K Kleihues + Kleihues, Dülmen; Architekt Josef P. Kleihues (verst.) mit Norbert Hensel Foto: Werner Friedrich auf das Lehren und Lernen heute genommen wird, zeigt die moderne Schularchitektur. In einer geradlinigen, reduzierten Form und mit warmen Farben wurde der Neubau der Offenen Ganztagsgrundschule Buschfeld­ straße in Köln geplant. Schilling Architekten, Köln; Architekt Prof. Johannes Schilling Goethe-Gymnasiums in Ham- Architektur in der Gesellschaft Dabei ist die Modernisierung vieler Schulgebäude in Deutschland längst überfällig. „Was fehlt sind vor allem ausreichende Sozial- und Gemeinschaftsflächen, gut ausgestattete Mensen und mehr individuelle ­A rbeitsplätze für Schüler, aber auch für Lehrer“, beschreibt Egon Tegge den Bedarf vielerorts. Entstanden sind die ­m eisten der heutigen Schulgebäude in der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg oder in den 60er Jahren, als die geburtenstarken Jahrgänge mehr Schulraum erforderten. Eilig ­errichtete man damals große, nüchtern-funktionale Bauwerke, die dem Ansturm auf die Schulen standhalten konnten. Es ­wurden Klassenräume statt Lernräume gebaut. Den modernen pädagogischen Ansprüchen werden diese jedoch längst nicht mehr gerecht. „Die Schulen können sich den Veränderungen der Gesellschaft nur träge anpassen, da sie langfristig ausgelegt sind und lange halten müssen“, erklärt Christof Rose, Pressesprecher der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Lebensraum Schule Schulen sind Orte zum Lernen – und zum Leben. Wie ernst der Einfluss von Architektur Foto: Jens Willebrandt inder und Jugendliche verbringen von klein auf viel Zeit in Kita, Kindergarten und Schule. Die Bildungseinrichtungen ­stellen längst einen zentralen ­L ebensraum für die Schülerinnen und Schüler dar. Umso wichtiger ist es, dass die Gebäude sowohl eine Umgebung zum Lernen, als auch zum Wohlfühlen bieten. Ideen und Entwürfe gibt es viele – ­a llein die finanziellen Mittel sind häufig zu knapp und so entstehen viele der innovativen ­Schulneubauten zur Zeit vor allem im Privatschulsektor. „An ­Neubau ist bei uns nicht zu ­d enken“, b­e richtet Egon Tegge, Schulleiter des burg. Der Erweiterungsbau des Gym­ nasium Dionysianum in Rheine fügt mehrere Einzelbauten zu­ sammen. Auf die angrenzende Wohnbebauung reagiert der Neubau mit einer spiegelnden Glasfassade. Es tut sich was in Deutschland Dass sich dennoch etwas tut in der Schularchitektur, zeigen Beispiele, die im gesamten Bundesgebiet an öffentlichen Schulen realisiert wurden: Auf Schulhöfen werden neben Freiflächen für sportliche Aktivitäten immer mehr optisch getrennte B­ereiche durch ­Hecken und Gärtchen geschaffen. Kleine Teiche, ­G artenanlagen oder Beete ersetzen betonierte P­ausenhöfe und sorgen für ­geschütztere R ­ ückzugszonen und Ruhebereiche. Die Integration von Frei- und Aktionsflächen, die auch > Die „SchulStadtBücherei“ in Arns­ berg: In der ehemaligen Schul­ aula wurden die Stadtbücherei und die Schulbücherei zusam­ mengelegt. Keggenhoff + Partner, Innenarchitektin und Beratender Ingenieur, Arnsberg; Innenarchitektin Sabine Keggenhoff Foto: Friedhelm Krischer www.didacta.de 69 Beim Umbau der Losbergschule in Stadtlohn entstand aus einem Teil des Erdgeschosses, im Inneren der Schule, eine neue Aula. farwick + grote, Ahaus; Architekt Heiner Farwick, Architektin Dagmar Grote meinschaft zu geben.