Hereditäre Bindegewebserkrankungen - Derma-Net

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7. Hereditäre Erkrankungen
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7.2 Hereditäre Bindegewebserkrankungen
von <Ingrid Haußer>
Das Bindegewebe oder die extrazelluläre Matrix ist das Füll- und Stützgewebe des
Körpers. Es erfüllt vielfältige Aufgaben, z.B. als Stützgewebe für die Gefäße, als
Füllgewebe zwischen und um Organe oder als Bestandteil des Bewegungsapparats
in Form von Sehnen und Bändern. In der Haut gehören Dermis und Subkutis zum
Bindegewebe.
Hauptbestandteile der extrazellulären Matrix sind:
•
Ein Grundgerüst aus Kollagenfasern, die dem Gewebe Zugfestigkeit
verleihen.
•
Elastische Fasern, die die Verformbarkeit und Elastizität des Gewebes
ermöglichen.
•
Eine Grundsubstanz von gelartiger Konsistanz aus Glykosaminoglykanen, Proteoglykanen und anderen nichtkollagenen Glykoproteinen, die
beide Faserarten einbettet.
Kollagene umfassen eine große Familie verwandter Strukturproteine; elastische Fasern bestehen aus Elastin und einer komplexen Mischung assoziierter mikrofibrillärer Proteine. Insgesamt besteht Bindegewebe aus mehr als 200 verschiedenen chemischen Molekülarten, deren Zusammensetzung in Bindegeweben unterschiedlicher
Lokalisation verschieden ist (Royce 2002). Beeinflusst wird die extrazelluläre Matrix von der strukturellen Umgebung, von altersbedingten Veränderungen, mechanischem Stress, Umwelteinflüssen und genetischen Einflüssen. Unter diesen Einflüssen stehen damit naturbedingt viele Organsysteme wie Skelett, Intestinaltrakt, Augen, kardiovaskuläres System, Lunge, Haut und zentrales Nervensystem.
Im Folgenden werden die wichtigsten erblichen Bindegewebserkrankungen vorgestellt, die auch die Haut betreffen. Eine besondere Schwierigkeit stellen bei diesen
seltenen Konditionen recht häufige und deutliche klinische Überlappungen dar. Zunehmend werden in der letzten Zeit Kandidatengene für definierte Krankheitsbilder
identifiziert, wodurch in spezialisierten Einrichtungen die diagnostische Einordnung
zwar möglich, aber auch immer komplizierter wird. Aus der Sicht der Patienten ist,
mit Blick auf Diagnostik und Therapie, eine gute interdisziplinäre Zusammenarbeit
(z.B. Pädiater, Orthopäden, Genetiker, Dermatologen) von grundlegender Bedeutung.
Für eine Reihe von erblichen Bindegewebserkrankungen wurden ultrastukturelle
Veränderungen an Komponenten des dermalen Bindegewebes als wichtige diagnostische und pathogenetische Wegweiser etabliert. Dadurch wurde z.B. die Suche nach
eventuell zu sequenzierenden Kandidatengenen möglich oder vereinfacht. Gute aktuelle Informationsmöglichkeiten zum Stand der Pathogeneseforschung, aber auch
zu den diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und zu internationalen
Ansprechpartnern finden sich im Internet:
Allgemein: www.orphanet.de; www.geneskin.idi.it
Patienten-Selbsthilfegruppen: http://www.ehlers-danlos-initiative.de/;
http://www.rheuma-liga.de; www.pxe-groenblad.de; http://www.pxe-network.de.
