KOXARTHROSE Synonyme Arthrose des Hüftgelenkes, Hüftgelenksabnützung, Einsteifung der Hüfte, Destruktion des Hüftgelenkes Epidemiologie Die Koxarthrose stellt eine verbreitete Erkrankung des Erwachsenen nach dem V. Dezenium dar. Die Häufung durch Freizeitaktivität, Bewegungsarmut, Überlastung durch hohes Körpergewicht von noch im Arbeitsprozess stehenden Patienten stellt eine sozial-medizinisch sehr relevante Erkrankung dar. Die Arbeitsfähigkeit kann bei diesen Patienten – außer sie sind in Schwerarbeiterberufen mit manueller Tätigkeit tätig, zur Gänze wieder hergestellt werden. Definition Der Begriff Koxarthrose umfasst alle degenerativen Schäden im Bereich des Hüftgelenkes, die mit Zerstörung des Gelenkknorpels bzw. des angrenzenden Knochens und der Kapsel verbunden sind. Dies umfasst primär auch angeborene Deformitäten oder entzündliche Erkrankungen als Auslöser. Ätiologie und Pathogenese Die Differenzierung kann in primäre oder ätiopathische Koxarthrosen und sekundäre Koxarthrosen vorgenommen werden. • Die primäre Koxarthrose äußert sich in der Regel ohne erkennbares Trauma oder Deformität zwischen dem V. und VI. Dezennium, meist beidseitig. • Die sekundäre Koxarthrose ist altersunabhängig, meist einseitig. Die Ursachen für die sekundäre Koxarthrose sind vielfältig und umfassen o die angeborene Hüftdysplasie oder -luxation, o die Epiphyseolysis capitis femoris, o die Hüftkopfnekrose, o die rheumatoide Arthritis, o die Koxitis auf bakterieller Basis, o die Osteonekrose des Hüftkopfes (Morbus Perthes,Osteonekrosen als Folge einer Radiatio) o Trauma und o arthropathische Erkrankungen wie Hämophilie, o metabolische Erkrankungen, o neurogene Erkrankungen und o endokrine Erkrankungen. o Chondromatosen o Die genannten Ursachen für die sekundäre Koxarthrose sind zusätzlich noch durch die Faktoren Übergewicht, Überbelastung, Fehlbelastung durch Stellungsfehler der unteren Extremität oder Beinlängendifferenzen sowie durch endokrine Faktoren verstärkt. Bei der primären Koxarthrose bestehen die Veränderungen im Gelenk entsprechend dem Alterungsprozess des Knorpels. Bei den sekundären Koxarthrosen kommt es durch unterschiedlichste Prozesse, Gelenksschädigung, Entzündung über dem Mechanismus dieser Grunderkrankungen zu einer mechanischen Zerstörung des Gelenkes, die ihrerseits sekundär zur inflammatorischen Veränderung des Gelenkes mit Arthroseausbildung führt. Pathogenese Der Gelenksknorpel besteht aus Chondrozyten und einer extrazellulären Matrix, wobei entsprechend der physiologischen Belastungen Auf- und Abbau erfolgt. Überbelastung führt zum Abbau und zum Verlust der Regenerationsfähigkeit der Chondrozyten. Folge ist Verlust der Knorpeleiweißstoffe (Proteoglykane, die unter Fortbestand der schädigenden Noxen durch Fibrillation und Erosion des Knorpels zum Einriss des Kollagenfasernetzwerkes führt. Letztendlich kommt es zur Apotose und Nekrose der Knorpelzellen. In diesem Zeitraum ist eine Restitutio ad integrum nicht mehr möglich. Zu diesem Zeitpunkt kommt es auch zu Veränderungen im subcortikalen Knochen sowie zur Reaktion des Stratum synoviale mit Auftreten einer Synovialitis, die auch als aktivierte Arthrose bezeichnet werden kann und klinisch wie eine Entzündung imponiert. Das Labor ist im Rahmen der Arthrose unauffällig, vor allem die Entzündungsparameter Blutsenkungsgeschwindigkeit, CRP und Rheumafaktoren - sind im Normbereich. Bei Auftreten einer aktivierten Arthrose können die Entzündungsparameter grenzwertig erhöht sein, ist eine sekundäre Arthrose im Verlauf einer systemischen Entzündung aufgetreten, können hochpositive Entzündungsparameter ohne Krankheitswert für das Gelenk direkt vorliegen! Analysen des Gelenkspunktates geben zum heutigen Zeitpunkt Möglichkeiten zur Differenzierung zu entzündlichen Erkrankungen, da die Zellzahl im Gelenkspunktat bei Arthrose in der Regel unter 1500 Zellen pro Kubikmillimeter liegt, während diese bei der Entzündung