Rheuma-Diagnostik

Werbung
unversum
InnereMedizin
3/2008
Facharztprüfung
Innere Medizin
Österreichische
Gesellschaft
für Innere Medizin
OA. Dr.
Günther Haberhauer
OA. Dr.
Josef Feyertag
5. Medizinische Abteilung mit Rheumatologie, Stoffwechselerkrankungen und Rehabilitation,
Wilhelminenspital der Stadt Wien und Institut für Rheumatologie der Kurstadt Baden
Rheuma-Diagnostik
Die Rheumatologie beschäftigt sich mit den Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates. Über 300 Krankheitsbilder können unterschieden werden und fast
alle Bereiche der Medizin werden tangiert. Eine rheumatologische Diagnose wird
durch das Zusammensetzen von Diagnosebausteinen (Anamnese, Krankenuntersuchung, Labor-, radiologische und fachärztliche Befunde) gestellt.
Einteilung rheumatischer
Erkrankungen
Der Terminus „Rheuma“ wurde bereits
von Hippokrates von Kos (460–377 v.
Chr.) geprägt, trotzdem konnte bis heute
keine befriedigende Einteilung der vielfältigen Krankheitsbilder getroffen werden.
Eine Einteilung nach (vorwiegend) betroffenen Strukturen findet sich in der
> Tab. 1.
Auch die Klassifikation nach Ursache(n) (> Tab. 2) ist für die Diagnostik
nicht unwesentlich.
Erste diagnostische
Schritte
Basis der rheumatologischen Diagnostik
sind die Erhebung der Anamnese und die
Krankenuntersuchung, auf denen die folgenden Schritte, das Erheben von Hilfsbefunden und das Einholen fachärztlicher
Stellungnahmen, aufbauen.
Um rheumatische Beschwerden zuordnen zu können, ist es wichtig, möglichst
genaue Patienten-Informationen darüber
einzuholen (> Tab. 3).
Laborbefunde
Laborbefunde dienen a) zur Unterscheidung von „systemisch-entzündlich/lokal-entzündlich bzw. nicht-entzündlich“, b) zum Erkennen von sekundären Krankheitsursachen und/oder „extraartikulären“ Manifestationen (Organbeteiligungen) und c) als direkte oder indirekte rheumatologische Marker (> Tab. 4
und 5).
Radiologische Befunde
Das konventionelle Röntgen, die Sonographie (Ultraschall), die Computertomographie (CT), die Magnetresonanztomographie (MRT) und szintigraphische Untersuchungen stehen zur Verfügung. Je nachdem
welche Untersuchungstechnik gewählt
wird, können Weichteile oder kalzifizierte
Gewebe suffizienter beurteilt werden.
Fachärztliche
Zusatzbefunde
Falls erforderlich, müssen auch Zusatzbefunde von Fachärzten zur Diagnosestellung
herangezogen werden: FA für Neurologie
(Diagnostik von neurologischen Defiziten
und neuromuskulären Erkrankungen,
Nervenleitgeschwindigkeitsmessung, EMG
1
unversum InnereMedizin
Facharztprüfung Innere Medizin
Tabelle 1: Strukturelle Einteilung rheumatischer Erkrankungen (EULAR-Klassifikation der Erkrankungen des Bewegungsapparates, 1975)
Beispiele:
(1) Erkrankungen der Gelenke
rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis, Arthritis bei Inflammatory
Bowel Diseases (IBD = M. Crohn, Colitis ulcerosa, M. Whipple),
infektiöse Arthritiden, Arthritis urica, paraneoplastische Arthritiden,
Chondrokalzinose, sämtliche Arthrosen, Gelenksfehlstellungen,
Gelenkstumoren etc.
(2) Erkrankungen der Wirbelsäule
M. Bechterew, sämtliche degenerativen Wirbelsäulenveränderungen,
Wirbelkörper-Tuberkulose, sämtliche Fehlstellungen der Wirbelsäule,
M. Scheuermann, Tumoren, Metastasen etc.
(3) Erkrankungen der Weichteile
des Bewegungsapparates
Dermatomyositis/Polymyositis, Polymyalgia rheumatica, infektiöse
Muskelerkrankungen, Muskeldystrophien, Myasthenia gravis, Muskelverletzungen, Tendinitiden, Ganglien, Bursitiden, Periarthropathien,
Algodystrophien, Kontrakturen, sämtliche Weichteilverletzungen,
Weichteiltumoren etc.
