Normaldruckhydrozephalus) oder auf systemische Erkrankungen wie
Hypothyreose oder HIV Infektion (vgl. Stoppe in Wächtler 2003). Hieran wird deutlich, wie
umfänglich die Diagnostik sein sollte.
Typische Veränderung bei BewohnerInnen mit DAT
Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnis, des episodischen und semantischen Gedächtnisses
Die Sprache ist zunehmend betroffen in der Flüssigkeit, der Wortfindung und im Informationsgehalt.
Beeinträchtigung des Wiedererkennens
Praktische Fähigkeiten, wie Planen von Bewegungen und das Erkennen (Apraxie und
Agnosie) gehen verloren.
bei der Koordination und bei Visokonstruktion
(Abläufe bei Handlungen können zunehmend schlechter in der richtiger Reihenfolge
durchgeführt werden.)
Veränderungen der Persönlichkeit
Antrieb, Interesse und Initiative gehen zurück.
Aufmerksamkeit geht verloren, geteilte Aufmerksamkeit ist eingeschränkt.
Orientierung in den verschiedenen Teilbereichen geht verloren.
(vgl. Stoppe in Wächtler 2003, Hampel, Padberg, Möller 2003)
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Darüber hinaus sind Wahnsymptome wie Bestehlungswahn oder Verarmungswahn häufig
zu beobachten. In wahrscheinlich 20 % der Fälle kommt es nach Stoppe (2003) zu optischen,
oder akustischen Halluzinationen. Halluzinationen bedeuten für den Betroffenen nicht selten
Angst und Verzweifelung, weil er „die Welt nicht mehr versteht“, es kann aber eben auch angenehme Halluzinationen geben. Für Pflegende ist es notwendig, diese Symptome genau
zu beschreiben, denn die Behandlung hängt meistens von der betreuerischen Einschätzung
ab. Fühlt der Betroffene sich bedroht und leidet unter seinen Wahrnehmungen, würden antipsychotische Medikamente kaum umgehbar sein, diese hätten aber natürlich wiederum
einen deutlichen Einfluss auf viele andere Lebensbereiche (Gehfähigkeit, Antrieb etc.), so
dass hier eine sehr wohlüberlegte Abwägung stattfinden muss.
Menschen mit DAT leiden in 30 % (Schmidtke, Hüll in Wallesch, Förstl 2005) der Fälle in der
Initialphase zusätzlich an einem depressiven Syndrom. Dies bedeutet, dass sich gerade zu
Beginn der Erkrankung unter die Symptome der DAT auch depressive Symptome mischen
können.
Verändertes Verhalten
Oft treten Verhaltensweisen wie Wandern, Rufen, Tag- Nachtumkehr, Affektlabilität und eigensinniger Umgang, beispielsweise mit Essen auf.
Verhaltensstörungen mit Fremdaggression, Hyperoralität und sexueller Enthemmung als
Ausdruck mitbeteiligter frontaler Hirnstrukturen treten oft erst in fortgeschrittenen Verläufen
auf. Sporadisch können auch aggressive Handlungen oder eine akute Unruhe auftreten. Diese
Verhaltensweisen können immer eine direkte Folge von Symptomen der Demenz sein, es ist
aber ebenfalls möglich, dass sie auf unerwünschte Wirkungen von Medikamenten, einem
Delir oder einer Depression zurückzuführen sind. Neben diesen Ursachen für verändertes
Verhalten kommen auch Schmerzen, ein stark verändertes Umfeld oder nicht befriedigte
Grundbedürfnisse als Erklärung für unerwünschte Verhaltensweisen in Frage. Hunger, Durst,
Harndrang und andere nicht befriedigte Grundbedürfnisse sollten auf der Suche nach den Ursachen ausgeschlossen werden. Denn nicht befriedigte Grundbedürfnisse sind häufig Grund
für herausforderndes Verhalten. Problematisch ist für den Bewohner, dass er diese Bedürfnisse, vor allem in späteren Stadien der Erkrankung, nicht mehr artikulieren kann.
Erkrankung im Verlauf
Im Spätstadium treten stereotype Bewegungsmuster und Angst- und Unruhezustände auf,
die Betroffenen sind immer schwerer verstehbar. Bei manchen Patienten können Myoklonien, unter Umständen auch epileptische Anfälle auftreten.
