1E1 Histologie des Kauorgans (Histologie...Lehre vom Aufbau der Gewebe) Aus der befruchteten menschlichen und tierischen Eizelle entwickelt sich eine Vielzahl von spezialisierten Zellen. Jeweils gleichartige Zellen bilden spezielle Gewebearten mit unterschiedlichen Aufgaben. Einteilungen: Gewebe: Verband gleichartiger Zellen Epithelgewebe -nicht durchblutet -eng aneinanderliegende Zellen Binde- und Stützgewebe -Maschenwerk von Zellen -ZellzwischenräumeInterzellularsubstanz -durchblutet Muskelgewebe -sehr lange kontraktionsfähige Zellen -durchblutet Nervengewebe -Zellen mit langen Fortsätzen (Neuriten) -Verknüpfung über kurze Fortsätze (Dendriten) -Reizaufnahme und Weiterleitung Epithelgewebe Epithelgewebe Deckgewebe -einschichtig oder mehrschichtig -verhornt oder unverhornt -Haut, Schleimhaut, Darmepithel Kommentar: Magenschleimhaut... Drüsengewebe -sondert zähen (mukösen) oder flüssigen (serösen) Schleim aus -Absonderung an die Oberfläche (exokrine Drüsen) oder in die Blutbahn (endokrine D.) Sinnesgewebe Trägergewebe für Nervenbahnen Deckgewebe decken alle inneren und äußeren Körperoberflächen ab. Die Epithelschicht der Haut besitzt eine Hornschicht und schützt den Körper vor äußeren, schädlichen Einwirkungen.Das Schleimhautepithel der Mundhöhle ist hauptsächlich unverhornt, bildet durch zahlreiche kleine, eingelagerte Speicheldrüsen eine immer feuchte Oberfläche. Der Speichel kontrolliert die Mundflora (Mikroorganismen) und leitet die Verdauung ein. Magen- und Darmepithel resorbieren Nährstoffe (resorbieren... aufnehmen). 7 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Plattenepithel Kubische Epithelzellen Zylindrische Epithelzellen Basalmembran Unterschleimhaut Blutgefäße Kleine Speicheldrüsen 1 2 3 4 Die 3 Schichten der Schleimhaut: • Schleimhautepithel (Epithelum mucosae) • Schleimhautbindegewebe (Lamina propria mucosae) • Unterschleimhautbindegewebe (Tela submucosa) A.Roos 1999 5 6 Kubisch ... würfelförmig 1 1E2 Binde- und Stützgewebe Binde- und Stützgewebe Zellreiches Bindegewebe Die Zellzwischenräume enthalten weitere Zellen: Fettgewebe retikuläres Bindegewebe Faserreiches Bindegewebe Die Zellzwischenräume enthalten Bindegewebsfasern: lockeres Bindegewebe straffes Bindegewebe elastisches Bindegewebe Interzellularsubstanzreiches Bindegewebe Die Zellzwischenräume enthalten eine feste Grundsubstanz: Knorpelgewebe Knochengewebe Fettgewebe mit einzelner Fettzelle 1 1. 2. Eigentliche Fettzelle mit Zellkern Fettkörper 2 Fettgewebe dient als Energiedepot, als druckelastisches Polster (harter Gaumen, Po) und als Kälteschutz (Unterhaut, Nieren). Retikuläres Bindegewebe retikulär ... netzartig 1 2 3 1. 2. 3. Freie Zelle, zB. Lymphozyt Elastische Fasern Bindegewebszelle Milz, Mandeln, Lymphknoten und Knochenmark bestehen aus retikulärem Bindegewebe. In den Zellzwischenräumen schwimmen „freie Zellen“, zB. Lymphozyten oder Granulozyten in der Lymphflüssigkeit. Diese Zellen sind die Abwehrzellen des Körpers, werden im retikulären Bindegewebe gebildet und gehen in die Blut- und Lymphbahn. Lockeres Bindegewebe 1 1. 2. 3. 