(4) Erkrankungen der Blutgefäße mit
Manifestationen am Bewegungsapparat
Panarteriitis nodosa, Arteriitis temporalis, Wegener-Granulomatose,
Vaskulitiden, Raynaud-Phänomen etc.
(5) Erkrankungen des Unterhautbindegewebes
Panniculitis, Panniculosen, Lipodystrophien etc.
(6) Erkrankungen des Knorpels und der Knochen
Polychondritis, degenerative Chondropathien, Osteoporosen,
Osteomalazien, M. Paget, Osteomyelitiden, Knochennekrosen,
sämtliche Knochentumoren, Metastasen etc.
(7) Bildungs-, Entwicklungs- und
Wachstumsstörungen des Skeletts
sämtliche angeborenen und erworbenen Dysplasien, Zwergwuchs,
Akromegalie, Gelenküberbeweglichkeit, Marfan-Syndrome, EhlersDanlos-Syndrome, Exostosen, Osteogenesis imperfecta, Pycnodysostose, Osteopetrose, Mukopolysaccharidosen etc.
(8) Systemerkrankungen mit möglichen
Manifestationen am Bewegungsapparat
rheumatisches Fieber, Reiter-Syndrom, Lupus erythematosus, Formen
kreis Sklerodermie, Sjögren-Syndrom, Ochronose, Sarkoidose,
Amyloidose etc.
Die Gruppen (6) und (7) werden aus Kapazitätsgründen hier nicht abgehandelt.
etc.), FA für Augenheilkunde (Abklärung
von Augenentzündungen etc.), FA für
Physiotherapie (Nervenleitgeschwindig-
keitsmessung,
Kälteprovokationstest,
Thermographie etc.), FA für Dermatologie (Abklärung von Exanthemen + Biop-
Tabelle 2: Einteilung rheumatischer Erkrankungen nach Ursache(n)
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
2
angeboren, erworben
statisch, dynamisch
traumatisch, posttraumatisch (operativ, postoperativ)
degenerativ
systemisch entzündlich, lokal (nicht) entzündlich
infektiös, postinfektiös (reaktiv)
periinfektiös, parainfektiös
„autoimmunologisch“
endokrin, metabolisch
paraneoplastisch (neoplastisch)
neurogen, psychogen
sien, Infekten der Harnröhre, Geschlechtsorganen, Thermographie/Rheographie
etc.), FA für Pulmologie (Abklärung von
Lungenerkrankungen, Raumforderungen
etc.), FA für Urologie (Abklärung von
Infekten der ableitenden Harnwege etc.),
FA für Gynäkologie (Abklärung von
Infekten der weiblichen Genitalien etc.),
FA für (orthopädische) Chirurgie (Gelenks-Endoskopie, gezielte Biopsien etc.)
etc.
Diagnosestellung
Primär ist die Unterscheidung von
„nicht systemisch-entzündlichen“ und
„systemisch-entzündlichen“ (bzw. mit
„systemischen Entzündungen“ einhergehenden) rheumatischen Beschwerden sehr
wesentlich. Diese „grobe“ Unterscheidung
erfolgt am objektivsten durch die Erhe-
unversum InnereMedizin
Facharztprüfung Innere Medizin
Tabelle 3: Rheumatologische Anamnese und Krankenuntersuchung
Beschwerdenlokalisation und Zuordnung
Welche Struktur(en) des Bewegungsapparates ist (sind) betroffen?
Schmerzanamnese und Erhebung
von Funktionsdefiziten
Wie sind und wie lange schon bestehen die Beschwerden?
Ursachenanamnese
Glauben Sie die Ursache Ihrer Beschwerden zu kennen?
