For tbildung Dermatologie Vaskuläre Tumoren (Teil 2) Vaskuläre Tumoren werden unterteilt in lokalisierte klassische Hämangiome, die im 1. Teil des Beitrags in der Ausgabe 3/2004 der pädiatrie hautnah behandelt wurden. Der 2. Teil befasst sich nun mit der wesentlich selteneren Gruppe der sonstigen vaskulären Tumoren, die diagnostisch und therapeutisch häufig ein Problem darstellen. I nternational besteht noch wenig Einigkeit über die zweckmäßigste Form einer Klassifizierung der sonstigen seltenen vaskulären Tumoren (VTs). Im Folgenden wurde diese Gruppe von seltenen vaskulären Tumoren nach klinischen und histologischen Gesichtspunkten zusammengefasst. VTs mit besonderen Lokalisationsformen Halbseitig angeordnete, flächige VTs mit segmentaler Anordnung im Gesichtsbereich sind bei der Geburt häu- fig noch nicht oder kaum erkennbar. Nach der Geburt zeigen sie aber dann ein ungewöhnlich rasches Wachstum (Abb. 1). Therapie: Empfohlen wird eine möglichst frühzeitige Kortikosteroidbehandlung (2–3 mg/kg/d). Die International Society for the Study of Vascular Anomalies (ISSVA) warnt bei dieser Verlaufsform vor dem Versuch einer Lasertherapie wegen des gehäuften Auftretens massiver Ulzerationen. Flächige segmentale VTs im Kinnbereich (Abb. 2) stellen eine erhebliche Gefährdung dar aufgrund einer Assoziation mit zusätzlichen VTs im Luftwegsbereich und konsekutiver Atembehinderung (bis zu 60%). Betroffene Kinder müssen daher lückenlos überwacht werden. Beim geringsten Verdacht (z. B. Stridor) sind endoskopische Untersuchungen unerlässlich. Therapie: Empfohlen wird eine möglichst frühzeitige Kortikosteroidbehandlung. Diffuse neonatale Hämangiomatose mit multiplen kleinen VTs im Hautbereich und gleichzeitiger viszeraler Beteiligung zeigt sich häufig bereits bei der Geburt durch zahlreiche kleine, oberflächliche, meist flache Hämangiome auf der Haut. Erst bei sonographischen Abb. 2: Flächiger segmentaler VT im Kinnbereich pädiatrie hautnah 4·2004 Fotos (10): Cremer Hansjörg Cremer Abb. 1: Halbseitig angeordneter flächiger VT mit segmentaler Anordnung Untersuchungen wird dann eine zusätzliche viszerale Beteiligung erkennbar. Am häufigsten ist die Leber beteiligt. Es kann zu Anämie, High-output-Herzversagen und Thrombozytopenie (Kasabach-Merritt-Phänomen) kommen. Auch Lunge, Intestinaltrakt und ZNS können betroffen sein. Therapie: Die bisher sehr schlechte Prognose bei viszeraler Beteiligung hat sich seit Einführung der Behandlung mit Vincristin wesentlich gebessert (Vincristin 0,05 mg/kg/Wo streng i. v., Behandlungsdauer: 4–6 Mo) [4]. Es gibt auch Formen einer diffusen neonatalen Hämangiomatose ohne Hautbeteiligung (eigene Beobachtung). Benigne neonatale Hämangiomatose (Abb. 3) betrifft nur die Haut. Hier sind Abb. 3: Benigne neonatale Hämangiomatose 1 For tbildung Dermatologie Abb. 4a: Tumorartiger VT mit voller Entwicklung bereits bei Geburt Abb. 4b: Verlaufskontrolle nach 1 Jahr: komplette Spontanrückbildung die einzelnen multiplen Hämangiome oft perlartig erhaben, ähnlich im Aussehen wie eruptive Hämangiome. Meist erfolgt eine Spontanrückbildung, so dass eine Behandlung nicht erforderlich wird. Sicherheitshalber empfiehlt sich aber doch eine sonographische Kontrolle des Abdomens. Gefäßen durchzogen und von einem charakteristischen weißen Randsaum umgeben. Prinzipiell ist eine kritische Überwachung der tumorartigen VTs mit voller Entwicklung bereits bei Geburt erforderlich, um nicht seltene Formen maligner Tumoren zu übersehen. Tumorartige VTs mit voller Entwicklung bei Geburt Tumorartige VTs mit guter Spontanrückbildung bilden sich weitgehend im Bei