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JAHRESBERICHT
2016
REGIONALSTELLE BERN
Inhalt
3Editorial
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SCHWERPUNKT: TRAUMA UND INTEGRATION
«Jeder zweite Kriegsflüchtling leidet an Traumafolgeerkrankungen»
«Mühe, dem Unterricht zu folgen»
«Wir sind nicht Türken, Kurden, Schweizer – wir sind Menschen»
«Traumatisierungen werden höchstens behutsam thematisiert»
8 NEUE GÄRTEN BERN
Das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören
8 HEKS INFOSCHWEIZ
Schweizer Alltag selbstständig bewältigen
9 HEKS INTEGRATIONSPROGRAMME HIP / DEUTSCH INTENSIV – FRANÇAIS INTENSIF
Verstehen und sprechen – Voraussetzung zur Integration
10 HEKS KICK
Damit der Lehreinstieg gelingt
10 HEKS VISIO
Neu auch für MigrantInnen
11 HEKS COACHING
Erfolgreiches erstes Programmjahr
11 HEKS STELLENNETZ
Teilnehmerzahl deutlich gestiegen
12 HEKS-KAMPAGNE «FARBE BEKENNEN»
«Ein Zeichen für die Menschlichkeit setzen»
14 Jahresrechnung 2016
15Verdankungen
Impressum
Verantwortlich: Ronald Baeriswyl, Leiter Regionalstelle Bern
Rechnung: Daniel Meier, Monika Stern
Redaktion/Gestaltung: komma pr, Rolf Marti, Bern (kommapr.ch)
eigenart, Stefan Schaer, Bern (eigenartlayout.ch)
Bildnachweis: Annette Boutellier; HEKS/Sabine Buri; HEKS Fotoarchiv
Druck: Jost Druck AG, Hünibach (jostdruckag.ch)
Auflage:1600
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Flüchtlinge haben in ihrem Heimatland
und auf der Flucht Schlimmes erlebt.
Krieg, Folter, Gewalt, Diskriminierung.
Viele haben ihre Familie verloren oder vermissen Angehörige. All das kann schwere
psychische Belastungen hervorrufen, welche den Integrationsprozess hemmen.
Wer an posttraumatischen Störungen leidet, ist beispielsweise kaum in der Lage,
eine neue Sprache zu lernen. Das sagt
Carola Smolenski vom Ambulatorium für
Folter- und Kriegsopfer des Roten Kreuzes. Das Interview ist Teil unseres Schwerpunktthemas «Trauma und Integration».
Zum Glück gibt es auch erfreuliche Geschichten. So wie jene von Sahin: Er hat
einen Umgang mit seinem Trauma ge­
funden. Und: Er kann sein Leben in der
Schweiz dank einer festen Anstellung
selbstbestimmt gestalten. Das möchten
die meisten Flüchtlinge. Und unsere Gesellschaft stellt durchaus den Anspruch,
dass sie sich rasch integrieren. Nur: Nicht
alle Flüchtlinge sind aufgrund ihrer Biografie gleichermassen in der Lage dazu.
Wichtig ist, dass wir den Menschen, die
bei uns Schutz suchen, Chancen geben
und Türen öffnen. Genau dies tut HEKS
mit seinen Integrationsprogrammen. Erfahren Sie mehr über unsere Arbeit mit
Flüchtlingen und was HEKS tut, damit Integration gelingt (Seiten 8 und 9).
Der Wirtschaftsmotor brummt, die
Schweiz hat eine tiefe Arbeitslosenquote.
Trotzdem gibt es auch bei uns erwerbs­
lose Menschen. Viele kämpfen mit Mehrfachproblematiken. HEKS unterstützt sie
individuell und ressourcenorientiert auf
ihrem Weg zurück in den Arbeitsmarkt.
Zum Beispiel mit den Programmen «Stel­
lennetz» und «Visio». Zusätzlich haben
wir mit «HEKS Coaching» ein neues Angebot aufgebaut, das bereits im ersten
Jahr stark nachgefragt wurde (Seite 11).
Sehr erfolgreich war «HEKS KICK», das
Brückenangebot für Jugendliche und junge Erwachsene (Seite 10). 72 Prozent der
TeilnehmerInnen verliessen das Programm
mit einem Lehrvertrag in der Tasche – ein
neuer Höchstwert.
HEKS Bern will sein integratives Enga­
gement weiter ausbauen. Deshalb lancieren wir 2017 zwei neue Programme.
• «HEKS@home» ermöglicht Migrantinnen ein Haushaltpraktikum. Familien
oder ältere Paare erhalten Hilfe im Alltag und schenken dafür Begegnung.
Eine Win-win-Situation für Migrantinnen und Gastfamilien.
• Mit «MosaiQ» antworten wir zusammen mit der Stadt Bern auf den Umstand, dass viele gut gebildete MigrantInnen aus Drittstaaten keine Stelle
finden oder Arbeiten ausführen, für
die sie überqualifiziert sind. Durch
Laufbahncoaching wollen wir ihnen
neue Perspektiven eröffnen.
Unterstützen Sie HEKS Bern mit einer
Spende. Helfen Sie mit, dass wir weiterhin
Menschen auf ihrem Weg zu einem
selbstbestimmten und würdigen Leben
unterstützen können. Wir setzen uns mit
vollem Engagement dafür ein, dass Integration gelingt. Herzlichen Dank!
Ronald Baeriswyl
Leiter HEKS-Regionalstelle Bern
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SCHWERPUNKT: TRAUMA UND INTEGRATION
«Jeder zweite Kriegsflüchtling leidet
an Traumafolgeerkrankungen»
Integration setzt voraus, sich auf
die neue Gesellschaft einlassen
zu können. Ein schwieriges
Unterfangen für Flücht­linge,
die an posttraumatischen
Störungen leiden. Im Gespräch:
Carola Smolenski, psychologische Lei­terin des Ambulatoriums
für Folter- und Kriegs­opfer des
Schweizerischen Roten Kreuzes.
Frau Smolenski, was
traumatisiert Menschen?
Smolenski: Traumatisierungen entstehen, wenn Menschen an Leib und Leben
bedroht sind, schwere körperliche Versehrungen befürchten und/oder Todesängste
ausstehen müssen bzw. Zeugen von
schwerer Gewalt und von Tod werden.
Die Betroffenen fühlen sich existenziell
bedroht und den Geschehnissen schutzlos ausgeliefert. Der totale Kontrollverlust.
Typische Ereignisse sind Naturkatastrophen, schwere Unfälle, Gewaltverbrechen,
sexueller Missbrauch, Krieg, Folter.