Erhebung von relevanten Begleiterscheinungen
• Müdigkeit, Schwäche, Fieber
• Exanthem(e)
• Vertigo, Cephalea
• Augenentzündung(en)
• Sehstörungen
• Parästhesien, Paresen
• Kälteempfindlichkeit
• Tachykardie
• Dyspnoe, Atemnot
• Nausea, Erbrechen, Diarrhöen
• Bauchschmerzen
• Dysurie, Fluor vaginalis etc.
Erhebung von vorbekannten Erkrankungen,
Familienanamnese, Medikamentenanamnese
• Psoriasis vulgaris
• Raynaud-Phänomen
• IBD (M. Crohn, Colitis ulcerosa)
• Infektionskrankheiten
• Niereninsuffizienz
• Malignome
• hämatologische Erkrankungen
• Lebererkrankungen
• Hyperurikämie
• Diabetes mellitus
• Depressionen, Schlafstörungen
• Hormon-Therapie(n)
• Interferon-Therapie
• Gyrase-Hemmer etc.
Tabelle 4: Labortests mit rheumatologischer Relevanz
(a) Parameter für/gegen
„systemische Entzüdung“
• Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit (BSG)
• C-reaktives Protein (CRP)
• Eiweiß-Elektrophorese
• Fibrinogen etc.
(b) Laborparameter
• komplettes Blutbild und Differenzialblutbild
• PTZ, aPTT
• nüBZ, Harnsäure, Lipide
• BUN, Krea, Na, K, Ca, Phosphat
• SGOT, SGPT, -GT, alkal. Phosph., Bili, Lipase
• CK-ges., CK-MB, LDH, Aldolase
• Fe, Transferrin, Ferritin
• T4, TSH
(b) Infektionsserologische Parameter
• können Hinweise für bakterielle, virale und parasitäre Erkrankungen liefern
(z. B. Parvovirus, HBV, HCV, Röteln, Borrelien, Chlamydien, Mykoplasmen,
Ureaplasmen. etc.)
• die Befundinterpretation ist schwierig; rheumatische Beschwerden treten fast
immer im Konnex mit IgM-AK der jeweiligen Spezies auf
CAVE: Der alleinige Nachweis von IgG-AK einer Spezies ist keinesfalls
aussagekräftig.
(b) Kulturelle, zytologische und
Kristall-Untersuchungen
Stuhl- und Harnkulturen, Blutkultur, Untersuchungen von Punktaten
(Zytologie, Leukozytenzahl, Bakterien, Kristalle), Abstrichen etc.
3
unversum InnereMedizin
Facharztprüfung Innere Medizin
Tabelle 5: Praxisbewährte „rheumatologische Marker“ (c)
RF sind AK gegen den Fc-Teil von Immunglobulinen (Ig); sie existieren in allen IgKlassen. Der IgM-RF ist der „klassische Marker“ der rheumatoiden Arthritis (kommt
aber auch bei einigen anderen rheumatischen und nicht- rheumatischen Erkrankungen,
meist in niederer Konzentration vor)
Rheumafaktoren (RF)
CAVE: Ein „positiver“ RF alleine ohne entsprechende klinische Zeichen und
Entzündungs-Hinweise ist ohne Bedeutung
AK gegen cyclisches citrulliniertes
Peptid (Anti-CCP-AK)
können bei RF-negativen Fällen und im frühen Krankheitsstadium einer rheumatoiden
Arthritis oft positiv sein („Ergänzung zum RF“)
Antinukleäre Antikörper (ANA)
Auto-Antikörper gegen Zellkernstrukturen; es gibt zahlreiche „Untergruppen“ (Subsets)
mit unterschiedlichen „diagnostischen Zuordnungen“ und „Wertigkeiten“ (s. u.)
