Radikalpaar-Mechanismus - Uni

Werbung
1
Photo- und Magnetobiologie 12
Für Lebewesen aus allen 5 Reichen der Organismen ist nachgewiesen worden, dass sie in der
Lage sind, auf schwache magnetische Felder wie z.B. das Erdmagnetfeld (25 – 75 µT) zu reagieren. Abgesehen vom Ferrimagnetismus, der für die Magnetosomen-vermittelte Magnetotaxis von Bakterien verantwortlich ist, gibt es weitere Mechanismen der Magnetrezeption, die
sich grob in drei Typen einteilen lassen:
(i)
(ii)
(iii)
Radikalpaar-Mechanismus
Ion-Cyclotron-Resonanz-Mechanismus; Ion-Interferenz-Mechanismus
Kohärenz-Mechanismus
Radikalpaar-Mechanismus
Kommen zwei Radikale für eine „kurze“ Zeit in enge räumliche Nachbarschaft, bilden sie ein
Radikalpaar, in der eine Spinkopplung der beiden freien Elektronen vorliegt. Dies hat zur
Folge, dass dem Radikalpaar entweder ein Singulett (= antiparallele Spins) oder aber ein
Triplett-Zustand (= parallele Spins) zugeschrieben werden kann. Eine Voraussetzung für das
Zustandekommen eines Radikalpaars ist, dass zumindest eins der beiden Radikale hyperfeine
Kopplung zeigt. Hyperfeine Kopplung bedeutet, dass sich das Kernmagnetfeld und das magnetische Moment des Elektrons gegenseitig beeinflussen. Hyperfeine Interaktionen beeinflussen
S? T Übergänge (= Systemübergang = intersystem crossing = ISC). Externe magnetische
Felder beeinflussen ebenfalls S? T Übergänge.
Mechanismen der Radikalpaarbildung
A–B
C+D
E–H + F
? [A• B•]
? [C •+ D•– ]
? [E• F–H•]
homolytische Spaltung eines Donors mit Eifachbindung
Elektronentransfer, Radikalkationen und Radikalanionen
intermolekularer Wasserstofftransfer
Spinkonservierung (Wigner’s conservation rule)
[A• B•]
Da sich die beiden Elektronen der Einfachbindung A–B
im Singulettzustand befinden, muss sich das entstehende
Radikalpaar ebenfalls im Singulettzustand befinden.
[C•+ D•– ]
Befindet sich eins der beiden Donormoleküle im Triplettzustand, entsteht ein Radikalpaar im Tripletzustand.
A–B
?
S
T
?
T
C+D
Verbotene Prozesse
T
[A• B•]
T •
[E F–H•]
? A–B
? E–H + F
Kovalente Bindungen sind stets im Singulettzus tand. Die
Elektronen der A–B und E–H Bindungen müssen
antiparallel sein (= Singulett)
[C •+ D•– ]
S •+ •–
[C D ]
T •+ •–
[C D ]
? TC + D
? C + TD
? C+D
In Elektrontransferprozessen werden zwar keine
Bindungen erstellt, dennoch müssen die Spins
erhalten bleiben.
S
2
Entstehung eines Radikalpaares mit kationischen und anionischen Radikalen
Abb. 1. Radikalpaarbildung am Beispiel einer Reaktion mit intermolekularem Elektronentransfer, d.h. Bildung von Radikalkationen und Radikalanionen. ISC = intersystem crossing
(Systemübergang). B = magnetische Flussdichte. Hier wurde ein Beispiel gewählt, bei dem
Singulett-Sauerstoff (1 O2 ) gebildet werden kann. Bei anderen Radikalpaaren muss das natürlich
nicht unbedingt der Fall sein. Das Donormolekül besteht zunächst im Grundzustand (S0 ); nach
Energiezufuhr (E) geht es in den ersten angeregten Singulettzustand (S1 ) über. Der Doppelpfeil
deutet an, dass die Radikalpaare zwischen dem Singulett- und Tripplettzustand pendeln; dies
geschieht im Nanosekundenbereich.
