JAHRESBERICHT 2016 REGIONALSTELLE BERN Inhalt 3Editorial 4 5 6 7 SCHWERPUNKT: TRAUMA UND INTEGRATION «Jeder zweite Kriegsflüchtling leidet an Traumafolgeerkrankungen» «Mühe, dem Unterricht zu folgen» «Wir sind nicht Türken, Kurden, Schweizer – wir sind Menschen» «Traumatisierungen werden höchstens behutsam thematisiert» 8 NEUE GÄRTEN BERN Das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören 8 HEKS INFOSCHWEIZ Schweizer Alltag selbstständig bewältigen 9 HEKS INTEGRATIONSPROGRAMME HIP / DEUTSCH INTENSIV – FRANÇAIS INTENSIF Verstehen und sprechen – Voraussetzung zur Integration 10 HEKS KICK Damit der Lehreinstieg gelingt 10 HEKS VISIO Neu auch für MigrantInnen 11 HEKS COACHING Erfolgreiches erstes Programmjahr 11 HEKS STELLENNETZ Teilnehmerzahl deutlich gestiegen 12 HEKS-KAMPAGNE «FARBE BEKENNEN» «Ein Zeichen für die Menschlichkeit setzen» 14 Jahresrechnung 2016 15Verdankungen Impressum Verantwortlich: Ronald Baeriswyl, Leiter Regionalstelle Bern Rechnung: Daniel Meier, Monika Stern Redaktion/Gestaltung: komma pr, Rolf Marti, Bern (kommapr.ch) eigenart, Stefan Schaer, Bern (eigenartlayout.ch) Bildnachweis: Annette Boutellier; HEKS/Sabine Buri; HEKS Fotoarchiv Druck: Jost Druck AG, Hünibach (jostdruckag.ch) Auflage:1600 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser Flüchtlinge haben in ihrem Heimatland und auf der Flucht Schlimmes erlebt. Krieg, Folter, Gewalt, Diskriminierung. Viele haben ihre Familie verloren oder vermissen Angehörige. All das kann schwere psychische Belastungen hervorrufen, welche den Integrationsprozess hemmen. Wer an posttraumatischen Störungen leidet, ist beispielsweise kaum in der Lage, eine neue Sprache zu lernen. Das sagt Carola Smolenski vom Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer des Roten Kreuzes. Das Interview ist Teil unseres Schwerpunktthemas «Trauma und Integration». Zum Glück gibt es auch erfreuliche Geschichten. So wie jene von Sahin: Er hat einen Umgang mit seinem Trauma ge­ funden. Und: Er kann sein Leben in der Schweiz dank einer festen Anstellung selbstbestimmt gestalten. Das möchten die meisten Flüchtlinge. Und unsere Gesellschaft stellt durchaus den Anspruch, dass sie sich rasch integrieren. Nur: Nicht alle Flüchtlinge sind aufgrund ihrer Biografie gleichermassen in der Lage dazu. Wichtig ist, dass wir den Menschen, die bei uns Schutz suchen, Chancen geben und Türen öffnen. Genau dies tut HEKS mit seinen Integrationsprogrammen. Erfahren Sie mehr über unsere Arbeit mit Flüchtlingen und was HEKS tut, damit Integration gelingt (Seiten 8 und 9). Der Wirtschaftsmotor brummt, die Schweiz hat eine tiefe Arbeitslosenquote. Trotzdem gibt es auch bei uns erwerbs­ lose Menschen. Viele kämpfen mit Mehrfachproblematiken. HEKS unterstützt sie individuell und ressourcenorientiert auf ihrem Weg zurück in den Arbeitsmarkt. Zum Beispiel mit den Programmen «Stel­ lennetz» und «Visio». Zusätzlich haben wir mit «HEKS Coaching» ein neues Angebot aufgebaut, das bereits im ersten Jahr stark nachgefragt wurde (Seite 11). Sehr erfolgreich war «HEKS KICK», das Brückenangebot für Jugendliche und junge Erwachsene (Seite 10). 72 Prozent der TeilnehmerInnen verliessen das Programm mit einem Lehrvertrag in der Tasche – ein neuer Höchstwert. HEKS Bern will sein integratives Enga­ gement weiter ausbauen. Deshalb lancieren wir 2017 zwei neue Programme. • «HEKS@home» ermöglicht Migrantinnen ein Haushaltpraktikum. Familien oder ältere Paare erhalten Hilfe im Alltag und schenken dafür Begegnung. Eine Win-win-Situation für Migrantinnen und Gastfamilien. • Mit «MosaiQ» antworten wir zusammen mit der Stadt Bern auf den Umstand, dass viele gut gebildete MigrantInnen aus Drittstaaten keine Stelle finden oder Arbeiten ausführen, für die sie überqualifiziert sind. Durch Laufbahncoaching wollen wir ihnen neue Perspektiven eröffnen. Unterstützen Sie HEKS Bern mit einer Spende. Helfen Sie mit, dass wir weiterhin Menschen auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten und würdigen Leben unterstützen können. Wir setzen uns mit vollem Engagement dafür ein, dass Integration gelingt. Herzlichen Dank! Ronald Baeriswyl Leiter HEKS-Regionalstelle Bern 3 SCHWERPUNKT: TRAUMA UND INTEGRATION «Jeder zweite Kriegsflüchtling leidet an Traumafolgeerkrankungen» Integration setzt voraus, sich auf die neue Gesellschaft einlassen zu können. Ein schwieriges Unterfangen für Flücht­linge, die an posttraumatischen Störungen leiden. Im Gespräch: Carola Smolenski, psychologische Lei­terin des Ambulatoriums für Folter- und Kriegs­opfer des Schweizerischen Roten Kreuzes. Frau Smolenski, was traumatisiert Menschen? Smolenski: Traumatisierungen entstehen, wenn Menschen an Leib und Leben bedroht sind, schwere körperliche Versehrungen befürchten und/oder Todesängste ausstehen müssen bzw. Zeugen von schwerer Gewalt und von Tod werden. Die Betroffenen fühlen sich existenziell bedroht und den Geschehnissen schutzlos ausgeliefert. Der