Von weißem, braunem und braunweißem Fett

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Von weißem, braunem und braunweißem Fett
Neue Ergebnisse zu den unterschiedlichen Stoffwechselwegen der weißen und braunen
Fettzellen und mögliche Transformationen zwischen beiden Zelltypen wurden auf der
Konferenz „ Metabolism 2012: From Signaling to Disease“ in Heidelberg präsentiert. Ein
spezieller Zelltyp, die „brite“ Adipozyten, könnten einen Weg für eine nachhaltige Bekämpfung
von Übergewicht und damit verbundenen Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes aufzeigen.
Adipozyten (Fettzellen) mit Lipidtröpfchen (rot) © S. Herzig, DKFZ
Die heute am weitesten auf der Welt verbreitete Epidemie ist weder AIDS noch Malaria oder
eine andere übertragbare Krankheit, sondern Adipositas (Übergewicht und Fettleibigkeit;
englisch „obesity“). Sie ist nicht mehr, wie noch vor zwei Jahrzehnten, weitgehend auf die
westlichen Industriestaaten beschränkt, sondern hat alle Kontinente, darunter in besonderem
Maße sogar die Schwellenländer wie China, Indien, Mexiko und Südafrika, erfasst. Die
bauchbetonte (abdominale) Fettleibigkeit – meist Folge falscher Ernährung und mangelnder
Bewegung – ist eines der Symptome für eine als „metabolisches Syndrom“ bezeichnete
schwerwiegende Stoffwechselstörung. Weitere Symptome sind Bluthochdruck, veränderte
Fettwerte des Blutes mit hohem Triglyceridgehalt und niedrigem HDL-Cholesterin und eine
Insulinresistenz der Körperzellen, die einen Diabetes Typ 2, den sogenannten Alters-Diabetes
(der inzwischen aber verstörend oft schon bei Kindern und Jugendlichen registriert wird)
anzeigt.
Dabei kommt es zu Entzündungsreaktionen und arteriosklerotischen Ablagerungen an den
Gefäßwänden. Außerdem steigt das Risiko, an Herz-Kreislauf-Krankheiten oder Krebs, wie
Prof. Dr. Stephan Herzig © DKFZ
beispielsweise Leberkrebs, zu erkranken.
Die zu diesen Krankheiten führenden gestörten Signalwege waren das Thema der
internationalen Konferenz „Metabolism 2012: From Signaling to Disease“, die im November
2012 im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg stattfand. Die Federführung
der Tagung lag bei Professor Dr. Stephan Herzig, der eine Forschungsabteilung über „
Molekulare Stoffwechselkontrolle“ leitet, die gemeinsam vom DKFZ, dem Zentrum für
Molekularbiologie (ZMBH) der Universität und dem Universitätsklinikum Heidelberg getragen
wird. Funktionen des Fettgewebes standen im Mittelpunkt.
Das größte endokrine Organ
Das bei Adipositas übermäßig ausgebildete weiße Fettgewebe besteht hauptsächlich aus
adulten weißen Adipozyten, deren Hauptfunktion die Energiespeicherung in Form von
Triglyceriden ist. Diese sind im Cytoplasma in einer großen Lipidvakuole gelagert, die bis zu 95
Prozent des gesamten Zellvolumens einnehmen kann. Energiespeicherung (Lipogenese) und
Energiebereitstellung (Lipolyse) werden durch Hormone, darunter das Insulin, reguliert. So
kann ein insulinresistenter Diabetes mit einer Stoffwechselstörung des Fettgewebes
zusammenhängen. Neben dem hohen Blutzuckerspiegel findet man dann auch hohe Werte an
Triglyceriden im Blut – ein Kennzeichen des metabolischen Syndroms.
Erst in neuerer Zeit wurde erkannt, dass das weiße Fettgewebe sekretorisch hochaktiv ist - das
„größte endokrine Organ des Körpers“, wie der Pharmakologe Professor Eugen Verspohl es
genannt hat – mit etwa hundert verschiedenen Botenstoffen und Sekretionsprodukten, die von
den Adipozyten und den im Fettgewebe akkumulierten Monozyten und Makrophagen
abgegeben werden. Dazu gehören Angiotensin, Adiponectin und der mit PPARγ abgekürzte
Rezeptor (Peroxisome proliferator-activated receptor gamma), der als Hauptregulator des
weißen Fettgewebes der Insulinresistenz entgegenwirkt, aber auch Entzündungsmarker wie
TNF-α (Tumornekrosefaktor-alpha), Prostaglandin E1, Interleukin -6 und C-reaktives Protein,
die auf einen Zusammenhang zwischen chronischen Entzündungen und Fettleibigkeit
hindeuten.