deutlich darüber anzutreffen ist. Eindeutige Marker für Knorpelveränderungen im Rahmen einer Abnützung (COMP = Cartilage Oligomeric Matrix Protein und BSP = Bone sialoprotein) sind Ansätze einer frühen Detektion, aber nicht routinemäßig vorhanden. Die Diagnostik ist somit hauptsächlich auf die Anamnese und die Bildgebung zu beziehen. Bildgebung Als Standarduntersuchung für die Beurteilung eines Gelenkes unter Verdacht einer Arthrose ist das Röntgen anzusehen, nur in Grenzfällen ist die Magnetresonanz als weiterführende Untersuchung angezeigt. Nativröntgen Hier kann phasenhaft die Veränderung des Gelenkes beurteilt werden. Gelenksspaltverschmälerungen, suchondrale Sklerose, Zystenbildungen oder osteophytäre Veränderungen ermöglichen eine Stadienzuordnung. Achsaufnahmen ermöglichen die Darstellung von Fehlbelastungen. Die Magnetresonanz ermöglicht eine direkte Beurteilung der Knorpelhöhe, der Veränderungen am Knorpel sowie von Schäden im Bereich der Bänder und der Menisci. Anamnese Soll die Krankheitsprogredienz, Leistungsfähigkeit und den Leidensdruck des Patienten darstellen. Klinische Diagnostik • • • Beurteilung von Bewegungsumfang und Bewegungsschmerz (SFR) Beurteilung druckschmerzhafter Punkte Funktion o Beurteilung des Gangbildes o Beinlängendifferenz o Muskelatrophie o Beurteilung benachbarter Gelenke • • Beurteilung von Durchblutung (Vasculäre Situation), Motorik und Sensibilität (Neurologie) Scores: Harris1, WOMAC2, Lequesne3 IOWA4 Häufige Differentialdiagnosen • • • • • • • • • • • • • • • • • Rheumatoide Arthritiden Hüftkopfnekrose Bakterielle Infektion des Hüftgelenkes Bursitis Insertionstendinopathien Piriformis-Syndrom Syndrom der schnappenden Hüfte Affektionen des Iliosakralgelenkes Radikuläre Syndrome Pseudoradikuläre Syndrome Tumore und Metastasen Chondromatose Schleichende Ermüdungfsfraktur bei Osteoporose Idiopathische transitorische Osteoporose Inguinalhernien Pelvine und inguinale Angiopathien Neurogene Inguinalsyndrome Therapie Allgemeine Indikationskriterien • • • • • Ätiologie der Arthrose, Stadium der Erkrankung, bisheriger Verlauf Schmerzen, Leidensdruck Andere Gelenkerkrankungen Alter, Allgemeinzustand und Begleitkrankheiten Compliance, Arbeitssituation, sozialer Status, Aktivitätsgrad des Patienten Konservative Therapie Beratung Aufklärung über die Erkrankung, deren natürlichen Verlauf und dessen Beeinflussbarkeit durch konservative bzw. operative Therapie. Die Beratung ist individuell zu gestalten und umfasst u.a.: Verhalten im Alltag, körperliche Belastung in Beruf und Sport, Körpergewicht, evtl. Folgen von Bewegungsmangel, regelmäßige Übungen zur Beseitigung von Muskeldefiziten, v.a. durch Eigenübungen. Medikamentöse Therapie 1. Analgetika 2. SYSADOA (Symptomatic Slow Acting Drugs in OA) 3. Intraarticulär Hyaluronsäurepräparate 4. Intraarticulär Corticosteroid kristallin 5. Antiphlogistika Bei Therapiepersistenz unter 1 bis 3 ist ein operatives Vorgehen zu planen. Physikalische Therapie • Physiotherapie (Mobilisierung, Muskelkräftigung, Muskeldehnung und Koordinationsschulung) • Thermotherapie • Hydro- und Balneotherapie • Elektrotherapie Orthopädietechnik • • • • Stock bzw. Unterarmgehstütze, Pufferabsätze Keilkissen, Sitzerhöhungen, Arthrodesenstuhl, Entlastungsorthesen Operative Therapie Häufige Operationsverfahren Es kommen folgende Verfahren in Frage: • • Gelenkerhaltende Operationen: Korrekturosteotomien an Femur und Becken Gelenkersatz: Endoprothese Hüftnahe Femurosteotomien, Beckenosteotomien Die gelenkerhaltenden Operationen dienen der Korrektur von Fehlstellungen eines oder beider Gelenkkörper, um die mechanische Beanspruchung im Hüftgelenk zu verbessern und damit das Fortschreiten der Arthrose zu verzögern. In aller Regel wird damit gleichzeitig eine Reduktion der Schmerzen erreicht. Mit zunehmendem Arthrosestadium und Alter sinken die Erfolgschancen dieser Operationsverfahren. • • Planung und Vorbereitung o