totale Kontrollverlust. Typische Ereignisse sind Naturkatastrophen, schwere Unfälle, Gewaltverbrechen, sexueller Missbrauch, Krieg, Folter. Was bedeutet eine Traumatisierung für die Betroffenen? Smolenski: Es können psychische Störungen auftreten. Die häufigste ist die posttraumatische Belastungsstörung. Typische Symptome sind: Angstzustände, Albträume, innere Anspannung, Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit. Auch Flashbacks gehören dazu: Die Betroffenen erleben die traumatisierende Situa­ tion im Geist wieder und wieder – als wäre sie real. Häufig sind auch depressive Störungen und Schmerzerkrankungen. Führt jede Traumatisierung zu posttraumatischen Störungen? Smolenski: Zum Glück nicht. Viele Betroffene finden eine Strategie, die Ereignisse zu verarbeiten. So spricht einiges dafür, dass Menschen, die aufgrund ihres politischen Engagements misshandelt wurden, mehr Ressourcen für die Bewältigung ihrer traumatischen Erfahrungen 4 «Der Integrationserfolg hängt massgeblich von der psychischen Gesundheit ab», sagt Carola Smolenski. aktivieren können – unter anderem, weil sie sich mit dem Risiko auseinandergesetzt haben. Die Umstände der Traumatisierung sind also entscheidend? Smolenski: Ja. Menschen, die «zufällig» Opfer von Krieg und Gewalt wurden, die «Typische Symptome sind: Angstzustände, Albträume, Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit.» wiederholt oder durch unterschiedliche Erlebnisse traumatisiert wurden, haben ein massiv höheres Risiko, an Trauma­ folgeerkrankungen zu leiden. Gleiches gilt für Menschen, die durch andere Menschen traumatisiert wurden. Man ­ muss davon ausgehen, dass jeder zweite Kriegsflüchtling an Traumafolgeerkrankungen leidet. Wie wirken sich diese auf den Integrationsprozess aus? Smolenski: Der Integrationserfolg hängt massgeblich von der psychischen Ge- «Mühe, dem Unterricht zu folgen» Von Christin Bölsterli, Leiterin Integrationskurse «HEKS infoSchweiz» sundheit ab. Wer an schweren posttraumatischen Belastungsstörungen und/oder Depressionen leidet, ist beispielsweise kaum in der Lage, eine neue Sprache zu lernen – die Grundvoraussetzung für Integration. Ihr Ambulatorium behandelt pro Jahr rund 250 Folter- und Kriegsopfer. Wie helfen Sie den Betroffenen? Smolenski: Wir bieten eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung an. Ein Team von PsychotherapeutInnen, ÄrztInnen und SozialarbeiterInnen ver- «Darüber reden bedeutet, daran erinnert zu werden. Schweigen ist häufig eine Schutzstrategie.» sucht, mit den Menschen Wege zu finden, wie sie ihre Symptome reduzieren und wieder Zukunftsperspektiven entwickeln können. Dabei arbeiten wir eng mit Hausärzten und medizinischen Fachstellen zusammen. Denn viele Betroffene benötigen sowohl auf psychischer als auch auf somatischer Ebene Hilfe. Wichtig ist uns zudem, dass die Alltagssituation dieser Menschen möglichst stabilisiert wird. Deshalb vernetzen wir uns mit Sozialdiensten, juristischen Fachstellen, Hilfswerken oder Arbeitgebenden. Wann bezeichnen Sie eine Therapie als erfolgreich? Smolenski: Wenn der Leidensdruck abnimmt. Das heisst: weniger Depressionen, weniger Flashbacks, weniger schlaflose Nächte, mehr Lebensenergie, neue Lebensziele … Wieso ist es für die Betroffenen so schwierig, über ihre traumatischen Erlebnisse bzw. über ihre post­ traumatischen Störungen zu reden? Smolenski: Darüber reden bedeutet, daran erinnert zu werden. Schweigen ist häufig eine Schutzstrategie. Das ist auf Dauer nicht zielführend, kann zu einer Abspaltung ins Unterbewusste und zu körperlichen Symptomen führen. Ein weiterer Grund, das Erlebte zu verschweigen, ist oft Scham. Selbst im geschützten ­Rahmen einer Therapie braucht es meist lange, bis sich traumatisierte Menschen öffnen. Umso schwieriger ist es für sie, in der Öffentlichkeit über ihre Erlebnisse zu sprechen. Gegenüber einem (potenziellen) Arbeitgeber könnte es aber sinnvoll sein, das Thema anzusprechen, um möglichen Schwierigkeiten vorzubeugen. Smolenski: Es ist sicher besser, den Arbeitgeber zu informieren, sofern sich die Symptome auf die Arbeitsleistung auswirken. Oft können durch kleine Massnahmen Stolpersteine beseitigt werden. Bei Konzentrationsproblemen hilft es unter Umständen, den Betroffenen wichtige Informationen schriftlich abzugeben oder zu Beginn einen regelmässigen niederschwelligen Austausch zu ermöglichen bzw. eine Ansprechperson zur Seite zu stellen. Wie sollen Betriebe reagieren, wenn sie bei Mitarbeitenden eine Traumatisierung vermuten? Smolenski: Sie sollten ihre Beobachtungen in einem vertrauensvollen Rahmen ansprechen und nachfragen, was die Situation erleichtern würde. Je nachdem ist es ratsam, eine Fachstelle beizuziehen. Gibt es genügend Angebote für traumatisierte Flüchtlinge – oder ist die Arbeit Ihres Ambula­ toriums der berühmte Tropfen auf den heissen Stein? Smolenski: Steter Tropfen höhlt den Stein … Aber klar: Es gibt viel zu wenig Therapieplätze. 