§3 Affine Abbildungen

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§3 Affine Abbildungen
Im Folgenden seien X und Y affine Räume.
Definition: Eine Abbildung f : X → Y heißt affin, wenn es eine lineare
−−−−→
→
Abbildung l : T (X) → T (Y ) gibt, so dass gilt l(−
pq) = f (p)f (q) für alle
p, q ∈ X. Hält man ein p ∈ X fest, so gilt dann für alle v ∈ T (X)
−−−−−→
−−−−−−−−→
p + v ∈ X und l(v) = l(p(p + v)) = f (p)f (p + v) = f (p + v) − f (p).
Fazit: l ist durch die affine Abbildung f eindeutig festgelegt.
Schreibe daher T (f ) für l (Richtungsabbildung von f ).
Wichtigstes Beispiel: Sei X = Rn und Y = Rm , f : X → Y .
Behauptung: Genau dann ist f affin, wenn es eine lineare Abbildung
l : X → Y und ein w ∈ Y gibt, so dass f (x) = w + l(x) für alle x ∈ X.
Es ist dann l = T (f ).
Insbesondere:
(a) (w = 0): Jede lineare Abbildung l : X → Y ist affin.
(b) (X = Y und l = idY ). Jede Translation tw : Y → Y, y 7→ w + y ist affin
mit T (tw ) = idY .
(c) Jede affine Abbildung f : Rn → Rm ist die Zusammensetzung einer
linearen Abbildung mit einer Translation.
Beweis: ⇒“ Sei f : X → Y affin und l = T (f ). Wegen 0 ∈ Y ist l(x) =
−
→ ” −−−−−→
T (f )(0x) = f (0)f (x) = f (x) − f (0). Setze w := f (0).
⇐“ Sei l : X → Y linear, w ∈ Y und f : X → Y, x 7→ w + l(x)
”
Seien p, q ∈ X. Dann ist
−−−−−→
→
f (p)f (q) = f (q) − f (p) = (w + l(q)) − (w + l(p)) = l(q) − l(p) = l(−
pq).
Also ist f affin und T (f ) = l.
(3.1) Bemerkung: Sei f : X → Y eine Abbildung. Gibt es ein p0 ∈ X, so
dass die Abbildung
−−−−−−→
ϕ : T (X) → T (Y ), −
p→
0 x 7→ f (p0 )f (x)
1
linear ist, so ist f affin und T (f ) = ϕ.
(Wegen X = p0 + T (X) ist T (X) = {−
p→
0 x | x ∈ X}).
→
−→
Beweis: Seien p, q ∈ X beliebig. −
pq = −
p→
0 q − p0 p.
Aus der Linearität von ϕ folgt
−−−−−−→ −−−−−−→ −−−−−→
→
−→
ϕ(−
pq) = ϕ(−
p→
0 q) − ϕ(p0 p) = f (p0 )f (q) − f (p0 )f (p) = f (p)f (q)
Also ist f affin und T (f ) = ϕ.
(3.2) Bemerkung: Seien p0 ∈ X, q0 ∈ Y und eine lineare Abbildung
l : T (X) → T (Y ) vorgegeben. Dann gibt es genau eine affine Abbildung
f : X → Y mit f (p0 ) = q0 und l = T (f ).
Beweis Eindeutigkeit: Sei f : X → Y affin mit f (p0 ) = q0 und T (f ) = l.
Dann gilt für jedes x ∈ X
−−−−−−→
−→
−→
f (p0 )f (x) = l(−
p→
0 x), d.h. f (x) = f (p0 ) + l(p0 x) = q0 + l(p0 x)
Also ist f durch die Vorgaben eindeutig festgelegt.
Existenz: Setze f (x) := q0 + l(−
p→
0 x). Aus der Linearität von l folgt f (p0 ) =
−
−
−
−
−
→
−−−−→
−
−
→
p→
q0 + l(p0 p0 ) = q0 und f (p0 )f (x) = q0 f (x) = f (x) − q0 = l(−
0 x) für alle x ∈ X
Nach 3.1 ist daher f affin und T (f ) = l.