Da die DAT ein Prototyp der kortikalen Demenzen ist, stehen ohne wesentliche körperliche
Beschwerden die Hirnwerkzeugstörungen (wie Koordinationsstörungen / Apraxie oder Erkennensstörungen /Agnosie) im Vordergrund (Schmidtke, Hüll in Wallesch, Förstl 2005). Dieses Phänomen führt oft bei Angehörigen zu Irritationen, da die Betroffenen sich gut bewegen
können und auch oft routinierte Handlungen wie selbstverständlich durchführen, obwohl
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sie in der Demenz bereits weit fortgeschritten sind. Im letzten Stadium der Erkrankung findet ein starker körperlicher Verfall statt, der oft von Gewichtsverlust und schwersten Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen begleitet wird (Padberg, Hampel, Möller 2003). In
dieser Zeit sind die Patienten besonders anfällig für Infektionen, Dehydratation, Unterernährung aber auch für Kontrakturen und Decubitalulcera.
Präventionsmöglichkeiten
Ursächlich wirkende oder vorbeugende Maßnahmen für die Alzheimererkrankung sind nicht
bekannt. Risikostudien zum Rauchen zeigen teilweise widersprüchliche Ergebnisse, die Mehrheit geht jedoch von einer Risikoerhöhung aus. In geringem Maße haben Wein und Bier offenbar eine protektive Wirkung, vermehrt genossen steigt das Erkrankungsrisiko. Arterielle
Hypertonien scheinen ebenfalls das Risiko zu erhöhen. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die
eine DAT beeinflussen, so führt eine hohe geistige und /oder körperliche Aktivität zu einer Reduzierung des DAT Risikos. Dies bedeutet, dass Gedächtnistraining und Sport nicht die Krankheit an sich verändern, jedoch den Verlauf und die Alltagskompetenz positiv beeinflussen.
2.2. Vaskuläre Demenzen
Beschreibung und Ursache
Als „vaskuläre Demenz“ bezeichnet man alle demenziellen Syndrome, die auf Erkrankungen
der Hirngefäße basieren (Haberl, Schreiber in Wallesch, Förstl 2005). Die häufigste Ursache für
eine vaskuläre Demenz ist die Hypertonie.
Meistens werden vaskuläre Demenzen in drei Gruppen unterteilt:
a. subkortikal vaskuläre Enzephalopathien wie die Binswanger Krankheit
b. Multiinfarktdemenz (MID)
c. Einzelinfarkte
(vgl. Füsgen 2001)
Häufig kommt es zu einer gemischten Form, bei denen Anteile der DAT und der vaskulären
Demenz gemeinsam auftreten.
Häufigkeit
Vaskuläre Demenzen sind die zweithäufigsten Erkrankungen bei den Demenzen, in Europa
10 – 30 % aller Demenzen. Die subkortikale Erscheinungsform (Morbus Binswanger) ist mit
21 – 36 % die häufigste Form vaskulärer Demenzen (vgl. Hampel, Padberg, Möller 2003).
Diagnostik und Symptome
Zur Diagnose der vaskulären Demenzen werden kognitive Screening Tests eingesetzt, wie
der MMST, aber auch speziellere Verfahren, wie das strukturierte Interview zur Diagnose der
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Alzheimer- und Multiinfarkt- Demenz (SIDAM) oder der Hachinski Ischämie Score (HIS), der
zur Abgrenzung zwischen vaskulären und degenerativen Demenzen genutzt wird. Darüber
hinaus werden die verschiedensten Untersuchungen, wie Computertomographie (CT) oder
Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt (Ivemeyer, Zerfaß 2002).
Kortikale vaskuläre Demenzen (MID) werden von subkortikalen vaskulären Demenzen unterschieden (Binswanger Krankheit). Bei der ersten Gruppe können neben der Demenz oft
plötzlich auftretende motorische und aphasische Zeichen beobachtet werden. In der zweiten Gruppe treten häufig Affektlabilität, Verlangsamung, Interessenverlust und Wesensänderungen in den Vordergrund.
