Immunpathologische Erkrankungen des Auges

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M E D I Z I N
ZUR FORTBILDUNG
Manfred Zierhut
Thomas-Michael Wohlrab
Immunpathologische
Erkrankungen des Auges
Untersuchungen über die immunologischen Besonderheiten
des Auges haben in den letzten Jahren dazu geführt, daß
zahlreiche klinische Bilder ätiologisch neu eingeordnet und
therapiert werden konnten. Es konnte nachgewiesen werden, daß das Auge zahlreiche Mechanismen besitzt, die eine
mögliche T-Zell-Reaktion mit nachfolgender Gewebsdestruktion erschweren. Das hiermit in Zusammenhang stehende Vorderkammer-Privileg ist wohl zumindest teilweise
E
ine okuläre Beteiligung kann
im Rahmen von Allgemeinerkrankungen unterschiedlich
häufig auftreten, oft aber
gehört die Augenerkrankung zum
Vollbild eines Syndroms (Morbus
Behcet, Morbus Kawasaki, Morbus
Reiter) und kann in solchen Fällen sogar diagnostisch wegweisend sein (Tabelle). Der vorliegende Beitrag faßt
zunächst die immunologischen Besonderheiten des Auges zusammen.
Im zweiten Abschnitt werden okuläre
Immunopathien, anatomisch gegliedert, vorgestellt.
für die bemerkenswert geringe Abstoßungsrate von Hornhaut-Transplantaten verantwortlich. Eine okuläre Mitbeteiligung kann wertvolle differentialdiagnostische Hinweise für
zahlreiche Systemerkrankungen erbringen. Ob hierbei der
Angriff des Immunsystems gegen primär am Auge vorhandene Antigene oder Autoantigene gerichtet ist, ist derzeit
für nahezu alle okulären Erkrankungen unklar. Das Zielantigen ist lediglich bei der Myasthenia gravis charakterisiert.
beseitigt werden kann, führt zu einer
leukozytären Infiltration, die dem
Auge möglicherweise mehr schadet
als das der Entzündung zugrunde liegende Antigen (zum Beispiel Herpes-simplex-Virus-Keratitis). Somit
ist es für das Auge sinnvoll, über Mechanismen zu verfügen, die eine fein
abgestufte Immunantwort ermögli-
Immunologische
Besonderheiten des Auges
Das Auge stellt eines der am
stärksten infektionsgefährdeten Organe des Körpers dar, da es, an exponierter Stelle liegend, nur durch die
Lider geschützt ist. Die physiologischen Schutzmechanismen des Auges
müssen zahlreichen Anforderungen
genügen. Einerseits muß das Immunsystem, ebenso wie bei anderen Organen, schnell in der Lage sein, auf ein
Antigen zu antworten, und sollte dabei auch über einen Gedächtniseffekt
verfügen.
Andererseits benötigen die hohen optischen Ansprüche, die vom
Auge einen optimalen anatomischen
Aufbau erfordern, ein möglichst
feinstufig regelbares Immunsystem.
Denn ein Antigenreiz, der vom mechanischen Abwehrsystem, gebildet
von den Lidern und der wäßrigen
Komponente des Tränenfilms, nicht
Abbildung 1: Unter dem ektropionierten Oberlid
kommt eine ausgeprägte Papillenschwellung zum
Vorschein, wie sie typisch für eine Konjunktivitis vernalis sein kann.
Abbildung 2: Okuläres Pemphigoid mit fast kompletter
Hornhautvaskularisation bei ausgeprägter Sicca-Symptomatik und ausgedehnter Symblepharon-Bildung.
Universitäts-Augenklinik (Direktor: Prof. Dr.
med. Hans-Jürgen Thiel), Eberhard-Karls-Universität, Tübingen
chen. Die Einbindung der vorderen
Augenabschnitte in das Mukosa-assoziierte lymphatische Gewebe
(MALT), ein Überwiegen von TSuppressor-Zellen in wesentlichen
Kompartimenten des Auges und die
teilweise damit assoziierte Ausbildung eines immunologischen Privilegs in der Vorderkammer und dem
Glaskörper stellen Möglichkeiten
dar, die Immunantwort den Erfordernissen des Auges optimal anzupassen.