Was bedeutet eine Traumatisierung
für die Betroffenen?
Smolenski: Es können psychische Störungen auftreten. Die häufigste ist die
posttraumatische Belastungsstörung. Typische Symptome sind: Angstzustände,
Albträume, innere Anspannung, Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit. Auch
Flashbacks gehören dazu: Die Betroffenen erleben die traumatisierende Situa­
tion im Geist wieder und wieder – als
wäre sie real. Häufig sind auch depressive
Störungen und Schmerzerkrankungen.
Führt jede Traumatisierung zu
posttraumatischen Störungen?
Smolenski: Zum Glück nicht. Viele Betroffene finden eine Strategie, die Ereignisse zu verarbeiten. So spricht einiges
dafür, dass Menschen, die aufgrund ihres
politischen Engagements misshandelt
wurden, mehr Ressourcen für die Bewältigung ihrer traumatischen Erfahrungen
4
«Der Integrationserfolg hängt massgeblich von
der psychischen Gesundheit ab», sagt Carola Smolenski.
aktivieren können – unter anderem, weil
sie sich mit dem Risiko auseinandergesetzt haben.
Die Umstände der Traumatisierung
sind also entscheidend?
Smolenski: Ja. Menschen, die «zufällig»
Opfer von Krieg und Gewalt wurden, die
«Typische Symptome sind:
Angstzustände, Albträume,
Konzentrationsstörungen,
Schlaflosigkeit.»
wiederholt oder durch unterschiedliche
Erlebnisse traumatisiert wurden, haben
ein massiv höheres Risiko, an Trauma­
folgeerkrankungen zu leiden. Gleiches
gilt für Menschen, die durch andere
Menschen traumatisiert wurden. Man
­
muss davon ausgehen, dass jeder zweite
Kriegsflüchtling an Traumafolgeerkrankungen leidet.
Wie wirken sich diese auf den
Integrationsprozess aus?
Smolenski: Der Integrationserfolg hängt
massgeblich von der psychischen Ge-
«Mühe,
dem Unterricht
zu folgen»
Von Christin Bölsterli,
Leiterin Integrationskurse
«HEKS infoSchweiz»
sundheit ab. Wer an schweren posttraumatischen Belastungsstörungen und/oder
Depressionen leidet, ist beispielsweise
kaum in der Lage, eine neue Sprache
zu lernen – die Grundvoraussetzung für
Integration.
Ihr Ambulatorium behandelt
pro Jahr rund 250 Folter- und
Kriegsopfer. Wie helfen Sie
den Betroffenen?
Smolenski: Wir bieten eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung
an. Ein Team von PsychotherapeutInnen,
ÄrztInnen und SozialarbeiterInnen ver-
«Darüber reden bedeutet,
daran erinnert zu werden.
Schweigen ist häufig
eine Schutzstrategie.»
sucht, mit den Menschen Wege zu finden, wie sie ihre Symptome reduzieren
und wieder Zukunftsperspektiven entwickeln können. Dabei arbeiten wir eng mit
Hausärzten und medizinischen Fachstellen zusammen. Denn viele Betroffene benötigen sowohl auf psychischer als auch
auf somatischer Ebene Hilfe. Wichtig ist
uns zudem, dass die Alltagssituation dieser Menschen möglichst stabilisiert wird.
Deshalb vernetzen wir uns mit Sozialdiensten, juristischen Fachstellen, Hilfswerken oder Arbeitgebenden.
Wann bezeichnen Sie eine
Therapie als erfolgreich?
Smolenski: Wenn der Leidensdruck abnimmt. Das heisst: weniger Depressionen,
weniger Flashbacks, weniger schlaflose
Nächte, mehr Lebensenergie, neue Lebensziele …
Wieso ist es für die Betroffenen so
schwierig, über ihre traumatischen
Erlebnisse bzw. über ihre post­
traumatischen Störungen zu reden?
Smolenski: Darüber reden bedeutet, daran erinnert zu werden. Schweigen ist
häufig eine Schutzstrategie. Das ist auf
Dauer nicht zielführend, kann zu einer
Abspaltung ins Unterbewusste und zu
körperlichen Symptomen führen. Ein weiterer Grund, das Erlebte zu verschweigen,
ist oft Scham. Selbst im geschützten
­Rahmen einer Therapie braucht es meist
lange, bis sich traumatisierte Menschen
öffnen. Umso schwieriger ist es für sie, in
der Öffentlichkeit über ihre Erlebnisse zu
sprechen.
Gegenüber einem (potenziellen)
Arbeitgeber könnte es aber sinnvoll sein, das Thema anzusprechen,
um möglichen Schwierigkeiten
vorzubeugen.
Smolenski: Es ist sicher besser, den Arbeitgeber zu informieren, sofern sich die
Symptome auf die Arbeitsleistung auswirken. Oft können durch kleine Massnahmen Stolpersteine beseitigt werden.
Bei Konzentrationsproblemen hilft es unter Umständen, den Betroffenen wichtige
Informationen schriftlich abzugeben oder
zu Beginn einen regelmässigen niederschwelligen Austausch zu ermöglichen
bzw. eine Ansprechperson zur Seite zu
stellen.
Wie sollen Betriebe reagieren,
wenn sie bei Mitarbeitenden eine
Traumatisierung vermuten?
Smolenski: Sie sollten ihre Beobachtungen in einem vertrauensvollen Rahmen
ansprechen und nachfragen, was die Situation erleichtern würde. Je nachdem ist
es ratsam, eine Fachstelle beizuziehen.
Gibt es genügend Angebote
für traumatisierte Flüchtlinge –
oder ist die Arbeit Ihres Ambula­
toriums der berühmte Tropfen
auf den heissen Stein?
Smolenski: Steter Tropfen höhlt den
Stein … Aber klar: Es gibt viel zu wenig
Therapieplätze. 2013 fehlten gemäss einer Studie des Bundes 500 Plätze. Heute
dürfte der Mangel aufgrund der vielen
Kriegsflüchtlinge deutlich grösser sein.
www.redcross.ch › Für Sie da ›
Gesundheit/Integration › Ambulatorium
«In jedem Kurs von ‹infoSchweiz› gibt es
TeilnehmerInnen, die an posttraumatischen Störungen leiden. In der Regel verhalten sich die Betroffenen anders als der
Rest der Gruppe. Sie wirken abwesend
und grenzen sich sozial ab; oder sie sind
leicht reizbar und stören den Unterricht.