Vaskuläre Demenzen sind üblicherweise gekennzeichnet durch einen raschen Beginn und
starke Schwankungen im Krankheitsverlauf. Eine stufenweise Verschlechterung der kognitiven Leistung gilt als obligat für vaskuläre Demenzen.
Trotz der Vielfältigkeit der vaskulären Erkrankung können einige Merkmale als charakteristisch zugeordnet werden. So kommt es meistens schon im frühen Krankheitsstadium zu
Gangstörungen mit kleinschrittigem, schlurfendem oder auch spastischem Gangbild. Die
Folge sind häufige Stürze. Eine Dranginkontinenz kann in der Frühphase auftreten. Ebenfalls
können Lähmungen, Akinesen (Bewegungsarmut) sowie Sprach- und Schluckstörungen auftreten. Aber auch eine ausgeprägte Affektlabilität kann die Folge sein (Haberl, Schreiber in
Wallesch, Förstl 2005:222), die sich in unkontrolliertem Lachen oder Weinen äußert.
Verändertes Verhalten
Ein einheitliches Verhaltensbild kann bei den vaskulären Demenzen nicht vorliegen, da Störungen vor allem davon abhängen, welche Form der Demenz vorliegt (kortikal oder subkortikal), und ob bestimmte Gehirnregionen stärker durch Durchblutungsstörungen betroffen
sind als andere. Allerdings fallen Ängstlichkeit und emotionale Labilität, Reizbarkeit und Persönlichkeitsveränderungen immer besonders auf (Deutsche Gesellschaft für Neurologie).
Verlauf
Die kortikalen Formen (MID) verlaufen stufenförmig und die Lebenserwartung gegenüber
der DAT ist geringer (Haberl, Schreiber in Wallesch, Förstl 2005).
Die weit fortgeschrittene vaskuläre Demenz unterscheidet sich kaum noch von einer schweren DAT, abgesehen von den zusätzlichen erworbenen neurologischen Symptomen (die sehr
individuell je nach Lokalisation der Schädigung sein können).
2
Kortikal: die Hirnrinde betreffend
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Prävention
Eine Prävention besteht im Wesentlichen in der Minimierung der vaskulären Risikofaktoren,
wie:
Reduktion der Hypertonie
Senkung des Cholesterins
Regulierung des Fettstoffwechsels
Verbesserung des Vitaminstatus
Regulation des Diabetes Mellitus
(vgl. Haberl, Schreiber in Wallesch, Förstl 2005)
2.3. Frontotemporale Degeneration (FTD / Morbus Pick
Beschreibung der Erkrankung
Bereits 1892 beschrieb Arnold Pick diese Form der Demenz, bei der es zu einer frontalen oder
linkstemporalen Großhirnatrophie kommt. Diese besondere Erkrankung ist dann auch unter
seinem Namen in die Literatur eingegangen, eben Morbus Pick. Heute gibt es verschiedene
Erkrankungen, die in diesem Hirnareal manifestiert sind, und gemeinsam als frontotemporale
Degenerationen bezeichnet werden
Häufigkeit
Die FTD sind im Augenblick aktuell in der Diskussion, der Anteil an allen Frontalhirndemenzen wird immerhin mit 8-10 % angegeben (Riederer Hoyer in Wallesch, Förstl 2005). Wahrscheinlich ist der Anteil der FTD an den Demenzen größer als bisher angenommen. Am Ende
der Erkrankung ist die FTD jedoch nur noch schwer von der Alzheimerdemenz zu unterscheiden.
Diagnostik und Symptome
Die FTD wird klinisch untersucht, der Fremdanamnese kommt eine besondere Bedeutung
zu, da der Betroffene meistens keine Krankheitseinsicht hat. Die Fremdanamnese wird z.B.
mit dem Frontal Behavioral Inventory (Wallesch, Förstl 2005) unterstützt, der für die genauere
Erfassung dieser Demenzform entwickelt wurde. Darüber hinaus werden zur Diagnosefindung EEG und verschiedene bildgebende Verfahren angewendet.