(3.3) Bemerkung: Seien f : X → Y und g : Y → Z affin.
a) g ◦ f : X → Z ist affin und T (g ◦ f ) = T (g) ◦ T (f )
b) Genau dann ist f bijektiv (injektiv, surjektiv), wenn dies für T (f ) gilt.
c) Ist f bijektiv, so ist auch f −1 affin und T (f −1) = T (f )−1.
Beweis:
−−−−−→
→
→
a) T (g) ◦ T (f )(−
pq) = T (g)(T (f )(−
pq)) = T (g)(f (p)f (q))
−−−−−−−−−−→ −−−−−−−−−−−−−→
= g(f (p))g(f (q)) = (g ◦ f )(p)(g ◦ f )(q).
b) und c) : Übungsaufgabe.
(3.4) Satz: Sei f : X → Y affin. Dann gilt:
Bilder und Urbilder affiner Unterräume unter f sind affin:
a) Ist Z ⊆ X affin, so ist f (Z) ⊆ Y affin, und T (f (Z)) = T (f )(T (Z))
falls Z 6= φ.
2
b) Ist Z ⊆ Y affin, so ist f −1 (Z) ⊆ X affin.
Ist f −1 (Z) 6= φ, so ist T (f −1 (Z)) = T (f )−1(T (Z)).
Beweis:
−−−−−→
→ d.h.
a) OE sei Z 6= φ. Wähle p ∈ Z fest. Dann ist f (p)f (z) = T (f )(−
pz),
−
→
f (z) = f (p) + T (f )(pz) für alle z ∈ Z.
→ | z ∈ Z} folgt
Wegen T (Z) = {−
pz
f (Z) = f (p) + T (f )(T (Z)), d.h. f (Z) ist affin, T (f (Z)) = T (f )(T (Z))
b) OE sei f −1 (Z) 6= φ. Wähle p ∈ f −1 (Z) fest: Z = f (p) + T (Z)
x ∈ f −1 (Z) genau dann, wenn f (x) ∈ Z, d.h.:
Es gibt ein w ∈ T (Z) mit f (x) = f (p) + w, d.h.
−−−−−→
→ ∈ T (Z), d.h.
f (p)f (x) ∈ T (Z), d.h. T (f )(−
px)
−
→ ∈ T (f )−1 (T (Z)), d.h. x = p + −
→ ∈ p + T (f )−1 (T (Z)). Somit ist
px
px
f −1 (Z) = p + T (f )−1(T (Z)), was zu beweisen war.
(3.5) Bemerkung:
a) Jede Translation tw : X → X(w ∈ T (X)) ist affin und T (tw ) = idT (X)
b) Ist (umgekehrt) f : X → X affin und ist T (f ) = idT (X) , so ist f eine
Translation.
Beweis:
−−−−−−→ −−−−−−−−−−→
→
a) tw (p)tw (q) = (p + w)(q + w) = q + w − p + w = −
pq.
−−−−−→
→ =−
→
b) Sei p ∈ X fest und x ∈ X variabel. Dann ist f (p)f (x) = T (f )(−
px)
px,
d.h.
f (x) = (f (p) − p) + x = w + x für alle x ∈ X.
Definition: Eine bijektive affine Abbildung f : X → Y heißt Affinität.
Nach 3.3 gilt: Zusammensetzungen von Affinitiäten sind Affinitäten und
mit f ist auch f −1 eine Affinität. Also bilden die Affinitäten f : X → X eine
Gruppe. Ferner ist f genau dann eine Affinität, wenn T (f ) ein Isomorphismus
von Vektorräumen ist. Speziell sind Translationen Affinitäten. Nach 3.3 und
3.4 bilden Affinitäten Geraden auf Geraden, Ebenen auf Ebenen, usw., ab.
Allgemein gilt: Ist f : X → Y eine Affinität und Z ⊆ X affin, so ist f (Z) ⊆ Y
affin (3.4) und dim f (Z) = dim Z (3.3).
