Adipokine: Mögliches Bindeglied zwischen

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Mathias Fasshauer1
Johannes Klein2
Matthias Blüher1
Ralf Paschke1
Zusammenfassung
Die enge Assoziation von Adipositas und Insulinresistenz ist seit langem bekannt. Beide
Störungen treten beim metabolischen Syndrom
auf. In den Mortalitätsstatistiken der industrialisierten Welt steht das metabolische Syndrom
mit seinen kardiovaskulären Komplikationen
an erster Stelle. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass Fettzellen endokrin aktiv sind und
verschiedene Faktoren wie Adiponectin, Interleukin-6, Leptin, Tumornekrosefaktor α und Resistin sezernieren. Diese so genannten Adipokine beeinflussen maßgeblich den Energiestoffwechsel und die Insulinsensitivität. Sie könnten
daher das fehlende kausale Bindeglied einer
Verknüpfung von erhöhtem Körpergewicht
und Insulinunempfindlichkeit darstellen. Ein indirekter Beleg für die Bedeutung von Adipokinen für die Energie- und Glucosehomöostase ist
auch, dass einerseits insulinsensitivierend wir-
Adipokine:
Mögliches Bindeglied
zwischen Insulinresistenz
und Adipositas
kende Medikamente wie Thiazolidindione und
Metformin sowie andererseits Insulinresistenz
induzierende Hormone wie Katecholamine und
Glucocorticoide die Regulation von Adipokinen
beeinflussen. Der aktuelle Wissenstand bezüglich der Wirkung und Regulation wichtiger Adipokine wird dargestellt und die potenzielle
künftige klinische Anwendung bei Insulinresistenz und Adipositas diskutiert.
Schlüsselwörter: Adipokin, Adipositas, Diabetes mellitus, Insulinresistenz, Leptin
Summary
Adipocytokines: Possible Link between
Insulin Resistance and Obesity
For long it has been known that insulin resistance and obesity are linked. Recently, evidence has been accumulating that adipocytes
A
dipositas und Insulinresistenz
sind wichtige Faktoren in der
Pathogenese des Typ-2-Diabetes-mellitus und weiterer assoziierter
metabolischer und vaskulärer Störungen wie Dyslipidämie und Hypertonus. Das gemeinsame Auftreten dieser
Erkrankungen hat zur Prägung des
Begriffs „metabolisches Syndrom“ geführt, das ein Hauptrisikofaktor für
die Entstehung der Arteriosklerose
ist. Die Prävalenz des metabolischen
Syndroms hat in industrialisierten
Ländern mittlerweile pandemische
Ausmaße erreicht (19, 23).
Warum Adipositas und Insulinresistenz häufig gemeinsam auftreten, ist
nicht vollständig geklärt. In den letzten Jahren wurde gezeigt, dass die bei
Übergewicht vermehrten und hypertrophierten Fettzellen als „endokrines Organ“ durch Ausschüttung freier
1 Klinik für Innere Medizin III (Direktor: Prof. Dr. med.
Michael Stumvoll), Universität Leipzig
2 Klinik für Innere Medizin I (Direktor: Prof. Dr. med. HorstLorenz Fehm), Universität Lübeck
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Fettsäuren und verschiedener Proteine, so genannter Adipokine oder Adipozytokine, entscheidend zur Entwicklung von Glucosestoffwechselstörungen beitragen. Insbesondere wurde belegt, dass die Adipokine Interleukin(IL-)6, Tumornekrosefaktor- (TNF-)α
und Resistin Insulinresistenz hervorrufen, während Adiponectin als en-
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secrete several proteins including adiponectin,
interleukin-6, leptin, tumour necrosis factor α,
and resistin which influence insulin sensitivity
profoundly. Therefore, these so-called adipocytokines might provide a novel molecular
link between increased adiposity and impaired
insulin sensitivity. Moreover, insulin-sensitizing thiazolidinediones and metformin, as well
as insulin resistance-inducing hormones such
as catecholamines and glucocorticoids, appear
to mediate part of their effects on glucose metabolism via regulation of adipocytokines. In
the present review, the current knowledge on
how major adipocyte-secreted proteins influence insulin sensitivity and how they are regulated by hormones and drugs is summarized
and its implications for insulin resistance and
obesity are discussed.