Das Prinzip der Radikalpaarbildung und Radikalpaarzerfalls wird am Beispiel eines Elektronentransferprozesses erläutert. Weitere Beispiele finden sich in den Abb. 7-10. Das
Donormolekül A–B geht nach Energiezufuhr in den angeregten Zustand über und bildet vom
S1 -Zustand aus ein Radikalpaar, das zunächst im Singulettzustand existiert (Wigner’s
conservation rule). Unter dem Einfluss der sehr schwachen Magnetfelder der Atomkerne (=
hyperfeine Kopplung) kommt es zu Systemübergängen zwischen den Singulett- und Triple ttRadikalpaaren (spin flip). Ohne externes Magnetfeld sind die Energieniveaus der
Triplettzustände minimal aufgespalten (degeneriert). In Gegegenwart von einem externen
Magnetfeld kommt es zu einer Aufspaltung der Energieniveaus (= Zeeman-Effekt): 25% der
Moleküle besitzen parallele Elektronenspins, die antiparallel zu den Magnetfeldlinien verlaufen
(= T+1 ), während 25% parallel zu ihnen verlaufen und aus diesem Grund energetisch niedriger
liegen (= T-1 ); 50% der Population haben Elektronenpaare mit antiparallelen Spins (T0 ). Die
Singulett- und Triplett-Radikalpaare besitzen eine begrenzte Lebensdauer, die weitgehend von
der Umgebung und den externen Magnetfeldern bestimmt wird. In Lösung sind Radikalpaare
extrem instabil und kurzlebig; in Proteindomainen können sie aber unter Umständen relativ
langlebeig sein und Halbwertszeiten von einigen hundert µs erreichen.
3
Zusammenhang zwischen Lebensdauer der Radikalpaare und Magnetfeldstärke
Generell gilt folgende Regel: Je kurzlebiger die Radikalpaare sind, desto stärkere Magnetfelder
werden benötigt, um das Gleichgewicht zwischen Singulett- und Triplett-Radikalpaaren zu
verschieben. Liegt die Halbwertszeit von Radikalpaaren im Bereich von etwa 10 – 100 µs,
kann bereits das schwache Erdmagnetfeld (25 – 75 µT) das Singulett-Triplett- mixing
beeinflussen. Die Radikalpaare, die in den photosynthetischen Reaktionszentren von Bakterien
und Pflanzen auftreten, sind so kurzlebig, dass das Erdmagnetfeld die Radikalpaare und somit
die Photosyntheserate unmöglich beeinflussen können.
Radikalpaare und Folgeprodukte
Radikalpaare im Singulett- und Tripplettzustand haben verschiedene Schicksale, zeigen
verschiedene Kinetiken und können unterschiedliche Folgeprodukte hervorbringen. Eins dieser
Produkte kann eine biologische Reaktion auslösen; dabei ist zunächst irrelevant, ob ein
Singulett- oder aber ein Triplett-Produkt die biologsche Reaktion auslöst. Ein Beispiel ist in
Abb. 1 dargestellt. Eine nahe liegende Möglichkeit besteht z.B. darin, dass die Radikalpaare
wieder das Ausgangsmolekül bilden (= Rekombination). Ohne externes Magnetfeld geschieht
die Rekombination schneller vom Singulett-Radikalpaar als vom Triplett-Radikalpaar. Dies
liegt daran, dass wegen des Zeeman- Effektes 50% der Moleküle (d.h. T+1 und T-1 ) nicht an der
Rekombination teilhaben können, denn diese geschieht stets von T0 -Zustand aus (Abb. 1). Ein
externes Magnetfeld bewirkt daher, dass effektiv weniger Moleküle an der Rekombination
teilnehmen (sie werden quasi aus dem Verkehr gezogen). Experimentell kann das in dem
System in Abb. 1 folgendermassen nachgewiesen werden: Das Triplett-Radikalpaar rekombiniert zu 1 A–B, indem es zunächst 3 A–B bildet, das mit Triplett-Sauerstoff (3 O2 ) reagiert und
Singulett-Sauerstoff (1 O2 ) bildet. (Der molekulare Sauerstoff, den wir atmen, ist TriplettSauerstoff – eine grosse Ausnahme in der Natur.) Man kann die Rate der Singulett-Sauerstoffbildung messen, und findet, dass die Rate in Gegenwart eines Magnetfeldes sinkt, aber
nicht den Wert = 0 annimmt. Der hier beschriebene Prozess läuft zum Beispiel im photosynthetischen Reaktionszentrum ab. Nach Lichtanregung entsteht das Radikalpaar S[Chl•+ PheoChl•-],
das unter Einfluss eines externen Magnetfeldes das Singulett- Triplett- mixing je nach Stärke
des Feldes mehr in Richtung Singulett- oder aber Triplettzustand verschiebt:
S
[Chl•+ PheoChl•-]? T [Chl•+ PheoChl•-]. Allerdings sind sehr starke Magnetfelder für diesen
Effekt erforderlich, die mehrere Größenordnungen stärker als das Erdmagnetfeld sind.
