Leitthema Kurt Tittel Regulierung und Stabilisierung der Körperhaltung – gemeinsame Aufgabe der tiefen Rücken- und Bauchmuskulatur Dynamische Bewegungen, bei denen die Lotlinie der aufrechten Körperhaltung kontinuierlich verlassen wird, stellen an die Regulierung und Stabilisierung sowie an die muskuläre Absicherung der Aufrechterhaltung des labilen dynamischen Gleichgewichts der Bewegungssegmente der Wirbelsäule hohe Anforderungen, die generell durch das funktionelle Wechselspiel zwischen der Rücken- und Bauchmuskulatur – wie beispielsweise bei der Vor- und Rückneigung des Rumpfes aus der aufrechten Körperhaltung zu bewältigen sind. Die Verwendung der Bezeichnung „Rückenmuskulatur“ ist aus funktionell-anatomischer Sicht eigentlich nicht korrekt, weil sie sich entsprechend ihrer Herkunft und Funktion in zwei unterschiedliche Gruppen unterteilt und zwar in eine oberflächliche oder „Gliedmaßenmuskulatur des Rückens“, die wie der Kappenmuskel, vordere Sägemuskel, Schulterblattheber, die Rautenmuskeln und der breite Rückenmuskel für das Bewegungsausmaß des Schulterblatts und des Oberarms im Schultergelenk verantwortlich ist, und in eine dem Achsenskelett unmittelbar aufliegende tiefe, kurze und lange „bodenständige“ – weil an Ort und Stelle entstandene – (autochthone) Rückenmuskulatur, die infolge ihrer Gesamtleistung allgemein als „Rückenstrecker“ (Erector spinae) bezeichnet wird. 16 DIE SÄULE 4/2011 Leitthema Die einheitlich erscheinende Eigenmuskulatur des Rückens ist fein gegliedert Der Lattoflex-Effekt: Viele Rückenschmerzen lassen sich vermeiden! Der größte Schlaftest im deutschsprachigen Raum hat den Lattoflex-Effekt bewiesen: 94 % aller Testschläfer meldeten nach 4 Wochen auf Lattoflex: • Rückenschmerzen lassen sich oft vermeiden • verbesserter Schlaf die ganze Nacht 265 Frauen und Männer haben Lattoflex 4 Wochen lang getestet. Sie wissen jetzt: Die Zeit der Holzlattenroste und Metallfederkerne aus dem letzten Jahrhundert ist endgültig vorbei. Wenn Sie mehr über Lattoflex und die sensationellen Test-Ergebnisse wissen wollen, schreiben Sie uns oder besuchen Sie uns im Internet unter www.schlafwerk.de Das Rückgrat für Ihr Bett! Abb 1: Lateraler Strang der tiefen Rückenmuskulatur (Erector spinae). 1 = Langmuskel des Rückens (M. Longissimus) 2= Darmbein-Rippenmuskel (M. iliocostalis) Der innere Strang (Abb.2) besteht aus kurzen bis mittellangen, einen großen physiologischen Querschnitt aufweisenden und damit sehr kräftigen Muskelfasern, die entweder entsprechend dem Mastbaumprinzip der Schiffe schräg aufsteigend vom Querfortsatz zum höher gelegenen Dornfortsatz ziehen und dabei mehrere Wirbel überspringen, was vor allem für den in der Lendenregion stark entwickelten vielgefiederten Muskel (M. multifidus) zutrifft (er ist der wichtigste Teil des transversospinalen Systems) oder die von Dornfortsatz zu Dornfortsatz wie u.a. die in der Hals- und DIE SÄULE 4/2011 www.schlafwerk.de COUPON Ich will auch besser schlafen! Schicken Sie mir bitte Informationen über Lattoflex und den Schlaftest! Vorname Nachname Straße, Nr. PLZ, Ort Lattoflex Schlafwerk Postfach 1464 · D-27424 Bremervörde oder schreiben Sie eine E-Mail an: [email protected] 17 die-säule Diese einheitlich erscheinende, vor allem im Lendenteil kräftige bodenständige Eigenmuskulatur des Rückens ist in Wirklichkeit in zwei große Stränge fein gegliedert, die vom Kreuzbein und Darmbeinkamm bis zum Hinterhauptsbein in den vom Skelett gebildeten Rinnen rechts und links der Dornfortsatzreihe der Wirbelsäule liegen, umhüllt