A C H C H U M A N N R U C K N E R

Werbung
hänssler
CLASSIC
Werke für Blechbläser
No. 94.033
J o h a n n
S e b a s t i a n
A C H
(1685–1750)
R o b e r t
C H U M A N N
A n t o n
R U C K N E R
u. a.
Jean François Michel
Solotrompete
Bernhard Weiß
Soloposaune
Blechbläserensemble Laudate Domino
Leitung: Gerson Raabe
1
hänssler
CLASSIC
ausgeschieden ist. Ein Faktum übrigens,
das bis heute Gültigkeit behalten hat,
will man nicht gerade auf solche skurile
musikalische Kuriositäten wie den
„Fackeltanz“ für 53 Trompeten und 4
Pauken des Kasseler Hofkomponisten
Luis Spohr aus dem Jahre 1825
zurückgreifen oder gar auf die nur
wenig artgemäße und geschmackvolle
Behandlung der Blasmusik durch die im
19. Jahrhundert schnell anwachsenden
Militärkapellen oder aber auf die nicht
eben zahlreichen – ohnehin selten
genug gespielten – Werke dieses
Jahrhunderts wie z.B. Hindemiths
vorzügliche Blechbläserkantate.
B- A- C- H
Werke für Blechbläser
Von Bach, Schumann, Bruckner u.a.
Solotrompete: Jean Franχois Michel
Soloposaune: Bernhard Weiß
Blechbläserensemble Laudate Domino
Leitung: Gerson Raabe
Wollte man eine Geschichte der Musik
für Blechbläser schreiben, so müßte man
gezwungenermaßen mit dem Ende des
17. Jahrhunderts abbrechen.
Hier vollzog sich durch allmähliches
Aussterben der barocken Bläsertypen
die Wandlung des Klangbildes
zugunsten der verfeinerten Oboe,
Querflöte, Waldhörner, Fagotte und der
später hinzutretenden Klarinette.
Der Bläserapparat der Klassik und im
Kern auch der Moderne beginnt sich zu
formen.
In einem freilich gänzlich eigenen
Kontext stehen die beiden hier
eingespielten zeitgenössischen
Kompositionen von Gerson Raabe, die
aus intimer Kenntnis der Instrumente
heraus erwachsen – eine ebenso sensible
wie im Horizont künstlerisch
intellektueller Gegenwart geistvolle und
gelungene Auseinandersetzung mit
diesem Typus darstellen.
In der Harmonik herb und im Rhythmus
markant bis bizarr im Anschluß etws an
Bruckners reifste Sinfonik (9. Sinfonie)
bildet Raabe einen neuen individuell
geprägten Bläserstil zwischen
Neoklassizismus und lebendigstem
Expressionismus. Er ist charakterisiert
durch straff organisierte rhythmische
Abläufe ganzer Sätze und Werke, die in
bestimmten – oft konstanten –
Aufteilungen in breitangelegten
Spannungsbögen bis zu hämmernder,
schroffer Wucht geführt werden („Die
Versuchung des Hl. Antonius“).
Die Anfänge der Bildung selbständiger
Formen ausgesprochener Bläsermusik
führt zurück in das 15. Jahrhundert, das
mit Dreier- oder Vierergruppen von
zwei oder drei Schalmeien und einem
Posaunen- oder Trompetenbläser einen
ersten gattungsmäßigen Typus
konstituiert.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts erwächst
aus diesen Anfängen eine radikale
Bevorzugung des Bläserklanges, wie er
in den mehrchörigen Werken der
Venezianer Andrea und Giovanni
Gabrieli zu überwältigendem Ausdruck
und reifster Blüte gelangte. Die
Herkunft aus der vokalen Polyphonie
der Niederländer begünstigte die
Darstellung der Kompositionen auf
Blasinstrumenten.
Daneben erfahren verstärkt auch
barockisierende Satztechniken wie
Immitation, Ostinato und Tutti-Solo
Kontraste (Solotrompete) Anwendung.
Was rechtfertigt dann aber im übrigen
die Einspielung spätbarocker und hochbzw. nachromantischer Werke?