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7.2 Hereditäre Bindegewebserkrankungen
7.2.1 Ehlers-Danlos-Syndrom
(Synonym: Cutis hyperelastica)
Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) umfasst eine Gruppe von erblichen Erkrankungen, die in unterschiedlichem Ausmaß eine Hyperelastizität der Haut, aberrante
Narbenbildung, Hypermobilität der Gelenke und Fragilität von Gefäßen und Geweben aufweisen (Abb. 1-5). Sie beruhen auf genetisch bedingten Veränderungen von
Kollagenfibrillen bzw. der Kollagensynthese (Steinmann 2002). Bisher wurden Mutationen in Strukturgenen für Kollagenketten identifiziert, aber auch Mutationen in
Genen von Enzymen, die für die Synthese (Colige 2004), den Zusammenbau oder
für nicht-fibrilläre Bestandteile der Grundsubstanz verantwortlich sind. Diese Komponenten sind notwendig für die Funktion des Gesamtgefüges der extrazellulären
Matrix und damit mutmaßlich indirekt an der Synthese bzw. am Arrangement von
Kollagenfibrillen beteiligt. (Byers 2002, Uitto 2003). Entsprechend der Nosology of
Villefranche (Beighton 1998) unterscheidet man sechs EDS-Haupttypen (Tab. 1)
sowie weitere, sehr seltene Nebentypen, die teilweise auf Einzelbeschreibungen beruhen (Typ
V, Typ VIII). Letztere sind nur
unzureichend charakterisiert; das
Typ IX/Menkes-Syndrom/occipital horn syndrome wurde aus
der EDS-Gruppe herausgenommen (siehe 7.2.2).
Abb. 1: Ehlers-Danlos-Syndrom,
Hypermobilität der kleinen Gelenke.
Abb. 2: Ehlers-Danlos-Syndrom,
Hyperleastizität der Haut.
Die Kombination aus sorgfältiger klinischer Untersuchung und elektronenmikroskopischer Analyse des dermalen Bindegewebes erlaubt in vielen Fällen eine diagnostische Zuordnung. Damit ist dann auch der Weg geebnet für eine weitergehende Gensequenzierung und die spezifische genetische Beratung (Proske 2006).
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Abb. 4: Ehlers-Danlos-Syndrom Klassischer Typ,
Wundheilungsstörungen; aberrante Narbenbildung an der Stirn.
Abb. 3: Ehlers-Danlos-Syndrom klassischer Typ, Wundheilungsstörungen; narbige und
indurierte Bereiche an den Schienbeinen (besonders auffällig bei Kleinkindern) Pat. 4 J.
Abb. 5: Ehlers-Danlos-Syndrom, vaskukärer Typ: Durchscheinende Haut mit deutlicher
Gefäßzeichnung.
Bisher werden leider noch nicht alle Patienten systematisch und vollständig durchuntersucht, was Vergleichsstudien und therapeutische Ansätze erschwert.
Klinische Überschneidungen bestehen mit anderen, noch wenig definierten Hypermobilitätssyndromen, insbesondere zwischen dem hypermobilem EDS und dem
familiären Hypermobilitätssyndrom. Gelegentlich werden Fälle provisorisch dem
EDS zugeordnet, auch wenn es an einem Kandidatengen fehlt, aber regelmäßige
ultrastrukturelle Veränderungen am Kollagen im dermalen Bindegewebe zu verifizieren sind. Ein Großteil von Patienten mit spontanen zervikozerebralen Dissektio-
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nen, aber ohne weitere Symptomatik eines EDS oder einer anderen erblichen Bindgewebeerkrankung, weisen ebenfalls ultrastrukturelle, EDS-ähnliche Veränderungen
am Kollagen auf. Nur zu einem geringen Prozentsatz liegen jedoch Mutationen in
EDS-verursachenden Genen vor (Hausser 2004).
Zunehmend wurden weitere Entitäten definiert, die Überlappungen von Syndromen
darstellen: Osteogenesis imperfecta + EDS (Makareeva 2006) wird von Kollagen-1
Mutationen verursacht, die mit dem N-Propetid-Processing interferieren. Das LoeysDietz-Syndrom II wird definiert durch TGFBR-Mutationen und Symptome eines
vaskulären EDS (Loeys 2006). ).
Tabelle 1: Klassifikation des Ehlers-Danlos-Syndroms: Haupttypen
EDS-Typ
Klinische
(frühere BeSymptome
zeichnung)
Klassisch
Überdehnbare Haut
(I, II)
Hypermobile Gelenke
Aberrante Narbenbildung
Fragilität von Geweben und
Gefäßen
Hypermobil
(III)
Vaskulär
(IV)
Kyphoskoliose
(okulärer
Typ, VI)
Arthrochalasis
(VIIA, B)
Dermatosparaxis
(VIIC)
Hypermobil
Erbgang
Verantwortliches Gen/
Protein
Ultrastrukturelle
Merkmale
AD*
COL5A1,
COL5A2/a1und a2-Kette
von Kollagen
V (ca. 40%
der untersuchten
Patienten)
?