im Brust- und Lendengebiet vom vorderen und tiefen Blatt der Lendenrückenbinde (Fascia thoracolumbalis), sodass der „Rückenstrecker“ gewissermaßen in einem osteofibrösen Führungskanal geschützt verläuft. Der äußere Strang setzt sich zusammen aus einem oberflächlich gelegenen äußeren (lateralen) und einem etwas tiefer gelegenen inneren (medialen) Muskelstrang (Abb.1). Ersterer besteht aus dem zwischen den Dorn- und Querfortsätzen der Wirbelsäule liegenden Langmuskel des Rückens (M. longissimus dorsi) mit seinen dachziegelartig übereinander geschobenen Lenden-, Brust-, Halsund Kopfansätzen am Achsenskelett und dem zwischen den Querfortsätzen und Rippen verlaufenden Darmbein-Rippenmuskel (M. iliocostalis) mit einem Lenden-, Brust- und Halsansatz an den Rippen. Leitthema Dynamische Bewegungen stellen hohe Anforderungen an die Wirbelsäule Abb. 2: Medialer Strang der tiefen Rückenmuskulatur (Schema n. Graumann) 1 = Dornfortsat, 2 = Querfortsatz spinales System: 3 = Zwischendornfortsatz-Muskeln (Mm. interspinales) 4 = Dorn-Muskel (M. spinalis) transversospinales System: 5 = Dreh-Muskeln (Mm. rotatores) 6 = vielgeteilter Muskel (M. multifidus) 7 = Halbdorn-Muskel (M. semispinalis) Lendenlordose paarigen Zwischendorn- und Zwischen querfortsatz-Muskeln (Mm. interspinales bzw. intertransversarii) verlaufen (sie sind Teile des inter-spinalen Systems). Funktionell verrichten die Muskeln des äußeren Strangs mit Hilfe ihrer langen Hebelarme vorrangig dynamische Tätigkeiten; so ist der Langmuskel des Rückens durch seine Lage hinter der Wirbelsäule für das Strecken und Seitneigen des Rumpfes verantwortlich. Er reguliert abgestuft und stabilisiert dynamisch als Antagonist der auf den Rumpf wirkenden Schwerkraft fortwährend die Haltung und Feststellung der Wirbelsäule. Er sichert auf Grund seines großen physiologischen Querschnitts als Rücken-Strecker das Tempo und Ausmaß der Rumpf-Beugung! Der Darmbein-Rippenmuskel unterstützt die Rumpf-Streckung und verrichtet mit seinem Ansatz an den Rippen, die er als Hebel benutzt, eine kräftige Seitneigung. 18 Die kurzen bis mittellangen Muskeln des inneren Strangs nehmen dynamische und statische Funktionen wahr. Das transversospinale System (vielgefiederter Muskel, Halbdornmuskel, kurze und lange Drehmuskeln) und das spinale bzw. interspinale System (Dornmuskel, Zwischendornfortsatz-, Zwischenquerfortsatz- und Zwischenbogenmuskeln) veranlassen bei beidseitiger Kontraktion eine Streckung, bei einseitiger Kontraktion eine Rotation und Seitneigung der Wirbelsäule. Sie schaffen damit wichtige Voraussetzungen für die Feinregulierung und Aufrechterhaltung einer ausreichenden aktiven Beweglichkeit benachbarter Wirbel. Ihre Funktion für die Statik besteht – und damit unterstützen sie die Tätigkeit des kurzen, kräftigen und in der Lendenregion hochbelasteten Bandapparates der Wirbelsäule - in einer rechtzeitigen weichen Bremsung von Bewegungen vor Erreichen deren Endstellung sowie in Haltearbeit und Fixation der Wirbelsäule auf dem Becken, vergleichbar mit der Verankerung eines Mastes im Schiffsrumpf, durch unterschiedlich lange Haltetaue (s.u.). Wie kann die tiefe Rückenmuskulatur, die im Ergebnis eines regelmäßigen, kraftbetonten Trainings zur Entwicklung eines bedeutenden „Muskelkorsetts“ für den Rumpf beitragen kann, die vielfältigen Anforderungen an Wirbelsäule und Rumpf – es sind dies unter anderem rumpfaufrichtende und rumpfstabilisierende Bewegungen, druckimpulsartige Vibrations- und Stoßbelastungen, kontinuierliche Körperschwerpunktverlagerungen