Regulierung und Stabilisierung der Körperhaltung

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Leitthema
Kurt Tittel
Regulierung und Stabilisierung der Körperhaltung
– gemeinsame Aufgabe der tiefen
Rücken- und Bauchmuskulatur
Dynamische Bewegungen, bei denen die Lotlinie der aufrechten Körperhaltung kontinuierlich verlassen wird, stellen an die Regulierung
und Stabilisierung sowie an die muskuläre Absicherung der Aufrechterhaltung des labilen dynamischen Gleichgewichts der Bewegungssegmente der Wirbelsäule hohe Anforderungen, die generell
durch das funktionelle Wechselspiel zwischen der Rücken- und Bauchmuskulatur – wie beispielsweise bei der Vor- und Rückneigung des
Rumpfes aus der aufrechten Körperhaltung zu bewältigen sind. Die
Verwendung der Bezeichnung „Rückenmuskulatur“ ist aus funktionell-anatomischer Sicht eigentlich nicht korrekt, weil sie sich entsprechend ihrer Herkunft und Funktion in zwei unterschiedliche Gruppen
unterteilt und zwar in eine oberflächliche oder „Gliedmaßenmuskulatur des Rückens“, die wie der Kappenmuskel, vordere Sägemuskel,
Schulterblattheber, die Rautenmuskeln und der breite Rückenmuskel
für das Bewegungsausmaß des Schulterblatts und des Oberarms im
Schultergelenk verantwortlich ist, und in eine dem Achsenskelett unmittelbar aufliegende tiefe, kurze und lange „bodenständige“ – weil
an Ort und Stelle entstandene – (autochthone) Rückenmuskulatur, die
infolge ihrer Gesamtleistung allgemein als „Rückenstrecker“ (Erector
spinae) bezeichnet wird.
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DIE SÄULE 4/2011
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Eigenmuskulatur
des Rückens ist
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Abb 1: Lateraler Strang der tiefen Rückenmuskulatur (Erector spinae).
1 = Langmuskel des Rückens (M. Longissimus)
2= Darmbein-Rippenmuskel (M. iliocostalis)
Der innere Strang (Abb.2) besteht aus kurzen bis mittellangen, einen großen physiologischen Querschnitt aufweisenden und damit sehr kräftigen
Muskelfasern, die entweder entsprechend dem Mastbaumprinzip der
Schiffe schräg aufsteigend vom Querfortsatz zum höher gelegenen Dornfortsatz ziehen und dabei mehrere Wirbel überspringen, was vor allem für
den in der Lendenregion stark entwickelten vielgefiederten Muskel (M.
multifidus) zutrifft (er ist der wichtigste Teil des transversospinalen Systems)
oder die von Dornfortsatz zu Dornfortsatz wie u.a. die in der Hals- und
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die-säule
Diese einheitlich erscheinende, vor allem im Lendenteil kräftige bodenständige Eigenmuskulatur des Rückens ist in Wirklichkeit in zwei große
Stränge fein gegliedert, die vom Kreuzbein und Darmbeinkamm bis zum
Hinterhauptsbein in den vom Skelett gebildeten Rinnen rechts und links
der Dornfortsatzreihe der Wirbelsäule liegen, umhüllt im Brust- und Lendengebiet vom vorderen und tiefen Blatt der Lendenrückenbinde (Fascia
thoracolumbalis), sodass der „Rückenstrecker“ gewissermaßen in einem
osteofibrösen Führungskanal geschützt verläuft. Der äußere Strang setzt
sich zusammen aus einem oberflächlich gelegenen äußeren (lateralen) und
einem etwas tiefer gelegenen inneren (medialen) Muskelstrang (Abb.1).
Ersterer besteht aus dem zwischen den Dorn- und Querfortsätzen der
Wirbelsäule liegenden Langmuskel des Rückens (M. longissimus dorsi) mit
seinen dachziegelartig übereinander geschobenen Lenden-, Brust-, Halsund Kopfansätzen am Achsenskelett und dem zwischen den Querfortsätzen und Rippen verlaufenden Darmbein-Rippenmuskel (M. iliocostalis) mit
einem Lenden-, Brust- und Halsansatz an den Rippen.