“ Gemeinsam mit dem Architekturbüro wird ­überlegt, geplant und werden gemeinsam Lösungsansätze ­erarbeitet. ein Unterrichten im Freien oder die Veranstaltung von kleinen Open-Air-Konzerten ermöglichen, schaffen abwechslungsreiche Aufenthaltsmöglichkeiten. „Grünflächen werden auch immer wieder optisch in die Schulen einbezogen“, ­b eobachtet Christof Rose. So finden sich in einigen Schulen begrünte Aulen. Wo eine Innenbepflanzung nicht realisierbar ist, ermöglichen große Glasfronten, die im Erdgeschoss bis zum Boden reichen, den direkten Zugang zum Garten. „Heute setzt man viel auf eine differenzierte Gebäudestruktur und Grünflächen“, erklärt Christof Rose. „Und man unterteilt in ­v erschiedene kleinere Gebäude um den ­Schülern einen klaren Bezugspunkt und ein Gefühl der Ge- Baufamilie statt Bauherr „Der Partizipationsprozess erfordert eine große Bereitschaft zum gemeinsamen Arbeiten auf beiden Seiten. Das ist ein Geben und Nehmen, eine ­ständige Weiterentwicklung mit dem Ergebnis, dass sich die Menschen nachher wirklich in ihrer Schule wieder finden“, berichtet Olaf Hübner. „Je früher man die Leute mit ins Boot nimmt, umso mehr haben sie das Gefühl, dass es ihr eigenes Gebäude ist.“ Dabei hat er die Erfahrung gemacht, dass es nicht ausschlaggebend ist, ob die Menschen lediglich in den ­Planungsprozess ihrer Schule mit eingebunden werden oder tatsächlich Spachtel und Pinsel in die Hand nehmen. Auch wenn die Ideen und Vorstellungen der Baufamilie durch finanzielle Mittel, V­orgaben des Städtebaus oder Brandschutzverordnungen begrenzt werden, so zahlt sich das Einbeziehen von Lehrern und Schülern in einer engeren, fast liebevollen Bindung zum Gebäude und deutlich weniger Vandalismus aus, wie auch bei der Gesamtschule in Gelsenkirchen zu beobachten ist. Schule mit ­­Gemeinschaftsgefühl Eine Schule mit Dorfcharakter zu erbauen, in dem man in einem ­familiären Miteinander lernt und lebt, schwebte auch den Architekten der plus bauplanung GmbH aus Neckartenzlingen, beim Neubau der Evangelischen Gesamtschule in Gelsenkirchen vor. Dazu wurden, gemeinsam mit dem Lehrerkollegium und den Schülern, 30 Klassenzimmer als mehrere Einzelhäuser entworfen. Entstanden sind wahre Unikate, ganz nach den Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler. Von der 5. bis zur 10. Klasse lernen und leben die Schüler in ihren eigenen Häuschen – Renovierung, ­Instandhaltung des Häuschens und Bestellung des kleinen Gartens inklusive. Die Stadtteilschule passt sich mit ihren kleinteiligen, ­differenzierten Gebäudestrukturen zudem nahtlos in den Gelsenkirchener Stadtteil ein. So gut, dass ein Lehrer auf dem Weg zum Vorstellungsgespräch wieder umkehrte, weil er die Schule schlicht nicht finden konnte. 70 www.didacta.de Bild oben: Die Astrid-Lindgren-Grundschule in ­Bielefeld: Schüler, Lehrer, Eltern und Betreuungskräfte wurden an der Planung des Neubaus der Ganztages­ schule beteiligt. arnovation, Bielefeld; Architektin Monika Marasz Bild unten: Das Gesamtbild der Schiller-Schule in Bochum sollte trotz notwen­ digem Erweiterungsbau nicht verfälscht werden. Die Schwere des steinernen Baus steht nun der Leichtigkeit der gläsernen Türme gegenüber. Klein + Neubürger Architekten, Bochum; Architektin Cornelia Neubürger Foto: Alex Schuch Foto: © B&F Ghaffarian– Fotolia.com Schüler werden zu selten gefragt Obwohl heute beim Neu-,­­ Um- oder Anbau von Schulen der pädagogische Aspekt ­immer weiter in den Vordergrund rückt, werden Schülerinnen und Schüler mit ihren Bedürfnissen und Wünschen nur selten in den Planungsprozess mit eingebunden. „Was gute Architektur ist, wird heute allein durch Architekten oder Fachmedien bestimmt und nicht durch die Nutzer der ­G ebäude selbst“, bemängelt der Architekt Olaf Hübner. Ein grundsätzliches Problem, dem er mit einem klaren Konzept entgegen treten möchte: Sein Architekturbüro versteht Bauen als sozialen Prozess. Bei den Projekten gibt es keinen „Bauherren“, sondern vielmehr eine „Baufamilie“. Beim Bau einer Schule setzt sich diese aus Eltern, Lehrerinnen, Lehrern und Schülervertretern zusammen. Stimmungsvolle Farben Um den Wohlfühlfaktor in Schulgebäuden zu erhöhen, werden auch durch den gezielten ­Einsatz von Farben Akzente gesetzt oder ­Orientierungshilfen durch Farbleitsysteme ­geschaffen, die unterschiedlichen Ebenen