M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Manfred Zierhut Thomas-Michael Wohlrab Immunpathologische Erkrankungen des Auges Untersuchungen über die immunologischen Besonderheiten des Auges haben in den letzten Jahren dazu geführt, daß zahlreiche klinische Bilder ätiologisch neu eingeordnet und therapiert werden konnten. Es konnte nachgewiesen werden, daß das Auge zahlreiche Mechanismen besitzt, die eine mögliche T-Zell-Reaktion mit nachfolgender Gewebsdestruktion erschweren. Das hiermit in Zusammenhang stehende Vorderkammer-Privileg ist wohl zumindest teilweise E ine okuläre Beteiligung kann im Rahmen von Allgemeinerkrankungen unterschiedlich häufig auftreten, oft aber gehört die Augenerkrankung zum Vollbild eines Syndroms (Morbus Behcet, Morbus Kawasaki, Morbus Reiter) und kann in solchen Fällen sogar diagnostisch wegweisend sein (Tabelle). Der vorliegende Beitrag faßt zunächst die immunologischen Besonderheiten des Auges zusammen. Im zweiten Abschnitt werden okuläre Immunopathien, anatomisch gegliedert, vorgestellt. für die bemerkenswert geringe Abstoßungsrate von Hornhaut-Transplantaten verantwortlich. Eine okuläre Mitbeteiligung kann wertvolle differentialdiagnostische Hinweise für zahlreiche Systemerkrankungen erbringen. Ob hierbei der Angriff des Immunsystems gegen primär am Auge vorhandene Antigene oder Autoantigene gerichtet ist, ist derzeit für nahezu alle okulären Erkrankungen unklar. Das Zielantigen ist lediglich bei der Myasthenia gravis charakterisiert. beseitigt werden kann, führt zu einer leukozytären Infiltration, die dem Auge möglicherweise mehr schadet als das der Entzündung zugrunde liegende Antigen (zum Beispiel Herpes-simplex-Virus-Keratitis). Somit ist es für das Auge sinnvoll, über Mechanismen zu verfügen, die eine fein abgestufte Immunantwort ermögli- Immunologische Besonderheiten des Auges Das Auge stellt eines der am stärksten infektionsgefährdeten Organe des Körpers dar, da es, an exponierter Stelle liegend, nur durch die Lider geschützt ist. Die physiologischen Schutzmechanismen des Auges müssen zahlreichen Anforderungen genügen. Einerseits muß das Immunsystem, ebenso wie bei anderen Organen, schnell in der Lage sein, auf ein Antigen zu antworten, und sollte dabei auch über einen Gedächtniseffekt verfügen. Andererseits benötigen die hohen optischen Ansprüche, die vom Auge einen optimalen anatomischen Aufbau erfordern, ein möglichst feinstufig regelbares Immunsystem. Denn ein Antigenreiz, der vom mechanischen Abwehrsystem, gebildet von den Lidern und der wäßrigen Komponente des Tränenfilms, nicht Abbildung 1: Unter dem ektropionierten Oberlid kommt eine ausgeprägte Papillenschwellung zum Vorschein, wie sie typisch für eine Konjunktivitis vernalis sein kann. Abbildung 2: Okuläres Pemphigoid mit fast kompletter Hornhautvaskularisation bei ausgeprägter Sicca-Symptomatik und ausgedehnter Symblepharon-Bildung. Universitäts-Augenklinik (Direktor: Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Thiel), Eberhard-Karls-Universität, Tübingen chen. Die Einbindung der vorderen Augenabschnitte in das Mukosa-assoziierte lymphatische Gewebe (MALT), ein Überwiegen von TSuppressor-Zellen in wesentlichen Kompartimenten des Auges und die teilweise damit assoziierte Ausbildung eines immunologischen Privilegs in der Vorderkammer und dem Glaskörper stellen Möglichkeiten dar, die Immunantwort den Erfordernissen des Auges optimal anzupassen. Untersuchungen über die physiologische