CAVE: Zufällig entdeckte ANA und/oder „ANA-Subsets“ ohne entsprechende Klinik
sind ohne aktuelle Bedeutung und keineswegs als diagnostische Direktzeichen zu werten
(sollten aber prospektiv kontrolliert werden)
ANA-Subsets:
Anti-dsDNA-AK
Anti-Histon-AK
Anti-Sm-AK
Anti-U1-RNP-AK
Anti-Ro-AK
(SS-A)
Anti-La-AK(SS-B)
Anti-Scl-70-AK
anti-centromere AK
Anti-Jo1-AK
AK gegen Doppelstrang-DNA; guter Marker und Aktivitätsparameter für systemischen
Lupus erythematosus
AK gegen „Kerngerüst“-Proteine; möglicher Diagnosebaustein bei medikamentös
induziertem Lupus
guter Marker (mit geringer Sensitivität) für systemischen Lupus erythematosus
AK gegen „kleine“ Ribonukleoproteine; in hoher Konzentration guter Marker für
Mischkollagenosen (Sharp-Syndrom)
zusätzlicher Hinweis für systemischen Lupus erythematosus oder ein Sjögren-Syndrom
Hinweis für ein Sjögren-Syndrom
AK gegen Topoisomerase-I-Protein; Hinweis für eine Sklerodermie (progressive
System-Sklerose)
AK gegen Centromer-Proteine; Hinweis für CREST-Syndrom
Anti-Synthetase-AK; Hinweis für Polymyositis/Dermatomyositis
Anti-TPO-AK, Anti-Tg-AK
oft erhöht bei „Früharthritis“
Anti-Phospholipid-AK
AK gegen 2-Glykoprotein I und Cardiolipin; bei hohem IgG-Titer guter Marker für ein
Anti-Phospholipid-Syndrom
C3, C4
Komplementkomponenten; ein erniedrigtes C4 kann ein Hinweis für einen aktiven
systemischen Lupus erythematosus sein
Anti-Neutrophilen-Zytoplasma-AK
(ANCA)
AK gegen lysosomale Proteine neutrophiler Granulozyten; unterschieden werden c-,
p- und x-ANCA; c-ANCA sind gute Marker für eine Wegener-Granulomatose
Angiotensin-Converting-Enzyme
(ACE)
diagnostischer Marker niederer Sensitivität für eine Sarkoidose (Erythema nodosum)
und, wenn positiv, guter Aktivitätsparamater
HLA-B27
genetisches Merkmal sehr häufig bei Patienten mit Erkrankungen aus dem Formenkreis
der „seronegativen Spondarthritiden“ gefunden (einziger verwertbarer HLA-Marker)
Der ASLO-Wert wurde bewusst nicht angeführt, da er nach heutiger Ansicht keine bzw. eine nur geringe Aussagekraft hat. Auf die zahlreichen speziellen
„osteologischen“ Labor-Parameter und deren Bedeutung wurde aus Kapazitätsgründen nicht eingegangen.
4
unversum InnereMedizin
Facharztprüfung Innere Medizin
Tabelle 6: Beschwerden-Lokalisationen von systemisch-entzündlich-rheumatischen Erkrankungen am Bewegungsapparat, Arthralgien/Gelenksschwellungen
(nach Häufigkeit)
Beschwerden-Bereich am Skelett:
Arthralgien und/oder
Gelenksschwellung(en)
= möglicher Hinweis für folgende
„systemisch-entzündliche“ rheumatische
Erkrankung(en)
Halswirbelsäule
• rheumatoide Arthritis
• Morbus Bechterew
Brustwirbelsäule
• Morbus Bechterew
• (Malignom)
Lendenwirbelsäule
• Morbus Bechterew
• reaktive Arthritis
• Psoriasisarthritis
• (Malignom)
Kreuz-/Darmbeingelenke
• Morbus Bechterew
• reaktive Arthritis
• Psoriasisarthritis
• (Malignom)
Kiefergelenke
• rheumatoide Arthritis
Schultergelenke,
Oberarm-Bereich
• rheumatoide Arthritis
• Polymyalgia rheumatica
Ellbogengelenke
• rheumatoide Arthritis
Handristgelenke
• rheumatoide Arthritis
• Psoriasisarthritis
• Kollagenosen
• Gicht
• (Algodystrophie)
Fingergelenke
• rheumatoide Arthritis
• Psoriasisarthritis
• Raynaud-Syndrom
• Kollagenosen
• Gicht
• (Algodystrophie)
• (Paraneoplasie)
Hüftgelenke,
Oberschenkel-Bereich
• Morbus Bechterew
• Polymyalgia rheumatica
Kniegelenke
• reaktive Arthritis
• Psoriasisarthritis
• Gicht
Sprunggelenke
• Erythema nodosum (Sarkoidose)
• reaktive Arthritis
• rheumatoide Arthritis
• (Algodystrophie)
Zehengelenke
• Gicht
• rheumatoide Arthritis
• Psoriasisarthritis
bung entsprechender Laborbefunde (BSG,
CRP, BB).