Key words: adipocytokine, obesity, diabetes
mellitus, insulin resistance, leptine
dogener Insulinsensitizer erscheint (Grafik 1). Darüber
hinaus ist das adipozytensezernierte Protein Leptin bei
der Appetitregulation besonders wichtig (Grafik 1). Untersuchungen belegen, dass
insbesondere Adiponectin,
IL-6 und Leptin auch beim
Menschen eine pathogenetisch wichtige Rolle bezüglich
des metabolischen Syndroms
spielen. Des Weiteren zeigen
neuere Studien, dass Adipokine auch potenzielle Vermittler einer durch andere
Hormone wie Insulin, Katecholamine und Glucocorticoide induzierten Insulinresistenz sind. Auch beeinflussen die als Insulinsensitizer bezeichneten Thiazolidindione (TZDs)
und Metformin beträchtlich die Expression von Adipokinen, was einem
möglichen Mechanismus ihrer Wirkung entspricht. Damit sind Adipokine
nicht nur Proteine, die Insulinresistenz
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und Adipositas sowie metabolisches
Syndrom und Diabetes mellitus potenziell miteinander verbinden, sondern
auch mögliche Angriffspunkte der Behandlung dieser Krankheitsentitäten.
Adiponectin – Insulinsensitizer
und potenzieller
Endothelschützer
Adiponectin wurde in den Jahren 1995
und 1996 durch vier unabhängige
Gruppen kloniert, wobei verschiedene experimentelle Herangehensweisen
genutzt wurden (16, 22, 28, 36). Erst
seit 2001 kristallisiert sich jedoch heraus, dass Adiponectin im Gegensatz zu
allen anderen bekannten Adipokinen
eine profunde, insulinsensitivierende
Wirkung entfaltet (Grafik 2). So zeigen einige Studien, dass vollständiges
Adiponectin mit einer Größe von 30
kDa die insulininduzierte Inhibition
der Glucosesekretion von Leberzellen
verstärkt (Grafik 2) (2, 48). Auch im
Muskel wirkt Adiponectin insulinsensitivierend, wobei vor allem ein C-terminales 16 kDa großes Fragment sehr
potent die Fettsäureoxidation stimuliert und dadurch die Plasmaglucosespiegel senkt (Grafik 2) (48, 50). Interessanterweise scheint Adiponectin
über eine Aktivierung der AdenosinMonophosphat-Kinase (AMPK) zu wirken, die auch die Insulinsensitivierung
nach sportlicher Betätigung vermittelt
(42, 48).
Durch Studien an Mäusen, bei denen das Adiponectin-Gen spezifisch
ausgeschaltet wurde, ist darüber hinaus erkennbar, dass dieses Adipokin
nicht nur die Insulinempfindlichkeit
erhöht, sondern auch die Ausbildung
arteriosklerotischer Gefäßveränderungen unterdrückt (21, 49). So war die Intima der Gefäße von Mäusen ohne
Adiponectin signifikant dicker, verglichen mit Kontrolltieren, was eine Funktion von Adiponectin als endothelprotektiven Faktor nahelegt (21, 49). Eine
Arbeit der Gruppe um Prof. Pfeiffer,
Berlin, impliziert ferner, dass niedrige
Adiponectinspiegel mit einem erhöhten Risiko einhergehen, künftig einen
Diabetes mellitus Typ 2 zu entwickeln
(37). Passend zur Rolle von Adiponectin als endogenem Insulinsensitizer zei-
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gen mehrere Studien ein vermindertes
Vorkommen des Proteins in Fett und
Serum bei Insulinresistenz und Adipositas (Grafik 2) (15, 16, 46). Darüber
hinaus erhöht sich die Adiponectinsynthese bei Gewichtsreduktion (17,
24, 52).