2013 fehlten gemäss einer Studie des Bundes 500 Plätze. Heute dürfte der Mangel aufgrund der vielen Kriegsflüchtlinge deutlich grösser sein. www.redcross.ch › Für Sie da › Gesundheit/Integration › Ambulatorium «In jedem Kurs von ‹infoSchweiz› gibt es TeilnehmerInnen, die an posttraumatischen Störungen leiden. In der Regel verhalten sich die Betroffenen anders als der Rest der Gruppe. Sie wirken abwesend und grenzen sich sozial ab; oder sie sind leicht reizbar und stören den Unterricht. Gemeinsam ist allen: Sie haben Mühe, dem Unterricht zu folgen. ‹Mein Kopf ist voll, es geht nichts hinein›, ist eine häufige Antwort, wenn ich sie auf ihre Konzentrationsschwierigkeiten anspreche. Als ich vor dreizehn Jahren als Kursleiterin anfing, hatte ich keine Vorstellung, welchen Einfluss posttraumatische Störungen auf die Aufnahmefähigkeit haben können. Ich wunderte mich, dass diese Menschen keine Lernfortschritte machten, obwohl ich das Lerntempo reduzierte und die Lehrmethoden anpasste. Heute weiss ich: Sie sind schlicht nicht in der Lage, sich auf Neues einlassen. Zu gegenwärtig ist das Vergangene. Es bestimmt ihr Denken. An uns KursleiterInnen stellt der Umgang mit diesen TeilnehmerInnen hohe Anforderungen. Wir sind keine SpezialistInnen für posttraumatische Störungen. Deshalb sprechen wir die Betroffenen auch nicht auf ihre Erlebnisse an. Dafür greifen wir das Thema im Unterricht auf und weisen auf Fachstellen hin, die ihnen weiterhelfen können. Trotz Schwierigkeiten und bescheidenem Lernerfolg: Für die meisten Betroffenen ist die Teilnahme an ‹infoSchweiz› eine Hilfestellung. Der Kurs holt sie aus der Isolation, stoppt für Momente das Gedankenkarussell, gibt ihnen Tagesstruktur und ein kleines Stück Normalität.» SCHWERPUNKT: TRAUMA UND INTEGRATION «Wir sind nicht Türken, Kurden, Schweizer – wir sind Menschen» In der Türkei engagierte er sich für Menschenrechte. Dafür wurde er diskriminiert, eingesperrt, gefoltert. Heute lebt er in Bern und arbeitet in einem Pflegezentrum. Ihm gehe es gut, sagt er. Er habe die Ereignisse verarbeiten können. «Nennen Sie mich einfach Sahin», sagt der Mann und lacht – obwohl er eine traurige Geschichte zu erzählen hat. «Mit 13 wurde ich zum ersten Mal gefoltert.» Türkei, 1980: Das Militär putscht sich an die Macht, die Repression gegen die kurdische Bevölkerung nimmt zu. «Ich wurde verhaftet, weil mein Cousin Mitbegründer der PKK war.» Nach einigen Tagen ist Sahin wieder frei. Doch die Zeit in Polizeigewahrsam bedeutet einen Wendepunkt in seinem Leben. Fortan setzt er sich für Menschenrechte ein. n n Sahin geht nach Istanbul, studiert Betriebswirtschaft. Und er engagiert sich: in einem Studentenverein, in der Menschenrechtsbewegung. Zu viel für die Universi- Die Zeit in Polizeigewahrsam bedeutet einen Wendepunkt in seinem Leben. tät: Sie stellt ihn vor die Tür. Zu viel auch für die Behörden: Sie verhaften ihn erneut. Dieses Mal wird er für neun Monate festgehalten. Wieder wird er misshandelt – körperlich und psychisch. Trotzdem hat er so etwas wie Glück: «Viele meiner Mitstreiter verschwanden spurlos.» n n Sahin kämpft weiter für seine Sache. Zwei weitere Male wird er für mehrere Monate inhaftiert. «Sie wollten mich umerziehen – mit Gewalt.» 2010: Sahin ist wieder auf freiem Fuss und organisiert eine Menschenrechtskundgebung. Diesmal fällt die 6 Strafe drakonisch aus. In Abwesenheit wird er zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Sahin taucht unter und organisiert seine Flucht in die Schweiz. n n Drei Monate wartet er auf einen Transport. Schliesslich tritt er in einem plom­ bierten Lastwagen die Reise in die Schweiz an und stellt einen Asylantrag. Auch hier kämpft er um seine Menschenwürde. Er kann vieles nicht verstehen: «Wieso dau- Die Begleitung älterer Menschen gefällt ihm: Heute arbeitet Sahin bei der tilia-Stiftung für Langzeitpflege. «Traumatisierungen werden höchstens behutsam thematisiert» erte es acht Monate, bis ich zum Deutschkurs zugelassen wurde? Wieso durfte ich während des Asylverfahrens nicht arbeiten?» In der Türkei war Sahin ein Mensch zweiter Klasse. Während des langen Wartens auf den Asylentscheid steigen ähnliche Gefühle in ihm hoch. n n «Ich bin ein Mensch, ich wollte etwas tun, nicht rumsitzen», sagt Sahin. Er durchläuft verschiedene Integrationsprogramme, darunter «HEKS Neue Gärten». Nach drei Jahren erhält er einen positiven Asylentscheid. Endlich kann er arbeiten. Er absolviert einen Pflegehelferkurs und ein Praktikum. Schliesslich erhält er eine Stelle in einem Pflegezentrum der tiliaStiftung. n n Die Arbeit mit älteren Menschen gefällt ihm. Doch: Wie geht er mit seinen traumatischen Erlebnissen aus der Gefängniszeit um? Hat er Albträume? Kann er un­ beschwert auf Menschen zugehen? Sahin lacht wieder und erzählt, wie er vor Jahren in verschiedenen Ländern Europas «Ich bin ein Mensch, ich wollte etwas tun, nicht rumsitzen», sagt Sahin. Vorträge