Nicht-entzündliche rheumatische Erkrankung: Sind die genannten Entzündungsparameter nicht erhöht, so liegt mit
großer Wahrscheinlichkeit eine „nicht
systemisch-entzündliche“ Erkrankung vor
(Ausnahmen selten Kollagenosen). Deren
Differenzierung kann nach den Ursachen
oder den (> Tab. 2) betroffenen Struktur(en) erfolgen.
(Es sei erwähnt, dass das Verhältnis von
„nicht systemisch-entzündlichen“ zu „systemisch-entzündlichen“ Erkrankungen in
Rheuma-Spezialambulanzen > 10:1 und in
Arztpraxen noch höher differiert.)
Entzündliche rheumatische Erkrankungen: Sind Entzündungsparameter
jedoch erhöht, so kann auch eine Erkrankung aus dem Formenkreis „entzündlicher
Rheumatismus“ vorliegen. In weiteren
Schritten ist zu klären, ob die erhöhten
Entzündungsparameter in eindeutigem
Zusammenhang mit den rheumatischen
Beschwerden stehen oder ob sie eine
andere Genese haben.
Das ist nicht immer einfach und manchmal aufwändig, da sowohl „EinschlussFakten“ zu berücksichtigen sind, als auch
ein Ausschluss von anderen Erkrankungen
(z. B. Malignome, welche meist im höheren Lebensalter zu finden sind etc.) zu
erfolgen hat.
Zusätzlich sind beginnende „systemischentzündliche“ rheumatische Erkrankungen seitens der Befunde bildgebender Verfahren und auch seitens spezifischer Marker oft „uncharakteristisch“ bis wenig auffällig und eine endgültige Diagnose kann
erst nach Verlaufsbeobachtung gestellt
werden.
Die weitere diagnostische Vorgangsweise sollte sich an der Erkrankungswahrscheinlichkeit und -häufigkeit orientieren
(> Tab. 6 und 7).
Zur weiteren Differenzierung systemisch-entzündlicher rheumatischer Erkrankungen kann weiters die Einbeziehung
folgender Begleiterkrankungen/Symptome
nützlich sein (RA = rheumatoide Arthritis,
5
unversum InnereMedizin
Facharztprüfung Innere Medizin
Tabelle 7: „Beschwerden-Muster“ von entzündlich-rheumatischen Erkrankungen mit Gelenksbeteiligung, Arthralgien/
Gelenksschwellungen (nach Häufigkeit)
Periphere Schmerzlokalisation:
monoartikulär
oligoartikulär
polyartikulär
Befallsmuster:
kleine Gelenke
mittlere/große Gelenke
Wirbelsäule
Daktylitis
Schmerzbeginn:
akut
rezidivierend
chronisch
Gelenksschwellungen:
monoartikulär
oligoartikulär
polyartikulär
IgM-Rheumafaktor
Antinukleäre Antikörper
HLA-B27
RA
PsA
REA
SPA
+
++
+
++
(+)
+
++
(+)
+
+
+
+
(+)
+
+
++
++
+
++
+
(+)
+
+
(+)
+
++
+
++
+
(+)
++
VA
BA
Gicht
++
(+)
++
(+)
++
++
++
+
(+)
(+)
++
(+)
++
+
+
+
+
+
++
++
+
+
+
+
+
+
++
+
+
(+)
+
++
++
(+)
++
(+)
++
+
+
+
SLE
+
++
+
+
+++
+++
+
+
+++
+++
RA = rheumatoide Arthritis, PsA = Psoriasisarthritis, REA = reaktive Arthritis, SPA = Spondylitis ankylosans (Morbus Bechterew), SLE = system. Lupus erythematosus,
VA = Virusarthritis, BA = bakterielle Arthritis; Daktylitis = Arthritis + Tendovaginitis
PsA = Psoriasisarthritis, REA = reaktive