Schon bei Bach und deutlicher noch bei
Händel zeigt sich, daß der obligate
Trompeten- und Posaunensatz gänzlich
2
hänssler
CLASSIC
Mehrere Antworten scheinen möglich.
Erstens: Schon mit der Klassik setzt trotz
der allgemeinen Erweiterung des
gesamten Orchesterapparates eine ganz
besondere Pflege und Entwicklung
gerade der Herstellung von
Blasinstrumenten ein, um die
gestiegenen Anforderungen der Praxis
an das Blech zu befriedigen.
Dieser setzt ein zu bearbeitendes
Werk voraus. Die Bearbeitung kann sich
jedoch nie auf eine bloß technische
Einrichtung für ein anderes Organ der
Aufführung (hier Blechbläser)
beschränken, ohne automatisch auch
die ursprünglichen Intentionen des
Komponisten umzubilden und –
wenigstens zum Teil – neu zu setzen.
Jede (gute) Bearbeitung gelangt zu
einer graduell gleichwohl je
unterschiedlichen Eigenständigkeit
gegenüber der Originalkomposition.
Wie anders wäre es wohl zu verstehen,
daß abertausende von Bearbeitungen,
Transskriptionen und Intavollierungen
seit den ersten Anfängen der Musik und
auch von den ganz Großen der
Musikgeschichte immer wieder
praktiziert wurden?
Die Erschließung der chromatischen
Tonleitern an den Trompeten, Hörnern
und Tuben durch die Erfindung der
Ventile schaffen ein Blasregister von nie
gekannter Klangkraft und bedeutend
erweitertem Umfang
(Wagner, Bruckner).
Für den modernen Virtuosen (sämtliche
Bearbeitungen und Einrichtungen des
vorliegenden Programmes
berücksichtigen ausdrücklich die
virtuosen Entfaltungsmöglichkeiten des
ganz vorzüglichen Solotrompeters Jean
Franχois Michel) liegt es nahe, sich die
wertvolle Literatur dieser Zeit – und sei
es aus Mangel an
Originalkompositionen in Form von
Bearbeitungen – anzueignen und in sein
Repertoire aufzunehmen.
Drittens: läßt sich eine gewisse Affinität
der Bläsermusik zu vielfältigen
kirchlichen Handlungen und Ereignissen
beobachten. Ein Aspekt, der nicht
zuletzt diese Aufnahme von zentraler
Bedeutung. Der Name des Ensembles
„LAUDATE DOMINO“ weist den Hörer
in die Richtung jener kirchlich-religiösen
Dimension der Bläsermusik, wie sie
allgemein in der weitverbreiteten
populären Tradition der zahllosen
evangelischen Posaunenchöre
jedermann geläufig und präsent ist.
Doch kennt darüber hinaus die
Romantik auch einen inneren, letztlich
in der Musikanschauung verwurzelten
Aspekt der Hinwendung zu den Bläsern.
Diese Musik fordert in überhöhtem
Maße das „Heroische“, das „Grandiose“
durch kraftvolle und satte Farben, um
das je ritterlich Große, das weihevoll
Erhabene und Majestätische
darzustellen. Wie sonst sollte, ohne die
kraftvolle harmonische Füll- und
Pedalwirkung des Blechs, etwa bei
Bruckner oder Mahler das
fensterschiebenklirrende „fff“ erreicht
werden?
Schon vor der Reformation war es bei
festlichen Prozessionen üblich, mehrere
zusammengezogene Kapellen von zum
Teil beachtlicher Stärke spielen zu
lassen. Sogar das ursprüngliche
weltliche Abblasen gewinnt durch die
Reformation und die durch sie
ausgelöste Förderung des evangelischen
Chorals um 1520 deutlich kirchlichen
Charakter. Bei Johann Vierdanck (1650)
schließlich wird deutlich, daß einzig die
protestantische Kirchenkantate reine
Bläserbesetzung beibehielt, während
die Kammerkantate den Streicherklang
bevorzugte.