2 3 A.Roos 1999 2 Elastische Fasern Kollagenes Faserbündel Bindegewbszelle mit Zellkern Das lockere Bindegewebe dient als Füllgewebe von Zwischenräumen. Es ist verschiebbar und kehrt immer wieder in die Ausgangslage zurück, da es auch von elastischen Fasern durchsetzt ist. Es bildet sich auch im Falle einer Zahnsteinbildung unter den Zahnfleischrändern als Ersatzgewebe für den Knochen. Dadurch lockert sich der Zahn langfristig. Straffes Bindegewebe ist mit zugfesten, kollagenen Fasern durchzogen. Es befindet sich in Sehnen, Muskeln und Gelenkbändern. Kollagene Fasern lassen sich zu Leim verkochen. Elastisches Bindegewebe besteht aus nicht-kollagenen Fasern und ist in Blutgefäßwänden und den Stimmbändern vorhanden. Die Zellzwischensubstanz des Knorpelgewebes besteht hauptsächlich aus Wasser und kollagener Substanz. Gelenkknorpel, von kollagenen Fasern in allen Richtungen durchzogen, überzieht alle Gelenkflächen und ist sehr druckfest. Faserknorpel, von gleichgerichteten kollagenen Fasern durchzogen bildet die Gelenkscheiben, also auch den Diskus des Kiefergelenks. Faserknorpel ist sehr widerstandsfähig gegen Belastungen. Elastischer Knorpel ist von elastischen Fasern durchsetzt und bildet zB. den Ohrmuschelknorpel. kollagen...leimbildend, beim Kochen von Bindegewebe entsteht Knochenleim bzw. Gelatine 1E3 Das Muskelgewebe Ein einzelner Muskel unseres Skeletts gliedert sich auf in Bündelgruppen, Muskelfaserbündel, Muskelfasern, Fibrillen und als kleinste Einheit die Muskelfilamente. Die Muskeln bzw die Muskelfasern erscheinen unter dem Mikroskop quergestreift. Daher werden Skelettmuskeln als quergestreifte Muskeln bezeichnet. Muskelfasern sind bis zu15cm lang. 1. 2. 3. 4. 5. Sehne Muskelbauch Fibrille(Muskelzelle) Zellkern Filamente (Fäden) 3 4 5 Bewegungseinheit 1 Schnitt durch eine Muskelfaser 2 Kommentar: Die Muskelfilamente der Fibrillen gleiten teleskopartig ineinander: der Muskel kontrahiert (verkürzt sich). Jeder Querstreifen für sich bildet eine Bewegungseinheit. Die Kontraktionsstrecken der Streifen addieren sich zur Gesamtkontraktionsstrecke des Muskels. Bündelgruppen und Muskelfaserbündel besitzen jeweils eine Gleithülle aus faserigem Bindegewebe. Die Erregung der Muskelfaser erfolgt über ein Nervenfaserende, die „motorische Endplatte“. Sensible Nervenenden (Muskelspindeln, Sehnenorgane) informieren das Zentrale Nervensystem über die momentane Muskellänge bzw. über die Muskelspannung. Der kontrahierte Muskel wird vom Gegenspieler (Antagonisten) des Muskels wieder gedehnt. Beide Muskeln nennt man Synergisten, da sie zusammenarbeiten. A.Roos 1999 3 Die Synergisten werden im entspannten Zustand durch Nervenimpulse niedriger Frequenz in einer Ruhespannung gehalten (Ruhetonus). Da dieser Ruhetonus auch nach den Zahnverlust unverändert bleibt kann der Zahnarzt über die Ruhelage des Unterkiefers die Bißhöhe rekonstruieren: Ruhe-Abstand OK-UK minus 3mm = Bißhöhe. Der Tonus kann mit einem Elektromyographen gemessen werden und diagnostisch interpretiert werden, zB. ungleiche Bißhöhen, Hypertonus bei Knirschern. (hyper...übermäßig) 1E4 Das Knochengewebe Die Hauptsubstanz der Knochen besteht aus Hydroxylapatit (Kalziumphosphat). Dieser anorganische Bestandteil 2 macht Knochen enorm druckfest (ca 150N/mm ). Die Restsubstanz besteht aus kollagenen Fasern. Dadurch wird der Knochen geringfügig elastisch verformbar ohne zu brechen. So entstehen manchmal bei weitspannigen, keramischen Verblendungen im Unterkiefer-Seitenzahnbereich Spannungsrisse, weil sich der knöcherne Unterkiefer bei Kaubelastung bis zu 0,2mm verformt. 1. 2. 3. 4. 