Gemeinsam ist allen: Sie haben Mühe,
dem Unterricht zu folgen. ‹Mein Kopf ist
voll, es geht nichts hinein›, ist eine häufige Antwort, wenn ich sie auf ihre Konzentrationsschwierigkeiten anspreche.
Als ich vor dreizehn Jahren als Kursleiterin anfing, hatte ich keine Vorstellung,
welchen Einfluss posttraumatische Störungen auf die Aufnahmefähigkeit haben
können. Ich wunderte mich, dass diese
Menschen keine Lernfortschritte machten, obwohl ich das Lerntempo reduzierte
und die Lehrmethoden anpasste. Heute
weiss ich: Sie sind schlicht nicht in der
Lage, sich auf Neues einlassen. Zu gegenwärtig ist das Vergangene. Es bestimmt
ihr Denken.
An uns KursleiterInnen stellt der Umgang mit diesen TeilnehmerInnen hohe
Anforderungen. Wir sind keine SpezialistInnen für posttraumatische Störungen.
Deshalb sprechen wir die Betroffenen
auch nicht auf ihre Erlebnisse an. Dafür
greifen wir das Thema im Unterricht auf
und weisen auf Fachstellen hin, die ihnen
weiterhelfen können.
Trotz Schwierigkeiten und bescheidenem Lernerfolg: Für die meisten Betroffenen ist die Teilnahme an ‹infoSchweiz›
eine Hilfestellung. Der Kurs holt sie aus
der Isolation, stoppt für Momente das Gedankenkarussell, gibt ihnen Tagesstruktur
und ein kleines Stück Normalität.»
SCHWERPUNKT: TRAUMA UND INTEGRATION
«Wir sind nicht Türken, Kurden,
Schweizer – wir sind Menschen»
In der Türkei engagierte er
sich für Menschenrechte. Dafür
wurde er diskriminiert, eingesperrt, gefoltert. Heute lebt er
in Bern und arbeitet in einem
Pflegezentrum. Ihm gehe es gut,
sagt er. Er habe die Ereignisse
verarbeiten können.
«Nennen Sie mich einfach Sahin», sagt
der Mann und lacht – obwohl er eine
traurige Geschichte zu erzählen hat. «Mit
13 wurde ich zum ersten Mal gefoltert.»
Türkei, 1980: Das Militär putscht sich an
die Macht, die Repression gegen die kurdische Bevölkerung nimmt zu. «Ich wurde verhaftet, weil mein Cousin Mitbegründer der PKK war.» Nach einigen Tagen ist Sahin wieder frei. Doch die Zeit in
Polizeigewahrsam bedeutet einen Wendepunkt in seinem Leben. Fortan setzt er
sich für Menschenrechte ein.
n n
Sahin geht nach Istanbul, studiert Betriebswirtschaft. Und er engagiert sich: in
einem Studentenverein, in der Menschenrechtsbewegung. Zu viel für die Universi-
Die Zeit in Polizeigewahrsam bedeutet
einen Wendepunkt
in seinem Leben.
tät: Sie stellt ihn vor die Tür. Zu viel auch
für die Behörden: Sie verhaften ihn erneut. Dieses Mal wird er für neun Monate
festgehalten. Wieder wird er misshandelt – körperlich und psychisch. Trotzdem
hat er so etwas wie Glück: «Viele meiner
Mitstreiter verschwanden spurlos.»
n n
Sahin kämpft weiter für seine Sache. Zwei
weitere Male wird er für mehrere Monate inhaftiert. «Sie wollten mich umerziehen – mit Gewalt.» 2010: Sahin ist wieder
auf freiem Fuss und organisiert eine Menschenrechtskundgebung. Diesmal fällt die
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Strafe drakonisch aus. In Abwesenheit
wird er zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
Sahin taucht unter und organisiert seine
Flucht in die Schweiz.
n n
Drei Monate wartet er auf einen Transport. Schliesslich tritt er in einem plom­
bierten Lastwagen die Reise in die Schweiz
an und stellt einen Asylantrag. Auch hier
kämpft er um seine Menschenwürde. Er
kann vieles nicht verstehen: «Wieso dau-
Die Begleitung älterer Menschen gefällt ihm:
Heute arbeitet Sahin bei der tilia-Stiftung für Langzeitpflege.
«Traumatisierungen
werden höchstens
behutsam thematisiert»
erte es acht Monate, bis ich zum Deutschkurs zugelassen wurde? Wieso durfte ich
während des Asylverfahrens nicht arbeiten?» In der Türkei war Sahin ein Mensch
zweiter Klasse. Während des langen Wartens auf den Asylentscheid steigen ähnliche Gefühle in ihm hoch.
n n
«Ich bin ein Mensch, ich wollte etwas
tun, nicht rumsitzen», sagt Sahin. Er
durchläuft verschiedene Integrationsprogramme, darunter «HEKS Neue Gärten».
Nach drei Jahren erhält er einen positiven
Asylentscheid. Endlich kann er arbeiten.
Er absolviert einen Pflegehelferkurs und
ein Praktikum. Schliesslich erhält er eine
Stelle in einem Pflegezentrum der tiliaStiftung.
n n
Die Arbeit mit älteren Menschen gefällt
ihm. Doch: Wie geht er mit seinen traumatischen Erlebnissen aus der Gefängniszeit um? Hat er Albträume? Kann er un­
beschwert auf Menschen zugehen? Sahin
lacht wieder und erzählt, wie er vor Jahren in verschiedenen Ländern Europas
«Ich bin ein Mensch,
ich wollte etwas
tun, nicht rumsitzen»,
sagt Sahin.
Vorträge über die Menschenrechtssitua­
tion in der Türkei gehalten habe … Er
weicht aus. Nochmals: Wie geht er mit
den traumatischen Erlebnissen um? «Ich
leide nicht darunter. Sie haben mich in
einem gewissen Sinne stärker gemacht.»
Punkt.
n n
Sahin hat seine Geschichte erzählt, ohne
allzu viel über den Umgang mit seinen
traumatischen Erfahrungen preiszugeben. Nicht seine Person – so scheint es –
soll im Zentrum seiner Geschichte stehen,
sondern seine Botschaft. Er formuliert
sie so: «Wir sind nicht Türken, Kurden,
Schweizer – wir sind Menschen.»
Die tilia-Stiftung für Langzeitpflege beschäftigt mehrere
Mitarbeitende, die als Flüchtlinge in die Schweiz kamen –
darunter auch solche, die im Herkunftsland oder auf
der Flucht traumatische Erfahrungen gemacht haben.