Leitthema
Dynamische
Bewegungen
stellen hohe
Anforderungen
an die Wirbelsäule
Abb. 2: Medialer Strang der tiefen Rückenmuskulatur (Schema
n. Graumann)
1 = Dornfortsat, 2 = Querfortsatz
spinales System:
3 = Zwischendornfortsatz-Muskeln (Mm. interspinales)
4 = Dorn-Muskel (M. spinalis)
transversospinales System:
5 = Dreh-Muskeln (Mm. rotatores)
6 = vielgeteilter Muskel (M. multifidus)
7 = Halbdorn-Muskel (M. semispinalis)
Lendenlordose paarigen Zwischendorn- und Zwischen
querfortsatz-Muskeln (Mm. interspinales bzw. intertransversarii) verlaufen (sie sind Teile des inter-spinalen Systems).
Funktionell verrichten die Muskeln des äußeren
Strangs mit Hilfe ihrer langen Hebelarme vorrangig
dynamische Tätigkeiten; so ist der Langmuskel des
Rückens durch seine Lage hinter der Wirbelsäule für das
Strecken und Seitneigen des Rumpfes verantwortlich. Er
reguliert abgestuft und stabilisiert dynamisch als Antagonist der auf den Rumpf wirkenden Schwerkraft fortwährend die Haltung und Feststellung der Wirbelsäule.
Er sichert auf Grund seines großen physiologischen
Querschnitts als Rücken-Strecker das Tempo und Ausmaß der Rumpf-Beugung! Der Darmbein-Rippenmuskel
unterstützt die Rumpf-Streckung und verrichtet mit seinem Ansatz an den Rippen, die er als Hebel benutzt,
eine kräftige Seitneigung.
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Die kurzen bis mittellangen Muskeln des inneren Strangs
nehmen dynamische und statische Funktionen wahr.
Das transversospinale System (vielgefiederter Muskel,
Halbdornmuskel, kurze und lange Drehmuskeln) und
das spinale bzw. interspinale System (Dornmuskel, Zwischendornfortsatz-, Zwischenquerfortsatz- und Zwischenbogenmuskeln) veranlassen bei beidseitiger Kontraktion eine Streckung, bei einseitiger Kontraktion eine
Rotation und Seitneigung der Wirbelsäule. Sie schaffen
damit wichtige Voraussetzungen für die Feinregulierung
und Aufrechterhaltung einer ausreichenden aktiven Beweglichkeit benachbarter Wirbel. Ihre Funktion für die
Statik besteht – und damit unterstützen sie die Tätigkeit
des kurzen, kräftigen und in der Lendenregion hochbelasteten Bandapparates der Wirbelsäule - in einer
rechtzeitigen weichen Bremsung von Bewegungen vor
Erreichen deren Endstellung sowie in Haltearbeit und
Fixation der Wirbelsäule auf dem Becken, vergleichbar mit der Verankerung eines Mastes im Schiffsrumpf,
durch unterschiedlich lange Haltetaue (s.u.).
Wie kann die tiefe Rückenmuskulatur, die im Ergebnis
eines regelmäßigen, kraftbetonten Trainings zur Entwicklung eines bedeutenden „Muskelkorsetts“ für den
Rumpf beitragen kann, die vielfältigen Anforderungen
an Wirbelsäule und Rumpf – es sind dies unter anderem
rumpfaufrichtende und rumpfstabilisierende Bewegungen, druckimpulsartige Vibrations- und Stoßbelastungen, kontinuierliche Körperschwerpunktverlagerungen
in sagittaler Ebene durch Dauerdruck und Rückstoßoder Schockabsorptionen vom harten Untergrund –
alleine bewältigen? Gibt es unterstützende Partner?