Diese heterogene Demenzgruppe weist einige gemeinsame Symptome auf:
reduziertes Urteilsvermögen, oft unbeteiligt wirken, initiativlos, läppisch und rücksichtslos
Vernachlässigung persönlicher Hygiene und Pflege
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früher Verlust des sozialen Bewusstseins (Taktlosigkeit, Straftaten)
Enthemmung, sexuelle Unbeherrschtheit, ruheloses Umherwandern, Witzeln
mentale Rigidität und Inflexibilität
verändertes Essverhalten, unangemessener Nikotin- und Alkoholkonsum
Vorliebe für kohlehydratreiche Süßspeisen
Hyperoralität
Schlafstörungen können sich in Hypo- oder Hypersomnie äußern.
ritualisierte Beschäftigungen wie Sammeln, Waschen, Anziehen
Ablenkbarkeit, Impulsivität
frühe fehlende Krankheitseinsicht
frühe Beeinträchtigung des Sprachvermögens (Sprachdrang, Echolalie, Perseveration)
Primitivreflexe, Inkontinenz und Bewegungsverlangsamung können auftreten.
(vgl. Lund and Manchester Groups 1994 zitiert nach Hampel, Padberg, Möller 2003:108)
Im Gegensatz zu diesen Veränderungen bleiben Orientierung und Gedächtnisleistungen und
visokonstruktive Fähigkeiten vergleichsweise lange gut erhalten. Die visuell räumliche Organisation wird beispielsweise durch den Uhrentest erfasst (Perrar, Sirsch, Kutschke 2006).
Verändertes Verhalten
Bei der Beschreibung dieser Symptome wird deutlich, dass bei dieser Patientengruppe das
soziale Zusammenleben erschwert ist. Vor allem die Taktlosigkeit, Aggressivität, maßloses
Essen und die Teilnahmslosigkeit sind für das Umfeld oft schwer zu ertragen. Besonders
schwer ist es für Angehörige, aber auch professionell Pflegende, die Diskrepanz zwischen
den Veränderungen durch die Erkrankung und den erhaltenen Fähigkeiten zu verstehen. Auf
der einen Seite können diese Patienten sich noch relativ gut erinnern und sich im Umfeld zurechtfinden, auf der anderen Seite stellen sie ihre nächsten Angehörigen praktisch bei jeder
Gelegenheit durch auffälliges Verhalten auf eine harte Probe.
Sie sind oft in ihrem Verhalten übergriffig und distanzlos, was die Pflege und Betreuung für
alle Beteiligten besonders schwer macht, vor allem längerfristig die Betreuung aufrechtzuerhalten. Aus diesem Grund sind besondere Strategien der Selbstpflege von Pflegenden erforderlich, damit diese Arbeit langfristig und professionell erfolgen kann. Ein gutes
Selbstmanagement der Betreuenden ist hier dringend erforderlich, sowie deren fachliche
Unterstützung.
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Verlauf und Schwere der Form
Der Verlauf ist schleichend und kontinuierlich und beginnt oft schon früh, so ist der typische
Krankheitsbeginn zwischen dem 45. und 60. Lebensjahr (Wallesch, Förstl 2005).
Die weit fortgeschrittene Erkrankung hat eine große Ähnlichkeit zu anderen Demenzformen,
vor allem der Alzheimer Krankheit.
Prävention
Eine Prävention gibt es für FTD nicht, die Behandlung bezieht sich in der Regel auf die Symptome. Die Erkrankungsdauer beträgt ca. 10 Jahre nach Diagnosestellung.
2.4. Demenz mit Lewy Körperchen (DLB)
(häufige Schreibweise Demenz vom Lewy Body Typ DLBT)
Beschreibung der Erkrankung
Diese Demenzform hat sowohl Ähnlichkeiten mit der Alzheimer Demenz als auch mit der
Demenz bei Morbus Parkinson. Die Lewy Körperchen Demenz tritt sowohl kortikal als auch
subkortikal auf. Unter Lewy Körperchen versteht man Einschlusskörper, die immunologisch
nachweisbar sind. Diese Erkrankung kann mit Parkinson, mit einer Alzheimerdemenz oder
auch in reiner Form auftreten (Deutsche Gesellschaft für Neurologie).