über die Menschenrechtssitua­ tion in der Türkei gehalten habe … Er weicht aus. Nochmals: Wie geht er mit den traumatischen Erlebnissen um? «Ich leide nicht darunter. Sie haben mich in einem gewissen Sinne stärker gemacht.» Punkt. n n Sahin hat seine Geschichte erzählt, ohne allzu viel über den Umgang mit seinen traumatischen Erfahrungen preiszugeben. Nicht seine Person – so scheint es – soll im Zentrum seiner Geschichte stehen, sondern seine Botschaft. Er formuliert sie so: «Wir sind nicht Türken, Kurden, Schweizer – wir sind Menschen.» Die tilia-Stiftung für Langzeitpflege beschäftigt mehrere Mitarbeitende, die als Flüchtlinge in die Schweiz kamen – darunter auch solche, die im Herkunftsland oder auf der Flucht traumatische Erfahrungen gemacht haben. Im Arbeitsalltag wirke sich das kaum aus, sagt Urs Peter, Standortleiter Elfenau. Sie beschäftigen in Ihrem Unternehmen Mitarbeitende mit Flüchtlingshintergrund. Warum? Peter: Weil wir gute Erfahrungen machen. Diese Menschen sind motiviert und arbeiten zuverlässig. Zudem bringen viele ein anderes Verständnis für pflege­bedürftige Menschen mit. Dadurch erhalten unsere Pflegeteams neue Impulse. Mehr noch: Wir betreuen zunehmend auch Menschen aus fremden Kulturräumen. Da ist es von Vorteil, dass auch un­ sere Teams international sind. Wir beschäftigen Menschen aus 49 Nationen. Eine Win-win-Situation? Peter: Absolut, beide Seiten profitieren. Zudem entspricht es unserem Selbstverständnis, Menschen eine Chance zu geben. Wer sich im Praktikum bewährt, hat gute Aussichten auf eine feste Anstellung. Danach versuchen wir, die neuen MitarbeiterInnen durch berufliche Weiterbildung zu fördern. Viele Flüchtlinge erleben im Herkunftsland oder auf der Flucht traumatisierende Situationen. Das kann sich im Arbeitsalltag auswirken. Ein Thema im Bewerbungsprozess? Peter: Traumatisierungen werden im Bewerbungsgespräch nicht oder höchstens behutsam thematisiert. Die Flüchtlingsorganisationen, welche uns die KandidatInnen vermitteln, treffen Vorabklärungen. Liegen traumatische Erfahrungen vor, versuchen wir abzuschätzen, ob die betroffene Person der Arbeitsbelastung gewachsen ist. Im Bewerbungsgespräch stehen aber andere Fragen im Vordergrund. Beispielsweise, ob religiöse oder kulturelle Prägungen das Ausführen gewisser Arbeiten verunmöglichen. Haben Sie schon Situationen erlebt, bei denen traumatisierte Mitarbeitende an Grenzen gestossen sind? Peter: Ja, das habe ich, aber nicht bei Flüchtlingen. An traumatischen Erfahrungen können auch Menschen leiden, die weder Krieg noch Folter erlebt haben. Was aber viele Flüchtlinge beschäftigt, ist die Ungewissheit, ob sie in der Schweiz bleiben dürfen oder nicht. Das kann sich direkt auf die Arbeitsleistung auswirken. Wie reagieren Sie in solchen Situationen? Peter: Wir sprechen das Problem an und versuchen, den Betroffenen den Rücken zu stärken. Beispielsweise indem wir das Team sensibilisieren. Zudem haben wir Fachpersonen, an die sich die Betroffenen wenden können. NEUE GÄRTEN BERN Das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören «Neue Gärten Bern» pachtet an drei Standorten im Kanton Bern Areale in Familiengärten und bewirtschaftet diese mit MigrantInnen. Bei der Gartenarbeit sammeln die TeilnehmerInnen neue Kräfte und knüpfen viel­ fältige Kontakte. In Bern, Burgdorf und Biel trafen sich von März bis November insgesamt 58 Erwachsene aus 13 Ländern zur Gartenarbeit. Sie pflanzten und ernteten Gemüse und Kräuter für die eigene Küche. Dabei wurden sie von 18 Freiwilligen unterstützt (1265 Arbeitsstunden). Einmal pro Woche leitete eine ausgebildete Gartenfachfrau die Gruppen an. Heilsame Gespräche Die Gartenarbeit gibt den entwurzelten Menschen Boden unter die Füsse. Viele haben in ihrer Heimat und auf der Flucht Schreckliches erlebt. Ebenso wichtig wie die Arbeit im Garten und die Bewegung an der frischen Luft sind die Gespräche unter den TeilnehmerInnen und mit den Freiwilligen. Das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören, wird als heilsam empfunden und hilft, psychische Belastungen zu verarbeiten. Kontakte zu Gartennachbarn knüpfen: Der Austausch über unbekannte Gemüsesorten führt oft zu tieferen Gesprächen. Kontakte entstehen auch über den Gartenzaun hinweg – zu Menschen, die schon lange in der Schweiz leben oder hier geboren sind. Durch das gemeinsame Hobby werden Vorbehalte überwunden, der Austausch über unbekannte Gemüsesorten, das Wetter oder die Schneckenplage führt oft zu tieferen Gesprächen. Eine Oase war der Garten auch für die insgesamt 16 Kinder der Teilneh- merInnen. Er bot ihnen Raum für Naturbeobachtung, Bewegung und Spiel. Seit 2012 begleitet «Neue Gärten» auch MigrantInnen, die nach den Erfahrungen im Gemeinschaftsgarten den Schritt zum eigenen Garten wagen. MentorInnen unterstützen sie bei der Suche nach einer Parzelle, beim Einrichten sowie beim Knüpfen von Kontakten. 