Aus klinischer Sicht ist besonders
interessant, dass Synthese und Sekretion von Adiponectin durch Thiazolidindione sowohl bei diabetischen als
auch normalen insulinsensitiven Probanden erhöht werden (Grafik 2) (4,
51). Auch zeigen verschiedene Studien der Klinik für Innere Medizin der
Universität Lübeck und anderer Arbeitsgruppen, dass Insulinresistenz-induzierende Hormone wie Insulin, Katecholamine, Glucocorticoide, TNF-α
Grafik 1
Fettgewebe sezerniert verschiedene Proteine – so genannte Adipokine – die den Energiestoffwechsel und die Insulinempfindlichkeit beeinflussen.
und IL-6 sowie das neu entdeckte orexigen wirkende Magenhormon Ghrelin die Adiponectinexpression im Fettgewebe inhibieren. Damit kann potenziell über eine Herunterregulation dieses Adipokins die Insulinempfindlichkeit vermindert werden (Grafik 2) (7,
10–12, 31). Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass bisher
keine klinischen Studien verfügbar
sind, welche die Effekte von Adiponectin beziehungsweise Adiponectinanaloga auf die Insulinempfindlichkeit und Arteriosklerose beim Menschen direkt testen. Erst diese künftig
zu erwartenden Untersuchungen werden klären, ob Adiponectin oder Analoga einen neuartigen Ansatzpunkt
der Behandlung dieser Krankheitsentitäten darstellen und welche Nebenwirkungen eine solche Therapie aufweist.
IL-6-Insulinresistenz
möglicherweise durch
chronische Entzündung
Das IL-6 wurde ursprünglich als ein
durch weiße Blutkörperchen sezerniertes proinflammatorisches Protein
beschrieben. Jedoch zeigten verschiedene Studien, dass circa 30 Prozent des
zirkulierenden IL-6 durch Fettgewebe
produziert wird und es damit auch
als Adipokin zu klassifizieren ist (25).
IL-6 vermindert die Insulinempfindlichkeit sowohl bei Nagetieren als
auch beim Menschen, wobei eine Stimulation der Glukoneogenese in der
Leber offenbar eine wichtige Rolle
spielt (Grafik 3) (41, 43). Passend zu
seinen Insulinresistenz induzierenden
Effekten sind die IL-6-Plasmaspiegel
bei insulinunempfindlichen und/oder
adipösen Nagern und Menschen signifikant erhöht (Grafik 3) (44).
Besonders wichtig ist, dass die IL-6Konzentrationen im Serum einen prädiktiven Wert bezüglich der Entstehung eines Typ-2-Diabetes-mellitus
haben, das heißt, Probanden mit erhöhten IL-6-Spiegeln haben ein signifikant erhöhtes Risiko, einen Diabetes
zu entwickeln, verglichen mit Personen
mit normalen IL-6-Werten (33, 34).
Diese konsistenten Daten unterstützen das Konzept, dass einer chronischen
Inflammation bei der Ausprägung von
Insulinresistenz und Diabetes mellitus
bei Übergewicht pathogenetisch eine
wichtige Funktion zukommen könnte
– eine Theorie, die in weiterführenden Übersichtsarbeiten exzellent diskutiert ist (32). Ebenfalls passend zur
Rolle von IL-6 als einem zentralen,
die Insulinsensitivität vermindernden
Adipokin, konnten Studien der Klinik
der Autoren und anderer Arbeitsgruppen nachweisen, dass Insulinresistenzinduzierende Hormone wie Insulin,
Katecholamine, TNF-α, Wachstumshormon und IL-6 selbst die Synthese
von IL-6 in Fettzellen stimulieren und
damit potenziell über dieses Adipokin die Insulinempfindlichkeit beeinträchtigen (Grafik 3) (6).