und Stockwerke ­kennzeichnen. So gliedert das ­Raum- und ­Farbkonzept der AstridLindgren-Grundschule in Bielefeld den Betreuungsbereich in einen aktiven Teil sowie in einen ­R uhe- und Konzentrationsbereich. Kräftig Farbe kam auch beim ­U mbau der Schulaula des Arnsberger Gymnasiums zum ­Einsatz: In der „SchulStadtBibliothek“, die sich nun in den Räumen befindet, sind die Bücherregale auf einem „roten Band“ ­a rrangiert. Die Hauptlaufwege befinden sich rechts und links, Sichtachsen ermöglichen zudem die Orientierung. Foto: Volkmar Schultz Foto: Architekten didacta | Schule Materialkompositionen Ein weiterer, wichtiger „Stimmungsmacher“ sind die ­v erwendeten Materialien: Stahl, Beton, Glas und Holz finden sich in unterschiedlichen Kombinationen in den ­G ebäuden wieder. So > www.didacta.de 71 didacta | Schule Foto: Architekten Schüler packen‘s an! Die Architektenkammer NRW bietet mit der Veranstaltungsreihe „KiDS – ­Kammer in der Schule“ Architektur zum Mitmachen: Architekten bringen den Schulklassen Grundlagen der Architektur näher und begleiten sie bei der Planung und Durchführung der Projekte: So renovierte die Realschule Süd in Duisburg gemeinsam mit Schülern, Lehrern und Eltern das Foyer und die ­Sanitäranlagen. Andere ­Schulen verwandelten ­betonierte Pausenhöfe in ­ansprechende, grüne A ­ nlagen. Interessierte Schulen wenden sich an die jeweiligen Landeskammern oder an die Bundesarchitektenkammer. ■ www.architektur-macht-schule.de Das Gymnasium in Steinhagen liegt inmitten von Feld- und Wiesenlandschaften. Landschaftsarchitektonische Elemente im Außenbereich verstärken das Zusammenwirken von Lernort und Landschaft. KNIRR + PITTIG Architekten, Essen; Architekt Burghard Pittig Nachhaltige Architektur Auch in Fragen ökologischer Bauweise gehen viele Schulen mit gutem Beispiel voran und sorgen mit Erdwärme oder Solarpanelen für eine umweltschonende Energiebilanz. Das Nachrüsten mit alternativen Energiequellen sei dabei oft sinnvoller, als Schulen von Anfang an nach dem Passivbau-Prinzip zu errichten, erklärt Olaf Hübner: „Man kann die energiesparenden Konzepte aus dem Wohnungsbau nicht zwangsläufig auf Schulen übertragen, da sie ganz anders genutzt werden.“ Schulgebäude quaderförmig zu konstruieren, um ein möglichst großes und damit energiesparendes Oberflächenvolumen zu schaffen, mache beispielsweise pädagogisch wenig Sinn. Denn „Energiesparende Gebäude zu bauen ist die eine Sache. Pädagogisch sinnvolle Schulgebäude zu errichten eine andere“, erklärt der Architekt weiter. Neue Unterrichtsformen „Gefragt sind heute, neben dem Fachwissen, vor allem auch Schlüsselqualifikationen wie die Fähigkeit zu Teamarbeit oder ­Medienkompetenz“, bemerkt Christof Rose von der Architektenkammer Nord­ rhein-Westfalen. „Und darauf müssen die Schulbauten ­reagieren.“ Die Architektenkammer NRW zeichnete im Rahmen des 72 www.didacta.de Foto: Architekten Flure werden wohnlich Mut zu neuen architektonischen Formen beweisen Schulen mit Rundbauten oder kreisförmigen Gebäuden, die ineinander übergehen oder sich in elliptischen Grundformen um ein Foyer winden. Wo früher zugige Durchgangsbereiche lediglich als Verkehrswege ­g enutzt wurden, finden sich heute großzügige ­A rtrien – das Foyer wird zum Herz der Schule mit ­Aufenthaltsqualität. Hier finden sich nun ­einladende Sitzgelegenheiten die auch für ­U nterrichtseinheiten genutzt werden können, ­kleine Emporen die sich flugs in aufführungstaugliche Bühnen ­umwandeln ­lassen und Cafeterien, die in unmittelbarer Nähe ­angesiedelt sind. Beim Neubau eines dreizügigen ­G ymnasiums in ­Steinhagen wurde so die Eingangs- und ­Pausenhalle, die Bibliothek und ein großer Veranstaltungsraum in das kreisförmige Atrium eingeplant, um das Zentrum der Schule zu bilden. ­Davon ausgehend führen strahlenförmig ausgerichtete Gänge zu den