Lymphozyten-Verteilung am Auge haben nachweisen können, daß im Gegensatz zu vielen Organen an wichtigen Teilen des Auges (Bindehaut, extraokuläre Muskulatur, Orbita) CD8+T-Suppressor/zytotoxische Zellen in höherer Konzentration nachweisbar sind als CD4+ T-Helfer/Inducerzellen (3, 18, 24). Diese eher konservative Strategie führt dazu, daß das Auge nach geringfügigem Antigenkontakt nicht sofort eine T-Zell-Aktivierung auslöst, welche schnell zu einer Schädigung des okulären Gewebes führen könnte. Dieses Prinzip liegt auch dem ACAID-Phänomen (anterior chamber associated immune deviation = Vorderkammer-assoziierte abweichende Immunantwort) zugrunde (20). Wird ein Antigen über eine Antigen-präsentierende Zelle einer TZelle angeboten, so resultiert in den meisten Organen eine CD4-Aktivierung. Die immunologische Abweichung in der Vorderkammer und im Glaskörper besteht nun darin, daß Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 (57) A-1429 M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Tabelle Ankylosierende Spondylitis (X) (X) X Anti-Phospholipid-Syndrom X X X X Atopie X X Churg-Strauss-Syndrom X X X X X X X X X X X X X X X X X X Cogan-Syndrom Dermatomyositis X X X Uvea Tränen drüse Sklera Retina Orbita extraok u Musku läre latur Nervus opticus Lider Hornh aut Krankheitsbild Bindeh aut Primäre okuläre Symptomatik bei nicht-infektiösen entzündlichen Systemerkrankungen X Enzephalitis disseminata Epidermolysis bullosa Gicht X (X) (X) (X) Juvenile Arthritis Lineare IgA-Dermatose X (X) (X) X X (X) X X X X X (X) X X X Morbus Buerger X X X X X X Morbus Crohn/Colitis ulcerosa X X Morbus Kawasaki X X Morbus Reiter X X Myasthenia gravis Pemphigoid X X Lymphomatoide Granulomatose Morbus Behcet (X) (X) X X (X) X (X) X X X X X X X Pemphigus vulgaris (X) (X) (X) (X) Polyarteriitis nodosa X X Psoriasis mit Arthritis X X X Rezidivierende Polychondritis X X X Rheumatoide Arthritis X X X Riesenzell-Arteriitis X X Rosazea X X X Sarkoidose X X X Sjögren-Syndrom X X Sklerodermie X X X Steven-Johnson-Syndrom X X X Systemischer Lupus erythematosus X X Takayasu-Arteriitis X X X X X X X X (X) X X X X X X X X X X (X) (X) X X X (X) X X X X (X) X X X X X X X X X X X X TINU-Syndrom Wegenersche Granulomatose X X X (X): seltene Manifestation (Häufigkeit </= ca. 5 %) A-1430 (58) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 X X X X X X X X X M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG überwiegend CD8+Suppressor/zytotoxische Zellen aktiviert werden, was zu einer Verminderung der DTHAntwort führt (delayed type hypersensitivity = Reaktion vom verzögerten Typ). Dies ist teilweise durch die lokale Immunantwort bedingt, da die Iris immunsupressiv wirkende Faktoren sezerniert (unter anderem transforming growth factor 1 und 2) (2). Kürzlich konnte auch die Expression von FasL (einem Marker für Apoptose) an kornealem Epithel und Endothel sowie Iris, Ziliarkörper und Retina nachgewiesen werden (7). Somit werden alle Zellen, die in die Vorderkammer und den Glaskörper gelangen und den korrespondierenden Fas-Marker aufweisen, durch Apoptose beseitigt. Teilweise jedoch sind auch Strukturen wie die Milz an der Aufrechterhaltung der privilegierten Situation beteiligt, da im experimentellen Modell nach einer Splenektomie, vor oder bis zu sechs Tage nach Inokulation eines Antigens in die Vorderkammer, das ACAID-Phänomen nicht mehr ausgelöst werden kann. Diese privilegierte Situation ist wahrscheinlich zu einem wesentlichen Teil für die