Das kT-Paradox
Die thermische Energie eines frei beweglichen Atoms oder Moleküls beträgt 3/2 kT (bei
Raumtemperatur etwa 10-21 J; k = Boltzmann-Konstante, T = absolute Temperatur in K). Damit
ein physikalischer Reiz eine physikalische oder chemische Reaktion auslöst, muss er daher den
Wert von kT überschreiten. Normalerweise ist dies in der Biologie auch der Fall. Z.B.
überschreitet die Energie eines Photons, das von Rhodopsin absorbiert wird, kT um mehrere
Grössenordnungen. In der Magnetbiolo gie gibt es ein ganz zentrales Problem, das unter dem
Namen „kT-Paradox“ bekannt ist. Es besagt, dass der Energieinhalt des Erdmagnetfeldes oder
auch stärkerer Felder in einem gegebenen Volumen um viele Grössenordnungen kleiner ist als
der entsprechende thermische Energiegehalt. Da Magnetrezeption im Erdmagnetfeld aber eine
unbestreitbare Tatsache ist, müssen physikalische Theorien der Magnetorezeption eine
Erklärung für das kT-Paradox bereit halten. Für die Radikalpaartheorie ist dies in der Tat der
Fall, weil das vom Magnetfeld beeinflusste Singulett-Triplett-mixing (Abb. 1-9) ein temperatuunabhängiger Prozess ist.
4
Das „kT Paradox“ erscheint nur deshalb als paradox, weil es normalerweise in verkürzter Form
dargestellt wird. Damit ein schwaches Magnetfeld Singulett-Triplett-mixing weit unterhalb von
kT beeinflussen kann, muss zunächst ein Radikalpaar generiert werden. Hierfür braucht man
aber Energien, die über kT liegen. In den hier diskutierten Bispielen wird die Energie in Form
von Photonen geliefert, deren Energieinhalt weit über kT liegt. Natürlich lassen sich zahlreiche
andere Radikalpaare auch ohne Photonen generieren; aber auch in diesen Fällen braucht man
dafür Energien, die deutlich über kT liegen.
Worin besteht die magnetische Primärre aktion?
Eine Konsequenz der Tatsache, dass magnetische Felder unterhalb der kT-Schwelle wirksam
sind, ist, dass sie selber keine chemischen Reaktionen initiieren können. Chemische
Reaktionen werden durch relativ große Energiebeträge ausgelöst, die in den Abb. 1 und 5-9
durch die senkrechten Pfeile dargestellt werden, die den Übergang von S0 nach S1
symbolisieren. Die Energiebeträge, die notwendig sind, um chemische Reaktionen zu initiieren
können entweder in Form von thermischer Energie oder aber von Photonen geliefert werden. In
Abb. 7 ist z.B. dargestellt, wie ein Photon der Wellenlänge 450 nm das Chromophor FAD in
den angeregten Singulett-Zustand bringt ( S0 FAD ? S1 FAD*), von dem aus dann eine
Reduktion erfolgt. Man spricht in diesem Fall davon, dass die photochemische Primärreaktion
eine Photoreduktion ist. Der Energiebetrag des Photons (E = h c/λ) übersteigt um ein
Vielfaches den Betrag von kT.
Ein Magnetfeld könnte niemals eine solche chemische Primärreaktion in Gang setzen, weil die
Energie des Magnetfeldes etwa 7 Grössenordnungen unter kT liegt. Alles, was das Magnetfeld
bewirken kann, ist eine Verschiebung des Gleichgewichts zwischen Singulett- und Triplettzuständen. Weil aber die in Abb. 1 und 3-6 dargestellten Singulett- und Triplettzustände
verschiedene Folgeprodukte hervorbringen, macht sich das Magnetfeld dadurch bemerkbar,
dass es die Ausbeute für verschiedene Folgeprodukte beeinflusst. Eins der Folgeprodukte, sei
es nun ein Singulett- oder alternativ ein Triplettprodukt, muss eine biologische Reaktion
auslösen. Vom theoretischen Standpunkt ist es dabei zunächst gleichgültig, welches der beiden
Produkte die biologische Reaktion auslöst.
Das Bedeutsame an dem beschriebenen Mechanismus ist, dass Magnetfelder die Spinzustände
der Radikalpaare beeinflussen, obwohl diese durch die thermische Energie der Umgebung
permanent robuste Zusammenstöße erfahren (Brownsche Molekularbewegung). Man spricht
daher von einer thermischen Entkopplung der magnetfeldbeeinflussten Spinzustände.