dieser Form der VTs ist das Wachstum bereits in utero zum Abschluss gekommen. Die VTs sind bei der Geburt der Kinder schon voll entwickelt oder zeigen bereits beginnende Rückbildungszeichen. Meist sind die als derbe bläuliche Tumoren imponierenden Veränderungen von teleangiektatischen Verlauf von 1–2 Jahren unter Hinterlassung atrophischer Narben oder überschießender Haut zurück (Abb. 4a, b) [1]. Die Kenntnis dieser nicht ganz so seltenen Sonderform (ich konnte in den letzten 4 Jahren sieben derartige Fälle mit guter Spontanrückbildung im Verlauf von 1–2 Jahren beobachten) ist Abb. 5: Lumbosakraler VT, kombiniert mit Tetherd-CordSyndrom und linksseitiger Nierenaplasie 2 wichtig, um die betroffenen Kinder vor unnützen diagnostischen und therapeutischen Eingriffen zu bewahren. Tumorartige VTs mit fehlender Spontanrückbildung („non involuting con- genital hemangioma“ = NICH) zeigen bei ansonsten gleichem Aussehen keine Spontanrückbildung [7]. Therapie: Letztlich ist meist eine Exzission – gegebenenfalls mit plastischer Deckung – erforderlich. VTs kombiniert mit Organfehlbildungen VTs, die gemeinsam mit Organfehlbildungen auftreten, bilden verschiedene Formen aus: Zum einen kommen lumbosakrale VTs, kombiniert mit Tetherd- Abb. 6: VT im Gesichtsbereich, kombiniert mit Thoraxspalte und Vitium cordis pädiatrie hautnah 4·2004 Cord-Syndrom und/oder Fehlbildungen des Urogenitalsystems und/oder Lipomeningocelen (Abb. 5) vor [3]. Zum anderen existieren VTs im Gesichtsbereich, kombiniert mit Dandy-WalkerSyndrom oder anderen Fehlbildungen im Bereich der Fossa posterior [6] und VTs im Gesichtsbereich, kombiniert mit Thoraxspalte und/oder Vitium cordis (Abb. 6) [2]. Bei all diesen Formen steht die begleitende Organfehlbildung im Vordergrund der diagnostischen und therapeutischen Bemühungen. Abb. 7: Tufted Angiom VTs mit histologischen Besonderheiten und/oder mit Kasabach-Merrit-Phänomen Tufted Angiome kommen äußerst sel- ten vor und sind hauptsächlich im oberen Stammbereich, Gesicht (Abb. 7) und Halsbereich lokalisiert [8]. Sie entwickeln sich meist bis zum 5. Lebensjahr, können gelegentlich aber auch schon bei Geburt vorhanden sein. Das klinische Bild ist sehr variabel: Die entsprechenden Mitteilungen reichen von vereinzelten kleinen Tumoren bis zu großen infiltrierten Plaques mit Veränderungen, welche an ein Feuermal erinnern mit einer pflastersteinartigen Oberfläche. Eine Vorhersage über den wahrscheinlichen klinischen Verlauf ist im Einzelfall schwierig. Ein Teil der Fälle bildet sich unter Hinterlassung minimaler Hautveränderungen wieder völlig zurück, andere persistieren und wieder andere tendieren zur Ausbreitung ohne allerdings maligne zu entarten. Bei letzteren kann es auch zur Ausbildung eines Kasabach-Merritt-Phänomens kommen. Histologisch finden sich „schrotschußartig“ verteilte kugelige Areale von Angiomgewebe in Dermis und oberer Subkutis. Kaposiforme Hämangioendotheliome sind seltene invasive, aber nicht ma- ligne vaskuläre Tumoren, die im Bereich der Haut aber auch retroperitonal auftreten können [9]. Bei ca. 75% der Patienten entstehen die vaskulären Tumoren in der frühen Kindheit. Die rotbraunen bis blauvioletten Hauterscheinungen sind meist am Stamm, gelegentlich aber auch an den Extremitäten lokalisiert (Abb. 8). Es bilden sich rasch pädiatrie hautnah 4·2004 Abb. 8: Kaposiformes Hämangioendotheliom bei einem Neugeborenen Abb. 9: Spindelzell Hämangioendotheliom bei einem 5 Tage alten Säugling wachsende, kutane oder subkutane, infiltrierende Plaques und Knoten mit Ecchymosen, Nekrosen und Ulzerationen. Sehr häufig entwickelt sich ein lebensbedrohliches Kasabach-MerrittPhänomen. Histologisch finden sich sowohl dicht infiltrierte Knoten, welche sich zusammensetzen aus Spindelzellen mit geringfügigen Atypien und gelegentli- chen Mitosen wie auch spaltförmige hämosiderinhaltige Gefäße. Therapie: Bei Vorliegen eines Kasabach-Merritt-Phänomens hat sich die Prognose seit Einführung der Behandlung mit Vincristin wesentlich gebessert (Vincristin 0,05 mg/kg/Wo streng i. v., Behandlungsdauer: 4–6 Mo) [4]. In einigen Fällen ist eine operative Beseitigung des VTs erforderlich. 