5. Gefäße, Nerven Knochenhaut (Periost) Rindenschicht (Substantia compacta Schwammasse (Substantia spongiosa) Knochenbälkchen(Spongiosabälkchen) 1 5 2 4 1. 2. 3. Mineralische Zellzwischensubstanz (Hydroxylapatit) Knochenzelle mit Zellkern Hohlraum 3 1 2 3 Kommentar: Die obere Skizze zeigt einen Plattenknochen. Unser Schädel besteht ausschließlich aus solchen Plattenknochen. Die Spongiosabälkchen verlaufen genau in Richtung der auftretenden Hauptbelastungen des Knochens. Der Knochen ist quasi eine verstrebte Leichtbaukonstruktion. Die Spongiosa-Zwischenräume sind mit dem blutbildenden roten Knochenmark gefüllt. Die Röhrenknochen der Extremitäten sind innen hohl und mit fetthaltigem, weißem Knochenmark gefüllt. Die einzelnen Knochen sind untereinander mit Gelenken verbunden. Unsere 29 Schädelknochen sind an den Schädelnähten miteinander verwachsen oder genauer lamellenartig ineinander verzahnt. A.Roos 1999 4 1E5 Das Nervengewebe 1. 2 Darstellung einer Nervenzelle: 3 1 1. 2. 3. 4. 4 Zellkörper mit Zellkern Dendriten Neurit Synapsen Kommentar: Nervenzellen besitzen 2 Arten von Fortsätzen: Die sehr kurzen Dendriten stellen Verbindungen zu anderen Nervenzellen her. Damit bildet sich ein umfassendes Netzwerk von Nervenzellen, vor allem im Gehirn und 80 Rückenmark: 14 Mrd. Nervenzellen im Großhirn können bis zu 2x10 verschiedene Verbindungen herstellen. Die Neuriten werden bis zu einem Meter lang und nehmen Reize an allen Stellen des Körpers auf (sensible Nerven), bzw. geben sie an die Muskeln ab (motorische Nerven). 1E6 Einteilung des Nervensystems: Nervensystem (Funktionelle Gliederung) Nervensystem (anatomische Gliederung) Zentrales Nervensystem (ZNS) Gehirn,Rückenmark Peripheres Nervensystem Körper, Nervenstränge zB. Trigeminusnerv Animalisches Nervensystem Vegetatives Nervensystem (zerebrospinales Nervensystem) (autonomes Nervensystem) bewußte Empfindungen willkürliche Bewegungen weitgehend unabhängig vom Willen Kommentar: Das Vegetative Nervensystem steuert alle inneren Vorgänge des Körpers (Organfunktionen), die vom Willen unabhängig funktionieren müssen. Das Zentrale Nervensystem steuert einfache Reflexbewegungen vom Rückenmark aus (zB. wenn man auf einen Kirschkern beißt). A.Roos 1999 5 1E7 Neuromuskulärer Regelkreis: 4 5 3 1. 2. 3. 4. 5. 6. motorische Endplatte Neurit (motorischer Nerv) Dendriten Nervenzelle Neurit (sensibler Nerv) Rezeptor Wurzelhaut (Desmodont) 2 1 6 Kommentar: Motorische (muskelsteuernde) und sensible (Reize aufnehmende) Nervenbahnen arbeiten im Sinn eines Regelkreises zusammen: Ein gemessener Wert (Speisebrocken) wird mit einem programmierten Wert (Speisebrei) verglichen. Weichen beide voneinander ab, werden solange unter ständiger Kontrolle Muskelaktivitäten ausgelöst, bis der programmierte Wert Speisebrei erreicht ist. Dies kann allerdings für das Kauorgan selbstzerstörerische Folgen haben: Okklusionsstörungen können nächtliches Knirschen auslösen. Dadurch werden die Störungen aber eher stärker, sodaß ein selbstzerstörerischer Prozeß beginnt, welcher nur durch eine zahnärztliche Aufbißschienentherapie und okklusale Korrekturen gestoppt werden kann. Zahntechnische Arbeiten müssen daher unbedingt okklusal störungsfrei sein. 1E8 Der Drillingsnerv (Nervus trigeminus) mit seinen Ein- und Austrittsstellen 1 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Nervus ophtalmicus (Augenast) Nervus maxillaris (Oberkieferast) Unteraugenhöhlenloch Kinnloch Unterkieferkanal