3
Definition: Affine Unterräume Y und Z von X heißen parallel ( Y kZ“),
”
wenn
T (Y ) ⊆ T (Z) oder T (Z) ⊆ T (Y )
(3.6) Bemerkung:
a) Ist Y kZ und Y ∩ Z 6= φ, so gilt
Y ⊆ Z oder Z ⊆ Y
Speziell: Ist Y kZ, dim Y = dim Z und Y ∩ Z 6= φ, so ist Y = Z.
b) Bei einer affinen Abbildung werden parallele Unterräume auf parallele
Unterräume abgebildet.
Beweis:
a) Sei p ∈ Y ∩ Z und O.E. T (Y ) ⊆ T (Z). Dann ist Y = p + T (Y ) ⊆
p + T (Z) = Z.
b) Sei O.E. T (Z1 ) ⊆ T (Z2 ), Z1 und Z2 parallel in X, und f : X → Y affin.
Nach 3.3 ist dann
T (f (Z1 )) = T (f )(T (Z1)) ⊆ T (f )(T (Z2)) = T (f (Z2)).
Parallelprojektionen:
Beispiel: Sei E ⊆ R3 eine affine Ebene, w ∈ R3 kein Richtungsvektor von
E (d.h. w 6∈ T (E)). Sei W = R · w die von w aufgespannte Gerade durch 0.
Die Parallelprojektion π von R3 längs W auf die Ebene E ist wie
folgt erklärt: Für jeden Punkt x ∈ R3 ist π(x) der Schnittpunkt der zu W
parallelen Geraden durch x mit der Ebene E, d.h.
{π(x)} = (x + W ) ∩ E
(x + W kW , da W = T (x + W ) = T (W ) und x = x + 0 ∈ x + W )
4
W
.y
.
0
. π(x)
E
. π(y)
.
x
x+W
y+W
Wir werden sehen: π : R3 → E ist eine affine Abbildung. In der obigen
Situation ist R3 = W ⊕ T (E).
Algebraische Vorbereitungen: Sei V ein R–Vektorraum und V = W ⊕W1
(wie oben) eine Zerlegung von V in eine direkte Summe von R–Vektorräumen.
Dann gilt:
Jedes v ∈ V hat eine eindeutige Zerlegung
v = w + w1 mit w ∈ W und w1 ∈ W1 .
Man hat daher eine wohlbestimmte Abbildung
pr : V → W1 , v 7→ w1
pr heißt Projektion längs W auf W1 .
Eigenschaften von pr :
a) pr ist linear;
b) Kern pr = W
5
c) pr (w1 ) = w1 für alle w1 ∈ W1 . (Nachrechnen.)
Sei nun dim V = n < ∞.
(3.7) Lemma: Sei V = W ⊕ W0 = W ⊕ W1 , pr : V → W1 wie oben und
p′r : W0 → W1 w0 7→ pr (w0 ) die Einschränkung von pr auf W0 . Dann ist p′r
ein Isomorphismus.
Beweis: Wegen dim W0 = dim W1 = n − dim W genügt es zu zeigen, dass p′r
surjektiv ist.
Sei w1 ∈ W1 . Wegen V = W ⊕ W0 schreibt sich w1 in der Form w1 = w + w0
mit w ∈ W und w0 ∈ W0 . Es folgt w0 = (−w) + w1 mit −w ∈ W und
w1 ∈ W1 . Definitionsgemäß ist daher p′r (w0 ) = pr (w0 ) = w1 . Also ist p′r
surjektiv.
W
W0
x
o
o
x
o
x
x
o
x
o
x
o
W1
Seien nun Y1 ⊆ X ⊆ Rn affine Unterräume.
Konstruktion von Parallelprojektionen von X auf Y1 :
Wähle einen Untervektorraum W ⊆ T (X), so dass
T (x) = W ⊕ T (Y1); schreibe W1 = T (Y1)
Für p ∈ X setze W (p) := p + W = {p + w|w ∈ W }. Dann ist W (p) ⊆ X
affin, T (W (p)) = W und p ∈ W (p), also
(i) W (p)kW (q) für alle p, q ∈ X.