Implantate, Instrumente o Fremdblutsparende Maßnahmen o Intraoperative Röntgenmöglichkeit o Planskizze Mögliche Folgen und Komplikationen o Allgemeine Risiken und Komplikationen: Hämatom, Wundheilungsstörung, Wundinfekt, tiefe Beinvenenthrombose, Embolie, Gefäßverletzung, Nervenverletzung o Spezielle Folgen: Beinlängenunterschied, meist vorübergehende Glutealinsuffizienz, Verbreiterung der Hüftsilhouette o Komplikationen: Verzögerte Osteotomieheilung, Pseudarthrose, Implantatversagen, Korrekturverlust, Schmerzpersistenz Endoprothetischer Ersatz Beim endoprothetischen Gelenkersatz werden die zerstörten Gelenkanteile entfernt und durch künstliche Gelenkteile ersetzt. Daraus resultiert eine Schmerzbefreiung mit Verbesserung der Funktion des Hüftgelenkes. Die Endoprothese hat kein Alterslimit. Allerdings ist die Operation nur dann empfehlenswert, wenn ein ausgeprägtes konservativ nicht beherrschbares Schmerzbild vorliegt. Folgende Operationsverfahren stehen zur Verfügung: CUP Prothese (CAP), Kurzschaftprothese (MIS) Die zementfreie Implantation als Standardverfahren, wobei sowohl eine spährische Pressfitpfanne als auch konische Schraubpfannen Verwendung finden5 6. Zementierte Implantation In Ausnahmefällen bei zementfrei nicht verankerbarer Situation oder erhöhtem Blutungsrisiko. • Als Gleitpaarungen kommen in Betracht 7 o Keramik-Polyethylen o Metall-Polyethylen 8 o Metall-Metall o Keramik-Keramik o Keramik-Metall • Planung und Vorbereitung o Präoperative Planung der zu wählenden Implantate o Fremdblutsparende Maßnahmen (z.B. Eigenblut, Cell-Saver) o Intraoperative Röntgenmöglichkeit o Perioperative Antibiotikaprophylaxe • Mögliche Folgen und Komplikationen o Allgemeine Risiken und Komplikationen: Hämatom, Wundheilungsstörung, Wundinfekt, tiefe Beinvenenthrombose, Embolie, Gefäßverletzung, Nervenverletzung o o Spezielle Folgen: Beinlängenunterschied Komplikationen: Frakturen, aseptische Früh- und Spätlockerung, Ossifikationen mit Funktionseinschränkung, Prothesenluxation parossale Postoperative Maßnahmen • • • • • • • Postoperative Röntgenkontrolle Spezielle Lagerung, Thromboseprophylaxe Individuelle postoperative Physiotherapie, frühzeitige Mobilisierung, individueller Belastungsaufbau Aufklärung über erhöhtes Sitzen, erlaubte Bewegungen und Belastbarkeit Aufklärung über regelmäßige postoperative klinische und röntgenologische Kontrollen Prophylaxe parossaler Ossifikationen Beinlängenüberprüfung, ggf. Ausgleich Stufenschema Therapeutisches Vorgehen Orientierungskriterien Schmerz, Ausmaß der Arthrose (Röntgen), Therapieresistenz von Maßnahmen, Alter des Patienten, Bewegungsausmaß, Leidensdruck, Begleiterkrankung Stufe 1 ambulant incl. Rehabmaßnahmen Stufe 2 operativ Prognose Natürlicher Verlauf: Eine wissenschaftlich exakte Prognose hinsichtlich Schmerzverlauf, Notwendigkeit von konservativen oder gar operativen Maßnahmen kann bei der Koxarthrose nicht eindeutig gegeben werden. Hierfür sind mehrere Gründe verantwortlich: • • • Die Verläufe sind individuell unterschiedlich. Die Ursachen der Koxarthrose sind vielfältig und nicht immer eindeutig definierbar. Grundsätzlich nimmt die Progression mit der Dauer der Erkrankung zu. Prognose nach bestimmten therapeutischen Verfahren • • Umstellungsosteotomie: Mit zunehmendem Arthrosestadium und Alter sinken die Erfolgschancen dieser Operationsverfahren. Hüftendoprothetik: Wechselrate ca. 0,5% pro Jahr, nach 10-15 Jahren steigt die jährliche Wechselrate an. Prävention • • Primär: Ultraschallscreening Neugeborenes, Erkennung und Frühbehandlung der präarthrotischen Deformität Sekundärprävention: Aufklärung über natürlichen Verlauf, Vermeidung schädlicher Einflussfaktoren, viel Bewegung, keine Überlastung Perspektiven, Ausblick • • • Weitere Verbesserung der Früherkennung, auch der Endoprothesenverläufe9 Weitere Verbesserung der Endoprothetik10, insbesondere der Gleitpaarungen1112 Forschungsrichtung: struktureller Knorpelersatz