Arthritis, SPA = Spondylitis ankylosans
[Morbus Bechterew], SLE = system. Lupus
erythematosus, SCL = Formenkreis Sklerodermie):
• Allgemeinsymptome: Fieber/Fieberschübe (SLE, REA, BA)
• Augensymptome: Konjunktivitis (=
REA, SPA), Iritis (= REA, SPA), Augentrockenheit (Sjögren-Syndrom, SLE)
• Darmerkrankungen: Mundtrockenheit
(Sjögren-Syndrom, SLE), Diarrhöen
(REA), Morbus Crohn (Crohn-Arthropathie), Colitis ulcerosa (Colitisulcerosa-Arthropathie)
• Herz: Perikarditis (SLE), Myokarditis
(SLE, Polymyositis, SPA, rheumatisches Fieber), Endokarditis (SLE, SPA,
rheumatisches Fieber)
6
• Lunge: Atemnot (SCL, SLE, Polymyositis, Sarkoidose)
• Blut: Gerinnungsstörungen (AntiPhospholipid-Syndrom, SLE), Thrombosen (Anti-Phospholipidsyndrom,
SLE)
• Hautsymptome: Psoriasis (PsA),
lividzyanotisch verfärbte Akren
(= Raynaud-Phänomen, SCL etc.),
unklare Exantheme (parainfektiöse
Arthritiden, REA, SLE),
induriert-glatte Hautareale (SCL),
ikterische Haut (hepatitisassoziierte
Arthritis), Erythema nodosum
(Sarkoidose)
• Myalgien: Oberarm- und Oberschenkelbereich (= Polymyalgia rheumatica);
Muskelschwäche (= Poly-, Dermatomyositis)
• Infektionskrankheiten: ableitende
Harnwege (REA), Streptokokken
(rheumatisches Fieber), Borreliose
(Borrelien-Arthritis), Ringelröteln
(Parvo-B19-Arthritis), Hepatitis B,
Hepatitis C, Röteln, Chlamydien
(Chlamydien-Arthritis), Mykoplasmen,
Ureaplasmen, HTLV1 etc.
• Stoffwechselerkrankungen: Hyperurikämie (Arthritis urica), Alkaptonurie
(Ochronose)
• Schilddrüsenerkrankungen: Immunthyreoiditis Hashimoto (assoziierte
„Früh-Arthritis“)
Um die Rheuma-Diagnostik auch praktisch zu veranschaulichen, sind im Anhang (siehe Seite 8) einige „standardisierte“
Fallbeispiele angeführt.
unversum InnereMedizin
Facharztprüfung Innere Medizin
Fragen zum Thema „Rheuma-Diagnostik“
nur je 1 Antwort richtig
A. Rheumafaktoren sind ...
1. antinukleäre Antikörper
2. Entzündungsparameter
3. Antikörper gegen Immunglobuline
4. nur in den Ig-Klassen M, A und G zu finden
5. nur bei Patienten mit rheumatoider Arthritis nachweisbar
B. Antinukleäre Antikörper sind ...
1. immer Ursache für eine Kollagenose
2. ein unzweifelhafter Hinweis für eine Kollagenose
3. gute Entzündungsparameter
4. immer pathologisch
5. Antikörper gegen unterschiedliche Zellkernstrukturen
C. Antikörper gegen zyklisches citrulliniertes Peptid (Anti-CCP-AK) ...
1. sind gute Entzündungshinweise
2. findet man ausschließlich bei Hypothyreose
3. können mit einer Früharthritis assoziiert sein
4. sind in der Rheumatologie völlig bedeutungslos
5. sind bei jeder systemischen Entzündung nachweisbar
D. Angiotensin-converting Enzyme (ACE) ...
1. ist stets mit erhöhten Harnsäurewerten assoziiert
2. ist in erhöhter Konzentration für einen systemischen Lupus erythematosus typisch