2016 wurden 22 Erwachsene begleitet. HEKS INFOSCHWEIZ Schweizer Alltag selbstständig bewältigen «infoSchweiz» macht MigrantInnen fit für das Leben in der Schweiz. In den Kursen lernen sie, wo man ein Zugbillett kauft, wie die Gesundheitsversorgung funktioniert, welche Werte unser Land prägen und vieles mehr. Wer sich in einem fremden Land zurechtfinden soll, braucht alltagspraktisches Wissen. Wo kaufe ich günstig ein? Wie löse ich eine Fahrkarte? Wo entsorge ich meinen Abfall? Sie bzw. er sollte auch Regeln und Normen der neuen Heimat kennen. Wie verhalte ich mich gegenüber 8 Nachbarn? Wie gehe ich mit Behörden um? Welche Werte prägen das Land? Zudem ist Hintergrundwissen über das Gesundheitswesen, das Bildungssystem, die Infrastrukturen und das politische System wichtig. In den Kursen von «infoSchweiz» können sich MigrantInnen Wissen zu wichtigen Themen aneignen und erhalten Antworten auf ihre Fragen zur neuen Heimat. Sie werden befähigt, ihren Alltag in der Schweiz selbstständig zu bewältigen. Grosser Nachfrageüberhang Das modularisierte Unterrichtskonzept beinhaltet Basis- und Aufbaukurse. Ein Grossteil des Wissens wird ausserhalb der Schulstube vermittelt. Auf Exkursionen durch Quartiere, zu Freizeit- und Kulturanlagen, zu Fach- und Beratungsstellen oder zu Ämtern und öffentlichen Einrichtungen wird der Schweizer Alltag erlebbar. Gleichzeitig können die TeilnehmerInnen soziale Kontakte knüpfen. Der ausgewiesene Nutzen von «infoSchweiz» führt dazu, dass immer mehr Fachstellen MigrantInnen für die Kurse anmelden. Seit Längerem besteht daher ein Nachfrageüberhang. Ende 2016 wurde das Programm deshalb in einem Workshop mit den zuweisenden und den weiterführenden Stellen analysiert, um es auf die künftigen Bedürfnisse auszurichten. HEKS INTEGRATIONSPROGRAMME HIP / DEUTSCH INTENSIV – FRANÇAIS INTENSIF Verstehen und sprechen – Voraussetzung zur Integration Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Deshalb unterstützt die HEKS-Regionalstelle Bern MigrantInnen beim Erlernen von Deutsch oder Französisch. Die Nachfrage nach den Kursen ist 2016 deutlich gestiegen. Das Verstehen und Sprechen der lokalen Sprache ist die zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche gesellschaftliche und berufliche Integration. Die Menschen, die in die Schweiz migrieren, bringen allerdings recht unterschiedliche Lebens- und Bildungsbiografien mit. Deshalb steht am Anfang der HEKS-Sprachförderung eine sorgfältige Standortbestimmung. Nur so können MigrantInnen ihren Voraussetzungen entsprechend gefördert werden. «Deutsch Intensiv – Français Intensif» Das Sprachprogramm «Deutsch Intensiv – Français Intensif» startet deshalb mit einer umfassenden und individuellen Sprachstandabklärung. Dabei werden neben den Sprachkompetenzen in der zu erlernenden Sprache auch der Bildungshintergrund und die persönliche Lebenssituation einer Person eruiert. Erst aufgrund dieses Gesamtbildes werden die MigrantInnen für ein bestimmtes Kurs­ niveau empfohlen. Der entsprechende Über Alltagssituationen diskutieren: So verbessern die KursteilnehmerInnen ihre Deutschkenntnisse. Kurs kann von HEKS (Deutsch Intensiv – Français Intensif / HIP) oder einem anderen Anbieter durchgeführt werden. «Integrationsprogramme HIP» Das «Integrationsprogramm HIP» bietet eine breite Palette an Kursen an, die sich an MigrantInnen mit unterschiedlichen Sprachkompetenzen und Lernvoraussetzungen richten. Neben Alphabetisierungskursen zählen Basis-, Konversations-, Intensiv- und Mutter-Kind-Kurse zum Angebot. Im Zentrum des Unterrichts stehen Situationen aus dem Alltag der MigrantInnen. Die TeilnehmerInnen erweitern ihre Kompetenzen in den Bereichen Verstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben. An beiden Programmen nahmen 2016 deutlich mehr MigrantInnen teil als im Vorjahr (siehe Kasten). Die Angebote werden kontinuierlich evaluiert und in Absprache mit den Behörden und den zuweisenden Stellen weiterentwickelt. Zahlen und Fakten infoSchweiz Deutsch Intensiv – Français Intensif Integrationsprogramm HIP 2016 hat «infoSchweiz» 12 Kurse für 173 TeilnehmerInnen (73 Frauen, 100 Männer) durchgeführt. Aufgrund der grossen Nachfrage hat die Gesundheits- und Fürsorgedirektion des Kantons Bern (GEF) für 2017 eine Budgeterhöhung bewilligt. Neu können 22 Kurse durchgeführt werden. Das bedingt eine personelle Aufstockung. Zudem soll das Angebot gemäss den Erkenntnissen aus einem Workshop inhaltlich überarbeitet werden. Geprüft wird auch ein zweiter Standort. Bisher wurden die Kurse nur in Bern angeboten. Die Zahl der Sprachstandabklärungen ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. 2016 wurden 809 TeilnehmerInnen (298 Frauen, 511 Männer) abgeklärt. 