Im Arbeitsalltag wirke sich das kaum aus, sagt Urs Peter,
Standortleiter Elfenau.
Sie beschäftigen in Ihrem Unternehmen Mitarbeitende
mit Flüchtlingshintergrund. Warum?
Peter: Weil wir gute Erfahrungen machen. Diese Menschen sind motiviert
und arbeiten zuverlässig. Zudem bringen viele ein anderes Verständnis für
pflege­bedürftige Menschen mit. Dadurch erhalten unsere Pflegeteams neue
Impulse. Mehr noch: Wir betreuen zunehmend auch Menschen
aus fremden Kulturräumen. Da
ist es von Vorteil, dass auch un­
sere Teams international sind.
Wir beschäftigen Menschen aus
49 Nationen.
Eine Win-win-Situation?
Peter: Absolut, beide Seiten profitieren. Zudem entspricht es
unserem Selbstverständnis, Menschen eine Chance zu geben.
Wer sich im Praktikum bewährt,
hat gute Aussichten auf eine feste Anstellung. Danach versuchen
wir, die neuen MitarbeiterInnen
durch berufliche Weiterbildung
zu fördern.
Viele Flüchtlinge erleben im Herkunftsland oder auf der Flucht
traumatisierende Situationen. Das kann sich im Arbeitsalltag
auswirken. Ein Thema im Bewerbungsprozess?
Peter: Traumatisierungen werden im Bewerbungsgespräch nicht oder höchstens behutsam thematisiert. Die Flüchtlingsorganisationen, welche uns die KandidatInnen vermitteln, treffen Vorabklärungen. Liegen traumatische Erfahrungen vor, versuchen wir abzuschätzen, ob die betroffene Person der Arbeitsbelastung gewachsen ist. Im Bewerbungsgespräch stehen aber andere Fragen im
Vordergrund. Beispielsweise, ob religiöse oder kulturelle Prägungen das Ausführen gewisser Arbeiten verunmöglichen.
Haben Sie schon Situationen erlebt, bei denen traumatisierte
Mitarbeitende an Grenzen gestossen sind?
Peter: Ja, das habe ich, aber nicht bei Flüchtlingen. An traumatischen Erfahrungen können auch Menschen leiden, die weder Krieg noch Folter erlebt haben.
Was aber viele Flüchtlinge beschäftigt, ist die Ungewissheit, ob sie in der
Schweiz bleiben dürfen oder nicht. Das kann sich direkt auf die Arbeitsleistung
auswirken.
Wie reagieren Sie in solchen Situationen?
Peter: Wir sprechen das Problem an und versuchen, den Betroffenen den
Rücken zu stärken. Beispielsweise indem wir das Team sensibilisieren. Zudem
haben wir Fachpersonen, an die sich die Betroffenen wenden können.
NEUE GÄRTEN BERN
Das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören
«Neue Gärten Bern» pachtet an
drei Standorten im Kanton Bern
Areale in Familiengärten und
bewirtschaftet diese mit MigrantInnen. Bei der Gartenarbeit
sammeln die TeilnehmerInnen
neue Kräfte und knüpfen viel­
fältige Kontakte.
In Bern, Burgdorf und Biel trafen sich von
März bis November insgesamt 58 Erwachsene aus 13 Ländern zur Gartenarbeit. Sie pflanzten und ernteten Gemüse
und Kräuter für die eigene Küche. Dabei
wurden sie von 18 Freiwilligen unterstützt (1265 Arbeitsstunden). Einmal pro
Woche leitete eine ausgebildete Gartenfachfrau die Gruppen an.
Heilsame Gespräche
Die Gartenarbeit gibt den entwurzelten
Menschen Boden unter die Füsse. Viele
haben in ihrer Heimat und auf der Flucht
Schreckliches erlebt. Ebenso wichtig wie
die Arbeit im Garten und die Bewegung
an der frischen Luft sind die Gespräche
unter den TeilnehmerInnen und mit den
Freiwilligen. Das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, wird als heilsam
empfunden und hilft, psychische Belastungen zu verarbeiten.
Kontakte zu Gartennachbarn knüpfen: Der Austausch über
unbekannte Gemüsesorten führt oft zu tieferen Gesprächen.
Kontakte entstehen auch über den
Gartenzaun hinweg – zu Menschen, die
schon lange in der Schweiz leben oder
hier geboren sind. Durch das gemeinsame Hobby werden Vorbehalte überwunden, der Austausch über unbekannte Gemüsesorten, das Wetter oder die Schneckenplage führt oft zu tieferen Gesprächen. Eine Oase war der Garten auch
für die insgesamt 16 Kinder der Teilneh-
merInnen. Er bot ihnen Raum für Naturbeobachtung, Bewegung und Spiel.
Seit 2012 begleitet «Neue Gärten»
auch MigrantInnen, die nach den Erfahrungen im Gemeinschaftsgarten den
Schritt zum eigenen Garten wagen. MentorInnen unterstützen sie bei der Suche
nach einer Parzelle, beim Einrichten sowie
beim Knüpfen von Kontakten. 2016 wurden 22 Erwachsene begleitet.
HEKS INFOSCHWEIZ
Schweizer Alltag selbstständig bewältigen
«infoSchweiz» macht MigrantInnen fit für das Leben in der
Schweiz. In den Kursen lernen
sie, wo man ein Zugbillett kauft,
wie die Gesundheitsversorgung
funktioniert, welche Werte unser
Land prägen und vieles mehr.
Wer sich in einem fremden Land zurechtfinden soll, braucht alltagspraktisches
Wissen. Wo kaufe ich günstig ein? Wie
löse ich eine Fahrkarte? Wo entsorge ich
meinen Abfall? Sie bzw. er sollte auch Regeln und Normen der neuen Heimat kennen. Wie verhalte ich mich gegenüber
8
Nachbarn? Wie gehe ich mit Behörden
um? Welche Werte prägen das Land? Zudem ist Hintergrundwissen über das Gesundheitswesen, das Bildungssystem, die
Infrastrukturen und das politische System
wichtig.
In den Kursen von «infoSchweiz» können sich MigrantInnen Wissen zu wichtigen Themen aneignen und erhalten Antworten auf ihre Fragen zur neuen Heimat. Sie werden befähigt, ihren Alltag in
der Schweiz selbstständig zu bewältigen.