Bisher sind jedoch keine klinischen
Studien verfügbar, inwieweit eine selektive Hemmung von IL-6 zur Steigerung der Insulinsensitivität führt und
sich damit ein neues therapeutisches
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Prinzip der Behandlung von Insulinresistenz und Diabetes mellitus ergeben
könnte.Auch die Sicherheit einer Inhibition dieses zentralen Interleukins
muss kritisch geprüft werden.
che Wirkung von Leptin bei
Patienten mit schwerem lipatrophen Diabetes mellitus
bemerkenswert. Oral et al.
konnten zeigen, dass die alleinige Gabe dieses Adipokins zur drastischen Senkung
der Insulinresistenz bei dieser Sonderform des Diabetes
mellitus führt (30).
Grafik 2
Leptin – mehr als ein
Regulator der
Nahrungsaufnahme
Leptin wurde im Jahr 1994 kloniert
und seine Entdeckung hat das Feld
der Adipokine revolutioniert (1). Dies
ist vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass Leptin beziehungsweise sein Rezeptor in zwei seit Jahrzehnten genutzten Mausmodellen, den
so genannten ob/ob- und db/db-Mäusen, für die auch seltene äquivalente
menschliche Syndrome identifiziert
wurden, inaktiviert ist. Der Verlust der
Leptinwirkung ruft bei diesen Tieren
eine ausgeprägte Insulinresistenz und
Adipositas hervor (1). Leptin unterdrückt die Gewichtszunahme, indem
es die Synthese verschiedener Proteine im Hypothalamus in einer Art
moduliert, die zu einer Hemmung des
Appetits und der Nahrungsaufnahme
führt (1).
Darüber hinaus wirkt dieses prototypische Adipokin auch direkt in der
Peripherie einschließlich dem Fettgewebe (20) und steuert unter anderem
so vielfältige Funktionen wie Fruchtbarkeit, Immunsystem, Knochenstoffwechsel und Angiogenese (Tabelle)
(35). Auf Grundlage der ersten Studien bestand die Hoffnung, dass durch
Gabe von Leptin Appetit und Nahrungszufuhr verringert werden könnten und damit ein therapeutischer
Angriffspunkt der pandemisch zunehmenden Adipositas möglich sei. Allerdings konnte bis heute der therapeutische Einsatz von Leptin beziehungsweise Leptinrezeptoragonisten beim
Großteil der adipösen Patienten nicht
realisiert werden. Dies ist vor allem
darauf zurückzuführen, dass beim normalen übergewichtigen Menschen
kein Mangel sondern im Gegenteil ein
Überfluss von Leptin vorliegt, welches
aber offensichtlich im Hypothalamus
nicht wirkungsvoll den Appetit unterdrückt (1). Bei Adipositas scheint somit keine Leptindefizienz sondern ei-
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α – wichtig nur
TNF-α
bei Tieren?
TNF-α wurde bereits 1993
erstmals in tierexperimentellen Studien als ein Adipokin
beschrieben, das die Insulinempfindlichkeit in Mäusen
entscheidend vermindert (Tabelle) (14). Dieser Insulinresistenz-auslösende Effekt wird
Grafik 3
vor allem durch eine Hemmung von Insulinsignalmolekülen verursacht (13, 38).
Passend zum negativen Effekt von TNF-α auf die Insulinempfindlichkeit weisen
verschiedene Mausmodelle
der Adipositas und Insulinresistenz erhöhte Serumkonzentrationen dieses Proteins
auf (26).
Auch eine Neutralisation
erhöhter TNF-α-Spiegel durch
Antikörper erhöht im TiermoIL-6 wird bei Adipositas vermehrt sezerniert und ruft In- dell die Insulinempfindlichkeit
sulinresistenz in Geweben wie Leber, Muskulatur und (14). Allerdings muss eingeFett hervor. Hormone wie Insulin, TNF α, IL-6, Katechol- schränkt werden, dass beim
amine und Wachstumshormon, welche die InsulinempfindMenschen die Daten weit welichkeit vermindern, stimulieren die IL-6-Produktion.
niger eindeutig sind. Hier ist
die TNF-α-Proteinerzeugung
ne Leptinresistenz vorzuliegen, die im Fett sehr gering und Studien unter anbisher therapeutisch nicht anzugehen derem aus der Klinik der Autoren legen
ist und einen intensiven Forschungs- nahe, dass sich die Serumkonzentratioschwerpunkt verschiedener Gruppen nen dieses Adipokins nicht unterscheiweltweit darstellt. Allerdings muss be- den zwischen insulinunempfindlichen
tont werden, dass bei verschiedenen und insulinempfindlichen Probanden
Sonderformen der Adipositas und des mit ähnlichem Körpergewicht (3).
