Juvenile systemische Sklerodermie

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027-059 „Juvenile systemische Sklerodermie“
akuteller Stand: 01/2013
publiziert bei:
AWMF-Register Nr.
027/059
Klasse:
S1
Leitlinie der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie und der Deutschen
Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin
Juvenile systemische Sklerodermie
I. FOELDVARI, P. Hoeger
KRANKHEITSBEZEICHNUNG
Juvenile Systemische Sklerose (jSSc), juvenile systemische Sklerodermie (jSSc) (ICD 9 7101,
7109).
VORBEMERKUNGEN
Die jSSc im Kindesalter ist im Vergleich zum Erwachsenenalter sehr selten.. Das mittlere
Alter bei Erkrankungsbeginn liegt um das 8. Lebensjahr.
Im Gegensatz zur linearen oder zirkumskripten Sklerodermie befällt die jSSc innere Organe
wie Ösophagus, Gastrointestinaltrakt, Herz, Lunge und die Nieren. Die Prognose und der
Verlauf hängen von der pulmonalen renalen, und kardialen Beteiligung ab. Die Letalität im
Kindesalter liegt bei 5% nach 5 Jahren Krankheitsverlauf. Der Verlauf ist initial meist
schleichend.
DEFINITION
Sklerodermie bedeutet .Verhärtung der Haut.. Es handelt sich um eine chronische Erkrankung
verschiedener Organsysteme, die mit Fibrose und Akkumulation von Kollagen im
Bindegewebe einhergeht. Es gibt Hinweise auf vaskuläre, autoimmunologische und
metabolische pathogenetische Faktoren und deren Interaktion untereinander. Abgegrenzt
werden muß die jSSc von der linearen oder zirkumskripten Sklerodermie (Morphea).
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KLASSIFIKATION
Es gibt neue Kriterien für jSSc, welche von der Europäschen Kinderrheumatologischen
Gesellschaft (PRES) und der Amerikanischen Gesellschaft für Rheumatologie (American
College of Rheumatology, ACR) anerkannt sind. Diese Kriterien werden momentan validiert.
jSSc -Kriterien. für juvenile systemische Sklerose
Hauptkriterien: Sklerodermatöse Hautveränderung* und Raynaud Symptomatik
Nebenkriterien: Vaskuläre Veränderung*, pulmonale *, kardiale* , gastrointestinale*,
renale *, muskuloskeletale*, neurologische Beteiligung* und Serologie*
*per Definition typisch für jSSc. Erforderlich: 2 Hauptkriterien und ein Nebenkriterium
SCHWEREGRADE / VERLAUFSFORMEN
Die Systemische Sklerodermie bei Erwachsenen wird in folgende Subtypen unterteilt:
Diffuse Form: ausgeweitete Hautfibrose proximal des Handgelenkes. Frühe Beteiligung
innerer Organe
Limitierte Form : Hautbeteiligung distal des Handgelenkes und Gesicht. Späte Beteiligung
der inneren Organe, dann besonders häufig pulmonale Hypertension. Dies tritt meistens nach
10 Jahren Krankheitsverlauf auf.
- Sonderform der limitierten Form: CREST-Syndrom: Calcinosis, Raynaud-Phänomen,
Ösophagusbeteiligung,
Sklerodaktylie und Teleangiektasien (extrem selten im Kindesalter)
Overlap-Syndrom: Sklerodermie-Hautveränderungen mit Merkmalen anderer
Kollagenosen.Schweregrade: Die Schwere der Erkrankung ist vom Ausmaß der Beteiligung
der Haut und innerer Organe abhängig.
LEITSYMPTOME
Initial tritt das Raynaud-Phänomen auf, häufig schon mit Kapillarveränderungen des
Nagelfalzes assoziiert. Später weisen die Patienten ein Hautödem, gefolgt von Induration und
Hautatrophie auf, im weiteren Verlauf treten auch digitale Ulzera an den Fingerspitzen auf.
Beim Auftreten eines diffusen Verlaufs steht der Befall innerer Organsysteme mit im
Vordergrund.
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DIAGNOSTIK
ZIELSETZUNG UND VERFAHREN DER DIAGNOSTIK
o modifizierter Rodnan-Skin-Score, um die Hautbeteiligung zu quantifizieren[Rodnan et al]
o Nagelfalz-Kapillaroskopie, um die typischen Veränderungen zu erkennen
o Körpergewicht / BMI – Ernährungszustand
o 6 Minuten Gehstrecke- Screening Test für pulmonale Hypertension
o Ösophagusmanometrie und Bestimmung der ösophagealen Durchtrittszeit eines
radioaktiver Tracers als sensibelste Methoden, um eine Motilitätsstörung des oberen
Gastrointestinaltrakts nachzuweisen. Weniger sensibel ist ein Ösophagus-Breischluck
o Abdomen Ultraschall . erweiterte Darmschlingen- Motilitätsstörung
o Lungenfunktion inklusive CO-Diffusionskapazität, Hochauflösendes Lungen-CT .