Grosser Nachfrageüberhang
Das modularisierte Unterrichtskonzept
beinhaltet Basis- und Aufbaukurse. Ein
Grossteil des Wissens wird ausserhalb der
Schulstube vermittelt. Auf Exkursionen
durch Quartiere, zu Freizeit- und Kulturanlagen, zu Fach- und Beratungsstellen
oder zu Ämtern und öffentlichen Einrichtungen wird der Schweizer Alltag erlebbar. Gleichzeitig können die TeilnehmerInnen soziale Kontakte knüpfen.
Der ausgewiesene Nutzen von «infoSchweiz» führt dazu, dass immer mehr
Fachstellen MigrantInnen für die Kurse
anmelden. Seit Längerem besteht daher
ein Nachfrageüberhang. Ende 2016
wurde das Programm deshalb in einem
Workshop mit den zuweisenden und
den weiterführenden Stellen analysiert,
um es auf die künftigen Bedürfnisse auszurichten.
HEKS INTEGRATIONSPROGRAMME HIP / DEUTSCH INTENSIV – FRANÇAIS INTENSIF
Verstehen und sprechen –
Voraussetzung zur Integration
Sprache ist der Schlüssel zur
Integration. Deshalb unterstützt
die HEKS-Regionalstelle Bern
MigrantInnen beim Erlernen
von Deutsch oder Französisch.
Die Nachfrage nach den Kursen
ist 2016 deutlich gestiegen.
Das Verstehen und Sprechen der lokalen
Sprache ist die zentrale Voraussetzung
für eine erfolgreiche gesellschaftliche und
berufliche Integration. Die Menschen, die
in die Schweiz migrieren, bringen allerdings recht unterschiedliche Lebens- und
Bildungsbiografien mit. Deshalb steht am
Anfang der HEKS-Sprachförderung eine
sorgfältige Standortbestimmung. Nur so
können MigrantInnen ihren Voraussetzungen entsprechend gefördert werden.
«Deutsch Intensiv –
Français Intensif»
Das Sprachprogramm «Deutsch Intensiv –
Français Intensif» startet deshalb mit einer umfassenden und individuellen
Sprachstandabklärung. Dabei werden neben den Sprachkompetenzen in der zu
erlernenden Sprache auch der Bildungshintergrund und die persönliche Lebenssituation einer Person eruiert. Erst aufgrund dieses Gesamtbildes werden die
MigrantInnen für ein bestimmtes Kurs­
niveau empfohlen. Der entsprechende
Über Alltagssituationen diskutieren: So verbessern
die KursteilnehmerInnen ihre Deutschkenntnisse.
Kurs kann von HEKS (Deutsch Intensiv –
Français Intensif / HIP) oder einem anderen Anbieter durchgeführt werden.
«Integrationsprogramme HIP»
Das «Integrationsprogramm HIP» bietet
eine breite Palette an Kursen an, die sich
an MigrantInnen mit unterschiedlichen
Sprachkompetenzen und Lernvoraussetzungen richten. Neben Alphabetisierungskursen zählen Basis-, Konversations-, Intensiv- und Mutter-Kind-Kurse
zum Angebot. Im Zentrum des Unterrichts stehen Situationen aus dem Alltag
der MigrantInnen. Die TeilnehmerInnen
erweitern ihre Kompetenzen in den Bereichen Verstehen, Sprechen, Lesen und
Schreiben.
An beiden Programmen nahmen 2016
deutlich mehr MigrantInnen teil als im
Vorjahr (siehe Kasten). Die Angebote
werden kontinuierlich evaluiert und in
Absprache mit den Behörden und den
zuweisenden Stellen weiterentwickelt.
Zahlen und Fakten
infoSchweiz
Deutsch Intensiv – Français Intensif
Integrationsprogramm HIP
2016 hat «infoSchweiz» 12 Kurse für 173
TeilnehmerInnen (73 Frauen, 100 Männer)
durchgeführt. Aufgrund der grossen
Nachfrage hat die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) für
2017 eine Budgeterhöhung bewilligt. Neu
können 22 Kurse durchgeführt werden.
Das bedingt eine personelle Aufstockung.
Zudem soll das Angebot gemäss den Erkenntnissen aus einem Workshop inhaltlich überarbeitet werden. Geprüft wird
auch ein zweiter Standort. Bisher wurden
die Kurse nur in Bern angeboten.
Die Zahl der Sprachstandabklärungen ist
in den letzten Jahren massiv gestiegen.
2016 wurden 809 TeilnehmerInnen (298
Frauen, 511 Männer) abgeklärt. 2014 waren es erst 294 TeilnehmerInnen. Entsprechend musste das Kursleiterteam stark
vergrössert werden. Um Strukturen und
Arbeitsabläufe schlank zu halten, wurden
2016 die Prozesse analysiert und vereinfacht. Mit den Auftraggebern (SRK, Caritas) laufen zurzeit Gespräche, um das
Programm noch besser auf die künftigen
Bedürfnisse auszurichten.
Im vergangenen Jahr haben 526 MigrantInnen (334 Frauen, 192 Männer) an den
«HIP»-Kursen teilgenommen. Erfreulich:
«HIP» hat 2016 vom Bund das «fide-Qualitätslabel» erhalten. «fide» ist ein landesweites Unterrichtskonzept. Es fördert die
Sprachkompetenzen durch alltagsnahen
Unterricht und setzt dabei stark auf Selbstverantwortung. Zudem hat «HIP» die interne Fachkompetenz im Bereich «Alphabetisierung» ausgebaut. Das Resultat sind
neue Ausbildungsinhalte und -formate.
Diese werden 2017 implementiert. 9
HEKS KICK
Damit der Lehreinstieg gelingt
«KICK» bereitet junge Menschen mit erschwerten Start­
bedingungen auf den Einstieg
in eine berufliche Grundbildung
vor. Von den TeilnehmerInnen,
die das Programm 2016 regulär
abschlossen, fanden 72 Prozent
eine Lehrstelle.
Das Brückenangebot «KICK» richtet sich
an Jugendliche und junge Erwachsene
aus der Region Emmental-Oberaargau
und setzt eine Zuweisung durch eine
Behörde voraus. Während maximal zehn
Monaten können sie sich auf den Einstieg
in eine berufliche Grundbildung vorbe­
reiten. «KICK» unterstützt sie dabei. Die
TeilnehmerInnen können Bildungslücken
schliessen und in HEKS-internen Arbeitsbereichen oder bei externen Betrieben
praktische Erfahrung sammeln. Zudem
werden sie während des Bewerbungspro-
zesses individuell gecoacht. Je nach Ausgangslage streben die TeilnehmerInnen
eine berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder
eine etwas weniger anspruchsvolle berufliche Grundbildung mit eidgenössischem
Berufsattest (EBA) an. So oder so: Eine
abgeschlossene Lehre senkt das Risiko
massiv, später auf Sozialhilfe angewiesen
zu sein.