Antigenapplikation eine Toleranz erzeugen können. Diese Erkenntnisse haben zu dem neuen Therapiekonzept der oralen Toleranzinduktion geführt, welches derzeit in zahlreichen Studien bei experimentellen (13, 14) und klinischen Autoimmun- Abbildung 4: Nekrotisierende Skleritis bei Wegenerscher Granulomatose, auch die periphere Hornhaut weist Ulzerationen auf erkrankungen (Uveitis, rheumatoide Arthritis, Multiple Sklerose) überprüft wird. Hierbei wird versucht, durch orale Applikation von Autoantigenen (zum Beispiel Retinal-S-Antigen, Kollagen) oder relevanten Peptiden eine Toleranz zu induzieren. Mastzellen lassen sich überwiegend im Lidbereich und der Konjunktiva nachweisen, wodurch erklärt ist, daß okuläre allergische Reaktionen auf diese Bereiche beschränkt bleiben (1). Okuläre Immunopathien Bindehaut Abbildung 3: Schwere noduläre Skleritis mit typischer livider Verfärbung gute Prognose einer Hornhaut-Transplantation verantwortlich (21). Wie sich das ACAID im Krankheitsfall ändert oder wie lange es bis zur erneuten Restitution benötigt, ist derzeit unklar. Die Tränendrüse und in eingeschränktem Maße auch die Bindehaut gehört zum großen Verband des „Mukosa-assoziierten lymphatischen Gewebes“ (MALT), zu dem alle Schleimhäute des Körpers zählen (22). Neben einer bevorzugten IgABildung verfügt das MALT-System über Mechanismen, die nach oraler Die Konjunktivitis stellt die häufigste und meist auch harmloseste Entzündung des Auges dar. Meist führen direkte Infektionen (Bakterien, Viren, selten Pilze) zur Konjunktivitis, wobei derzeit im wesentlichen unklar ist, inwieweit die lokale Immunabwehr bei den zahlreichen unterschiedlichen Varianten dieses Krankheitsbildes eine Rolle spielt. Der Nachweis, daß Kortikoide, allerdings bei gleichzeitiger Antibiose, die Abheilung einer bakteriellen Konjunktivitis beschleunigen können (9), weist auf eine wesentliche Mitbeteiligung des Immunsystems bei dieser Erkrankung hin. Häufig treten allergische Konjunktivitiden auf. Bei der progno- stisch günstigen Rhinokonjunktivitis im Rahmen eines Heuschnupfens spielen die bekannten IgE-mediierten Mechanismen die Hauptrolle. Prognostisch wesentlich schlechter sind die Keratokonjunktivitis vernalis (Abbildung 1) und die atopische Keratokonjunktivitis. Diese Erkrankungen können zu einer schweren Hornhautbeteiligung führen, wofür derzeit eine zusätzliche T-Zell-Reaktion und eosinophile Granulozyten verantwortlich gemacht werden (10). Blasenbildende Dermatosen, beim Krankheitsbild des okulären Pemphigoids jedoch meist auf die Schleimhaut beschränkt, können ebenfalls zu schwersten Okulopathien führen. Analog zur Hauterkrankung entwickelt sich eine zytotoxische Immunreaktion gegen Autoantigene der konjunktivalen Basalmembran, wobei diagnostisch wegweisend Immunglobulin-Ablagerungen sind (6). Das Autoantigen, das als Zielstruktur beim okulären Schleimhautpemphigoid (Abbildung 2), dem häufigsten Krankheitsbild dieser Gruppe, angesehen wird, ist derzeit noch nicht bekannt. Cornea und Sklera Zahlreiche Systemerkrankungen, die zu den Kollagenosen und Vaskulitiden gehören, können zu einer Skleritis (Abbildung 3) oder Keratitis führen. Prognostisch besonders schlecht verhalten sich die rheumatoide Arthritis, die Wegenersche Granulomatose und die rezidivierende Poly- Abbildung 5: Stromale Keratitis, induziert durch Herpes-simplex-Virus Typ 1 chondritis, die alle zur Ausbildung einer peripheren ulzerativen Keratitis oder einer nekrotisierenden Skleritis (Abbildung 4) führen können. Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 (59) A-1431 M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG Immunpathologisch scheint überwiegend eine Immunkomplexvaskulitis zugrunde zu liegen; jedoch sind wahrscheinlich auch T-Zellen insbesondere für die Proteasenaktivierung verantwortlich (17), was neben immunhistochemischen Untersuchungen auch das gute Ansprechen auf lokal appliziertes Ciclosporin A nahelegt (23). Entwickelt sich eine Skleritis oder Keratitis im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis, so wird dies heutzutage als Zeichen einer Generalisierung der Erkrankung aufgefaßt. Studien konnten nachweisen, daß eine immunsuppressive Therapie die Fünfjahresüberlebensrate dieser Patienten deutlich erhöht, verglichen mit einer Kortikoid-Monotherapie (5). Als Beispiel für ein mikrobiell induziertes Krankheitsbild, das überwiegend durch immunpathologische Mechanismen unterhalten wird, soll die stromale Form der durch Herpes-simplex-Virus (HSV) induzierten Keratitis (Abbil- Abbildung 6: Endotheliale Abstoßungsreaktion nach Keratoplastik. Typisch ist die von zirka zwei Uhr bis zirka sechs Uhr über die Hornhaut verlaufende sogenannte Khodadoust-Linie, die von Leukozyten gebildet wird und von einem stromalen Ödem umgeben ist. dung 5) dargestellt werden. Gelangt HSV in die Hornhaut, nahezu ausschließlich im Rahmen einer Reaktivierung, so führt dies zu einer Aktivierung von CD4+T-Lymphozyten und einer stromalen Infiltration der Hornhaut. Experimentelle Untersuchungen konnten zeigen, daß T-Zellinsuffiziente Mäuse diese HSV-Erkrankung nicht ausbilden (16). Wie bei anderen Organen auch, liegen der Transplantatabstoßung der Hornhaut ebenfalls immunpathologische Mechanismen zugrunde. Im Gegensatz zu anderen transplantierten Organen lassen sich hier jedoch die Folgen der zellulären Reaktion optisch verfolgen, besonders bei der endothelialen Form (Abbildung 6). Im Tiermodell läßt sich darstellen, wie, vom Transplantatrand ausgehend, eine zunehmende Expression von MHC-Klasse-II-Antigenen auftritt, gefolgt von einem Makrophageneinstrom. An der eigentlichen Abstoßungsreaktion nehmen sowohl CD8+zytotoxische als auch CD4+T-Zellen teil (26). Als Induktionsreiz für eine akute Abstoßungsreaktion, die am häufigsten in der endothelialen Form abläuft, werden Hornhautvaskularisation und Infektionen, die unter Umständen auch subklinisch verlaufen, angesehen. Uvea Die entzündlichen Erkrankungen der Uvea werden unter dem Begriff „Uveitis“ zusammengefaßt. Nach heutigem Wissen sind zirka 100 bis 150 verschiedene Ursachen bekannt, wozu zahlreiche Infektionserkrankungen, aber auch Systemerkrankungen zählen. Nach ihrem klinischen Verhalten lassen sich etwa 50 verschiedene Formen differenzieren (25). Leider führt eine Ätiologie nur selten zu einem charakteristischen, typischen Bild (zum Beispiel posteriore Uveitis bei Toxoplasmose [Abbildung 7], Panuveitis bei konnataler Lues, anteriore Uveitis bei Heterochromie Fuchs), so daß weitere Untersuchungsmethoden erforderlich sind (serologische Untersuchungen, Röntgen). Bei der ätiologisch unklaren („endogenen“) Uveitis wird allgemein von einem Autoimmunmechanismus ausgegangen, wobei anzunehmen ist, daß zahlreiche Strukturen als Ziel-Autoantigene fungieren können. Unterhalb des Pigmentepithels im Bereich der Choroidea sind zahlreiche antigenpräsentierende Zellen nachweisbar (4). Eine Fehlregulation dieser Zellen könnte einen Hauptfaktor bei der