Nervus mandibularis (Unterkieferast) Ganglion semilunare (...halbmondförmig) 2 7 3 6 5 4 A.Roos 1999 6 Kommentar: Unmittelbar aus dem Gehirn treten 12 Gehirnnerven aus. Der Gehirnnerv Nr.V wird in der Anatomie als der Drillingsnerv bezeichnet, da er drei Äste hat: V.1 Nervus ophtalmicus (Augenast), sensibel, versorgt die Bereiche Auge, Stirn, Nasenrücken, Scheitel V.2 Nervus maxillaris (Oberkieferast), sensibel, versorgt Oberkiefer, anliegende Haut + Schleimhaut, Gaumen, OK-Zähne V.3 Nervus mandibularis (Unterkieferast), sensibel + motorisch, versorgt UK, anliegende Haut + Schleimhaut, Mundboden, UK-Zähne, Zunge, Kiefergelenk, Kaumuskulatur Der dickere Ast des N. mandibularis verläuft hauptsächlich im Unterkieferkanal. Die UK-Zähne lassen sich komplett lokal betäuben, indem dieser Ast vor Eintritt in den Uk-Kanal anästhesiert wird. Dies ist im OK nicht möglich, da der N.maxillaris stark verzweigt verläuft. Die genaue Kenntnis des Drillingsnervs ist vor allem für Zahnmediziner wichtig. 1E9 Die Mundschleimhaut 1. 2. 3. 4. 5. Epithelschicht Bindegewebsschicht Unterhautbindegewebe Knochen Unterhautfettgewebe 1 2 5 3 4 Kommentar: In der Epithelschicht sind zwar Nervenenden eingelagert, aber keine Blutgefäße. Sie besteht aus mehreren Zellschichten. Die Zellen an der Oberfläche sterben nacheinander ab und werden durch Zellen aus der Tiefe heraus ersetzt. Die abgestorbenen Zellreste werden abgestoßen. Dieser „Abfall“ muß entsorgt werden. Andernfalls entsteht ein hochinfektiöses und übelriechendes Gemisch aus Zellresten und Bakterien. Dies spielt bei der Planung des Zahnersatzes eine ganz entscheidende Rolle: Brückenglieder dürfen nur kleinflächigen Dauerkontakt haben. Implantate müssen ringsherum durchspülbar sein, Prothesen müssen abnehmbar sein. Die Reinigung der Schleimhaut- und Zahnflächen sowie des Zahnersatzes muß gewährleistet sein. Die Epithelschicht der Mundhöhle heilt außerordentlich schnell. Operatiationsnähte sind nach 2 Wochen vollständig verheilt. Dies bereitet bei Operationen am Alveolarknochen Probleme: Da das Knochengewebe sich sehr viel langsamer regeneriert, muß die Epithelschicht entweder per Laser im Operationsgebiet entfernt werden oder aber eine Isoliermembran zwischen Kochen und Schleimhaut angebracht werden. Andernfall würde das Epithelgewebe in den Knochenbereich hineinwachsen. Das Unterhautbindewebe bzw. -fettgewebe fehlt im Bereich der Kieferkämme und der Medianzone des harten Gaumens vollständig. Statt dessen ist die Bindegewebsschicht mit straffen Bindgewebsfasern fest mit dem Knochen verwachsen. Diese Schleimhaut wird auch als Zahnfleisch oder Gingiva bezeichnet. In den seitlichen Gaumenzonen befinden sich kleine Speicheldrüsen und Fettgewebe im Unterhautbindegewebe. Dieses Unterhautbindegewebe ist meist locker und watteähnlich (Seitliche Gaumenzonen, weicher Gaumen, Umschlagfalten,Mundboden und Wangenschleimhaut). A.Roos 1999 7 1E10 Das Kiefergelenk (Articulatio temporo mandibularis) (Os temporalis...Schläfenbein, Mandibula...Unterkiefer) 2 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 1 Gelenkhöckerchen (Tuberculum articulare)) Gelenkgrube (Fossa mandibularis Flügelgrube des Gelenkfortsatzes Gelenkhöckerchen (Tuberculum articulare)) Gelenkknorpel Gelenkscheibe, Diskus (Discus articularis) Äußerer Gehörgang Bilaminäre Zone (Retroartikuläres Polster) Gelenkkapsel (Capsula