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DCG-Informationen 2/1970, Seite 13 bis 16
Das Kopfskelett der Neopterygii (Neuflosser)
Ein Beitrag von Peter Graßmann
Seitliche Ansicht des Kopfskeletts eines Knochenfisches
Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß man als Aquarianer mit wissenschaftlichen
Namen konfrontiert wird, die man, will man unter seinesgleichen nicht als Banause
gelten und wirklich etwas mehr über Fische wissen als der Zoohändler an der Ecke,
einfach auswendig lernen muß, da einem der Zusammenhang zwischen dem
benannten Objekt und dem dazugehörigen Namen fehlt. Schon allein die
wissenschaftlichen Benennungen der Fische, die sich aus dem Gattungs- und
Artnamen zusammensetzen, erinnern bestenfalls an eine schlimme Krankheit oder
an ein chemisches Präparat zur Konservierung von Nahrungsmitteln, aber nicht an
einen Fisch, denkt man nur an Namen wie „Chaetobranchopsis", „cyanoguttatus"
oder „Tropheops". Aber auch die Bezeichnungen für einzelne Teile des Skeletts,
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speziell des Kopfskeletts, bereiten dem Liebhaber, der nicht gerade Latein und
Griechisch in der Schule lernte, einiges Kopfzerbrechen.
Deshalb soll es in diesem Aufsatz nicht so sehr darum gehen, exakte Kenntnisse
über die Anatomie eines Fischschädels zu vermitteln, die man sich aus jedem
Fachbuch erarbeiten kann, sondern vielmehr darum, ein wenig zur
Bedeutungsklärung der wissenschaftlichen Namen beizutragen.
Auf der Abbildung erkennt man, daß sich der Oberkiefer aus zwei Knochen
zusammensetzt.
Dabei ist mit 1 das Praemaxillare (lat. prae = vor, maxilla = Kinnbacke, davon
abgeleitet maxillare = zur Kinnbacke gehörig, zum Wangenknochen gehörig; also
ist mit Praemaxillare der vor dem Wangenknochen liegende Knochen gemeint) und
mit 2 das Maxillare bezeichnet (Maxillare siehe Praemaxillare). Hier beginnt auch
schon die erste Schwierigkeit; heißt es der, die oder das Praemaxillare bzw.
Maxillare. Eines ist sicher, nämlich daß es nicht „die Praemaxillare" heißt. In der
Fachliteratur liest man meistens „das Praemaxillare", dafür spricht auch, daß
„Knochen" im Lateinischen „os" heißt und sächlich ist. Würde man also „os"
hinzufügen so hieße es "os praemaxillare", wobei das -e in praemaxillare eine
sächliche Endung wäre. Dagegen spricht, daß man bei Knorpelfischen z. B. auch
Hyomandibulare sagt, also auch die Endung -e verwendet, obwohl diese Fische
eben Knorpel besitzen und das Wort für Knorpel im Lateinischen weiblich ist. Ein
weiterer Grund, der dagegen spricht, ist die Tatsache, daß man bei den Flossen
von „der Analen" liest, daß man „die Dorsale" und „die Ventrale" sagt. Tatsächlich ist
das Wort für Flosse im Lateinischen weiblich, fügte man es allerdings hinzu, müßte
es pinna analis oder pinna ventralis heißen, da die Endung dann -is wäre. Es
scheint sich also hierbei nicht um lateinische, sondern um deutsche Endungen zu
handeln, so daß man „der Praemaxillare" (nämlich Knochen) und „die Anale"
(nämlich Flosse) sagen müßte. Doch diese schöne Theorie, die man sich mit viel
Fleiß entwickelt haben mag, wird sofort über einen Haufen geworfen, wenn man die
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Mehrzahl z. B. von Maxillare hört: sie lautet Maxillaria! Und Maxillaria ist eindeutig
die Mehrzahl eines sächlichen Wortes.
Der Ausweg aus diesem Labyrinth ist gar nicht so schwierig zu finden, wie es im
Moment scheinen mag. Weiß man nämlich, daß das griechische Wort für Knochen
„osteon" und für Flosse „pteron" ist und daß beide Wörter sächlichen Geschlechts
sind. Es heißt also panz eindeutig „das Maxillare", und es müßte auch „das Anale",
„das Ventrale" und „das Dorsale" heißen, wenn sich nicht im Laufe der Zeit wegen
der gedanklichen Ergänzung von „Flosse" die weibliche Form durchgesetzt hätte.
Mit 3 finden wir einen weiteren Knochen am oberen Teil des Fischschädels
bezeichnet, das Nasale, (lat. nasus = Nase, davon abgeleitet nasale = zur Nase
gehörig; das Nasale ist aiso der Nasenknochen.) Das Frontale (lat. frons = Stirn
(„Front"! ), davon abgeleitet frontale = zur Stirn gehörig, Stirn-. . . ; also das
Stirnbein, der Stirnknochen) ist mit 4 bezeichnet. Um die Augenhöhle liegt der
Infraorbitalknochenring (5). (lat. infra = unter, unterhalb, orbes = die Augen, davon
abgeleitet Orbitale = zu den Augen gehörig; gemeint ist also der Knochenring, der
sich um den unteren Teil der Augenhöhle legt). Man liest auch oft statt
Infraorbitalknochenring Orbitalia, was soviel wie Augenknochen heißt.