Dienstleistungsberufe im Trend
Noch vor wenigen Jahren bevorzugten
die Jugendlichen handwerkliche Berufe.
Die «KICK»-Werkstätten waren daher für
Holz- und Metallbearbeitung eingerichtet.
Heute sind Berufsfelder wie Logistik und
Detailhandel im Trend. Die Berufswün-
sche haben sich also der allgemeinen Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft
angepasst.
Bei «KICK» haben daher die Schweissanlagen und Hobelbänke weitgehend
Platz gemacht für Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich. Die Jugendlichen bearbeiten interne und externe Projektaufträge, sind hinter der Theke im Pausenraum
tätig, nehmen Gäste in Empfang, orga­
nisieren innerbetriebliche Abläufe oder
kümmern sich um die Raumpflege.
Bei internen Arbeitseinsätzen sowie
bei externen Schnupperlehren und Praktika konkretisieren die TeilnehmerInnen
ihren Berufswunsch. Zudem können sie
Kontakte knüpfen und ihre Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen.
Zahlen und Fakten
Im Berichtsjahr nahmen 122 Jugendliche
an «KICK» teil. 47 schlossen das Programm regulär ab. Davon unterzeichneten
34 (72%) einen Lehrvertrag, 13 fanden
eine andere Anschlusslösung. 29 brachen
das Programm vorzeitig ab, 46 verblieben
über den Jahreswechsel im Programm.
«KICK» arbeitet im Auftrag der Erziehungsdirektion des Kantons Bern.
Computer statt Schweissgerät: Immer mehr «KICK»-TeilnehmerInnen
bereiten sich auf einen Dienstleistungsberuf vor.
HEKS VISIO
Neu auch für MigrantInnen
«Visio» entwickelt mit Langzeiterwerbslosen berufliche
Perspektiven. Erstmals konnten
MigrantInnen ins Programm
aufgenommen werden.
Von «Visio» profitieren langzeiterwerbs­
lose Menschen in den Regionen Emmental-Oberaargau und Berner Oberland. Die
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Zuweisung erfolgt über einen Sozialdienst
oder eine andere Institution. Die TeilnehmerInnen werden individuell gefördert:
durch Coaching und Beratung, einen befristeten Arbeitseinsatz in einem Betrieb
und/oder ein Bewerbungstraining sowie
die Begleitung bei der Stellensuche.
2016 wurden dem Programm erstmals
auch MigrantInnen zugewiesen. Insge-
samt begleitete «Visio» 17 TeilnehmerInnen (Vorjahr 12). 7 traten im Berichtsjahr
aus, 5 von ihnen hatten eine Arbeitsstelle
oder eine Anschlusslösung. Zu ihnen gehörte ein junger Erwachsener, den «HEKS
Visio» in den letzten drei Jahren im Rahmen eines Lehrlingscoachings begleitet
und der seine Lehre im Sommer erfolgreich beendet hat.
HEKS COACHING
Erfolgreiches erstes Programmjahr
Das Anfang 2016 lancierte Programm «HEKS Coaching» unterstützt Stellensuchende dabei,
eine neue berufliche Perspektive
zu entwickeln. Ziel ist die rasche
und nachhaltige Integration in
den ersten Arbeitsmarkt.
Die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt
führt in der Regel über eine bewusste
Auseinandersetzung mit der persönlichen und beruflichen Situation: «Über
welche Ressourcen verfüge ich, wo liegen
meine Stärken, welche Möglichkeiten
habe ich?» An diesen Punkten setzt
«HEKS Coaching» an.
Im Coaching orientieren sich die TeilnehmerInnen unter fachkundiger Begleitung neu. Sie aktivieren ihre Ressourcen,
erkennen Perspektiven, entwickeln neue
Handlungsansätze und können sich so im
Bewerbungsprozess anders positionieren.
«HEKS Coaching» ist eine arbeitsmarktliche Massnahme im Auftrag des Kantons
Bern und wird in Burgdorf und Thun an-
Ressourcen aktivieren, Perspektiven erkennen:
Die Coachs von HEKS helfen dabei.
geboten. Die Teilnahme setzt die Anmeldung bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) voraus.
Im ersten Programmjahr haben die 7
Coachs 422 Personen (228 Frauen, 194
Männer) während durchschnittlich 7 Stun-
den individuell begleitet. Der Nutzen dieser Unterstützung wurde von den TeilnehmerInnen als sehr hoch eingeschätzt
(9.35 von 10 möglichen Punkten). Speziell
geschätzt wurde das praxisbezogene
Vorgehen.
HEKS STELLENNETZ
Teilnehmerzahl deutlich gestiegen
Dank «HEKS Stellennetz» finden Erwerbslose zurück in den
ersten Arbeitsmarkt. 2016 ist
die Zahl der Zuweisungen um
über 20 Prozent gestiegen.
«Stellennetz» unterstützt erwerbslose
Menschen aus den Regionen Emmental-Oberaargau und Berner Oberland bei
der Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt.
Im Zentrum stehen befristete Arbeitseinsätze in privaten Betrieben und öffentlichen Institutionen. Die Stellensuchenden
sammeln dabei wertvolle Praxiserfahrung, erweitern ihre fachlichen Kompetenzen und knüpfen Kontakte in die Arbeitswelt. Parallel dazu erarbeiten sie eine
individuelle Bewerbungsstrategie und
aktualisieren ihr Bewerbungsdossier.
Die HEKS Regionalstelle Bern führt
«Stellennetz» im Auftrag des beco Berner
Wirtschaft. Die Teilnahme am Programm
setzt die Zuweisung durch eine Regionale
Arbeitsvermittlungsstelle (RAV) voraus.
Aufgrund einer Praxisänderung dieser
Stellen stieg die Zahl der Zuweisungen
2016 um rund 20 Prozent an.
Im Berichtsjahr wurden insgesamt 362
TeilnehmerInnen begleitet, 68 mehr als
im Vorjahr. 302 TeilnehmerInnen (Vorjahr
223) verliessen das Programm während
des Jahres. Davon fanden 97 (32%) eine
Stelle, 61 (20%) eine andere Anschlusslösung. 144 TeilnehmerInnen (47%) waren
weiterhin erwerbslos (Vorjahr 52%).
Wertvolle Praxiserfahrung: Im Zentrum von «Stellennetz»
stehen befristete Arbeitseinsätze.