Regemäßig zahlreiche
veränderte Kollageneinzelfibrillen in der gesamten Dermis mit
unregelmäßig ausgefransten Umrissen der
Querschnitte (Abb. 6,7)
Hypermobile Gelenke
Dislokationen, Gelenkschmerzen und frühzeitige
Arthritis
Samtartige Haut
Dünne durchscheinende
Haut
Überstreckbare kleine Gelenke in der Kindheit, später
eher steife Gelenke und
straffe Haut
Ausgeprägte Gefäß- und
Gewebefragilität, bes. Arterien, Darm, Uterus
Hypotonie, hypermobile
Gelenke, kongenitale Skoliose, Augenbeteiligung
AD
Ausgeprägte Hypermobilität
der Gelenke, kongenitale
Dislokationen und Luxationen, milde Hautbeteiligung,
Skoliose, Verletzlichkeit
Ausgeprägte Verletzlichkeit
und Überdehnbarkeit der
Haut und von Geweben,
Hernien, blaue Skleren
Hypermobile Gelenke
Milde Hautverletzlichkeit
Regelmäßig einzelne
oder mehrere veränderte Kollagenfibrillen in
Bündeln der retikulären
Dermis
AD
COL3A1/a1Kette von
Kollagen III
AR*
PLOD/Lysylh Lockere Dermis mit
ydroxylase
wenigen veränderten
Kollagenfibrillen
AD
COL1A1,
COL1A2/a1und a2Ketten von
Kollagen I
ADAMTS-2/
ProkollagenN-Peptidase
Meist regelmäßiges
Auftreten von großkalibrigen, aberranten Kollageneinzelfibrillen
TNX/
Tenascin X
Geringfügig verminderte
Dichte der Kollagenfibrillen im Bündel
AR
AR
(*AD Autosomal-dominant, AR Autosomal-rezessiv)
Sehr kurze, locker aufgebaute Dermis, Rarefizierung von Kollagen/Vermehrung von
elastischen Fasern,
kleinkalibrige, variable
Kollagenfibrillen
Spezifische hieroglyphenartige Kollagenfibrillen (Abb. 8)
7. Hereditäre Erkrankungen
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Manche Patienten haben einen marfanoiden Habitus, das Marfan-Syndrom an sich
ist jedoch eindeutig durch Mutationen im Fibrillin-Gen charakterisiert (Kielty 2006).
Im Vordergrund der Patientenversorgung stehen die individuelle Aufklärung über
das Krankheitsbild und die diagnostische Abklärung eventuell betroffener Familienmitglieder. Die vielfältigen Symptome sind zwar meist nicht heilbar, aber behandelbar durch Schmerztherapie, Muskelaufbautraining (Entlastung des bindegewebigen Halteapparats, Ausgleich der Dysfunktion) und andere sportliche Aktivitäten
wie Schwimmen und isometrisches Kraftraining.
Zur Früherkennung lebensbedrohlicher Aneurysmen werden regelmäßige Ultraschalluntersuchungen der großen Gefäße empfohlen. Abhängig vom Typ der Erkrankung sind auch ophthalmologische Untersuchung und eine orthopädischchirurgische Versorgung erforderlich.
Die oft entstellenden, ausgedehnten, teilweise hyperpigmentierten Narben mancher
EDS-Patienten (typabhängig) können wegen der Neigung zu Wundheilungsstörungen chirurgisch nur selten kosmetisch verbessert werden.
Abb. 6: Ehlers-Danlos-Syndrom, Klassischer Typ, Elektronenmikroskopie: Regelmäßige und ausgeprägte Veränderungen
am Kollagen des dermalen Bindegewebes.
Zahlreiche Einzelfibrillen zeigen keine normalen kreisrunden Querschnitte, sondern
Formen mit unregelmäßig ausgefranste
Umrissen.
Abb. 7: Ehlers-Danlos-Syndrom,
Klassischer Typ, Elektronenmikroskopie: Längsschnitte von
aberranten verdrillten und deutlich verbreiterten Einzelfibrillen.
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7.2 Hereditäre Bindegewebserkrankungen
Abb. 8: Ehlers-Danlos-Syndrom, Dermatosparaxis,
Elektronenmikroskopie: Sehr spezifische ultrastrukturell hieroglyphenartig geformte Kollageneinzelfibrillen.