Häufigkeit
Männer sind doppelt so oft betroffen wie Frauen, insgesamt sollen 15-36% aller Demenzen
von diesem Typ sein. (Holmes et al. Mc Keith et al. zitiert in Hampel Padberg Möller 2003). Bei
etwa 7 - 20% aller dementen Patienten lassen sich Lewy Körperchen auch in der Hirnrinde
nachweisen.
Diagnostik und Symptome
Für die klinische Diagnose wird ein progredienter kognitiver Abbau gefordert, besonders
auffällig können in kognitiven Tests Defizite in der Aufmerksamkeit und in der optisch räumlichen Vorstellung liegen.
Sehr deutlich sind die Symptome der Demenz mit Lewy Körperchen:
Aufmerksamkeitsstörungen schon zu Beginn der Erkrankung
visuelle Halluzinationen, die sehr detailliert seien können (werden auch angstvoll erlebt)
nicht visuelle Halluzinationen
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motorische Parkinsonsymptome, (wenn vorhanden, dann binnen eines Jahres vor oder
nach dem Auftreten der Demenz)
Es kommt vergleichsweise früh in der Erkrankung zu Stürzen.
Agitiertheit
vergleichsweise frühe Inkontinenz
vorübergehende Bewusstseinsverluste
eine hohe Neuroleptika Empfindlichkeit
Schlafstörungen
systematisierter Wahn
Halluzinationen in anderen Sinnesbereichen.
(Deutsche Gesellschaft für Neurologie 2006)
Wahrscheinlich wird oft eine Alzheimererkrankung diagnostiziert, die in Wirklichkeit eine
Lewy Körperchen Demenz ist. Retrospektive Analysen haben aber darauf hingewiesen, dass
die Patienten mit DLB deutlich häufiger extrapyramidalmotorische Symptome, variierende
kognitive Defizite, Halluzinationen und Stürze hatten (McKeith zitiert nach Wallesch, Förstl
2005).
Aus dieser Wahrnehmung lassen sich folgende Überlegungen ableiten: Bei bekannter DLB
sollte früh eine aktive und passive Sturzprophylaxe implementiert werden, Halluzinationen
sollten sehr aufmerksam beobachtet werden und im Zusammenhang mit Agitiertheit sehr
differenziert mit dem Arzt über mögliche Medikationen diskutiert werden. (Antipsychotika
werden sehr kritisch gesehen, ihre Verwendung führte bei dieser Gruppe zu schweren akinetischen Krisen und vegetativen Entgleisungen. Todesfälle wurden ebenfalls beschrieben.
Wallesch Förstl 2005).
Verändertes Verhalten
Aus pflegerischer Sicht werden Patienten mit DLB wahrscheinlich eher als herausfordernd
wahrgenommen als andere. Besonders Angstzustände, Aggressivität und Wahnbildung können zu großen Problemen führen. Besonders problematisch erscheint das Verhalten vor dem
Hintergrund, dass gerade diese Personengruppe empfindlich auf Neuroleptika reagiert, die
Psychopharmagruppe, die gerade bei psychotischem Verhalten eingesetzt wird.
Diese Patienten scheinen besser auf Cholinesterasehemmer anzusprechen als Alzheimererkrankte. Unter dieser Therapie sollen sich ebenfalls Halluzinationen, Verwirrtheit und Verhaltensstörungen verbessern (McKeith zitiert nach Wallesch, Förstl 2005).
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Aber auch bei der Zuführung zu sozialtherapeutischen Angeboten sollten die besonderen
Probleme bekannt sein, um Überforderung und Agitation zu vermeiden, und damit die variierenden kognitiven Leistungen Berücksichtigung finden.
Bei einer zurzeit noch nicht sehr sicheren ärztlichen Diagnostik bedeutet dies, die Beobachtungen zu intensivieren, um zu einer pflegerischen Strategie zu gelangen.
Verlauf und Schwere Form
Diese Erkrankung beginnt erst im höheren Lebensalter und entwickelt sich dann sehr unterschiedlich schnell.
Prävention
Eine Prävention ist zurzeit noch nicht bekannt.
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Kann ein Medikament über Sonde zugeführt werden, diese Frage können sie auf
dieser Website für ihr Medikament eingeben
(www.pharmatrix.de/sonde/)
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