Braunes Fettgewebe
Ausführlich wurde auf der Heidelberger Tagung das braune Fettgewebe diskutiert. Braune
Adipozyten enthalten viele kleine Lipidvakuolen; sie sind multivakuolär im Gegensatz zu den
univakuolären weißen Fettzellen. Hauptfunktion des braunen Fettgewebes ist die Erzeugung
von Wärme (Thermogenese). Das geschieht dadurch, dass Fettsäuren aus den Triglyceriden der
Lipidvakuolen, die in der Atmungskette der Mitochondrien metabolisiert werden, ein Protein
namens UCP1 (uncoupling protein 1) aktivieren, das die Atmungskette von der Synthese
energiereicher chemischer Verbindungen (ATP) abkoppelt, wodurch die Energie in Form von
Wärme frei wird. Die Farbe der braunen Adipozyten rührt von den vielen Mitochondrien mit
ihren Atmungspigmenten her.
Siebenschläfer im Winterschlaf. © Deutsche Wildtierstiftung
Kleine Säugetiere, die Winterschlaf halten, wie zum Beispiel der Siebenschläfer, besitzen große
Depots an braunem Fettgewebe. Sie dienen dazu, nach der langen Ruhepause mit stark
erniedrigter Körpertemperatur den Stoffwechsel rasch wieder auf eine Betriebstemperatur von
ca. 37 °C hochzudrehen. Auch bei menschlichen Säuglingen ist das braune Fettgewebe kräftig
entwickelt; es wird bereits im Mutterleib angelegt. Bei Erwachsenen ist es im Allgemeinen bis
auf kümmerliche Reste verschwunden. Allerdings fanden Forscher in den letzten Jahren, dass
braune Adipozyten in verstreuten Gewebeinseln vor allem im Rücken- und Schulterbereich
auch noch lange nach der Geburt gebildet werden können. Diese Zellen sind bei Menschen, die
sich an kühle Temperaturen angepasst haben – 16 °C anstelle von 22 °C Zimmertemperatur
beispielsweise – wesentlich aktiver; das heißt, sie produzieren mehr Wärme.
„Brite“ Zellen – braune Adipozyten inmitten von weißem Fettgewebe © DKFZ
Bei Mäusen, die bei niedrigen Temperaturen gehalten wurden, fanden Stephan Herzig und sein
Team am DKFZ, dass sich im weißen Fettgewebe Nester aus braunen Fettzellen gebildet
hatten. Dafür wurde das Kunstwort „brite“ (brown in white adipocytes) geprägt. [Analog dazu
hat man braune Fettzellen, die man im Skelettmuskel entdeckte, auch als „bruscle“ (brown in
muscle adipocytes) bezeichnet.] Zusammen mit anderen deutschen und Schweizer
Wissenschaftlern fanden die Heidelberger Wissenschaftler, dass bei den kälteadaptierten
Mäusen das Entzündungs-Enzym Cyclooxygenase-2 (COX-2) im Fettgewebe gesteigert ist.
Parallel zum Anstieg der COX-2-Produktion im Fettgewebe wurde auch ein Anstieg an dem für
braunes Fettgewebe charakteristischen Entkopplungsprotein UCP1 gemessen. Eine
experimentelle Überexpression von COX-2 unabhängig von Kälte führte ebenfalls zu einer
Ansammlung von braunen Adipozyten im weißen Fettgewebe.
Derartig behandelte Mäuse nahmen (ebenso wie die kälteadaptierten Mäuse) trotz
kalorienreicher Ernährung nicht zu – ganz im Gegensatz zu den Kontrolltieren. COX-2
katalysiert den zentralen Schritt in der Biosynthese von Prostaglandinen; das sind
Entzündungshormone, die auch für die Entstehung von Schmerzen verantwortlich sind. Die
Wissenschaftler konnten auch zeigen, dass Prostaglandine die Entstehung von „brite“ Zellen also Zellen mit Eigenschaften brauner Adipozyten im weißen Fettgewebe - anregen.