Zweitens: Ein Argument für den bei der
Programmauswahl eingeschlagenen
Weg liegt im Begriff der „Bearbeitung“
selbst.
3
hänssler
CLASSIC
Nicht zuletzt erlauben eben gerade die
Bläser vor allen anderen Instrumenten
eine nahezu perfekte Nachahmung des
christlichen Kultinstrumentes
schlechthin: der Orgel. Wie bei der
Barockorgel die selbständigen Teilwerke
mit- und gegeneinander musizieren, so
lassen auch die Bläser, unter sich
unterteilt, eine orgelähnliche
Behandlung zu. Daher scheinen auch
Einrichtungen größerer Orgelwerke wie
wir sie hier in der Bearbeitung von
Bachs berühmter g-moll-Fantasie und
der ersten von insgesamt sechs
Orgelfugen über „B-A-C-H“ für Bläser
durchaus legitim zu sein. Man denke in
diesem Zusammenhang auch an den
großartigen Bläserklang der Choräle in
den Sinfonien Anton Bruckners, die
meist einen sehr charakteristischen,
geradezu metaphysisch-statischen,
Orgelton markieren.
Eine gewisse Sonderstellung könnte
hierbei allein die Einspielung des
Konzertes in d-moll von Tomaso
Albinoni (1671-1750) behalten, ein
barockes Brillier- und Virtuosenstück,
das dem Trompeter nicht zu wenig an
intonatorischer und technischer
Flexibilität abfordert.
Die Plastik jedoch, die Kraft der
kinetischen Energie in der barocken
Tonsprache Albinonis müssen
Wesensverwandtes auch in Bach bewegt
haben, der gleich etliche Werke des
Venezianers bearbeitete.
Jean Franχ
Franχois Michel
Michel (1957) studierte in
Fribourg (CH) Musik mit Hauptfach
Trompete. Vielfacher Preisträger
internationaler Wettbewerbe.
Von 1976 bis 1986 Solo-Trompeter bei
den Münchner Philharmonikern unter
Sergiu Celebidache.
Internationale Solo-Tourneen,
Lehrtätigkeit am Konservatoire Fribourg
(CH).
Viertens: der Titel dieser Aufnahme
nennt den Namen „Bach“. Sie ist als
Homage an den großen Leipziger
Thomaskantor gedacht. „Anfang und
Ende aller Musik“ war für Max Reger;
Beethoven bekannte in
selbstgrüblerischem Zweifel: „Nicht
Bach, sondern Meer müßte er heißen!“
und Goethe nannte ihn „göttlich“;
Nietsche gar, der gnadenloseste und
unerbittlichste unter den
Religionskritikern gestand, daß man sich
spätestens nach dem Hören der
Bachschen Matthäuspassion zum
Christentum bekehren müsse.
In der Tat scheint das Einheitsprinzip des
vorliegenden Programmes im
überragenden Genius Bach selbst zu
liegen.
Gerson Raabe (1960) studierte von 1979
bis 1983 Trompete bei Jean Franχois
Michel. Studium der Komposition bei
Professor Jona Korn am Richard-StraußKonservatorium in München von 19831987.
Seit 1984 neben vielfältiger
Komponistentätigkeit Leiter des
Bläserensembles Laudate Domino.
Bernhard Weiß (1960) studierte nach
dem Abitur in Frankfurt von 1978 bis
1983 Psaune. Nach seiner Tätigkeit in
verschiedenen Symphonieorchestern,
wie in Krefeld und Mönchengladbach
wurde er 1984 Posaunist bei den
Münchner Philharmonikern. Außerdem
begleitet er seit 1988 einen Lehrauftrag
am Konservatorium in Augsburg.
Die zu Beginn stehende Orgelfantasie in
g-moll ist in Kühnheit und Größe der
Konzeption derartig gewaltig, daß man
kaum zuviel vermutet, wenn man meint,
daß alle anderen (auch und gerade die
eingespielten romantischen
Kompositionen) in diesem
überdimensionalen harmonischen
Entwurf Bachs aufgelöst werden.
4
Herunterladen