(ii) W (p) ∩ W (q) = φ oder W (p) = W (q) nach (3.6).
6
.
.
W (p)
q
.
Y1
.p
W (q)
(iii) W (p) ∩ Y1 besteht aus genau einem Punkt.
Beweis von (iii): Sei m = dim X. Angenommen W (p) ∩ Y1 = φ. Wegen
T (X) = W ⊕ T (Y1) folgt nach (2.5):
m ≥ dim(W (p) ∨ Y1 ) = dim W (p) + dim Y1 − dim(W ∩ T (Y1)) + 1
= dim W + dim T (Y1 ) + 1 = m + 1, Widerspruch!
Also ist W (p) ∩ Y1 6= φ und nach (2.1) gilt
T (W (p) ∩ Y1 ) = T (W (p)) ∩ T (Y1) = W ∩ T (Y1 ) = {0} wegen T (X) =
W ⊕ T (Y1 ). Also besteht W (p) ∩ Y1 aus einem Punkt. Schreibe W (p) · Y1 für
diesen Punkt.
Man erhält somit eine wohldefinierte Abbildung
πW : X → Y1 , p 7→ W (p) · Y1 ,
die sog. Parallelprojektion von X längs W auf Y1 .
Behauptung: πW ist affin und T (πW ) ist die Projektion pr von T (X) längs
W auf W1 = T (Y1 ).
Beweis:
Wegen
”
”
Für p, q ∈ X sei p′ = πW (p) und q ′ = πW (q).
−
→
p, p′ ∈ W (p) ist pp′ ∈ W = T (W (p)).
−
→
q, q ′ ∈ W (q) ist qq ′ ∈ W = T (W (q)).
−→
p′ , q ′ ∈ Y1 ist p′ q ′ ∈ W1 = T (Y1 ).
7
−
→ −
→
−→
−
→
→
pq = (pp′ − qq ′ ) + p′ q ′ = w + w1 mit w ∈ W, w1 ∈ W1 , also pr (−
pq) = w1 =
−−−−−−−−→
πW (p)πW (q). Nach 3.1 ist daher πW affin und T (πW ) = pr .
Sei nun Y0 ⊆ X ein weiterer affiner Unterraum, so dass T (X) = W ⊕ T (Y0 );
schreibe W0 := T (Y0 ).
′
πW
: Y0 → Y1 sei die Einschränkung
von πW auf Y0 .
′
Es ist dann T (πW ) = pr T (Y0 ) .
′
Nach 3.7 ist T (πW
) ein Vektorraumisomorphismus, also ist nach 3.3
′
πW : Y0 → Y1 eine Affinität. Insgesamt haben wir gesehen:
(3.8) Satz: Seien Y0 , Y1 ⊆ X affine Unterräume. Es gebe einen Untervektorraum W ⊆ T (X), so dass
T (X) = W ⊕ T (Y0) = W ⊕ T (Y1 )
Dann ist πW : X → Y1 eine affine Abbildung und π : Y0 → Y1 ist eine
W Y0
Affinität.
Spezialfall: Sei X = R3 und seien E0 = p + U0 und E1 = q + U1 Ebenen.
Sei w ∈ R3 mit w 6∈ U0 ∪ U1 und W := Rw. Dann liefert die Projektion
′
πW : R3 → E1 längs W eine Affinität πW
: E0 → E1 .
.
x.
E0
.
.z
y
.
πW (x)
. πW (z)
E1
.
.
πW (y)
.
Kollineationen: Eine Selbstabbildung f : X → X eines affinen Raums X
heißt Kollineation, wenn sie bijektiv ist und Geraden in Geraden überführt.
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Beispiel: Nach 3.3 und 3.4 ist jede Affinität f : X → X eine Kollineation. Es
gilt auch umgekehrt der Hauptsatz der affinen Geometrie (ohne Beweis):
Sei X affin, dim X ≥ 2. Genau dann ist f : X → X eine Affinität, wenn f
eine Kollineation ist.
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