in sagittaler Ebene durch Dauerdruck und Rückstoßoder Schockabsorptionen vom harten Untergrund – alleine bewältigen? Gibt es unterstützende Partner? Die tiefen langen sowie kurzen Muskelfasern des äußeren und inneren Strangs des Rückenstreckers werden wie bereits erwähnt von einer besonders im lumbalen und sakralen Bereich stark ausgeprägten sehnigen, straff gespannten großen Bindegewebsplatte, der rautenförmigen Lendenrückenbinde (Fascia thoracolumbalis) zu einem Ganzen zusammengefasst. Sie entspringt DIE SÄULE 4/2011 Leitthema Abb. 3: Querschnitt durch den Rumpf in Höhe der unteren Brust- und Lendenregion. Darstellung der Lendenrückenbinde (Fascia thoracolumbalis) mit der Vereinigung ihres oberflächlichen und tiefen Blattes und der strukturellen Verbindungen mit dem queren und inneren Bachmuskel (M. transversus abdominis et M. obliquus abdominis internus) und breiten Rückenmuskel (M. latissimus). 1 = großer Lendenmuskel 2 = viereckiger Lendenmuskel 3 = querer Bauchmuskel 4 = innerer Bauchmuskel 5 = breiter Rückenmuskel 6 = tiefe Rückenmuskulatur 7= oberflächliches Blatt der Lendenrückenbinde 8 = tiefes Blatt der Lendenrückenbinde 9 = Vereinigung beider Blätter (Abb. 3) mit einem oberflächlichen Blatt breitflächig von den Dornfortsätzen der unteren Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule, von den Rippenwinkeln, vom Kreuzbein und vom Darmbeinkamm, während das tiefe Blatt – auch als Aponeurosis lumbalis bezeichnet – von den Querfortsätzen der Lendenwirbelsäule seinen Ursprung nimmt. Beide Faszienblätter vereinigen sich am seitlichen Rand der tiefen Rückenmuskulatur. selt diese dadurch an die Wirbelsäule, sondern sie dient auch gleichzeitig mit ihrem oberflächlichen Blatt zwei oberflächlichen Rückenmuskeln, dem breiten Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) und dem hinteren unteren Sägemuskel (M. serratus posterior inferior), sowie mit ihrem tiefen Blatt dem queren und inneren Bauchmuskel (M. transversus abdominis bzw. M. obliquus abdominis internus) als Ursprung. Lendenrückenbinde mit den in sie einstrahlenden Muskeln spielen für die Regelung und Stabilisierung der Körperhaltung eine sehr wichtige Rolle. Sie hüllt (Abb.4) nicht nur als hintere Begrenzung der osteofibrösen Führungsrinne die tiefe Rückenmuskulatur ein und fes- Gezielte Körperbewegungen erfordern immer das harmonische Zusammenspiel muskulärer Spieler (Agonisten) und Gegenspieler (Antagonisten). Dies bei der Analyse von Bewegungen zu beachten ist wichtig, um über die Kenntniss der Funktion einzelner Muskeln DIE SÄULE 4/2011 19 Leitthema Das harmonische Zusammenspiel der tiefen Rücken- und Bauchmuskeln ermöglicht erst gezielte Körperbewegungen Abb. 4: Schematischer Querschnitt durch den Rücken in Höhe der Lendenregion mit Darstellung der strukturellen Verbindungen von tiefer Rückenmuskulatur und Bauchmuskulatur mit Hilfe des tiefen und oberflächlichen Blattes der Lendenrückenbinde. 1 = vielgeteilter Muskel 2 = Langmuskel und Darmnein-Rippenmuskel 3 = viereckiger Lendenmuskel 4 = großer Lendenmuskel 5 = äußerer, schräger Bauchmuskel 6 = innerer, schräger Bauchmuskel 7 = querer Bauchmuskel 8 = gerader Bauchmuskel 9 = sehniger Streifen der Bauch-Aponeurose 10 = breiter Rückenmuskel 11 = tiefes Blatt der Lendenrückenbinde 12 = oberflächliches Blatt der Lendenrückenbinde und Bänder hinaus die größeren funktionellen Zusammenhänge zu sehen und zu verstehen. Dies gilt auch für die in Abb. 4 dargestellte strukturelle und mögliche funktionelle wechselseitige Zusammenarbeit der