Eine erste Studie zur klinisch theraTyp-2-Diabetes-mellitus ein therapeutischer Nutzen von Leptin bewiesen peutischen Anwendung einer TNF-αwerden konnte. So kam es zu einer Inhibition verlief mit enttäuschendem
drastischen Reduktion von Körperge- Ergebnis. So wurde, im Gegensatz zum
wicht und Nahrungsaufnahme bei Tiermodell, die Insulinsensitivität nicht
stark adipösen, hyperphagen Kindern durch eine Neutralisierung von TNF-α
mit genetisch determiniertem Leptin- erhöht (29). Auch im Hinblick auf die
mangel (5). Daneben ist die beträchtli- zahlreichen beschriebenen NebenwirAdiponectin wird bei Adipositas vermindert sezerniert
und führt zu einer Insulinsensitivierung in Geweben wie
Leber, Muskulatur und Fett. Insulinresistenz induzierende
α, IL-6, Katecholamine, GlucoHormone wie Insulin, TNF-α
corticoide und das Magenhormon Ghrelin vermindern,
TZDs hingegen erhöhen die Adiponectinproduktion.
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´
Tabelle
´
Wirkung verschiedener Adipokine auf die Insulinempfindlichkeit
Adipokin
Direkter Einfluss
auf Insulinsensitivität
Einschränkungen
Adiponectin
Positiv
–
IL-6
Negativ
–
Leptin
Unsicher
Wirkt indirekt über Appetit- und Gewichtsregulation auf Insulinsensitivität
Bei Adipositas vorliegende Leptinresistenz
nicht ausreichend charakterisiert
TNF-α
Negativ
Wichtige Funktion nur bei Nagetieren belegt
Resistin
Negativ
Daten sehr uneinheitlich
Expression beim Menschen nicht sicher
IL-6, Interkeukin 6; TNF, Tumornekrosefaktor
kungen einer derartigen Behandlung erscheint es unwahrscheinlich, dass künftige Therapien von Insulinresistenz, Diabetes mellitus Typ 2 und Adipositas auf
einer Inhibition dieses Adipokins beruhen werden.
Resistin – Adipokin
mit widersprüchlichen
Ergebnissen
Anfang 2001 beschrieb die Arbeitsgruppe um Prof. Lazar, Philadelphia, USA,
ein neuartiges Adipokin, das Resistin genannt wurde (Tabelle) (39, 40). Die ursprünglichen, sehr überzeugenden Daten
deuteten an, dass Resistin die Glucosetoleranz vermindert und in verschiedenen
Adipositasmodellen der Maus vermehrt
synthetisiert wird (39). Aus klinischer
Sicht sehr interessant war die initiale Beobachtung, dass TZDs die Resistinexpression vermindern (39). Auf der Basis
dieser experimentellen Untersuchungen
wurde postuliert, dass Resistin sowohl eine neuartige Verbindung zwischen Adipositas und Diabetes mellitus als auch
ein Mediator der antidiabetischen Effekte der TZDs darstellen könnte (39).
Die ersten Daten bezüglich der Rolle
von Resistin bei Adipositas und Insulinresistenz konnten in diesem Umfang
nicht bestätigt werden. Inzwischen wurden konträre Daten veröffentlicht. Mehrere Arbeiten zeigten sowohl eine Stimulation der Resistinexpression durch
TZDs als auch eine verminderte Expression bei Tiermodellen der Insulinresistenz und Adipositas (45). Des Weiteren
scheint die Synthese von Resistin im
Fettgewebe des Menschen sehr gering zu
sein und nicht mit dem Ausmaß der Insulinresistenz zu korrelieren (18, 27). Auch
weisen Daten der eigenen Arbeitsgruppe
darauf hin, dass Resistin mit großer
Wahrscheinlichkeit nicht die Insulinresistenz-induzierenden Effekte verschiedener Hormone wie Insulin, Katecholamine und Glucocorticoide vermittelt (8, 9).