3. erhöhte ACE-Werte werden durch Parvo-B19-Viren induziert
4. kann in erhöhter Konzentration bei einer Sarkoidose gefunden werden
5. ist ein genetisches Merkmal
E. HLA-B27 ...
1. ist ein genetisches Merkmal
2. ist ein dynamischer Laborparameter
3. schließt die Diagnose rheumatoide Arthritis aus
4. weist auf einen systemischen Lupus erythematosus hin
5. sollte immer wieder bestimmt werden
Richtige Antworten: A3, B5, C3, D4, E1
7
unversum InnereMedizin
Facharztprüfung Innere Medizin
Rheumatologische Fallbeispiele
Fall 1: Ältere Dame mit derben, manchmal schmerzhaften
und geröteten, augenscheinlich „zweigeteilten“ Knötchen im
Bereich fast aller Fingerendgelenke. J Sämtliche Laborbefunde
sind nicht auffällig. Die Röntgenaufnahmen zeigen „HeberdenArthrosen“.
Fall 2: Eine nicht mehr ganz junge Patientin leidet seit mehr
als einem Jahr unter fortschreitenden Schulterschmerzen rechts,
welche nun so heftig geworden sind, dass sie ihren rechten Arm
kaum anheben kann. J Die Laborbefunde sind unauffällig; in
der Röntgenaufnahme der rechten Schulter zeigt sich eine kalzifizierte Sehnenansatzstelle am Knochen.
Fall 3: Eine schlanke, große Jugendliche mit zu lange erscheinenden Extremitäten klagt über wechselhafte Myalgien, Arthralgien und gelegentliche Gelenksschwellungen im Bereich beider
Hände. Eine Schwester hätte ähnliche Probleme. Sie verspüre
außerdem manchmal raschen, unregelmäßigen Pulsschlag. J Sie
erscheint sehr gelenkig, kann beispielsweise ihre Daumen an den
Unterarm anlegen, ihre kleinen Finger 90 ° nach dorsal flektieren
oder erreicht bei durchgestreckten Knien mühelos mit den Handflächen den Boden. J Die Laborbefunde sind zur Gänze unauffällig, die Röntgenbilder zeigen lediglich schlanke Knochen und relativ weite Gelenksspalten und Zwischenwirbelräume. J Eine kardiologische Begutachtung mit Echokardiographie ergibt einen partiellen Mitralklappenprolaps. J Es besteht somit ein angeborenes
Gelenkhypermobilitäts-Syndrom (Ehlers-Danlos-Syndrom Typ III).
Fall 4: Bei einem Patienten bestehen plötzlich nach einer
heftigen Drehbewegung des Oberkörpers heftige Schmerzen im
Bereich der Ledenwirbelsäule mit radikulärer Ausstrahlung in
den linken Oberschenkel bis zum Knie. J Das Röntgenbild der
Lendenwirbelsäule zeigt lediglich einen etwas verschmälerten
Raum zwischen dem 3. und 4. Lendenwirbel und hilft nicht
wirklich bei der Diagnosestellung weiter; parallel dazu werden
auch Laborbefunde erhoben, die ohne Auffälligkeiten sind J
Die nun erforderliche MR-Untersuchung der Lendenwirbelsäule ergibt einen linksseitigen Diskusprolaps zwischen 3. und 4.
Lendenwirbelkörper.
Fall 5: Eine Frau im mittleren Lebensalter hat zunehmende
Schmerzen und gerötete, überwärmte Schwellungen im Bereich
einiger Fingergrund-, Fingermittelgelenke und eines Handgelenkes. Die Beweglichkeit der befallenen Gelenke ist insbesondere
am Morgen stärker eingeschränkt (Morgensteifigkeit). J Die
Röntgenbilder zeigen Weichteilschwellungen, sowie beginnende
(altersentsprechende) „Abnützungserscheinungen“. In den
Laborbefunden sind BSG und CRP deutlich erhöht. J Der IgMRheumafaktor ist ebenfalls stark erhöht. J Es besteht somit der
hochgradige Verdacht auf eine rheumatoide Arthritis.