Lebensdauer von Radikalpaaren
Schwache magnetische Felder verursachen S ? T Interkonversion mit einer Frequenz von
(γB0 /2π): B0 = magnetische Flussdichte, γ = gyromagnetisches Verhältnis des Elektrons (es
gilt: µ = γ L; µ = magnetisches Dipolmoment eines magnetischen Kreisels, L = Drehimpuls
eines magnetischen Kreisels). Die charakteristische Zeit für diesen Prozess ist daher:
τST = (γB0 /2π )-1 ≈ 40.000/B 0
(Gl. 1)
wobei τ ST in Nanosekunden und B0 in µT angegeben werden. Damit ein schwaches
magnetisches Feld die Rekombinationsrate eines Radikalpaares beeinflussen kann, darf das
Paar nicht schneller als τ ST rekombinieren oder gar weg diffundieren, denn dann könnten
keine Folgeprodukte gebildet werden, die den biologischen Prozess auslösen (siehe oben). Die
Zeitkonstanten für Rekombination, (kS)-1 und (kT )-1 (Abb. 6), dürfen daher nicht kleiner als τST
5
sein. Für magnetische Felder in der Größenordnung von 100 µT beträgt τ ST etwa 400 ns. Das
Problem besteht nun darin, dass kleine Radikale in nicht-viskosen Medien bereits in 10 ns fort
diffundieren. Damit schwache magnetische Felder einen biologischen Effekt erzielen können,
muss also dafür gesorgt werden, dass man die Zeitspanne für ein Zusammentreffen von
Radikalen erhöht. Dies kann auf verschiedene Weisen erreicht werden, z.B. (i) dadurch, dass
eine Diffusion des Radikalpaars unterbunden wird und die Rekombination nicht allzu schnell
ist, wie z.B. bei Elektronentransferprozessen in Proteinen (Abb. 6 und 7); (ii) dadurch, dass die
Diffusion der Radikale unterbunden wird, z.B. weil sie an ein Protein oder eine Mizelle
gebunden sind, (iii) dadurch, dass starke Coulomb-Kräfte geladene Radikale zusammen halten
(Abb. 6).
Dosisabhängigkeit: Ausbeute an Singulettzuständen und freien Radikalen
Die Konversionsrate zwischen Singulett- und Triplett-Zuständen hängt von der ZeemanInteraktion ab. In einem Magnetfeld kommt es zu einer Aufspaltung der Energieniveaus
(Absorptionslinien) (Zeeman-Effekt) (Abb. 2). Die Energiedifferent ∆E zwischen zwei
Energiezuständen ist gegeben durch
∆E = g µ B B
(Gl. 2)
wobei g der Landé-Faktor (liegt zwischen 1 und 2; für freie Radikale ~ 2), B die magnetische
Flussdichte und µ B das Bohr-Magneton (9.274 x 10-24 J T-1 ) ist. Das Bohr-Magneton ist das
magnetisches Moment des Elektrons auf der innersten Bahn des Wasserstoff- Atoms und damit
das kleinstes magnetisches Moment. Sein Wert beträgt:
Der Drehimpuls des Elektrons ist
.
Die Energieunterschiede ∆E (Gl. 2) sind größenordnungsmäßig millionen mal kleiner als die
Energie des Zustandes selbs und tausend mal kleiner als kT (300 K).
Die Lebenszeiten und Spindynamik (spin flip) sind von der magnetischen Flussdichte abhängig
und können bis zu einigen µs dauern. ISC (intersystem crossing = Systemübergang) wird
ausserdem von der hyperfeinen Kopplung des MF mit den magnetischen Momenten der Kerne
bestimmt.
Radikalpaare im Singulett- oder Triplettzustand können rekombinieren (Abb. 1) oder aber zu
freien Radikalen zerfallen, die ihrerseits weitere Folgereaktionen nach sich ziehen können
(nicht dargestellt auf Abb. 1 und 5-9). Die Ausbeuten an Singulettzuständen und Radikalen
hängen ganz kritisch von der magnetischen Flussdichte ab und zeigen eine komplexe
Dosisabhängigkeit. Bei schwachen Feldern, die sich im Bereich der hyperfeinen Kopplung
bewegen, kommt es zu einer Verminderung der Ausbeute an Singulett-Radikalpaaren; bei
Erhöhung der magnetischen Flussdichte erhöht sich dagegen die Ausbeute (Abb. 3).