Untersuchungen über die physiologische Lymphozyten-Verteilung
am Auge haben nachweisen können,
daß im Gegensatz zu vielen Organen
an wichtigen Teilen des Auges (Bindehaut, extraokuläre Muskulatur,
Orbita) CD8+T-Suppressor/zytotoxische Zellen in höherer Konzentration nachweisbar sind als CD4+
T-Helfer/Inducerzellen (3, 18, 24).
Diese eher konservative Strategie
führt dazu, daß das Auge nach geringfügigem Antigenkontakt nicht
sofort eine T-Zell-Aktivierung auslöst, welche schnell zu einer Schädigung des okulären Gewebes führen
könnte.
Dieses Prinzip liegt auch dem
ACAID-Phänomen (anterior chamber associated immune deviation =
Vorderkammer-assoziierte
abweichende Immunantwort) zugrunde
(20). Wird ein Antigen über eine Antigen-präsentierende Zelle einer TZelle angeboten, so resultiert in den
meisten Organen eine CD4-Aktivierung. Die immunologische Abweichung in der Vorderkammer und im
Glaskörper besteht nun darin, daß
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 (57) A-1429
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Tabelle
Ankylosierende Spondylitis
(X)
(X)
X
Anti-Phospholipid-Syndrom
X
X
X
X
Atopie
X
X
Churg-Strauss-Syndrom
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Cogan-Syndrom
Dermatomyositis
X
X
X
Uvea
Tränen
drüse
Sklera
Retina
Orbita
extraok
u
Musku läre
latur
Nervus
opticus
Lider
Hornh
aut
Krankheitsbild
Bindeh
aut
Primäre okuläre Symptomatik bei nicht-infektiösen entzündlichen Systemerkrankungen
X
Enzephalitis disseminata
Epidermolysis bullosa
Gicht
X
(X)
(X)
(X)
Juvenile Arthritis
Lineare IgA-Dermatose
X
(X)
(X)
X
X
(X)
X
X
X
X
X
(X)
X
X
X
Morbus Buerger
X
X
X
X
X
X
Morbus Crohn/Colitis ulcerosa
X
X
Morbus Kawasaki
X
X
Morbus Reiter
X
X
Myasthenia gravis
Pemphigoid
X
X
Lymphomatoide Granulomatose
Morbus Behcet
(X)
(X)
X
X
(X)
X
(X)
X
X
X
X
X
X
X
Pemphigus vulgaris
(X)
(X)
(X)
(X)
Polyarteriitis nodosa
X
X
Psoriasis mit Arthritis
X
X
X
Rezidivierende Polychondritis
X
X
X
Rheumatoide Arthritis
X
X
X
Riesenzell-Arteriitis
X
X
Rosazea
X
X
X
Sarkoidose
X
X
X
Sjögren-Syndrom
X
X
Sklerodermie
X
X
X
Steven-Johnson-Syndrom
X
X
X
Systemischer Lupus erythematosus
X
X
Takayasu-Arteriitis
X
X
X
X
X
X
X
X
(X)
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
(X)
(X)
X
X
X
(X)
X
X
X
X
(X)
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
TINU-Syndrom
Wegenersche Granulomatose
X
X
X
(X): seltene Manifestation (Häufigkeit </= ca. 5 %)
A-1430 (58) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997
X
X
X
X
X
X
X
X
X
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ZUR FORTBILDUNG
überwiegend CD8+Suppressor/zytotoxische Zellen aktiviert werden, was
zu einer Verminderung der DTHAntwort führt (delayed type hypersensitivity = Reaktion vom verzögerten Typ). Dies ist teilweise durch die
lokale Immunantwort bedingt, da die
Iris immunsupressiv wirkende Faktoren sezerniert (unter anderem
transforming growth factor 1 und 2)
(2). Kürzlich konnte auch die Expression von FasL (einem Marker für
Apoptose) an kornealem Epithel
und Endothel sowie Iris, Ziliarkörper und Retina nachgewiesen werden (7). Somit werden alle Zellen,
die in die Vorderkammer und den
Glaskörper gelangen und den korrespondierenden Fas-Marker aufweisen, durch Apoptose beseitigt.