2014 waren es erst 294 TeilnehmerInnen. Entsprechend musste das Kursleiterteam stark vergrössert werden. Um Strukturen und Arbeitsabläufe schlank zu halten, wurden 2016 die Prozesse analysiert und vereinfacht. Mit den Auftraggebern (SRK, Caritas) laufen zurzeit Gespräche, um das Programm noch besser auf die künftigen Bedürfnisse auszurichten. Im vergangenen Jahr haben 526 MigrantInnen (334 Frauen, 192 Männer) an den «HIP»-Kursen teilgenommen. Erfreulich: «HIP» hat 2016 vom Bund das «fide-Qualitätslabel» erhalten. «fide» ist ein landesweites Unterrichtskonzept. Es fördert die Sprachkompetenzen durch alltagsnahen Unterricht und setzt dabei stark auf Selbstverantwortung. Zudem hat «HIP» die interne Fachkompetenz im Bereich «Alphabetisierung» ausgebaut. Das Resultat sind neue Ausbildungsinhalte und -formate. Diese werden 2017 implementiert. 9 HEKS KICK Damit der Lehreinstieg gelingt «KICK» bereitet junge Menschen mit erschwerten Start­ bedingungen auf den Einstieg in eine berufliche Grundbildung vor. Von den TeilnehmerInnen, die das Programm 2016 regulär abschlossen, fanden 72 Prozent eine Lehrstelle. Das Brückenangebot «KICK» richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene aus der Region Emmental-Oberaargau und setzt eine Zuweisung durch eine Behörde voraus. Während maximal zehn Monaten können sie sich auf den Einstieg in eine berufliche Grundbildung vorbe­ reiten. «KICK» unterstützt sie dabei. Die TeilnehmerInnen können Bildungslücken schliessen und in HEKS-internen Arbeitsbereichen oder bei externen Betrieben praktische Erfahrung sammeln. Zudem werden sie während des Bewerbungspro- zesses individuell gecoacht. Je nach Ausgangslage streben die TeilnehmerInnen eine berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) oder eine etwas weniger anspruchsvolle berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA) an. So oder so: Eine abgeschlossene Lehre senkt das Risiko massiv, später auf Sozialhilfe angewiesen zu sein. Dienstleistungsberufe im Trend Noch vor wenigen Jahren bevorzugten die Jugendlichen handwerkliche Berufe. Die «KICK»-Werkstätten waren daher für Holz- und Metallbearbeitung eingerichtet. Heute sind Berufsfelder wie Logistik und Detailhandel im Trend. Die Berufswün- sche haben sich also der allgemeinen Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft angepasst. Bei «KICK» haben daher die Schweissanlagen und Hobelbänke weitgehend Platz gemacht für Tätigkeiten im Dienstleistungsbereich. Die Jugendlichen bearbeiten interne und externe Projektaufträge, sind hinter der Theke im Pausenraum tätig, nehmen Gäste in Empfang, orga­ nisieren innerbetriebliche Abläufe oder kümmern sich um die Raumpflege. Bei internen Arbeitseinsätzen sowie bei externen Schnupperlehren und Praktika konkretisieren die TeilnehmerInnen ihren Berufswunsch. Zudem können sie Kontakte knüpfen und ihre Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen. Zahlen und Fakten Im Berichtsjahr nahmen 122 Jugendliche an «KICK» teil. 47 schlossen das Programm regulär ab. Davon unterzeichneten 34 (72%) einen Lehrvertrag, 13 fanden eine andere Anschlusslösung. 29 brachen das Programm vorzeitig ab, 46 verblieben über den Jahreswechsel im Programm. «KICK» arbeitet im Auftrag der Erziehungsdirektion des Kantons Bern. Computer statt Schweissgerät: Immer mehr «KICK»-TeilnehmerInnen bereiten sich auf einen Dienstleistungsberuf vor. HEKS VISIO Neu auch für MigrantInnen «Visio» entwickelt mit Langzeiterwerbslosen berufliche Perspektiven. Erstmals konnten MigrantInnen ins Programm aufgenommen werden. Von «Visio» profitieren langzeiterwerbs­ lose Menschen in den Regionen Emmental-Oberaargau und Berner Oberland. Die 10 Zuweisung erfolgt über einen Sozialdienst oder eine andere Institution. Die TeilnehmerInnen werden individuell gefördert: durch Coaching und Beratung, einen befristeten Arbeitseinsatz in einem Betrieb und/oder ein Bewerbungstraining sowie die Begleitung bei der Stellensuche. 2016 wurden dem Programm erstmals auch MigrantInnen zugewiesen. Insge- samt begleitete «Visio» 17 TeilnehmerInnen (Vorjahr 12). 7 traten im Berichtsjahr aus, 5 von ihnen hatten eine Arbeitsstelle oder eine Anschlusslösung. Zu ihnen gehörte ein junger Erwachsener, den «HEKS Visio» in den letzten drei Jahren im Rahmen eines Lehrlingscoachings begleitet und der seine Lehre im Sommer erfolgreich beendet hat. HEKS COACHING Erfolgreiches erstes Programmjahr Das Anfang 2016 lancierte Programm «HEKS Coaching» unterstützt Stellensuchende dabei, eine neue berufliche Perspektive zu entwickeln. Ziel ist die rasche und nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Die Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt führt in der Regel über eine bewusste Auseinandersetzung mit der persönlichen und beruflichen Situation: «Über welche Ressourcen verfüge ich, wo liegen meine Stärken, welche Möglichkeiten habe ich?» An diesen Punkten setzt «HEKS Coaching» an. Im Coaching orientieren sich die TeilnehmerInnen unter fachkundiger Begleitung neu. Sie aktivieren ihre Ressourcen, erkennen Perspektiven, entwickeln neue Handlungsansätze und können sich so im Bewerbungsprozess anders positionieren. «HEKS Coaching» ist eine arbeitsmarktliche Massnahme im Auftrag des Kantons Bern und wird in Burgdorf und Thun an- Ressourcen aktivieren, Perspektiven erkennen: Die Coachs von HEKS helfen dabei. geboten. Die Teilnahme setzt die Anmeldung bei einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) voraus. Im ersten Programmjahr haben die 7 Coachs 422 Personen (228 Frauen, 194 Männer) während durchschnittlich 7 Stun- den individuell begleitet. Der Nutzen dieser Unterstützung wurde von den TeilnehmerInnen als sehr hoch eingeschätzt (9.35 von 10 möglichen Punkten). Speziell geschätzt wurde das praxisbezogene Vorgehen. HEKS STELLENNETZ Teilnehmerzahl deutlich gestiegen Dank «HEKS Stellennetz» finden Erwerbslose zurück in den ersten Arbeitsmarkt. 