Fall 6: Ein junger Mann mit plötzlich „über Nacht“ aufgetretenen heftigen Schmerzen, Schwellungen und Rötungen eines
Knies und beider Sprunggelenke sowie Kreuzschmerzen. J Die
Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule und beider Beine ist
schmerzhaft eingeschränkt. Auf gezielte Befragung berichtet er
eine Episode von 1–2-tägiger Übelkeit, Erbrechen und Durchfäl8
len vor 2 Wochen nach einem „Gartengrillfest“ (auch andere Teilnehmer hätten diese Übelkeit und die Durchfälle gehabt). J Die
Röntgenbefunde der betroffenen Gelenke und der Lendenwirbelsäule sind unauffällig. J In den Laborbefunden findet man stark
erhöhte Entzündungsparameter (BSG, CRP, Leukozyten). J Der
IgM-Rheumafaktor ist negativ. J Der genetische Marker HLAB27 ist bei diesem Patienten nachweisbar. J Es besteht somit der
hochgradige Verdacht auf eine postenteritische reaktive Arthritis.
Fall 7: Ein Mann im mittleren Lebensalter präsentiert zwei
schmerzhafte und spindelförmig geschwollene proximale FingerInterphalangealgelenke und klagt auch über Schmerzen in beiden Handgelenken. Anamnestisch bestehen seit 2–3 Jahren
psoriatische Effloreszenzen einseitig retroaurikulär und im
Bereich eines Ellbogengelenkes. J In den Laborbefunden sind
BSG und CRP mäßig erhöht, auch die Harnsäure ist mäßig
erhöht. Der Rheumafaktor ist negativ. J Die Röntgenbefunde
zeigen nur geringe, altersentsprechende degenerative Veränderungen. J Es besteht somit der Verdacht auf eine (beginnende)
Psoriasisarthritis.
Fall 8: Eine ältere Dame mit heftigen, „quälenden“ Schmerzen
im Bereich der Schulter-, Oberarm-, und Oberschenkel-Muskulatur
beidseitig. Die Schmerzen sind Tag und Nacht, im Stehen und im
Liegen gleich stark, normale Schmerzmittel helfen nicht, diese einzudämmen. J Röntgenuntersuchungen von Wirbelsäule, Schultern, Oberarmen, Becken, Hüften und Oberschenkel zeigen nur
altersentsprechende degenerative Veränderungen sowie Hinweise
für eine Osteoporose. J BSG, CRP und auch die Leukozyten sind
stark erhöht. J Eine ausführliche „Ganzkörper“-Durchuntersuchung mit Ultraschall, Computertomographien, speziellen Laborbefunden, fachärztlichen Begutachtungen etc. ergibt keine Auffälligkeiten. J Es besteht somit der hochgradige Verdacht auf eine Polymyalgia rheumatica.
Fall 9: Ein 21-jähriges Mädchen mit Fieber, Arthralgien,
geröteten und auch sehr druckschmerzhaften Hautinfiltraten im
Bereich des linken und auch rechten Sprunggelenkes. J Die
Anamnese ist völlig unauffällig, im Labor sind lediglich die Entzündungsparameter (BSG, CRP, Alpha-2-Globuline, Leukozyten) erhöht J das Nativröntgen der Sprunggelenke ist völlig
unauffällig, ebenso eine ausführliche Durchuntersuchung (CT,
MR, Endoskopie) der inneren Organe. J Die Hautbiopsie ergibt
eine „septal betonte Panniculitis“ mit granulozytären und lymphozytären Infiltraten sowie mit histiozytären Zellelementen J
Daraus ergibt sich die Diagnose Erythema nodosum (unbekannter
Ursache).
Fall 10: Eine junge Erwachsene klagt über abendliche Fieberschübe, diffuse Arthralgien und auch Gelenksschwellungen im Bereich beider Hände. Augenscheinlich fallen „gerötete Wangen“ auf. J Die Röntgenbefunde der Hände sind
völlig unauffällig. In den Laborbefunden imponieren eine
massiv erhöhte BSG, ein geringgradig erhöhtes CRP, Leukopenie, Thrombopenie und ANA und AK gegen dsDNA auf.
J Es besteht in diesem Fall der hochgradige Verdacht auf
einen systemischen Lupus erythematosus.
Herunterladen