Teilweise jedoch sind auch Strukturen wie die Milz an der Aufrechterhaltung der privilegierten Situation
beteiligt, da im experimentellen Modell nach einer Splenektomie, vor
oder bis zu sechs Tage nach Inokulation eines Antigens in die Vorderkammer, das ACAID-Phänomen nicht
mehr ausgelöst werden kann. Diese
privilegierte Situation ist wahrscheinlich zu einem wesentlichen Teil für die
Antigenapplikation eine Toleranz erzeugen können. Diese Erkenntnisse
haben zu dem neuen Therapiekonzept der oralen Toleranzinduktion
geführt, welches derzeit in zahlreichen Studien bei experimentellen
(13, 14) und klinischen Autoimmun-
Abbildung 4: Nekrotisierende Skleritis bei Wegenerscher Granulomatose, auch die periphere Hornhaut
weist Ulzerationen auf
erkrankungen (Uveitis, rheumatoide
Arthritis, Multiple Sklerose) überprüft wird. Hierbei wird versucht,
durch orale Applikation von Autoantigenen (zum Beispiel Retinal-S-Antigen, Kollagen) oder relevanten
Peptiden eine Toleranz zu induzieren. Mastzellen lassen sich überwiegend im Lidbereich und der Konjunktiva nachweisen, wodurch erklärt ist, daß okuläre allergische Reaktionen auf diese Bereiche beschränkt bleiben (1).
Okuläre Immunopathien
Bindehaut
Abbildung 3: Schwere noduläre Skleritis mit typischer
livider Verfärbung
gute Prognose einer Hornhaut-Transplantation verantwortlich (21). Wie
sich das ACAID im Krankheitsfall
ändert oder wie lange es bis zur erneuten Restitution benötigt, ist derzeit unklar.
Die Tränendrüse und in eingeschränktem Maße auch die Bindehaut gehört zum großen Verband des
„Mukosa-assoziierten lymphatischen
Gewebes“ (MALT), zu dem alle
Schleimhäute des Körpers zählen
(22). Neben einer bevorzugten IgABildung verfügt das MALT-System
über Mechanismen, die nach oraler
Die Konjunktivitis stellt die häufigste und meist auch harmloseste
Entzündung des Auges dar. Meist
führen direkte Infektionen (Bakterien, Viren, selten Pilze) zur Konjunktivitis, wobei derzeit im wesentlichen
unklar ist, inwieweit die lokale Immunabwehr bei den zahlreichen unterschiedlichen Varianten dieses
Krankheitsbildes eine Rolle spielt.
Der Nachweis, daß Kortikoide, allerdings bei gleichzeitiger Antibiose, die
Abheilung einer bakteriellen Konjunktivitis beschleunigen können (9),
weist auf eine wesentliche Mitbeteiligung des Immunsystems bei dieser
Erkrankung hin.
Häufig treten allergische Konjunktivitiden auf. Bei der progno-
stisch günstigen Rhinokonjunktivitis
im Rahmen eines Heuschnupfens
spielen die bekannten IgE-mediierten Mechanismen die Hauptrolle.
Prognostisch wesentlich schlechter
sind die Keratokonjunktivitis vernalis (Abbildung 1) und die atopische
Keratokonjunktivitis. Diese Erkrankungen können zu einer schweren
Hornhautbeteiligung führen, wofür
derzeit eine zusätzliche T-Zell-Reaktion und eosinophile Granulozyten verantwortlich gemacht werden (10).
Blasenbildende
Dermatosen,
beim Krankheitsbild des okulären
Pemphigoids jedoch meist auf die
Schleimhaut beschränkt, können
ebenfalls zu schwersten Okulopathien führen. Analog zur Hauterkrankung entwickelt sich eine zytotoxische Immunreaktion gegen Autoantigene der konjunktivalen Basalmembran, wobei diagnostisch wegweisend
Immunglobulin-Ablagerungen sind
(6). Das Autoantigen, das als Zielstruktur beim okulären Schleimhautpemphigoid (Abbildung 2), dem häufigsten Krankheitsbild dieser Gruppe,
angesehen wird, ist derzeit noch nicht
bekannt.
Cornea und Sklera
Zahlreiche
Systemerkrankungen, die zu den Kollagenosen und
Vaskulitiden gehören, können zu einer Skleritis (Abbildung 3) oder Keratitis führen. Prognostisch besonders
schlecht verhalten sich die rheumatoide Arthritis, die Wegenersche Granulomatose und die rezidivierende Poly-
Abbildung 5: Stromale Keratitis, induziert durch Herpes-simplex-Virus Typ 1
chondritis, die alle zur Ausbildung einer peripheren ulzerativen Keratitis
oder einer nekrotisierenden Skleritis
(Abbildung 4) führen können.