2016 ist die Zahl der Zuweisungen um über 20 Prozent gestiegen. «Stellennetz» unterstützt erwerbslose Menschen aus den Regionen Emmental-Oberaargau und Berner Oberland bei der Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt. Im Zentrum stehen befristete Arbeitseinsätze in privaten Betrieben und öffentlichen Institutionen. Die Stellensuchenden sammeln dabei wertvolle Praxiserfahrung, erweitern ihre fachlichen Kompetenzen und knüpfen Kontakte in die Arbeitswelt. Parallel dazu erarbeiten sie eine individuelle Bewerbungsstrategie und aktualisieren ihr Bewerbungsdossier. Die HEKS Regionalstelle Bern führt «Stellennetz» im Auftrag des beco Berner Wirtschaft. Die Teilnahme am Programm setzt die Zuweisung durch eine Regionale Arbeitsvermittlungsstelle (RAV) voraus. Aufgrund einer Praxisänderung dieser Stellen stieg die Zahl der Zuweisungen 2016 um rund 20 Prozent an. Im Berichtsjahr wurden insgesamt 362 TeilnehmerInnen begleitet, 68 mehr als im Vorjahr. 302 TeilnehmerInnen (Vorjahr 223) verliessen das Programm während des Jahres. Davon fanden 97 (32%) eine Stelle, 61 (20%) eine andere Anschlusslösung. 144 TeilnehmerInnen (47%) waren weiterhin erwerbslos (Vorjahr 52%). Wertvolle Praxiserfahrung: Im Zentrum von «Stellennetz» stehen befristete Arbeitseinsätze. HEKS-KAMPAGNE «FARBE BEKENNEN» «Ein Zeichen für die Menschlichkeit setzen» Angesichts des Flüchtlings­ dramas im Mittelmeer und auf dem Balkan hat HEKS 2016 die Kampagne «Farbe bekennen für eine menschliche Schweiz» lanciert. Im Mai 2017 startet die zweite Welle. Was will die Kampagne? Was hat sie bisher bewirkt? Wie geht sie weiter? Im Gespräch: Antoinette Killias, Bereichsleiterin Inland. Die Kampagne startete medien­ wirksam. So wurde an einem Turm des Zürcher Grossmünsters und an elf weiteren Kirchen in der Schweiz ein überdimensioniertes Armband montiert. Kirchen als Werbeträger: Wie kommt das an? Killias: Gut. Die Kirchen haben mit dieser Aktion ein Bekenntnis abgelegt und dazu aufgerufen, es ihnen gleichzutun. Geht es um Nächstenliebe oder um Menschenwürde, ist die Kirche nach wie vor eine wichtige gesellschaftliche Referenz. Die Riesenarmbänder an den Kirchtürmen erinnerten weitherum sichtbar an diese zentralen christlichen Werte – und dies während Wochen. Das Band hing übrigens auch an einer katholischen Kirche. Warum und mit welchem Ziel hat HEKS Schweiz die Kampagne «Farbe bekennen» lanciert? Killias: Die erschütternden Medienberichte über Menschen, die 2015 und Anfang 2016 übers Mittelmeer und über die Balkanroute nach Westeuropa flüchteten, lösten bei der Schweizer Bevölkerung unterschiedliche Reaktionen aus. Viele ­ ­reagierten solidarisch und engagiert; andere reagierten mit Verunsicherung und Angst vor mehr Flüchtlingen. In dieser Situation wollte HEKS ein Zeichen für die Menschlichkeit setzen. Wir wollten der offenen und engagierten Zivilgesellschaft eine Stimme geben und so zu einer solidarischen Flüchtlingspolitik der Schweiz beitragen. Im Zentrum der Kampagne steht das Menschlichkeitsarmband. Was symbolisiert es? Killias: Der Name besagt es: Das Band steht für eine menschliche Schweiz. Wer es trägt, setzt ein Zeichen der Solidarität mit Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Das Band leistet noch mehr: Es verbindet jene, welche die Vision einer solidarischen Schweiz teilen. Und es löst Diskussionen aus – in der Familie, zwischen Freunden, auf der Strasse. Zu guter Letzt: Das Band generiert Geld für Flüchtlingsprojekte im In- und Ausland. Es kann zwar gratis bezogen werden, wir empfehlen aber eine Spende von mindestens 5 Franken. 