Induktion der posterioren Uveitis darstellen. Da etwa 50 Prozent der Patienten mit einer anterioren Uveitis HLA-B27-positiv sind, werden derzeit für diese Gruppe ähnliche Immunmechanismen disku- A-1432 (60) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 tiert wie für die ankylosierende Spondylitis (15). Orbita und extraokuläre Muskulatur Die häufigste entzündliche Reaktion, die die Orbita und auch extraokuläre Muskeln betrifft, ist die endokrine Orbitopathie. Gegen ein thyreoidales Antigen gerichtete, autoreaktive T-Lymphozyten erkennen dieses Epitop oder ein ähnliches Antigen, das dann im retrobulbären Gewebe die T-Zell-Reaktion unterhält. Ein TSH-Rezeptor-ähnliches Protein konnte ebenso wie der TSH-Rezeptor im retrobulbären Gewebe nachgewiesen werden, womit die extrazellulären Anteile des TSH-Rezeptors die kreuzreagierende antigene Determinante darstellen könnten (24). Die Myasthenia gravis (MG) stellt eine generelle Muskelerkrankung mit exzessiver Ermüdbarkeit der Muskulatur dar, die jedoch auch Abbildung 7: Rezidiv einer Retinochoroiditis, ausgelöst durch Toxoplasma gondii. Zentral im Bereich der Makula sind alte Narbenareale sichtbar, darüber ein noch flauschiger Herd, der einem frischen Infiltrat entspricht. isoliert am Auge auftreten kann und zu einer Ptosis, externer Ophthalmoplegie, Akkomodationsparese, inadäquater Konvergenz und Diplopie führen kann. Im Vergleich zu anderen Immunopathien des Auges ist die MG eine klassische, gut untersuchte Autoimmunerkrankung. Häufig sind andere Autoimmunerkrankungen mit einer MG assoziiert, wie Thyreoiditis Hashimoto, systemischer Lupus erythematodes, autoimmune hämolytische Anämie und Pemphigus. Eine endokrine Orbitopathie entwickeln fünf Prozent aller MG-Patienten. Das Zielantigen stellt der M E D I Z I N ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT Acetylcholinrezeptor dar, gegen den Autoantikörper und wohl auch autoreaktive T-Zellen gebildet werden (12). Zu den benignen lymphoproliferativen Erkrankungen der Orbita zählen der Pseudotumor orbitae und seine auf die Rectus-Muskulatur beschränkte Variante, die Myositis. Beide Erkrankungen sind immunologisch bisher wenig untersucht. Dem Pseudotumor orbitae könnte eine Immunreaktion auf Autoantigene der Orbita zugrunde liegen. Eine darauf- hin erfolgende Makrophagen- und schließlich T-Zell-Aktivierung führt zur Granulombildung, wie sie ähnlich auch bei der Sarkoidose angetroffen wird (11). Nervus opticus Eine Neuritis nervi optici (NNO) tritt gehäuft bei einer Enzephalitis disseminata (ED) auf. Unklar ist, ob immunologisch ähnliche Prozesse wie bei der ED bei der NNO ablaufen. Unnötige Verzögerung bei der Diagnostik des Ösophagus- und Magenkarzinoms Bei Tumoren des Ösophagus und des Magens ist die Prognose des Patienten vom Stadium der Erkrankung zum Therapiezeitpunkt abhängig. Verzögerungen in der Diagnostik führen zu mehr fortgeschrittenen Tumorstadien mit ungünstigeren Langzeitergebnissen. In einer Studie aus Leeds, England, wurde von Chirurgen untersucht, welche Zeit zwischen dem Auftreten einer Erstsymptomatik und der endgültigen Diagnose bei Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinom vergeht. 