7.2.2. Cutis laxa und Progeriesyndrome
(Synonyme der Cutis laxa: Dermatochalasis, Elastolysis, Elastorrhexis)
Die Cutis laxa (CL) ist eine seltene, klinisch und genetisch variable Erkrankung (Uitto 2002, Davidson 2002). Kardinalsymptom ist eine Haut von stark verringerter
Elastizität. Dies manifestiert sich durch schlaffe oder stehende Hautfalten, die im
Gesicht den Eindruck einer starken Voralterung („Trauergesicht“) hervorrufen (Abb.
9, 10). Die Hautsymptomatik besteht meist kongenital und verstärkt sich lebenslang.
Es gibt aber auch erbliche und erworbene Cutis laxa–Formen, die sich erst später
(2.-3. Lebensdekade) manifestieren (late-onset).
Abb. 9: Cutis laxa, Klinische Symptome: Vorgealtertes Aussehen des
Rumpfes mit hängenden Falten
(Patientin 18 Monate alt).
Abb. 10: Cutis laxa, Neugeborenes mit
stehenden Hautfalten am Bauch.
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Die klinischen Symptome können auf die Haut beschränkt sein und lediglich ein
kosmetisches Problem darstellen. In anderen Fällen sind sie jedoch assoziiert mit
teilweise schweren, systemischen Symptomen wie Lungenemphysemen, Darmdivertikeln, Pylorusstenosen und Hernien. Die Gelenke sind nicht hypermobil, die Haut
ist nicht fragil, es bestehen keine Wundheilungsstörungen. Selten ist eine lokalisierte
Beteiligung der Haut um die Augen (Blepharochalasis), der Palmoplantarhaut oder
der Haut am Rumpf, den Händen und Füßen (wrinkly skin-Syndrom) (Gupta 2006).
Die histopathologische Untersuchung des dermalen Bindegewebes ergibt meist eine
ausgeprägte Rarefizierung, Disorganisation und Fragmentierung von elastischen
Fasern. Neben quantitativen Abweichungen, können auch qualitative Veränderungen der elastischen Fasern bestehen, die sich durch eine elektronenmikroskopische
Untersuchung erschließen (Ledoux-Corbusier 1985; Jung 1996).
Die Fasern können:
•
Sehr klein, aber in sich regelrecht aufgebaut sein.
•
Innerhalb des dermalen Bindegewebe von oben nach unten immer
mehr degenerieren oder:
•
Eine gestörte Ablagerung und Aggregation ihrer Hauptkomponenten
Elastin und elastische Mikrofbrillen zeigen (Abb. 11)
Abb. 11 Cutis laxa; Elektronenmikroskopie: Getrennte Ablagerung
von Elastin und elastischen Mikrofibrilen in sehr kleinen und seltenen
elastischen Fasern der retikulären
Dermis.
Der Erbgang ist je nach Form autosomal-dominant, autosomal-rezessiv oder Xchromosomal. Es existieren mindestens zwei Kandidatengene für dominante Formen
(Fibulin-5, Elastin) (Urban 2005, Hu 2006) und für rezessive Formen (Fibulin 5,
Fibulin-4) (Hu 2006; Huctagowder 2006). Viele Fälle ohne bisher identifizierte Mutation bzw. Kopplung wie z.B. die autosomal-dominante late-onset-Form und viele
autosomal-rezessive Fälle sprechen für weitere verursachende Gene.
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7.2 Hereditäre Bindegewebserkrankungen
Zusätzlich kompliziert wird die diagnostische und pathogenetische Zuordnung dadurch, dass z.B. Fibulin-5 Mutationen dominante und rezessive CL verursachen
können, dass Veränderungen im Elastin-Gen auch für das Willams-Beuren-Syndrom
und SVAS veantwortlich sind (Szabo 2006) und dass auch Homocysteinurie und aAntitrypsinmangel zu CL-ähnlichen Phänotypen führen können (Royce 2002).
Tabelle 2: Erkrankungen assoziiert mit Veränderungen der elastischen Fasern
Rarefizierung und/
oder Strukturveränderungen
Erbliche/erworbene
Cutis laxa
Menkes-Syndrom
Laminopathien, z.B.