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 (59) A-1431
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Immunpathologisch scheint überwiegend eine Immunkomplexvaskulitis zugrunde zu liegen; jedoch sind
wahrscheinlich auch T-Zellen insbesondere für die Proteasenaktivierung
verantwortlich (17), was neben immunhistochemischen Untersuchungen auch das gute Ansprechen auf lokal appliziertes Ciclosporin A nahelegt (23). Entwickelt sich eine Skleritis oder Keratitis im Rahmen einer
rheumatoiden Arthritis, so wird dies
heutzutage als Zeichen einer Generalisierung der Erkrankung aufgefaßt. Studien konnten nachweisen,
daß eine immunsuppressive Therapie die Fünfjahresüberlebensrate
dieser Patienten deutlich erhöht, verglichen mit einer Kortikoid-Monotherapie (5).
Als Beispiel für ein mikrobiell
induziertes Krankheitsbild, das
überwiegend durch immunpathologische Mechanismen unterhalten
wird, soll die stromale Form
der durch Herpes-simplex-Virus
(HSV) induzierten Keratitis (Abbil-
Abbildung 6: Endotheliale Abstoßungsreaktion nach
Keratoplastik. Typisch ist die von zirka zwei Uhr bis zirka sechs Uhr über die Hornhaut verlaufende sogenannte Khodadoust-Linie, die von Leukozyten gebildet
wird und von einem stromalen Ödem umgeben ist.
dung 5) dargestellt werden. Gelangt
HSV in die Hornhaut, nahezu ausschließlich im Rahmen einer Reaktivierung, so führt dies zu einer Aktivierung von CD4+T-Lymphozyten
und einer stromalen Infiltration der
Hornhaut. Experimentelle Untersuchungen konnten zeigen, daß T-Zellinsuffiziente Mäuse diese HSV-Erkrankung nicht ausbilden (16).
Wie bei anderen Organen auch,
liegen der Transplantatabstoßung
der Hornhaut ebenfalls immunpathologische Mechanismen zugrunde. Im Gegensatz zu anderen transplantierten Organen lassen sich hier
jedoch die Folgen der zellulären Reaktion optisch verfolgen, besonders
bei der endothelialen Form (Abbildung 6). Im Tiermodell läßt sich darstellen, wie, vom Transplantatrand
ausgehend, eine zunehmende Expression von MHC-Klasse-II-Antigenen auftritt, gefolgt von einem
Makrophageneinstrom. An der eigentlichen Abstoßungsreaktion nehmen sowohl CD8+zytotoxische als
auch CD4+T-Zellen teil (26). Als Induktionsreiz für eine akute Abstoßungsreaktion, die am häufigsten
in der endothelialen Form abläuft,
werden
Hornhautvaskularisation
und Infektionen, die unter Umständen auch subklinisch verlaufen, angesehen.
Uvea
Die entzündlichen Erkrankungen der Uvea werden unter dem
Begriff „Uveitis“ zusammengefaßt.
Nach heutigem Wissen sind zirka 100
bis 150 verschiedene Ursachen bekannt, wozu zahlreiche Infektionserkrankungen, aber auch Systemerkrankungen zählen. Nach ihrem klinischen Verhalten lassen sich etwa 50
verschiedene Formen differenzieren
(25).
Leider führt eine Ätiologie nur
selten zu einem charakteristischen,
typischen Bild (zum Beispiel posteriore Uveitis bei Toxoplasmose [Abbildung 7], Panuveitis bei konnataler
Lues, anteriore Uveitis bei Heterochromie Fuchs), so daß weitere Untersuchungsmethoden erforderlich
sind (serologische Untersuchungen,
Röntgen). Bei der ätiologisch unklaren („endogenen“) Uveitis wird allgemein von einem Autoimmunmechanismus ausgegangen, wobei anzunehmen ist, daß zahlreiche Strukturen als Ziel-Autoantigene fungieren
können.