Da sich die freien Radikale erhöhen, wenn sich die Singulett-Radikalpaare erniedrigen, ist die
Kurve für die Dosisabhängigkeit von freien Radikalen (Abb. 4) gegenläufig zu der Kurve für
die Ausbeute der Singulettzustände (Abb. 3). Schwache magnetische Felder beschleunigen die
S? T Interkonversion und vergrößern so die Ausbeute an freien Radikalen. Starke Felder
haben dagegen einen entgegengesetzten Effekt, d.h. die Ausbeute an freien Radikalen nimmt
6
wieder ab (Abb. 4). Die Begriffe „schwach“ und „stark“ sind relative Angaben, die immer auf
die hyperfeinen Interaktionen zu beziehen sind (= Faktor a in Abb. 3). Für langlebige
Radikalpaare kann ein schwaches magnetisches Feld Effekte in der Größenordnung von 10% –
40% erzielen.
energy
T+1
hyperfine
interaction
BAC
T0
S
degenerate:
Zeeman splitting:
spin flip of
spin flip of
S, T0, T+1, T-1 S and T0
BAC effect :
spin flip of
S, T0, T+1, T-1
T-1
magnetic flux density
Abb. 2. Spinzustände in Abhängigkeit der magnetischen Flussdichte. Oberhalb der hyperfeinen
Kopplung kommt es zu Zeeman-Aufspaltung. T+1 und T-1 können in diesem Bereich nicht an
der S-T-Interkonversion und Rekombination teilnehmen. Unterhalb der hyperfeinen Kopplung
(Interaktion) ist das System „degeneriert“ und alle vier Spinzustände, S, T0 , T+1 und T-1 , sind
an der Spininterkonversion beteiligt (s. Abb. 1). Magnetische Wechselfelder BAC können
allerdings Spinflip ermöglichen.
Je nachdem, ob die magnetische Primärreaktion, die den biologischen Effekt auslöst, an den
Singulettzustand oder den Triplettzusatnd bzw. an freie Radikale gekoppelt ist, können DosisResponse-Kurven den Kurvenverläufen in Abb. 3 (Singulett) oder aber in Abb. 4
(Triplettzustand und freie Radikale) ähneln. Allerdings muss an dieser Stelle betont werden,
dass die Literatur momentan (Stand 2007) keine konkreten Hinweise gibt, weil DosisResponse-Kurven fehlen.
7
Abb. 3 Ausbeute an Singulett-Radikalpaaren in Abhängigkeit der magnetischen Flussdichte,
die als Vielfaches a, der hyperfeinen Interaktion, dargestellt ist. LFE = low-field effect;
‚normal’ MFE = normale Magneteffecte im mT-Bereich (= Vielfaches des geomagnetischen
Feldes). LFE können im Bereich des geomagnetischen Feldes sein. (nach Timmel und Henbest,
2003)
free radical yield
B 0 ~ hyperfine coupling
low field effect
S
T
interconversion
100 – 1000 µT
~ 3 – 30 MHz
magnetic flux density, B0
modified after Hore 2003
Abb. 4. Abhängigkeit der Bildung freier Radikale von der magnetischen Flussdichte. Die
Kurve verläuft gegenläufig zu der Ausbeute an Singulett-Radikalpaaren in Abb. 2: fällt diese,
steigt entsprechend die Ausbeute an Folgeprodukten, da die freien Radikale aus Radikalpaaren
entstehn. Schwache Felder erhöhen die Ausbeute an Radikalen, stärkere Felder erniedrigen sie.
8
S1FAD*
+ Trp
e-
ISC
+ +
H
rec
om
bin
ati
on
1 [FADH?
hν
B>0
Trp? ]
3[FADH ?
1products
Trp? ]
3products
biological effector
S0
FAD
Abb. 5. Radikalpaarbildung in Cryptochrom. Lichtinduzierter Elektronen- und Protonentransfer. TRP = Tryptophanrest des Apoproteins. FAD = Chromophore in Dunkelheit. Der
Elektronen- und Protonendonor ist nicht bekannt (könnte z.B. NADH2 oder
Methenyltetrahydrofolat (s. Abb. 6) sein). ISC = intersystem crossing (= Systemübergang). B =
magnetische Flussdichte. Das Singulettradikalpaar kann via Rekombination direkt zum
Grundzustand des FAD zurückkehren oder aber andere Singulettprodukte bilden.
near-UV
2 Fl
2 FlH2
near-UV
e
blu
PtH2
blu
e, r
ed
Pt
,
UV
arne
PtH4
2 FlH.
Galland &
Tölle 2003
biological
reactions
Abb. 6. Photorezeptormodell für den Blaulichtrezeptor von Phycomyces. Das Flavinsemichinonradikal repräsentiert das biologische Effektormolekül. PTH4 = Redoxpartner, vermutlich
Methenyltetrahydrofolat, der Protonen und Elektronen überträgt.