tiefen Rückenmuskeln mit der tiefen Bauchmuskulatur, wobei beide Partner teils als Antagonisten, teils als Synergisten regulierend tätig sind. Anschauliche Beispiele dafür sind die Rumpfvorwärts- und -rückwärtsbewegungen, Seitneigungen und Drehungen oder die Schaukelbewegungen des Rumpfes, die erst durch die abwechselnden Kontraktion und Nachgiebigkeit beider Muskelgruppen möglich werden. In dieser Kooperation spielt die tiefe Rückenmuskulatur eine vorrangige Rolle. Ihre Muskelfasern stellen aktive 20 Verspannungszüge dar, die in verschiedenen Höhen mit kurzen und längeren Hebelarmen zu den Quer- und Dornfortsätzen des Achsenskeletts ziehen (Abb. 2). Sie ähneln damit, wie bereits erwähnt, der Verspannung eines Schiffsmastes. Eine noch so einfache Bewegung des Rumpfes, die durch die Kontraktion mindestens einiger Muskelfasern der Verspannungszüge ausgelöst wird, macht die Nach- bzw. Neuregulierung der Körperhaltung durch die tiefen Bauchmuskeln erforderlich. Das bedeutet, dass das funktionelle System der Agonisten und Antagonisten, die Kooperation der tiefen Wirbelsäulenund Bauchmuskeln, immer nur als Ganzes reagiert! Eine Bewegung ist also niemals ein isoliertes Geschehen von Muskeln, Bändern oder Gelenken; sie ist immer Ausdruck einer Gesamtkörperleistung, was durch die Abb. 5, in der es um die funktionell-strukturelle Verbindung des flächenmäßig größten Muskels unseres Bewegungsapparates, des breiten Rückenmuskels (M.latissimus dorsi) mit dem großen Gesäßmuskel (M. glutaeus maximus) zur Sicherung des Körpergleichgewichts geht, verdeutlicht werden soll. Beide Muskeln, die wesentlicher Bestandteil einer Gesamtkörperschlinge sind, kreuzen sich mit ihren Sehnenfasern hinter dem Körperschwerpunkt im Bereich der Lendenrückenbinde. Dadurch entstehen zwei lange, vom Oberarm über den Latissimus, die Fascia thoracolumbalis, den Glutaeus maximus der Gegenseite bis zum Kniegelenk hinabreichende, sich überkreuzende Muskel-Sehnengurte, die mit ihrer Kraft und Dehnungsfähigkeit wie die tiefe Rücken-, Bauch- und Hüftgelenksmuskulatur die Stellung von Wirbelsäule und Becken und damit die Haltung des gesamten Körpers wesentlich beeinflussen. Wir nutzen täglich und vielfältig diese Muskelschlingen u.a. beim Aufstehen und Gehen (vor allem auf unebenen Böden), beim Treppensteigen oder Klettern. DIE SÄULE 4/2011 Leitthema Abb. 5: Zusammenspiel des breiten Rückenmuskels mit dem großen Gesäßmuskel der Gegenseite mit Hilfe der Lendenrückenbinde als „Hüter des Körpergleichgewichts“. 1 = Delta-Muskel (M. deltoideus) 2 = Kappenmuskel (M. trapezius) 3 = breiter Rückenmuskel (M. latissimus dorsi) 4 = Lendenrückenbinde (Fascia Thoracolumbalis) 5 = großer Gesäßmuskel (M. glutaeus maximus) Fazit Die Belastung und Belastbarkeit der Wirbelsäule hängt weitgehend von der Körperhaltung und deren Regulierung und Stabilisierung durch die tiefen Rücken- und Bauchmuskeln ab. Dabei stellt für die Aufrechterhaltung des aktuellen Körpergleichgewichts die Lendenregion und ihre funktionelle Integration in Ganzkörperschlingen einen funktionell besonders bedeutenden Abschnitt des Achsenskeletts dar, was in der praktischen Arbeit, in der Wahl wirksamer, kontrollierbarer Kräftigungsübungen in den Rückenschul-Kursen sowie bei der Verrichtung therapeutischer und rehabilitativer Maßnahmen berücksichtigt werden sollte. DIE SÄULE 4/2011 Abbildungen: Kurt Tittel, Beschreibende und Funktionelle Anatomie des Menschen, Elsevier Verlag Kontakt Univ.-Prof. Dr. med. habil. Dr. h.c. Kurt Tittel Pistorisstr. 55 04229 Leipzig 21