Mit 6 ist das Occipitale superius gekennzeichnet, (lat. caput = der Kopf, das Haupt,
occipitum = das Hinterhaupt, davon abgeleitet occipitale = zum Hinterhaupt
gehörig, Hinterhaupts- . . ., superum = oben befindlich, Steigerungsform
(Komparativ) superius = weiter oben befindlich, oberer; Occipitale superius ist
demnach der obere Hinterhauptsknochen) Darunter schließen das Parietale (7) und
Occipitale externum (8) an. Parietale leitet sich von lat. pariea = Wand, Mauer, ab,
womit auf die starke Knochenwand am Schädeldach hingewiesen werden sollte,
und mit Occipitale externum ist der äußere Hinterhauptsknochen gemeint, lat.
externum = äußerer.
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Zwischen diesen beiden Knochen und dem Hyomandibulare (10) liegt das
Squamosum (9) (lat. squamosum = schuppig), das seinen Namen dem Umstand
verdankt, daß es mit dem bei den Säugetieren entstehenden Petrosum zum
Schläfenbein zusammenwächst und dessen „Schuppe" es dann bildet. Weshalb
aber das Hyomandibulare (gr. hys = Schwein und lat. mandibula = Wange)
übersetzt „Schweinswangenknochen" heißt, ist mir bis heute unklar geblieben.
Als Nummer 11 finden wir das Praeoperculum, was auf deutsch etwa Vordeckel
bedeutet. (lat. prae = vor, operculum = Deckel) Dahinter sind (12) das eigentliche
Operculum, der „Deckel", (13) das Suboperculum, der „Unterdeckel" (lat. sub =
unter), und (14) das Interoperculum, der „Zwischendeckel" (lat. inter = zwischen).
Wegen seiner Form wird der mit 15 bezeichnete Knochen Quadratum (lat.
quadratum = Viereck) genannt. Er greift mit seinem Gelenk in die Gelenkpfanne
des Articulare (16). Articulare ist eine Ableitung von lat. articulus = Gelenk und heißt
in Verbindung mit gr. osteon Gelenkknochen. Den unteren Teil am Gelenk des
Unterkiefers bildet das Angulare, der Eckknochen. (lat. angulus = Ecke, Winkel,
davon abgeleitet angulare = zur Ecke gehörig. Eck-, . . )
Schließlich ist von den auf der Zeichnung sichtbaren Knochen noch das mit 18
bezeichnete Dentale zu nennen, das am besten mit „Zahnbein" übersetzt ist. Das
Wort leitet sich von lat. dens = Zahn her.
Von der medialen Seite aus könnte man noch weitere Knochen sehen, die hier
durch die seitlichen Knochen verdeckt sind. Der Vollständigkeit halber will ich sie
jedoch noch erwähnen und ei-nige Hinweise zur Übersetzung geben.
Hinter dem Praemaxillare und dem Maxillare, den unteren Infraorbitalknochen liegt,
zum sogenannten Palatoquadratrum (lat. palatum = Gaumen, quadratum =
Viereck), also zum Gaumenviereck gehörig, eine Anzahl von Knochen, deren
bedeutendsten wir vorhin schon nannten, das Quadratum. Hieran fügt sich nach
vorn hin das meist gebogene Ectopterygoid (gr. ektos = von außen, pteryks =
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Feder, Flügel, davon abgeleitet pterygoid = zum Flügel gehörig, Flügel-. . .),
demnach der äußere Flügelknochen, und zwischen diesem und dem
Hyomandibulare liegt das platte, oft viereckige Metapterygoid (gr. meta = inmitten,
zwischen), also der Zwischenflügelknochen, der auch breit an den oberen Rand
des Quadratum angrenzt. Oberhalb vom Ectopterygoid ist das mehr oder weniger
breite Entopterygoid zu finden, das übersetzt soviel wie innerer Flügelknochen (von
gr. entos = innen) bedeutet. Aus dem vordersten Ende des Palatoquadratknorpels
geht endlich das dem Schädel meist beweglich verbundene Palatinum, das heißt,
der „Gaumenknochen" hervor.
Zwar habe ich jetzt den größten Teil der Schädelknochen aufgezählt - ein
senkrechter Medialschnitt durch den Schädel brächte allerdings noch weitere ans
Licht - und die Bedeutung ihrer Namen zu erklären versucht, aber unklar ist
geblieben, aus welchen Vorläufern sie sich entwickelt haben, also Fragen aus dem
Gebiet der Phylogenese, der Entwicklung der Arten (gr. phylon = Stamm,
Geschlecht, Art und genesis = Ursprung), und welche Funktionen sie ausüben.
Darum ist es mir aber in diesem Aufsatz nicht gegangen; ich wollte damit vielmehr
erreichen, daß jemand, der das Wort „Interorbitalbreite" hört, das immer zur
Fischbeetimmung herangezogen wird, weiß, daß es sich um die Breite zwischen
den Augen handelt, da lat. inter zwischen und orbital eine Ableitung von lat. orbes =
die Augen ist und zu den Augen gehörig heißt, um nur ein Beispiel zu nennen.
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