HEKS-KAMPAGNE «FARBE BEKENNEN»
«Ein Zeichen für die
Menschlichkeit setzen»
Angesichts des Flüchtlings­
dramas im Mittelmeer und auf
dem Balkan hat HEKS 2016 die
Kampagne «Farbe bekennen
für eine menschliche Schweiz»
lanciert. Im Mai 2017 startet
die zweite Welle. Was will die
Kampagne? Was hat sie bisher
bewirkt? Wie geht sie weiter?
Im Gespräch: Antoinette Killias,
Bereichsleiterin Inland.
Die Kampagne startete medien­
wirksam. So wurde an einem Turm
des Zürcher Grossmünsters und an
elf weiteren Kirchen in der Schweiz
ein überdimensioniertes Armband
montiert. Kirchen als Werbeträger:
Wie kommt das an?
Killias: Gut. Die Kirchen haben mit dieser
Aktion ein Bekenntnis abgelegt und dazu
aufgerufen, es ihnen gleichzutun. Geht
es um Nächstenliebe oder um Menschenwürde, ist die Kirche nach wie vor eine
wichtige gesellschaftliche Referenz. Die
Riesenarmbänder an den Kirchtürmen
erinnerten weitherum sichtbar an diese
zentralen christlichen Werte – und dies
während Wochen. Das Band hing übrigens auch an einer katholischen Kirche.
Warum und mit welchem Ziel
hat HEKS Schweiz die Kampagne
«Farbe bekennen» lanciert?
Killias: Die erschütternden Medienberichte über Menschen, die 2015 und Anfang 2016 übers Mittelmeer und über die
Balkanroute nach Westeuropa flüchteten,
lösten bei der Schweizer Bevölkerung
unterschiedliche Reaktionen aus. Viele
­
­reagierten solidarisch und engagiert; andere reagierten mit Verunsicherung und
Angst vor mehr Flüchtlingen. In dieser
Situation wollte HEKS ein Zeichen für die
Menschlichkeit setzen. Wir wollten der
offenen und engagierten Zivilgesellschaft
eine Stimme geben und so zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik der Schweiz
beitragen.
Im Zentrum der Kampagne steht
das Menschlichkeitsarmband.
Was symbolisiert es?
Killias: Der Name besagt es: Das Band
steht für eine menschliche Schweiz. Wer
es trägt, setzt ein Zeichen der Solidarität
mit Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Das Band leistet noch mehr:
Es verbindet jene, welche die Vision einer
solidarischen Schweiz teilen. Und es löst
Diskussionen aus – in der Familie, zwischen Freunden, auf der Strasse. Zu guter
Letzt: Das Band generiert Geld für Flüchtlingsprojekte im In- und Ausland. Es kann
zwar gratis bezogen werden, wir empfehlen aber eine Spende von mindestens
5 Franken.
12
Farbe bekennen an Fenstern und Balkonen: Die Flagge
der Kampagne kann ab sofort bestellt werden.
Wie viele Leute haben im letzten
Jahr ein Menschlichkeitsarmband
bestellt?
Killias: Die Aktion dauerte von Anfang
Mai bis Ende Juni 2016. In diesem Zeitraum wurden 46 000 Armbänder bestellt.
Wird die HEKS-Kampagne von
Partnern unterstützt?
Killias: Ja. Mittlerweile zählen wir über
130 Vereine, Organisationen, Kirchgemeinden, Parteien und Firmen zu unseren
Partnern. Und hoffentlich kommen noch
viele dazu.
Zur Kampagne gehören ein Fern­
sehspot, Zeitungsinserate und
Aktivitäten in den sozialen Medien.
Bringt dies die gewünschte Auf­
merksamkeit?
Killias: Durchaus. Mit dem TV-Spot erreichen wir die breite Öffentlichkeit: Über
die Hälfte der Schweizer Bevölkerung hatte den Spot 2016 gesehen. Viele Menschen, auch solche, die bisher nicht im
Flüchtlingsbereich aktiv waren, fühlen sich
von «Farbe bekennen» angesprochen.
Die Kampagne bietet ihnen die Möglichkeit, ihr Mitgefühl, das sie angesichts des
Flüchtlingselends empfinden, zum Ausdruck zu bringen. Nebst vielen positiven
Rückmeldungen erhalten wir aber auch
Hasskommentare. Erschreckend viele
Menschen fühlen sich provoziert. Gerade
solche Reaktionen zeigen, wie wichtig es
ist, mit unserer Botschaft in der öffentlichen Debatte präsent zu sein.
Und die Botschaft? Wird sie von
der Öffentlichkeit und der Politik
verstanden?
Killias: Die Botschaft «Farbe bekennen
für eine menschliche Schweiz» ist vielleicht für die Medien nicht besonders
provokativ – aber die Öffentlichkeit versteht die Botschaft. Sonst hätten nicht so
viele Menschen ein Armband getragen.
Auch in der Politik ist die Botschaft angekommen. Mehrere ParlamentarierInnen
haben sich gemeldet, um Farbe zu beken-
Antoinette Killias,
Bereichsleiterin Inland
nen. Ihnen gibt unsere Kampagne Rückhalt für die politische Arbeit.
Kritisch könnte man einwenden:
Die Kampagne ist ein virtueller Hype.
Wäre es nicht sinnvoller, Kontakte
zwischen Flüchtlingen und der einheimischen Bevölkerung zu fördern
und so Ängste abzubauen?
Killias: Die Kampagne zielt in erster Linie
auf die Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
Sie will die Stimmungslage der Bevölkerung und schliesslich die Politik im Sinne
einer menschlichen Schweiz beeinflussen.
Davon profitieren letztlich jene Menschen, die zu uns flüchten. Doch uns ist
klar: Auch direkte Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen
sind wichtig. Sie bauen Ängste und Vorurteile ab.
Welche Aktivitäten stehen im
Zentrum der Kampagne 2017?
Killias: Wir wollen beim letzten Punkt
anknüpfen – also Begegnungen fördern.
Dazu haben wir eine Plattform lanciert,
auf der interessierte Privatpersonen unkompliziert ein ihnen entsprechendes
Freiwilligenengagement finden. Zudem
organisieren wir zum Flüchtlingstag 2017
in verschiedenen Regionen «Farbe bekennen»-Veranstaltungen. Auch dort soll
der Austausch zwischen Flüchtlingen und
der einheimischen Bevölkerung im Vordergrund stehen.
Und das Menschlichkeitsarmband?