artcularis) Gelenkkopf (Caput mandibulae) Gelenkfortsatz (Processus condylaris) Äußerer Flügelmuskel (kaudaler Kopf) Äußerer Flügelmuskel (kranialer Kopf) 3 5 6 4 13 5 6 7 8 9 12 10 11 Kommentar: Der Gelenkkopf paßt in seiner Form (walzenförmig) nicht mit der Gelenkgrube (mandelförmig) bzw. mit dem Gelenkhöckerchen zusammen. Diese Inkongruenz wird durch den dazwischen liegenden Diskus ausgeglichen. Er paßt sich beiden Flächen an. Dadurch weist das Gelenk einen oberen und einen unteren Gelenkraum auf. Es wird daher auch als Zweikammergelenk bezeichnet. Der Diskus sitzt dem Gelenkkopf wie eine Kappe auf und fährt alle seine Bewegungen mit. Damit er nicht vom Gelenkkopf herunter rutscht, ist er seitlich mit zwei Bändern am Gelenkfortsatz befestigt. In der Längsrichtung halten ihn hinten straffe und elastische Fasern der Bilaminären Zone und vorne der kraniale Kopf des Äußeren Flügelmuskels in Position. Der Diskus ist an den Rändern 3-4mm, im Zentrum 1-2mm. Die Bilaminäre Zone weist neben den genannten Bindegewebsfasern auch lockeres Bindegewebe, also Füllgewebe, sowie Nerven und Gefäße auf. Die Gelenkkapsel sondert an der Innenseite die Gelenkschmiere (Synovia) ab. Die schwache, schlaffe Gelenkkapsel wird von außen durch die Gelenkbänder unterstützt. Die Gelenkbänder begrenzen den Bewegungsspielraum des Gelenks. Die Lateralbewegungen des Simulators (Artikulator) sind nichts anderes als die bändergeführten Grenzbewegungen des Kiefergelenks. Im Laufe des Lebens kann es zu Knackgeräuschen im Kiefergelenk kommen. In diesem Fall wird der Diskus nicht mehr auf dem Gelenkkopf gehalten und hüpft bei einer Vorwärtsbewegung wieder auf den Gelenkkopf. A.Roos 1999 8 1E11 Öffnungsbewegung Das Kiefergelenk ist ein kombiniertes Dreh-Gleitgelenk. Ab einem Öffnungsabstand von ca. 15-20mm kann das Kiefergelenk nur noch eine Dreh-Gleitbewegung nach vorneunten ausführen. Weitere Öffnungsbewegungen sind also immer auch Gleitbewegungen. Der Gelenkkopf gleitet dabei am Gelenkhöckerchen entlang nach vorne-unten. Die Neigung dieser Gelenkbahn wird von der Ausgeprägtheit des Gelenkhöckerchens bestimmt. Diese Gelenkbahnneigung ist am Patienten meßbar und kann an den Artikulatorgelenken eingestellt werden. Sie ist fast die gleiche wie bei einer reinen Vorschubbewegung des Unterkiefers. A.Roos 1999 9 1E12 Der äußere Mund Der Mund prägt das Gesicht wesentlich. Dem Laien ist meist nicht bekannt, daß Mundform und Zahnstellung aufeinander abgestimmt sind. Der Zahnarzt ritzt daher bestimmte Merkmale in das Wachs der Bißschablone ein, damit der Zahntechniker diese Merkmale des Patienten umsetzen kann. 1 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Nasenflügel Nasenlippenfurche Oberlippengrübchen Mundwinkel Unterlippe Oberlippenhöckerchen Unterlippenfurche Gesichtsmitte Kinngrübchen Lachlinie Oberlippe 11 10 2 3 4 5 9 6 7 -Die Nasenbreite entspricht ungefähr dem Abstand der Eckzähne 8 -die entspannte Mundwinkel geben die Eckzähne an -die Lippenschlusslinie entspricht der Lage der Schneidekanten der unteren Schneidezähne -die Lächellinie entspricht der Zahnhalslinie der oberen Schneidezähne -die Gesichtsmitte entspricht der Mitte der Zahnaufstellung (Mittellinie) 1E13 Mundvorhof und Mundhöhle Die Merkmale des Gaumens werden weiter unten extra dargestellt. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 1 Lippenbändchen Speichelaustritte der Ohrspeicheldrüse A-Linie Rachengaumenbogen Gaumenzungenbogen Rachenenge Speichelaustritte der UnterzungenSpeicheldrüse Speichelaustritt der Unterkieferspeicheldrüse anatomische Schnittfläche Flügelunterkiefernaht Gaumenmandeln (Tonsillen) Gaumenzäpchen Gingiva (Zahnfleisch) Wangenbändchen Aktionsgrenze 15 14 2 3 12 11 4 10 7 7 9 A.Roos 1999 2 13 10 8 5 6 Kommentar: Der Bereich zwischen den Zähnen und der Wangenschleimhaut, also außerhalb der Zahnreihen heißt Mundvorhof (Vestibulum). Spannt man die Lippen ab, wird die Aktiongrenze sichtbar, die Grenze zwischen dem Zahnfleisch (Gingiva) und der Schleimhaut (Mucosa) der Umschlagfalte. Das Zahnfleisch ist fest mit der knöchernen Unterlage verwachsen, also nicht verschiebbar. Dies ermöglicht den sicheren Sitz von Prothesen. Im Bereich der Umschlagfalte ist die Schleimhaut nicht mehr mit dem Knochen verwachsen und wird von eingelagerten Wangen- und Lippenmuskeln aktiviert, ist also muskelaktiv. Prothesen, welche zu weit in diese Zone hineinreichen, können abgehebelt werden bzw. verursachen Beschwerden. Darauf müssen Zahntechniker und Zahnarzt bei der Prothesengestaltung bzw bei Abformung und Einprobe Rücksicht nehmen. Da man am Gipsmodell natürlich keine Schleimhaut abspannen könnt, nimmt man die Aktionsgrenze dort an, wo die konvexe Oberfläche des Kieferkamms in die konkave Form der Umschlagfalte übergeht. Die Flügelunterkiefernaht ist bei weit geöffnetem Mund ertastbar, ist bei Zahnlosen stärker ausgeprägt und ist auf manchen Modellen erkennbar. Die Geschmackszonen liegen im Bereich der Zunge (seitliche Ränder, Zungenwurzel) und der Gaumenbögen, also nicht im protetischen Bereich. 1E14 Der schleimhautbedeckte Gaumen 1 2 13 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. Lippenbändchen Schneidezahnpapille (Papilla incisiva) Wangenbändchen Drüsen- und Fettpolsterzone weicher Gaumen (Palatum molle) Gaumengrübchen A-Linie Flügelunterkiefernaht Oberkieferhöcker (Tuber maxillae) Papille der Ohrspeicheldrüse (Parotispapille) harter Gaumen (Palatum durum) Gaumennaht (Raphe palati) Gaumenfalten (Plicae palatinae) 12 3 11 10 9 8 7 6 5 4 Kommentar: Die A-Linie ist hintere Begrenzung von Totalprothesen. Falls sie auf dem Modell nicht erkennbar ist, kann sie knapp hinter den Gaumengrübchen flügelförmig angenommen werden. Der Körper resorbiert nach Extraktion bzw Zahnverlust das überflüssige Knochengewebe der Alveolen. Im weiteren Verlauf kommt es, individuell verschieden, im Bereich der Kieferkämme zu einer stetigen Atrophie (Abbau) des Alveolarknochens (Kieferkammknochen). Der Rest des Gaumens bleibt erhalten. Werden Prothesen nicht regelmäßig unterfüttert, besteht die Gefahr, daß die Prothesen über der harten Medianzone brechen, ähnlich wie man einen Stab über dem Knie bricht. (resorbieren .. abbauen Atrophie ... Schwund) Die Schneidezahnpapille ist ein Schleimhauthöckerchen, welches darunterliegende Nerven und Blutgefäße abdeckt. Daher ist sie sehr druckempfindlich und muß bei Prothesen mit Zinnfolie hohlgelegt werden. Die Gaumenfalten dienen zum Wenden der Speisen. In ihrem Bereich werden auch verschiedene Laute gebildet. Dieser Bereich sollte daher möglichst prothetisch ausgespart werden, falls dies von der Konstruktion her möglich ist (Auswahl geeigneter Modellgußplatten). Die mediane Zone im Bereich der Gaumennaht sowie die Zone der zahnlosen Kieferkämme ist weniger