Die tiefen langen sowie kurzen Muskelfasern des äußeren und inneren Strangs des Rückenstreckers werden
wie bereits erwähnt von einer besonders im lumbalen
und sakralen Bereich stark ausgeprägten sehnigen,
straff gespannten großen Bindegewebsplatte, der rautenförmigen Lendenrückenbinde (Fascia thoracolumbalis) zu einem Ganzen zusammengefasst. Sie entspringt
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Abb. 3: Querschnitt durch den Rumpf in Höhe der unteren Brust- und Lendenregion. Darstellung der
Lendenrückenbinde (Fascia thoracolumbalis) mit der Vereinigung ihres oberflächlichen und tiefen
Blattes und der strukturellen Verbindungen mit dem queren und inneren Bachmuskel (M. transversus abdominis et M. obliquus abdominis internus) und breiten Rückenmuskel (M. latissimus).
1 = großer Lendenmuskel
2 = viereckiger Lendenmuskel
3 = querer Bauchmuskel
4 = innerer Bauchmuskel
5 = breiter Rückenmuskel
6 = tiefe Rückenmuskulatur
7= oberflächliches Blatt der Lendenrückenbinde
8 = tiefes Blatt der Lendenrückenbinde
9 = Vereinigung beider Blätter
(Abb. 3) mit einem oberflächlichen Blatt breitflächig
von den Dornfortsätzen der unteren Brustwirbelsäule
und Lendenwirbelsäule, von den Rippenwinkeln, vom
Kreuzbein und vom Darmbeinkamm, während das tiefe
Blatt – auch als Aponeurosis lumbalis bezeichnet – von
den Querfortsätzen der Lendenwirbelsäule seinen Ursprung nimmt. Beide Faszienblätter vereinigen sich am
seitlichen Rand der tiefen Rückenmuskulatur.
selt diese dadurch an die Wirbelsäule, sondern sie dient
auch gleichzeitig mit ihrem oberflächlichen Blatt zwei
oberflächlichen Rückenmuskeln, dem breiten Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) und dem hinteren unteren
Sägemuskel (M. serratus posterior inferior), sowie mit ihrem tiefen Blatt dem queren und inneren Bauchmuskel
(M. transversus abdominis bzw. M. obliquus abdominis
internus) als Ursprung.
Lendenrückenbinde mit den in sie einstrahlenden Muskeln spielen für die Regelung und Stabilisierung der Körperhaltung eine sehr wichtige Rolle. Sie hüllt (Abb.4)
nicht nur als hintere Begrenzung der osteofibrösen
Führungsrinne die tiefe Rückenmuskulatur ein und fes-
Gezielte Körperbewegungen erfordern immer das
harmonische Zusammenspiel muskulärer Spieler (Agonisten) und Gegenspieler (Antagonisten). Dies bei der
Analyse von Bewegungen zu beachten ist wichtig, um
über die Kenntniss der Funktion einzelner Muskeln
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Das harmonische
Zusammenspiel
der tiefen Rücken- und
Bauchmuskeln
ermöglicht erst gezielte
Körperbewegungen
Abb. 4: Schematischer Querschnitt durch den Rücken in Höhe
der Lendenregion mit Darstellung der strukturellen
Verbindungen von tiefer Rückenmuskulatur und Bauchmuskulatur mit Hilfe des tiefen und oberflächlichen
Blattes der Lendenrückenbinde.
1 = vielgeteilter Muskel
2 = Langmuskel und Darmnein-Rippenmuskel
3 = viereckiger Lendenmuskel
4 = großer Lendenmuskel
5 = äußerer, schräger Bauchmuskel
6 = innerer, schräger Bauchmuskel
7 = querer Bauchmuskel
8 = gerader Bauchmuskel
9 = sehniger Streifen der Bauch-Aponeurose
10 = breiter Rückenmuskel
11 = tiefes Blatt der Lendenrückenbinde
12 = oberflächliches Blatt der Lendenrückenbinde
und Bänder hinaus die größeren funktionellen Zusammenhänge zu sehen und zu verstehen. Dies gilt auch
für die in Abb. 4 dargestellte strukturelle und mögliche
funktionelle wechselseitige Zusammenarbeit der tiefen
Rückenmuskeln mit der tiefen Bauchmuskulatur, wobei
beide Partner teils als Antagonisten, teils als Synergisten regulierend tätig sind. Anschauliche Beispiele dafür
sind die Rumpfvorwärts- und -rückwärtsbewegungen,
Seitneigungen und Drehungen oder die Schaukelbewegungen des Rumpfes, die erst durch die abwechselnden
Kontraktion und Nachgiebigkeit beider Muskelgruppen
möglich werden.