Restriktive Dermopathie
Anetodermie
Elastinveränderungen
Proliferation elastischer Fasern
Verwandte Konditionen
Rezessive/dominante Cutis laxa
Williams-Beuren
Syndrom
Supravalvuläre Aortenstenose SVAS
Pseudoxanthoma
elasticum
Aktinische Elastose
Progeriesyndrome
Marfan-Syndrom
Altershaut
Erbliches Emphysem
Buschke-OllendorfSyndrom
Mieschers-Elastom
Erbliche Divertikulose
α-Antitrypsinmangel
Homocysteinurie
Die X-chromosomale Form, das Menkes-kinky-hair-Syndrom oder occipital horn
syndrome (früher auch als EDS Typ IX bezeichnet), wird duch Mutationen im Gen
für ATPA7 verursacht und beruht auf Störungen des Kupfertransports (Moller
2004). Diagnostisch sind ausgeprägte Pili torti, Rarefizierung von elastischen Fasern
in der Hautbiopsie sowie verringerte Mengen an Kupfer und Ceruloplasmin im Serum bzw. erhöhte Kupferaufnahme in kultivierten Fibroblasten. Ein Verlust an
Hautelastizität kann bedingt sein durch:
•
Normale Alterungsprozesse.
•
Beträchtlichen Verlust an Körpergewicht.
•
Erbliche Bindegewebserkrankungen wie EDS.
Beim EDS ist die Haut jedoch hyperelastisch und es bestehen primär Veränderungen
am Kollagennetzwerk. Der Begriff Cutis laxa sollte beschränkt sein auf Konditionen
mit Veränderungen der Struktur oder der Menge der elastischen Fasern im ultrastukturellen Befund. In Fällen von Pseudoxanthoma elasticum unterscheiden sich bereits
die lokalisierten klinischen Hautläsionen eindeutig von Cutis laxa.
Die mid-dermal Elastolysis stellt eine erworbene CL-Form dar. Sie ist charakterisiert durch den Verlust elastischer Fasern in der mittleren Dermis. Klinisch beginnt
sie bei jungen Erwachsenen mit einer feinen Fältelung der Haut an sonnenexponierten Arealen der Arme und des Oberkörpers.
Eine Reihe von Progeriesyndromen ist ebenfalls mit CL oder rarefizierten elastischen Fasern assoziiert: Das De Barsy-Syndrom, die Cutis laxa Typ Debré (mit Hypermobilität der Gelenke), das Costello-Syndrom, das Wiedemann-RautenstrauchSyndrom usw (Tab. 2¸ Moulson 2005).
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Therapeutisch ist bei der CL eine plastisch-chirurgische Behandlung von entstellenden Falten, auch mehrmals, erfolgreich möglich (im Gegensatz zum EDS!). Die internistische Symptomatik muss interdisziplinär behandelt werden.
7.2.3 Pseudoxanthoma elasticum
(Synonym: Grönblad-Strandberg-Syndrom, PXE)
Das Pseudoxanthoma elasticum ist eine Systemerkankung des elastischen Gewebes.
Elastische Fasern degenerieren zunehmend und lagern Kalziumapatit und andere
anorganische Substanzen ein. Klinische Kardinalsymptome dieses Syndroms:
•
Haut: Gelbliche Papeln/Pseudoxanthome (Abb. 12,13) mit Prädilektionsstellen im Nacken, in den großen Beugen und der Inguinalregion
sowie um den Nabel, die in der Kindheit oder später auftreten.
•
Augen: Sogenannte „angoid streaks“ aufgrund brüchiger Bruch’s
Membran und andere chorioretinale Veränderungen. Gefahr der Erblindung!
•
Gefäßsystem: Durchblutungsstörungen, Hypertonie, gastrointestinale
Blutungen, Herzinfarkt, Schlaganfall (Uitto 2003).