nachgiebig als die Drüsen- und Fettpolsterzone. Die Gingiva dieser Zone ist bindegewebig (fibrös) mit dem Gaumenbein verwachsen (fibröse Mittelzone). Früher wurden in der Drüsen- und Fettpolsterzone zusätzliche Radierungen gelegt (Frankfurter Radierung), in der offensichtlich vergeblichen Hoffung auf bessere Haftung der Prothese. A.Roos 1999 11 1E15 Der Mundboden 1 2 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 8 Unterzungenspeichelpapille (Unterkieferspeicheldrüse) Zungenbändchen (Frenulum linguae) Speichelpapillen der Unterzungenspeicheldrüse Mundbodenfalte Flügelunterkiefernaht retromolares Dreieck (Trigonum retromolare) Ansatzbereich des Kieferzungenbeinmuskels Wangenbändchen (Frenulum buccale) 3/4/7 6 5 Kommentar: Der schmale Saum zwischen den Zähnen und der Mundbodenfalte bietet wenig Platz für Prothesen. Allerdings ist der Bereich seitlich des Zungenbändchens bis zu den Prämolaren nicht muskelaktiv, so dass der Zahnarzt die Abformung hier nach unten verlängern kann (sublinguale Extension der Prothesenbasis). Bei stärkerer Atrophie der Kieferkämme kann der Mundboden sogar ausgesprochen weich sein. Das retromolare Dreieck ist eine dreiecksförmige knöcherne Vertiefung am Beginn der Flügelunterkiefernaht. Weil die Flügelunterkiefernaht hier ihren Ursprung hat, atrophiert hier der Kieferkamm nicht, so dass bei Atrophie des mesial gelegenen Kieferkamms hier ein erhabenes, knolliges Höckerchen entsteht, das retromolare Höckerchen (retromolares Polster, Tuberculum alveolare mandibulae, Tuberculum retromolare). Durch dieses Höckerchen verläuft die Okklusionsebene. Es ist daher von großer Bedeutung für die Rekonstruktion der Zahnreihe bei totalen und partiellen Prothesen. Der Speichelaustritt durch die großen Speicheldrüsen im Unterkiefer hat zur Folge, daß im Unterkiefer Karies weniger häufig als im Oberkiefer auftritt, da Speichel Karies hemmt. Andererseits fördert er die Zahnsteinbildung, weshalb die unteren Schneidezähne relativ häufig von Zahnstein befallen sind. 1E16 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. Medianschnitt im Kieferbereich Oberlippe Obere Umschlagfalte Nasenhöhlenschleimhaut Knöcherner Gaumen Gaumenschleimhaut A-Linie Weicher Gaumen Knöcherner Unterkiefer Untere Umschlagfalte Unterlippe Zunge Nasenhöhle Abstand Umschlagfalte – LSL Mundhöhle 2 3 6 12 7 1 14 LSL OE 11 13 7er LSL Lippenschlusslinie OE Okklusionsebene 10 A.Roos 1999 4 5 12 9 8 Kommentar: Durch die Zunge entsteht eine leichte Spannung auf die unteren Schneidezähne. Dadurch stellt sich meist ein leichter Kontakt mit den oberen Schneidezähnen ein. Durch die Oberlippenspannung werden die oberen Schneidezähne in Position gehalten: Sie stehen mit ihrer labialen Fläche so, dass sie in ihrer gedachten Verlängerung in die untere Umschlagfalte zeigen (wichtiges Aufstellkriterium). Wird bei kieferorthopädischen Geräten die Lippenspannung weggenommen, so kommt es tatsächlich zum Vorwandern der Zähne. Bei falscher Lage der Zunge in der Mundhöhle, kann es ebenso zu einem Vorwandern der obere Schneidezähne kommen. Geringe Dauerkräfte genügen also, um die scheinbar so stabile Zahnreihe zu destabilisieren. Da die Umschlagfalte bei zahnlosen Patienten in ihrer Lage erhalten bleibt, kann damit für die Herstellung von Bißschablonen die Bißhöhe provisorisch rekonstruiert werden (Abstand ungefähr 40mm). Zurück A.Roos 1999 13