Unterrichtsräumen. Vorgaben des Brandschutzes werden in vielen Konstruktionen kreative Lösungen entgegengesetzt: Fluchtwege werden durch Außentreppen oder Balkone ins Freie verlegt. Wo es die ­Gegebenheiten erlauben, wird flacher und eingeschossig ­gebaut, mit direktem Zugang vom Klassenraum nach draußen. Fotos: © pgm, RainerSturm/ PIXELIO wurden ­b eispielsweise zwei transparente Glastürme mit jeweils drei Klassenräumen der Schiller-Schule in ­Bochum, nachträglich an das denkmalgeschützte Hauptgebäude angebaut. Ihre ­Schrägstellung und Leichtigkeit bricht ­bewusst mit der massiven Monumen­talität des Altbaus. Schulbaupreises 2008 20 Schulen in ­Nordrhein-Westfalen für ihre innovative und zeitgemäße Architektur aus. Unter dem Motto „In guten Schulgebäuden lernt man besser“ hatten sich rund 140 neue, umgebaute oder erweiterte öffentliche Schulen und Ersatzschulen für den Preis beworben. „Schule ist nicht nur ­Lernort, sondern auch Lebensraum!“, brachte NRW-Schulministerin Barbara Sommer, anlässlich der Preisverleihung im August, die ­Kernbotschaft des Wettbewerbes auf den Punkt. Dabei wendet sich die Innenarchitektur immer weiter vom klassischen Frontalunterricht ab, hin zu ­flexiblen ­Möglichkeiten den Raum zu nutzen: Schiebewände brechen ­Raumstrukturen auf und ermöglichen Gruppenarbeiten in unterschiedlichen Größen. Klassen können durch bewegliche Zwischenwände zusammengeschlossen und wieder getrennt werden. Statt Klassenzimmern gibt es Lernflächen, die sowohl für Gruppenarbeiten als auch für individualisierte Arbeitsbereiche Raum bieten oder räumliche Trennungen nach Altersund Entwicklungsstufen ermöglichen. Dadurch entstehen so genannte „Differenzierungsräume“, in denen Arbeiten, Lernen, Unterrichten und Teamwork stattfinden kann. Lehrer verändert, berichtet Egon Tegge. Viele erledigen die Vorbereitungsarbeiten nun komplett in der Schule und auch die Zusammenarbeit zwischen den Lehrern hat sich intensiviert: „Die Lehrer reden viel mehr miteinander, tauschen sich aus und unterstützen sich gegenseitig.“ Die Umsetzung sei gar nicht so kostspielig und aufwändig gewesen, berichtet Egon Tegge. Die Bibliotheken wurden zusammengelegt, ­einfache Trockenbauwände eingezogen und große, überflüssige Schränke entsorgt. Der dadurch gewonnene Platz bietet seitdem gänzlich neue Nutzungsmöglichkeiten. Bauen mit Blick in die Zukunft Die Flexibilität bereits in der Planungsphase zu gewährleisten, erleichtert auch das architektonische Ausrichten auf die Bedürfnisse der Menschen, die in dem Gebäude lernen und leben. ­Christof Rose unterstreicht zudem den sich aus modernen Schulen e­rgebenden Wettbewerbsvorteil für die ­Kommunen: „Städte und ­Gemeinden ­können ihr Image als ­attraktiver ­Wissens- und ­Wirtschaftsstandort durch eine ­innovative ­Schularchitektur ­unterstreichen. Und eine ­außergewöhnliche Schule s­ignalisiert auch den ­Schülern, dass sie was besonderes sind“, erklärt er. Was im Privatschulbereich schon lange begonnen hat, kann so auch ein Vorbild für Gemeinden und Kommunen sein, den Schulbau langfristig zu überdenken und statt notdürftigen ­Reparaturen echte Investitionen in die Zukunft des Bildungssystems auf den Weg zu bringen. Links ■ ■ ■ www.aknw.de www.architektur-macht-schule.de www.bak.de Das bischöfliche Mariengymnasium in Essen sollte architektonisch sensibel in den traditionsreichen Stadtteil eingefügt werden. Das Gebäude steht auf einem Natursteinsockel. Darüber setzt sich ein transparenter Baukörper mit Glasfassade ab. Hahn Helten + Ass. Architekten GmbH, Aachen; Architekt Günter Helten Lehrer arbeiten anders Auch die Lehrerzimmer erfahren neue Formen. So hat Egon Tegge, an seinem Hamburger Goethe-Gymnasium, für jede der 55 Lehrkräfte individuelle, vernetzte Büroarbeitsplätze eingerichtet. Seitdem habe sich das Arbeitsverhalten der Lehrerinnen und www.didacta.de 73