Das Vollbild des PXE wird autosomal-rezessiv vererbt; das verantwortliche Gen
ABCC6 codiert einen ATP-abhängigen ABC-Kassetten-Transporter, MPP6, der vor
allem in Leber und Niere exprimiert wird (Efflux-Pumpe) und vermutlich an zellulären Entgiftungsprozessen beteiligt ist (Ladewig 2006). Pathogenetische Hypothesen
vermuten, dass bei dieser sekundären erblichen Bindegewebserkrankung Mutationen
in ABCC6 zu einer Akkumulation von Substanzen mit einer Affinität zu elastischen
Fasern führen. Da regelmäßig auch Kollagenfibrillen in unmittelbarer Umgebung
von degenerierten elastischen Fasern verändert sind, scheint der Gesamtaufbau der
extrazellulären Matrix beeinträchtigt zu sein (Hendig 2006). Das PXE ist klinisch
außerordentlich variabel, auch intrafamiliär besteht hohe Variabilität (Sherer 2001).
Einige kardiovaskuläre Symptome scheinen dominant weitergegeben zu werden mit
nur einem mutierten Allel. Die geschätzte Prävalenz von 1:100.000–1:150.000 lässt
vermuten, dass das PXE unterdiagnostiziert ist (Schroder in press).
Abb. 12: Pseudoxanthoma elasticum,
Pseudoxanthome am Hals (9 j. Patient)
Abb. 13: Pseudoxanthome und stehende Hautfalten in der Achselregion, (55 j.
Patientin)
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7.2 Hereditäre Bindegewebserkrankungen
Die Diagnose erfolgt durch histopathologische (Abb. 14) und elektronenmikroskopische Untersuchung (Abb. 15) einer Hautbiopsie. In der retikulären Dermis fallen
charakteristische korkenzieherartig gewundene, verklumpte und stark gefärbte elastische Fasern auf.
In diesen finden sich elektronendichte Einschlüsse, umgeben von Kollagenbündeln mit
Fibrillen (mit unregelmäßig ausgefransten
Umrissen der Querschnitte) und Ablagerungen von bisher undefiniertem Matrixmaterial.
Differenzialdiagnostisch kommen ähnliche
Veränderungen
nach
D-PenicillinaminBehandlung, lokaler Einwirkung von Salpeter, im Endstadium schwerer Nierenerkrankungen und beim L-Tryptophan-induzierten
Eosinophilie-Myalgie-Syndrom vor. Es fehlen dann jedoch die charakteristischen
ophthalmologischen und kardiovaskulären
Symptome und die Hautläsionen verschwinden nach entsprechender Behandlung.
Unerklärt ist bisher das Auftreten des PXE
bei bis zu 20% der Patientnen mit ßThalassämie und Sichelzellanämie in Griechenland. Ähnliche Hautläsionen zeigen sich
auch bei der Amyloidose, jedoch mit deutlich
verschiedener Morphologie (Amyloidablagerungen).
Abb. 14: Pseudoxanthoma elasticum (Lichtmikroskopie,Semidünnschnitt, MethylenblauFärbung): Korkenzieherartig gewundene, verklumpte und stark angefärbte elastische
Fasern in der retikulären Dermis.
Abb. 15: Pseudoxanthoma elasticum, Elektronenmikroskopie: Elastische Fasern mit
deutlichen, elektronendichten Einlagerungen. In der Nachbarschaft zahlreiche Kollageneinzelfibrillen mit unregelmäßig ausgefransten Umrissen der Querschnitte.
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Die Diagnostik und Therapie dieser Multisystemerkrankung erfordern den Einsatz
vieler Disziplinen: Nach Bestätigung der Diagnose duch eine Hautbiopsie sollten
ophthalmologische und kardiovaskuläre Untersuchungen erfolgen. Die Hautveränderungen stellen lediglich ein kosmetisches Problem dar, für das es bisher keine
adäquate Therapie gibt. Für die ophthalmologische und vaskuläre Symptomatik
können bisher nur präventive Maßnahmen wie jährliche Funduskopien, das Tragen
von Sonnenbrillen, gesunder Lebensstil (keinNikotin, kein Alkoholmissbrauch) und
Ernährung mit Antioxidanzien-reicher Kost, Vermeidung von Übergewicht und regelmäßige Bewegung empfohlen werden. Eine Therapie mit EDTA, das Kalzium
und andere Minerale bindet, konnte bisher keine eindeutige klinische Verbesserung
zeigen und ist mit starken Nebenwirkungen belastet. Eine Therapie mit niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (100mg/Tag) kann, trotz des erhöhten Risikos für gastrointestinale Blutungen, zur Vermeidung von schweren kardiovaskulären und neurovaskulären Ereignissen indiziert sein.
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