Wegen dieser widersprüchlichen Ergebnisse und der bisher nicht nachweisbaren
Relevanz von Resistin beim Menschen
scheint eine künftige therapeutische Anwendung dieses Adipokins beim metabolischen Syndrom als unwahrscheinlich.
Sicherlich ist seine Rolle bei Insulinresistenz und Adipositas jedoch bei weitem
nicht so prominent wie anfangs postuliert
und erhofft wurde. TNF-α hat wahrscheinlich nur bei Nagetieren eine wichtige Funktion. Leptin ist eines der bedeutendsten Adipokine für die Stoffwechselregulation und beeinflusst bei Tier und
Mensch Körpergewicht und Glucosehomöostase. Die genauen Wirkmechanismen sind bisher jedoch nur unzureichend verstanden.
Auf Grundlage der vorliegenden Ergebnisse ist zu erwarten, dass spezifische
Modulatoren des Fettgewebes durch Beeinflussung der Wirkung von Adiponectin und IL-6 künftig die Behandlung der
Insulinresistenz,Adipositas und des Diabetes mellitus ergänzen können. Insbesondere nachdem vor kurzem zwei Adiponectinrezeptoren beschrieben wurden
(47), ist es denkbar, durch Generierung
spezifischer Adiponectin-Agonisten eine
Insulinsensitivierung zu erreichen.
Danksagung: Die beschriebenen experimentellen Arbeiten wurden durch Drittmittel der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Universität Leipzig und der Deutschen
Diabetes Gesellschaft ermöglicht.
Manuskript eingereicht: 3. 2. 2004, revidierte Fassung
angenommen: 7. 7. 2004
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Resümee
In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass Adipozyten die Insulinsensitivität und den Energiestoffwechsel aktiv
beeinflussen, indem sie freie Fettsäuren
und verschiedene Adipokine sezernieren.Auf Grundlage der bisher vorliegenden Daten scheinen besonders die Adipokine Adiponectin und IL-6 entscheidende, gegensätzliche Funktionen in der
Gesamtkörper-Glucosehomeostase einzunehmen. Adiponectin ist ein endogener Insulinsensitizer, der bei Adipositas
und Insulinresistenz vermindert ausgeschüttet und durch klinisch eingesetzte
TZDs stimuliert wird. Im Gegensatz
hierzu wirkt IL-6 Insulinresistenz-induzierend und wird bei Übergewicht vermehrt ausgeschüttet. Für Resistin ist die
Datenlage zu uneinheitlich, um eine abschließende Beurteilung zu ermöglichen.
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Dtsch Arztebl 2004; 101: A 3491–3495 [Heft 51–52]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet
unter www.aerzteblatt.de/lit5104 abrufbar ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Ralf Paschke
Ph.-Rosenthal-Straße 27, 04103 Leipzig
E-Mail: [email protected]
DÄ online: Ergebnisse
Die Ergebnisse der Fortbildungseinheit „Bildgebende Diagnostik bei der Abklärung des
Kopfschmerzes“ (Heft 45) sind ab dem 17.
Dezember 2004 unter www.aerzteblatt.
de/cme, Rubrik „Meine Daten“ abrufbar. Der
cme-Beitrag „Auge und Kopfschmerz“ aus
Heft 49 kann noch bis zum 13. Januar 2005
bearbeitet werden.
A 3495
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Literaturverzeichnis Heft 51–52/2004:
Mathias Fasshauer1
Johannes Klein2
Matthias Blüher1
Ralf Paschke1
Adipokine:
Mögliches Bindeglied
zwischen Insulinresistenz
und Adipositas
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 Jg. 101
 Heft 51–52
 20. Dezember 2004
Deutsches Ärzteblatt
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