Diagnose von interstitiellen Veränderungen
o Echokardiographie: Kardiomyopathie- pulmonale Hypertonie, Karditis
o EKG - Rhythmusstörungen
o Ultraschall der Nieren, Creatinin-Clearance, Nierenbiopsie . Nierenbeteiligung / fibrinoide
Nekrose
o Laborparameter:
o großes Blutbild, BSG, Immunglobuline,
o Antikörper: antinukleäre Antikörper insbesondere gegen extrahierbare nukleoläre Antigene
(ENA: SCl-70, Pm-Scl, Ro, La, Centromere, U1-RNP, ku), die aber im Kindesalter häufig
negativ ausfallen können.
o Serumwerte einschließlich CK, andere Muskelenzyme, Creatinin, LDH;
o Urin-Status, 24-Stunden-Urin mit Eiweißausscheidung und Creatinin-Clearance.
o Bei Thrombosen Nachweis von Antiphospholipid-Antikörpern
BEWERTUNG DIAGNOSTISCHER VERFAHREN
Bei Erkrankungsschüben oder neuen Organmanifestationen ist der engmaschige Einsatz
symptomorientierter Diagnostik notwendig, da die frühzeitige Diagnose einer
Organbeteiligung die Prognose entscheidend beeinflußt.
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AUSSCHLUßDIAGNOSTIK
Differentialdiagnostische Abgrenzung zu anderen chronischen Systemerkrankungen wie
juvenile Dermatomyositis, eosinophile Fasziitis, Mixed Connective Tissue Disease (MCTD),
undifferenzierte Kollagenosen (UCTD), Graft-versus-host-Erkrankung, chemisch induzierten
Sklerodermien oder sogenannten Pseudosklerodermien (bei Phenylketonurie, Sklerödem,
Porphyria cutanea).
NACHWEISDIAGNOSTIK
Eine spezifische Nachweisdiagnostik gibt es nicht, es handelt sich um eine klinische
Diagnose,
Erfüllung der Klassifikationskriterien (siehe oben)
ENTBEHRLICHE DIAGNOSTIK
Wegen der Komplexität und Seltenheit der Erkrankung erscheint der Ausschluß von
diagnostischen Verfahren zur Diagnosestellung und Verlaufskontrolle nicht sinnvoll.
DURCHFÜHRUNG
Bei Verdacht auf eine systemische Sklerose erfolgt die Diagnose und die Verlaufsbetreuung
durch einen Kinder- und Jugendrheumatologen.
THERAPIE
Die Behandlung der systemischen Sklerose liegt in den Händen einen Kinder- und
Jugendrheumatologen. Die interdisziplinäre Betreuung erfolgt durch pädiatrische
Dermatologen, Kinderorthopäden, sowie Kinderärzte mit spezieller Erfahrung in
Pulmonologie, Kardiologie und Nephrologie und durch Krankengymnasten. Die Therapie ist
schwierig, da die Erkrankung trotz aller Bemühungen langsam fortschreiten kann.
KAUSALE BEHANDLUNG
Fehlt.
SYMPTOMATISCHE BEHANDLUNG
Vorbeugende Maßnahmen beinhalten Vermeidung von übermäßiger Sonnenexposition, Kälte,
extremer Wärme und grossen Temperaturschwankungen. Schutz der Hände mit Handschuhen,
Thermosocken für die Füße.
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Intensive Hautpflege unter anderem mit Fettcremes helfen etwas die Beschwerden zu mildern.
Krankengymnastische Mitbetreuung ist sinnvoll bei Auftreten von Kontrakturen.
Paraffinbäder scheinen bei Kontrakturen besonders wirksam. Nitrathaltige Salben können
eine Effekt bei milder Raynaud Symptomatik haben. (IIIC) Bosentan, Sildanefil sind bei
Erwachsenen bewiesen effektive Medikament bei pulmonaler Hypertension und beide sind
auch bei digitalen Ulzerationen effektiv. Es liegen nur für Bosentan pädiatrische Dosierungen
vor.(IA). Losartan ( Angiotensin Converting Enzym II Antagonist) zeigt sich in der
prospektiven Studie effektiver als Nifedipin bei der Minderung von Raynaud-Symptomatik
(nur Daten bei Erwachsenen) (IA). - Angiotensin Converting Enzyme Hemmer werden auch
bei der .Sklerodermierenalen-Krise.. (nur Daten bei Erwachsenen) eingesetzt (IA).