3 For tbildung Abb. 10: Eruptives Angiom Spindelzell-Hämangioendotheliom: Es handelt sich um einen seltenen Gefäßtumor, der meist im frühen Erwachsenenalter, gelegentlich aber auch im Kindesalter vorkommt [5]. Hauptsächliche ist er am Extremitätenbereich an den Endphalangen lokalisiert – vor allen an den Händen (Abb. 9). Assoziationen mit einem Maffuci-Syndrom – aber auch mit einem Klippel-TrenaunaySyndrom – wurden beschrieben. Spindelzell-Hämangioendotheliome neigen zum Rekurrieren in Gefäßbereichen, welche nicht in direkter Verbindung stehen mit den zuvor betroffenen Arealen. Therapie: Wirksam scheint nur eine chirurgische Entfernung zu sein. Erworbene VTs: eruptives Angiom Beim eruptiven Angiom handelt es sich um einen erworbenen VT (ältere Bezeichnung: Granuloma pyogenicum, Granuloma pediculatum). Eruptive Angiome sind im Kindesalter durchaus nicht selten. Pathogenetisch handelt es sich um Gefäßneubildungen, verursacht durch kleine Gefäßverletzungen, z. B. beim Kratzen. Klinisch zeigen die meist hochroten, beerenartigen Veränderungen häufig rasches Wachstum. Sie sind meist im Gesicht lokalisiert (Abb. 10), kommen in jeder Altersstufe vor und zeigen eine ausgeprägte Blutungstendenz. Keratotische Veränderungen der Oberfläche sind nicht selten. Therapie: Spontanrückbildungen kommen vor, in der Regel ist aber eine Behandlung mittels Kürettage, Laser oder Kontaktkryochirurgie erforderlich. 4 Literatur 1. Boon L, Enjolras O, Mulliken JB: Congenital hemangioma: evidence of accelerated involution. J Pediatr 128 (1996) 329–55 2. Enjolras O, Gelbert F: Superficial hemangiomas: associations and management. Pediatr Dermatol 14 (1997) 173–9 3. Goldberg NS, Herbert AA et al.: Sacral hemangiomas and multiple congenital anomalies. Arch Dermatol 122 (1986) 684–7 4. Haisley-Royster C, Enjolras O et al.: Kasabach-Merritt-phenomenon: a retrospective study of treatment with vincristine. J Pediatr Hematol Oncol 24 (2002) 459–62 5. Jones EW, Orkin M: Tufted angioma (angioblastom): A benign progressive angioma, not to be confused with Kaposi‘s sarcomas. J Am Acad Dermatol 20 (1989) 214–25 6. Perkins P, Weiss SW: Spindle cell hemangioendothelioma. An analysis of 78 cases with reassessment of its pathogenesis and biologic behavior. Am J Surg Pathol 20 (1996) 1196–204 7. Reese V, Frieden IJ et al.: Association of facial hemangiomas with Dandy-Walker and other posterior fossa malformations. J Pediatr 122 (1993) 379–84 8. Wassef M, Boon L et al.: Non-involuting congenital hemangioma. I.S.S.V.A 12th International Workshop on Vascular Anomalies, Berlin, Abstract 19 (1998) 9. Zukerber LR, Nickoloff BJ et al.: Kaposiform hemangioendothelioma of infancy and childhood. An aggressive neoplasm associated with Kasabach-Merritt-syndrome and lymphangiomatosis. Am J Surg Pathol 17 (1993) 321–8 Prof. Dr. med. Hansjörg Cremer Dittmarstr. 54 74074 Heilbronn NipD Dieser Artikel ist ein Fortbildungsbeitrag des Netzwerkes für interdisziplinäre pädiatrische Dermatologie (NipD). Weitere Informationen finden Sie unter www.hautnet.de. pädiatrie hautnah 4·2004