Unterhalb des Pigmentepithels
im Bereich der Choroidea sind zahlreiche antigenpräsentierende Zellen nachweisbar (4). Eine Fehlregulation dieser Zellen könnte einen
Hauptfaktor bei der Induktion der
posterioren Uveitis darstellen. Da etwa 50 Prozent der Patienten mit einer
anterioren Uveitis HLA-B27-positiv
sind, werden derzeit für diese Gruppe
ähnliche Immunmechanismen disku-
A-1432 (60) Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997
tiert wie für die ankylosierende Spondylitis (15).
Orbita und
extraokuläre Muskulatur
Die häufigste entzündliche Reaktion, die die Orbita und auch extraokuläre Muskeln betrifft, ist die endokrine Orbitopathie. Gegen ein thyreoidales Antigen gerichtete, autoreaktive T-Lymphozyten erkennen dieses Epitop oder ein ähnliches Antigen, das dann im retrobulbären Gewebe die T-Zell-Reaktion unterhält.
Ein TSH-Rezeptor-ähnliches Protein
konnte ebenso wie der TSH-Rezeptor im retrobulbären Gewebe
nachgewiesen werden, womit die extrazellulären Anteile des TSH-Rezeptors die kreuzreagierende antigene Determinante darstellen könnten (24).
Die Myasthenia gravis (MG)
stellt eine generelle Muskelerkrankung mit exzessiver Ermüdbarkeit
der Muskulatur dar, die jedoch auch
Abbildung 7: Rezidiv einer Retinochoroiditis, ausgelöst durch Toxoplasma gondii. Zentral im Bereich
der Makula sind alte Narbenareale sichtbar, darüber
ein noch flauschiger Herd, der einem frischen Infiltrat entspricht.
isoliert am Auge auftreten kann und
zu einer Ptosis, externer Ophthalmoplegie, Akkomodationsparese, inadäquater Konvergenz und Diplopie
führen kann. Im Vergleich zu anderen
Immunopathien des Auges ist die MG
eine klassische, gut untersuchte Autoimmunerkrankung.
Häufig sind andere Autoimmunerkrankungen mit einer MG assoziiert,
wie Thyreoiditis Hashimoto, systemischer Lupus erythematodes, autoimmune hämolytische Anämie und Pemphigus. Eine endokrine Orbitopathie
entwickeln fünf Prozent aller MG-Patienten. Das Zielantigen stellt der
M E D I Z I N
ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT
Acetylcholinrezeptor dar, gegen den
Autoantikörper und wohl auch autoreaktive T-Zellen gebildet werden (12).
Zu den benignen lymphoproliferativen Erkrankungen der Orbita
zählen der Pseudotumor orbitae und
seine auf die Rectus-Muskulatur beschränkte Variante, die Myositis. Beide Erkrankungen sind immunologisch bisher wenig untersucht. Dem
Pseudotumor orbitae könnte eine Immunreaktion auf Autoantigene der
Orbita zugrunde liegen. Eine darauf-
hin erfolgende Makrophagen- und
schließlich T-Zell-Aktivierung führt
zur Granulombildung, wie sie ähnlich
auch bei der Sarkoidose angetroffen
wird (11).
Nervus opticus
Eine Neuritis nervi optici (NNO)
tritt gehäuft bei einer Enzephalitis
disseminata (ED) auf. Unklar ist, ob
immunologisch ähnliche Prozesse wie
bei der ED bei der NNO ablaufen.
Unnötige Verzögerung bei der Diagnostik
des Ösophagus- und Magenkarzinoms
Bei Tumoren des Ösophagus
und des Magens ist die Prognose des
Patienten vom Stadium der Erkrankung zum Therapiezeitpunkt abhängig. Verzögerungen in der Diagnostik
führen zu mehr fortgeschrittenen Tumorstadien mit ungünstigeren Langzeitergebnissen. In einer Studie aus
Leeds, England, wurde von Chirurgen untersucht, welche Zeit zwischen
dem Auftreten einer Erstsymptomatik und der endgültigen Diagnose bei
Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinom vergeht. 115 konsekutive Patienten mit Ösophaguskarzinom (n = 27) oder Magenkarzinom
(n = 88) wurden in die Untersuchung
eingeschlossen, nach Diagnosestellung wurde anhand der Anamnese,
der vorangegangenen Arztbesuche
sowie anhand der Krankenhausaufzeichnungen die zeitliche Abfolge
vom Erstsymptom bis zur Diagnose
ermittelt.