In dieser Kooperation spielt die tiefe Rückenmuskulatur
eine vorrangige Rolle. Ihre Muskelfasern stellen aktive
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Verspannungszüge dar, die in verschiedenen Höhen
mit kurzen und längeren Hebelarmen zu den Quer- und
Dornfortsätzen des Achsenskeletts ziehen (Abb. 2). Sie
ähneln damit, wie bereits erwähnt, der Verspannung eines Schiffsmastes. Eine noch so einfache Bewegung des
Rumpfes, die durch die Kontraktion mindestens einiger
Muskelfasern der Verspannungszüge ausgelöst wird,
macht die Nach- bzw. Neuregulierung der Körperhaltung
durch die tiefen Bauchmuskeln erforderlich. Das bedeutet, dass das funktionelle System der Agonisten und
Antagonisten, die Kooperation der tiefen Wirbelsäulenund Bauchmuskeln, immer nur als Ganzes reagiert!
Eine Bewegung ist also niemals ein isoliertes Geschehen
von Muskeln, Bändern oder Gelenken; sie ist immer Ausdruck einer Gesamtkörperleistung, was durch die Abb. 5,
in der es um die funktionell-strukturelle Verbindung des
flächenmäßig größten Muskels unseres Bewegungsapparates, des breiten Rückenmuskels (M.latissimus dorsi)
mit dem großen Gesäßmuskel (M. glutaeus maximus)
zur Sicherung des Körpergleichgewichts geht, verdeutlicht werden soll. Beide Muskeln, die wesentlicher Bestandteil einer Gesamtkörperschlinge sind, kreuzen sich
mit ihren Sehnenfasern hinter dem Körperschwerpunkt
im Bereich der Lendenrückenbinde. Dadurch entstehen
zwei lange, vom Oberarm über den Latissimus, die Fascia thoracolumbalis, den Glutaeus maximus der Gegenseite bis zum Kniegelenk hinabreichende, sich überkreuzende Muskel-Sehnengurte, die mit ihrer Kraft und
Dehnungsfähigkeit wie die tiefe Rücken-, Bauch- und
Hüftgelenksmuskulatur die Stellung von Wirbelsäule
und Becken und damit die Haltung des gesamten Körpers wesentlich beeinflussen. Wir nutzen täglich und
vielfältig diese Muskelschlingen u.a. beim Aufstehen
und Gehen (vor allem auf unebenen Böden), beim Treppensteigen oder Klettern.
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Abb. 5:
Zusammenspiel des breiten Rückenmuskels mit dem großen Gesäßmuskel der Gegenseite mit Hilfe der Lendenrückenbinde als „Hüter
des Körpergleichgewichts“.
1 = Delta-Muskel (M. deltoideus)
2 = Kappenmuskel (M. trapezius)
3 = breiter Rückenmuskel (M. latissimus dorsi)
4 = Lendenrückenbinde (Fascia Thoracolumbalis)
5 = großer Gesäßmuskel (M. glutaeus maximus)
Fazit
Die Belastung und Belastbarkeit der Wirbelsäule hängt
weitgehend von der Körperhaltung und deren Regulierung und Stabilisierung durch die tiefen Rücken- und
Bauchmuskeln ab. Dabei stellt für die Aufrechterhaltung
des aktuellen Körpergleichgewichts die Lendenregion
und ihre funktionelle Integration in Ganzkörperschlingen einen funktionell besonders bedeutenden Abschnitt
des Achsenskeletts dar, was in der praktischen Arbeit, in
der Wahl wirksamer, kontrollierbarer Kräftigungsübungen in den Rückenschul-Kursen sowie bei der Verrichtung therapeutischer und rehabilitativer Maßnahmen
berücksichtigt werden sollte.
DIE SÄULE 4/2011
Abbildungen:
Kurt Tittel, Beschreibende und Funktionelle Anatomie des
Menschen, Elsevier Verlag
Kontakt
Univ.-Prof. Dr. med. habil. Dr. h.c.
Kurt Tittel
Pistorisstr. 55
04229 Leipzig
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