9
In-vivo Nachweis für die Existenz eines Radikalpaar-Mechanismus’
Der Spin- flip der Radikalpaare geschieht auf der Zeitskala von Nanosekunden. Das ISC kann
daher durch magnetische Wechselfelder zerstört werden, die mit den Radikalpaaren in
Resonanz sind. Dies geschieht durch die Einstrahlung von langwelligen elektromagnetischen
Wellen, die Frequenzen von 0.1 bis 10 MHz besitzen (cm – m- Bereich). Voraussetzung für die
inhibitorische Wirksamkeit dieser Strahlung ist, dass die elektromagnetischen Wellen die
„richtige“ Orientierung zu den magnetischen Diplolen des Radikalpaares besitzen. Mit dieser
Methode konnte man zeigen, dass in Rotkehlchen die Magnetorientierung über einen
Radikalpaarmechanismus verlaufen muss. Im Auge der Rotkehlchen und anderen
magnetsensitiven Zugvögeln sind Cryptochrome in der Retina lokalisiert, die nach
Lichtanregung Radikalpaare bilden (Abb. 5, 6), die mit Erdmagnetfeld interagieren. Die
Überlagerung mit langwelliger elektromagnetischer Strahlung zerstört die Interaktion mit den
Radikalpaaren und bewirkt dadurch eine Desorientierung der Vögel. Würde die
Magnetorientierung der Vögel auf einem Magnetit-basierten Mechanismus beruhen, würde die
langwellige Strahlung keinen Effekt zeigen.
Abb. 7. Magetische Wechselfelder (elektromagnetische Wellen im m-Bereich) können die
magnetische Orientierung von Rotkehlchen inhibieren. Das Rotkehlchen sitzt in einem
Trichter. Graue dicke Pfeile = geomagnetische Feldlinien (Frankfurt, Inklination = 70º).
Wellenlinie: Breitband (0.1 - 10 MHz) oder Einzelfrequenz (7.0 MHz) magnetisches
Wechselfeld. Die magnetischen Wechselfelder sind in Resonanz mit dem CryptochromRadikalpaar des Magnetrezeptors und interferieren mit der Singulett-Triplett-Interkonversion.
Daher kommt es zu einer Desorientierung der Vögel, s. Abb. 5. Ritz et al. (2004) Nature 429,
177-180.
10
generation of a radical pair by photolysis
S1[A-B]
ISC
energy
T [A-B]
T [A? ?B]
hν
products
MF
S[A? ?B]
n
ciatio
disso
n
binatio
recom
S0A-B
products‘‘
modified after Grissom 1995
Abb. 8. Bildung eines Radikalpaares durch Photolyse. Durch Homolyse (dissociation) entsteht
ein Singulett-Radikalpaar.
SP
+A
generation of a radical pair by
light-induced electron transfer
ele
c
tran tron
sfe
r
energy
S [P?+
A?- ]
T [P?+
A?-]
hν
MF
kT
kS
P
TP
modified after Hore 2003
Abb. 9. Bildung eines Radikalpaares durch lichtinduzierten Elektronentransfer
11
radical pair mechanism
(A)
1 [A
A-B
.B.]
ISC
mf
product
1 P*
+B
hν
1 [A+
3 [A
.B.]
product‘‘
(B)
.B-.]
ISC
mf
3 [A+
.B-.]
P
1 FAD*
hν
+ AH2
1 [FADH
rc
(C)
. AH.]
ISC
3[FADH
.
.
AH ]
mf
FAD
primary reaction
ISC = intersystem crossing
mf = magnetic field
rc = recombination
Abb. 10. Verschiedene Mechanismen der Bildung von Radikalpaaren.
12
B12 ethanolamine ammonia
lyase
Harkins and Grissom 1994
Abb. 11. Effekt starker magnetische Felder auf die Aktivität der B12-EthanolaminAmmonium- lyase, ein Beispiel für einen Radikalpaarmechanismus.
Herunterladen