Im Mittel vergingen bei beiden
Tumorarten bis zur histologischen Sicherung 17 Wochen (1 bis 168 Wochen), bei einem Viertel der Patienten sogar mehr als ein halbes Jahr.
Von dieser Verzögerung gingen 29
Prozent durch verspäteten Arztbesuch auf das Konto des Patienten.
Weitere 23 Prozent ließen sich durch
die zögerliche Überweisungspraxis
der erstbehandelnden Ärzte erklären. Die Zeitdauer von Krankenhausaufnahme bis zur entsprechenden Untersuchung schlug mit 16 Prozent zu Buche, der Zeitraum bis zur
endgültigen histologischen Diagnose-
stellung mit weiteren 32 Prozent. Bei
Patienten mit Magenkarzinom zeigte
sich keine Korrelation zwischen Tumorstadium und Verzögerungsdauer,
beim Ösophaguskarzinom waren Patienten im Stadium I und II im Mittel
nach sieben Wochen diagnostiziert,
im Stadium III und IV jedoch erst
nach 21 Wochen.
Die Autoren betonen, daß bei
Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinom noch immer zuviel Zeit
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärztebl 1997; 94: A-1429–1433
[Heft 21]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf
das Literaturverzeichnis im Sonderdruck,
anzufordern über die Verfasser.
Anschrift für die Verfasser
Priv.-Doz. Dr. med. Manfred Zierhut
Universitäts-Augenklinik
Schleichstr. 12
72076 Tübingen
zwischen Symptom und Diagnose vergeht; insbesondere heben sie den Anteil des Krankenhauses an der Verzögerung mit 48 Prozent hervor. Schnellere Überweisungsmodalitäten und
Untersuchungsgänge würden ihres
Erachtens zu einer früheren Diagnosestellung und Therapieeinleitung
führen.
acc
Martin, IG et al.: Delays in the diagnosis
of oesophagogastric cancer: a consecutive case series. Br Med J 1997; 314:
467–471.
IG Martin, Academic Department of
Surgery, Centre for Digestive Diseases,
General Infirmary at Leeds, Leeds, LS1
3EX, England.
Prognoseeinschätzung mit Troponin-Tund Troponin-I-Spiegeln beim Herzinfarkt
In zwei großen international angelegten Multizenterstudien wurde
der prognostische Wert der neuen Serummarker für kardiale Ischämie,
Troponin T und Troponin I, untersucht.
In diesen Untersuchungen konnte für Troponin T gezeigt werden, daß
erhöhte Spiegel (> 0,1 ng/ml) innerhalb von zwölf Stunden nach Beginn
der Klinik mit einer erhöhten 30-Tage-Mortalität einhergingen (11,8 Prozent versus 3,9 Prozent). Gegenüber
dem Elektrokardiogramm und der
Serum-CK-MB stellte Troponin T den
sensitivsten Parameter im Hinblick
auf die 30-Tage-Mortalität dar (p <
0,001).
Zusätzlich zu den Ergebnissen
mit Troponin I erwies sich bei Patienten mit instabiler Angina pectoris
oder nichttransmuralen Myokardinfarkten das Troponin I ebenfalls als
sensitiver, prognostisch aussagekräftiger Parameter. Die 42-Tage-Mortalität lag bei Patienten mit Werten
> 0,4 ng/ml signifikant höher als bei
Patienten mit Werten unter 0,4 ng/ml
(3,7 Prozent versus 1,0 Prozent), mit
zunehmenden
Serum-Troponin-IWerten kam es zu einem statistisch
signifikanten gleichsinnigen Anstieg
der Mortalität.
acc
Ohman EM et al.: Cardiac Troponin T levels for risk stratification in acute myocardial ischemia. N Engl J Med 1996; 335:
1333–1341.
Dr. Ohman, Box 3151, Duke University
Medical Center, Durham, NC 27710,
USA.
Antman EM et al.: Cardiac-specific Troponin I levels to predict the risk of mortality in patients with acute coronary syndromes. N Engl J Med 1996; 335:
1342–1349.
Dr. Antman, Cardiovascular Division,
Dept. of Medicine, Brigham and Women’s Hospital, 75 Francis St., Boston,
MA 02115, USA.
Deutsches Ärzteblatt 94, Heft 21, 23. Mai 1997 (61) A-1433
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