Die aktuellen Therapieempfehlungen der EULAR (European League against Rheumatism)
geben gute Ansätze für die Therapie
MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
Die aktuellen Therapieempfehlungen der EULAR (European League against Rheumatism)
geben gute Ansätze für die Therapie, auch wenn dies für Erwachsene Patienten entwickelt
wurde.
Es liegen keine kontrollierten Studien zur Behandlung von Kindern mit PSS vor. Auch bei
den Erwachsenen Patienten sind nur wenige kontrollierte Studien durchgeführt worden. Ein
.Gold-Standard. existiert nicht.
In retrospektiven Datenerhebungen scheint eine Puls- oder orale Cyclophosphamid -Therapie
pulmonaler interstitieller Beteiligung wirksam zu sein (I B). In einer prospektiven doppelblinden Studie zeigte sich Methotrexat p.o. bei pulmonaler interstitieller Beteiligung wirksam,
auch bei Kindern wird es erfolgreich eingesetzt. Es liegen keine kontrollierten Studien vor
(IIIB). (Methotrexat 25mg / m2 1x / Woche i.m oder s.c.)Als .rescue-Therapie. bietet sich die
autologe Knochenmarkstransplantation an (IIIC).
Palliative Therapien
-z.B. Omeprazol bei gastroösophagealem Reflux
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INTERVENTIONELLE THERAPIEMAßNAHMEN
Autologe Knochenmarktransplantation bei rechtzeitigen Anwendung scheint viel
versprechend zu sein. Aktuelle kontrollierte Studien laufen bei Erwachsenen Patienten
(ASTIS trial).
CHIRURGISCHE THERAPIEMAßNAHMEN
Nur in Ausnahmefällen bei peripheren Nekrosen, sekundären Wundinfektionen oder
ausgeprägten Narbensträngen, die die Gelenkfunktion beeinträchtigen.
REHABILITATION
Krankengymnastik und physikalische Maßnahmen, Hautpflege, körperliche Aktivität.
PRÄVENTION
Aufklärung und Schulung, Sonnenlichtschutz, Hautpflege, Meiden von Kälte und
hautreizenden Substanzen.
Regelmäßige ärztliche Untersuchungen inklusive Organdiagnostik in der Kinder- und
Jugendrheumatologischen Fachambulanz.
Bei Befall des Ösophagus mit Dysmotilität: Vermeiden von Essen im Liegen, da
Aspirationsgefahr besteht.
LITERATUR
Foeldvari, I. (2009). "Current development in Pediatric systemic sclerosis." Current
Rheumatology Reports 11: 97-102.
Kowal-Bielecka, O., R. Landewe, et al. (2009). "EULAR recommendations for the treatment
of systemic sclerosis: a report from the EULAR Scleroderma Trials and Research
group (EUSTAR)." Ann Rheum Dis 68(5): 620-628.
Zulian, F., P. Woo, et al. (2007). "The Pediatric Rheumatology European Society/American
College of Rheumatology/European League against Rheumatism provisional
classification criteria for juvenile systemic sclerosis." Arthritis Rheum 57(2): 203-212.
Beghetti, M., S. G. Haworth, et al. (2009). "Pharmacokinetic and clinical profile of a novel
formulation of bosentan in children with pulmonary arterial hypertension: the
FUTURE-1 study." Br J Clin Pharmacol 68(6): 948-955.
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Rodnan, G.P., E. Lipinski, and J. Luksick, Skin thickness and collagen content in progressive
sytemic sclerosis and localised scleroderma. Arthritis Rheum, 1979. 22: p. 130-140.
VERFAHREN ZUR KONSENSBILDUNG
Die repräsentativ zusammengesetzte Expertengruppe hat im informellen Konsens die
vorliegende Empfehlung erarbeitet, die von den Vorständen der Deutschen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendmedizin und der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie
verabschiedet wurde.
Erstellungsdatum:
01/2013
Nächste Überprüfung geplant:
01/2018
Die "Leitlinien" der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind
systematisch entwickelte Hilfen für Ärzte zur Entscheidungsfindung in spezifischen
Situationen. Sie beruhen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen und in der
Praxis bewährten Verfahren und sorgen für mehr Sicherheit in der Medizin, sollen
aber auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Die "Leitlinien" sind für Ärzte
rechtlich nicht bindend und haben daher weder haftungsbegründende noch
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