Killias: Das verbindende Element der
Kampagne bleibt das Armband – es ist
dieses Jahr in drei verschiedenen Farben
erhältlich. Zusätzlich gibt es eine «Farbe
bekennen»-Flagge, die am Balkon oder
vor dem Fenster angebracht werden kann.
Wir hoffen, dass die ozeangrüne Menschlichkeitsflagge bis zum Weltflüchtlingstag
am 20. Juni zahlreiche Häuserfassaden
ziert und unsere Solidaritätsbotschaft auf
die Strassen trägt.
Jetzt mitmachen!
Farbe bekennen: Tragen Sie das Men­
schlichkeitsarmband, bekennen Sie sich
zu Solidarität mit Menschen auf der
Flucht. Erhältlich in den Farben Purpur,
Ozean oder Gold. Flagge zeigen: Hängen Sie die Menschlichkeitsflagge (Format
68 x 47,5 cm) bis zum Weltflüchtlingstag
am 20. Juni gut sichtbar unter Ihr Fenster
oder an Ihren Balkon. Armband / Flagge
bestellen: www.farbe-bekennen.jetzt
Sich engagieren: Durch einfache Formen der Alltagsbegleitung können Sie für
Flüchtlinge eine wichtige Unterstützung
leisten. Auf www.engagiert.jetzt finden Sie Projekte für und mit Flüchtlingen
in Ihrer Umgebung. Freiwillige HelferInnen sind gesucht!
13
Jahresrechnung 2016
Aufwand*
20162015
HEKS KICK
HEKS Integrationsprogramme HIP
Deutsch Intensiv – Français Intensif
HEKS Stellennetz – Arbeitsvermittlung für Stellensuchende
start@work / Lehrbetriebsverbund
Neue Gärten Bern
HEKS infoSchweiz
HEKS Visio
HEKS Lehrstelle+
HEKS Coaching
HEKS@home
HEKS MosaiQ Bern
Beitrag an Rechtsberatungsstelle
Diverse Projekte
1 426 859
843 526
406 301
1 461 018
23 263
148 301
433 252
32 827
1
377 280
8 006
16 400
0
1 230
1 516 820
559 756
433 597
1 524 222
71 795
100 294
404 437
50 215
7 139
36 894
0
0
5 000
1 250
Total Aufwand
5 178 266
4 711 419
Ertrag
20162015
Projektspenden und -beiträge von Privaten, Stiftungen, Legate
62 894
Projektbeiträge von Kirchen
90 860
Projektbeiträge von Mitträgern und anderen Organisationen
445 344
Projektbeiträge von Bund, Kantonen, Gemeinden
1 470 209
Projekterträge aus:
HEKS KICK
1 455 518
HEKS Integrationsprogramme HIP
227 199
Deutsch Intensiv – Français Intensif
3 452
HEKS Stellennetz – Arbeitsvermittlung für Stellensuchende
1 483 019
13 860
start@work / Lehrbetriebsverbund
Neue Gärten Bern
5 259
HEKS infoSchweiz
0
47 767
HEKS Visio
185 400
Allgemeine HEKS-Mittel
1 507 086
157 409
0
1 487 056
43 530
5 389
14 016
48 610
212 409
Total Erträge
5 490 781
4 787 679
312 516
76 260
Fondszunahme (+) / -abnahme (-)
54 024
92 696
340 351
825 104
* Die Kosten der Projektbegleitung und Grundlagenarbeit sind in den Projektaufwänden enthalten.
Diese Zahlen sind Teil der HEKS-Jahresrechnung, die von der KPMG geprüft wurde.
Zahlen ohne Verwaltungskostenentschädigung.
14
Herzlichen
Dank!
Team Bern Bürenpark. Vorne v.l.: Christin Bölsterli, Therese Käppeli,
Ronald Baeriswyl. Hinten v.l.: Dorothea Leimeroth, Katrin Schmidt,
Prisca Schweizer, Susanna Schär, Sinah Siegfried, Therese Quaile,
Rita Guerrero, Frank Wünsche, Sabrina Hendry, Santi Guerrero.
Nicht auf dem Bild: Marianne Reinhard.
Team Burgdorf «KICK». Vorne v.l.: Erich Zbinden, Dimitri Hadorn,
Angela Ziegler. Mitte v.l.: Elian Portmann, Ursula Lang, Monika Minder,
Marlies Hirschi, Amanda Hänni, Barbara Maurer. Hinten v.l.: Yasmine
Moser, Ginard Willi, Regina Brand, Bruno Bühlmann. Nicht auf dem Bild:
Monika Schüpbach, Nadine Grädel.
Viele Hundert TeilnehmerInnen konnten
2016 von den Programmen der HEKS-Regionalstelle Bern profitieren. Möglich wurde dies
dank breiter Unterstützung und dank der
wertvollen Zusammenarbeit mit zahlreichen
Menschen und Organisa­tionen.
Unser spezieller Dank geht an die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, an private SpenderInnen, an Kirchgemeinden und
politische Gemeinden, an verschiedene Di­
rek­tionen des Kantons Bern, an die mitfinanzierenden Bundesämter sowie an verschiedene Stiftungen, insbesondere an die Otto Erich
Heynau-Stiftung, die Ernst Göhner Stiftung
und die Ferster-Stiftung.
Unser Dank gebührt auch den verschie­
denen Gartenvereinen, Partnerhilfswerken
sowie den zahlreichen Betrieben, die bei
den Arbeits­integrationsmassnahmen tatkräftig mithelfen.
Damit HEKS Bern weiterhin möglichst vielen sozial benachteiligten Menschen eine
Perspektive bieten kann, sind wir auch im
laufenden Jahr auf Ihre finanzielle und ideelle
Unterstützung angewiesen.
HEKS-Spendenkonto:
PC 80-1115-1, Vermerk «zugunsten
Regionalstelle Bern 303530»
Mit speziellem Dank an:
Team Burgdorf «Stellennetz», «Visio» und «Coaching».
V.l.: Elisabeth Güdel, Martin Niederhauser, Alice Tillmann, Anita Schneuwly,
Jacqueline Wyss, Martina Guler, Rufije Rushiti, Franziska Schäppi, Lorenzo Wirz,
Andrea Christen, Brigitte Lobsiger, Michèle Pauli. Nicht auf dem Bild: einige
BeraterInnen, Coachs und Mitarbeitende der Administration (11 Personen).
HILFSWERK DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ
Regionalstelle
Bern
Bürenstrasse 12
3007 Bern
Tel. 031 385 18 40
[email protected]
www.heks.ch
PC 80-1115-1, Vermerk «zugunsten
Regionalstelle Bern 303530»
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