115 konsekutive Patienten mit Ösophaguskarzinom (n = 27) oder Magenkarzinom (n = 88) wurden in die Untersuchung eingeschlossen, nach Diagnosestellung wurde anhand der Anamnese, der vorangegangenen Arztbesuche sowie anhand der Krankenhausaufzeichnungen die zeitliche Abfolge vom Erstsymptom bis zur Diagnose ermittelt. Im Mittel vergingen bei beiden Tumorarten bis zur histologischen Sicherung 17 Wochen (1 bis 168 Wochen), bei einem Viertel der Patienten sogar mehr als ein halbes Jahr. Von dieser Verzögerung gingen 29 Prozent durch verspäteten Arztbesuch auf das Konto des Patienten. Weitere 23 Prozent ließen sich durch die zögerliche Überweisungspraxis der erstbehandelnden Ärzte erklären. Die Zeitdauer von Krankenhausaufnahme bis zur entsprechenden Untersuchung schlug mit 16 Prozent zu Buche, der Zeitraum bis zur endgültigen histologischen Diagnose- stellung mit weiteren 32 Prozent. Bei Patienten mit Magenkarzinom zeigte sich keine Korrelation zwischen Tumorstadium und Verzögerungsdauer, beim Ösophaguskarzinom waren Patienten im Stadium I und II im Mittel nach sieben Wochen diagnostiziert, im Stadium III und IV jedoch erst nach 21 Wochen. Die Autoren betonen, daß bei Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinom noch immer zuviel Zeit Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1997; 94: A-1429–1433 [Heft 21] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser. Anschrift für die Verfasser Priv.-Doz. Dr. med. Manfred Zierhut Universitäts-Augenklinik Schleichstr. 12 72076 Tübingen zwischen Symptom und Diagnose vergeht; insbesondere heben sie den Anteil des Krankenhauses an der Verzögerung mit 48 Prozent hervor. Schnellere Überweisungsmodalitäten und Untersuchungsgänge würden ihres Erachtens zu einer früheren Diagnosestellung und Therapieeinleitung führen. acc Martin, IG et al.: Delays in the diagnosis of oesophagogastric cancer: a consecutive case series. Br Med J 1997; 314: 467–471. IG Martin, Academic Department of Surgery, Centre for Digestive Diseases, General Infirmary at Leeds, Leeds, LS1 3EX, England. Prognoseeinschätzung mit Troponin-Tund Troponin-I-Spiegeln beim Herzinfarkt In zwei großen international angelegten Multizenterstudien wurde der prognostische Wert der neuen Serummarker für kardiale Ischämie, Troponin T und Troponin I, untersucht. In diesen Untersuchungen konnte für Troponin T gezeigt werden, daß erhöhte Spiegel (> 0,1 ng/ml) innerhalb von zwölf Stunden nach Beginn der Klinik mit einer erhöhten 30-Tage-Mortalität einhergingen (11,8 Prozent versus 3,9 Prozent). Gegenüber dem Elektrokardiogramm und der Serum-CK-MB stellte Troponin T den sensitivsten Parameter im Hinblick auf die 30-Tage-Mortalität dar (p < 0,001). Zusätzlich zu den Ergebnissen mit Troponin I erwies sich bei Patienten mit instabiler Angina pectoris oder nichttransmuralen Myokardinfarkten das Troponin I ebenfalls als sensitiver, prognostisch aussagekräftiger Parameter. Die 42-Tage-Mortalität lag bei Patienten mit Werten > 0,4 ng/ml signifikant höher als bei Patienten mit Werten unter 0,4 ng/ml (3,7 Prozent versus 1,0 Prozent), mit zunehmenden Serum-Troponin-IWerten kam es zu einem statistisch signifikanten gleichsinnigen Anstieg der Mortalität. acc Ohman EM et al.: Cardiac Troponin T levels for risk stratification in acute myocardial ischemia. N Engl J Med 1996; 335: 1333–1341. Dr. Ohman, Box 3151, Duke University Medical Center, Durham, NC 27710, USA. Antman EM et al.: Cardiac-specific Troponin I levels to predict the risk of mortality in patients with acute coronary syndromes. N Engl J Med 1996; 335: 1342–1349. Dr. Antman, Cardiovascular Division, Dept. of Medicine, Brigham and Women’s Hospital, 75 Francis St., Boston, MA 02115, USA. Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 (61) A-1433