Zusammen mit der Entdeckung des kälteaktivierten braunen Fettgewebes bei Erwachsenen
eröffnen diese Ergebnisse eine faszinierende Perspektive für eine Behandlung der
Fettleibigkeit. Wenn es gelänge, braune Fettzellen gezielt im Körper zu vermehren, ließe sich
der Energieverbrauch der Patienten mit einer entsprechend starken Lipolyse von weißem Fett
massiv steigern.
Wie entstehen „brite“ Zellen?
Sogar an eine Transplantation von braunem Fettgewebe als Therapie von Adipositas ist schon
gedacht worden. Vorher ist allerdings noch viel Grundlagenforschung erforderlich. Während
man früher meist davon ausging, dass weiße und braune Adipozyten sich direkt ineinander
umwandeln lassen, zeigen neue Befunde, dass das Szenario wesentlich komplizierter ist. Nach
Auffassung von Professor Jan Nedergaard, einem Pionier dieses Forschungsgebietes, und
seinen Mitarbeitern am Wenner-Gren Institut der Universität Stockholm gehören weiße und
braune Fettzellen getrennten Entwicklungslinien an und können nicht einfach ineinander
überführt werden. Professor Barbara Cannon von der schwedischen Arbeitsgruppe berichtete
auf der Heidelberger Metabolismus-Konferenz, dass braune Adipozyten vielmehr eng mit
Skelettmuskelzellen verwandt seien; beide Zelltypen entstehen danach aus einer
gemeinsamen Vorläuferzelle, der Adipomyozyte. Unter den weißen Fettzellen gibt es dagegen
zwei Zelltypen, die sich von einer gemeinsamen Vorläuferzelle, dem Adipoblasten, ableiten
lassen: die eigentlichen („genuine“) weißen Adipozyten und die „brite“ Adipozyten, die das
Entkopplungsprotein UCP 1 exprimieren (eine Eigenschaft, die bislang als alleiniger Marker von
braunen Adipozyten gegolten hatte).
Während sich diese Schlüsse hauptsächlich auf Untersuchungen in Zellkultur stützen, zeigen
neueste Befunde an kälteadaptierten Mäusen, dass in den einzelnen Fettdepots der Tiere
unterschiedliche Expressionsmuster an Markergenen vorliegen. Dennoch lassen sich Barbara
Cannon zufolge bei den Depots drei Haupttypen unterscheiden: die Depots des klassischen
braunen Fettgewebes, des „brite“ Fettgewebes (manchmal als beiges Fett bezeichnet) und des
eigentlichen weißen Fettgewebes.
Für andere Forscher entstehen die „brite“ Adipozyten jedoch hauptsächlich durch
Transdifferenzierung von weißen Fettzellen. Auftrieb erhielt diese Ansicht durch einen Bericht
aus Bruce Spiegelman’s Labor im Dana-Farber Cancer Institute der Harvard Medical School in
Boston, USA, über ein neu entdecktes Hormon namens Irisin. Spiegelman ist ebenfalls einer
der großen Namen in der Erforschung des Fettmetabolismus; auf ihn geht die Entdeckung des
Kernrezeptors PPARγ, der die Fettentwicklung und die Entstehung von Diabetes Typ 2
reguliert, zurück. In einer neuen Publikation (Nature 2012, Jan 11) beschreibt die
amerikanische Arbeitsgruppe, dass bei Muskelarbeit ein zusammen mit PPARγ wirkender CoAktivator (PGC1-α) die Expression eines Membranproteins (FNDC5) erhöht, das gespalten und
als Irisin sezerniert wird. Dieses Hormon wirkt auf weiße Fettzellen in der Weise ein, dass sie
das Entkopplungsprotein UCP1 exprimieren und sich zu „brown in white“ - also „brite“ Adipozyten differenzieren. Synthetische Liganden von PPARγ werden bereits klinisch als
Antidiabetika eingesetzt. Jetzt geht es darum, auch die endogenen Faktoren dieses Rezeptors
in vivo zu identifizieren. Ein besseres Verständnis der komplexen molekularen Signalketten, die
den Zucker- und Fettstoffwechsel und die Adipozyten-Differenzierung regulieren, könnte neue
Wege für eine nachhaltige Therapie von Fettleibigkeit und Diabetes eröffnen.
Fachbeitrag
03.12.2012
EJ (21.11.2012)
BioRN
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
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