12 Farbe bekennen an Fenstern und Balkonen: Die Flagge der Kampagne kann ab sofort bestellt werden. Wie viele Leute haben im letzten Jahr ein Menschlichkeitsarmband bestellt? Killias: Die Aktion dauerte von Anfang Mai bis Ende Juni 2016. In diesem Zeitraum wurden 46 000 Armbänder bestellt. Wird die HEKS-Kampagne von Partnern unterstützt? Killias: Ja. Mittlerweile zählen wir über 130 Vereine, Organisationen, Kirchgemeinden, Parteien und Firmen zu unseren Partnern. Und hoffentlich kommen noch viele dazu. Zur Kampagne gehören ein Fern­ sehspot, Zeitungsinserate und Aktivitäten in den sozialen Medien. Bringt dies die gewünschte Auf­ merksamkeit? Killias: Durchaus. Mit dem TV-Spot erreichen wir die breite Öffentlichkeit: Über die Hälfte der Schweizer Bevölkerung hatte den Spot 2016 gesehen. Viele Menschen, auch solche, die bisher nicht im Flüchtlingsbereich aktiv waren, fühlen sich von «Farbe bekennen» angesprochen. Die Kampagne bietet ihnen die Möglichkeit, ihr Mitgefühl, das sie angesichts des Flüchtlingselends empfinden, zum Ausdruck zu bringen. Nebst vielen positiven Rückmeldungen erhalten wir aber auch Hasskommentare. Erschreckend viele Menschen fühlen sich provoziert. Gerade solche Reaktionen zeigen, wie wichtig es ist, mit unserer Botschaft in der öffentlichen Debatte präsent zu sein. Und die Botschaft? Wird sie von der Öffentlichkeit und der Politik verstanden? Killias: Die Botschaft «Farbe bekennen für eine menschliche Schweiz» ist vielleicht für die Medien nicht besonders provokativ – aber die Öffentlichkeit versteht die Botschaft. Sonst hätten nicht so viele Menschen ein Armband getragen. Auch in der Politik ist die Botschaft angekommen. Mehrere ParlamentarierInnen haben sich gemeldet, um Farbe zu beken- Antoinette Killias, Bereichsleiterin Inland nen. Ihnen gibt unsere Kampagne Rückhalt für die politische Arbeit. Kritisch könnte man einwenden: Die Kampagne ist ein virtueller Hype. Wäre es nicht sinnvoller, Kontakte zwischen Flüchtlingen und der einheimischen Bevölkerung zu fördern und so Ängste abzubauen? Killias: Die Kampagne zielt in erster Linie auf die Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Sie will die Stimmungslage der Bevölkerung und schliesslich die Politik im Sinne einer menschlichen Schweiz beeinflussen. Davon profitieren letztlich jene Menschen, die zu uns flüchten. Doch uns ist klar: Auch direkte Begegnungen zwischen Flüchtlingen und Einheimischen sind wichtig. Sie bauen Ängste und Vorurteile ab. Welche Aktivitäten stehen im Zentrum der Kampagne 2017? Killias: Wir wollen beim letzten Punkt anknüpfen – also Begegnungen fördern. Dazu haben wir eine Plattform lanciert, auf der interessierte Privatpersonen unkompliziert ein ihnen entsprechendes Freiwilligenengagement finden. Zudem organisieren wir zum Flüchtlingstag 2017 in verschiedenen Regionen «Farbe bekennen»-Veranstaltungen. Auch dort soll der Austausch zwischen Flüchtlingen und der einheimischen Bevölkerung im Vordergrund stehen. Und das Menschlichkeitsarmband? Killias: Das verbindende Element der Kampagne bleibt das Armband – es ist dieses Jahr in drei verschiedenen Farben erhältlich. Zusätzlich gibt es eine «Farbe bekennen»-Flagge, die am Balkon oder vor dem Fenster angebracht werden kann. Wir hoffen, dass die ozeangrüne Menschlichkeitsflagge bis zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni zahlreiche Häuserfassaden ziert und unsere Solidaritätsbotschaft auf die Strassen trägt. Jetzt mitmachen! Farbe bekennen: Tragen Sie das Men­ schlichkeitsarmband, bekennen Sie sich zu Solidarität mit Menschen auf der Flucht. Erhältlich in den Farben Purpur, Ozean oder Gold. Flagge zeigen: Hängen Sie die Menschlichkeitsflagge (Format 68 x 47,5 cm) bis zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni gut sichtbar unter Ihr Fenster oder an Ihren Balkon. Armband / Flagge bestellen: www.farbe-bekennen.jetzt Sich engagieren: Durch einfache Formen der Alltagsbegleitung können Sie für Flüchtlinge eine wichtige Unterstützung leisten. Auf www.engagiert.jetzt finden Sie Projekte für und mit Flüchtlingen in Ihrer Umgebung. Freiwillige HelferInnen sind gesucht! 13 Jahresrechnung 2016 Aufwand* 20162015 HEKS KICK HEKS Integrationsprogramme HIP Deutsch Intensiv – Français Intensif HEKS Stellennetz – Arbeitsvermittlung für Stellensuchende start@work / Lehrbetriebsverbund Neue Gärten Bern HEKS infoSchweiz HEKS Visio HEKS Lehrstelle+ HEKS Coaching HEKS@home HEKS MosaiQ Bern Beitrag an Rechtsberatungsstelle Diverse Projekte 1 426 859 843 526 406 301 1 461 018 23 263 148 301 433 252 32 827 1 377 280 8 006 16 400 0 1 230 1 516 820 559 756 433 597 1 524 222 71 795 100 294 404 437 50 215 7 139 36 894 0 0 5 000 1 250 Total Aufwand 5 178 266 4 711 419 Ertrag 20162015 Projektspenden und -beiträge von Privaten, Stiftungen, Legate 62 894 Projektbeiträge von Kirchen 90 860 Projektbeiträge von Mitträgern und anderen Organisationen 445 344 Projektbeiträge von Bund, Kantonen, Gemeinden 1 470 209 Projekterträge aus: HEKS KICK 1 455 518 HEKS Integrationsprogramme HIP 227 199 Deutsch Intensiv – Français Intensif 3 452 HEKS Stellennetz – Arbeitsvermittlung für Stellensuchende 1 483 019 13 860 start@work / Lehrbetriebsverbund Neue Gärten Bern 5 259 HEKS infoSchweiz 0 47 767 HEKS Visio 185 400 Allgemeine HEKS-Mittel 1 507 086 157 409 0 1 487 056 43 530 5 389 14 016 48 610 212 409 Total Erträge 5 490 781 4 787 679 312 516 76 260 Fondszunahme (+) / -abnahme (-) 54 024 92 696 340 351 825 104 * Die Kosten der Projektbegleitung und Grundlagenarbeit sind in den Projektaufwänden enthalten. Diese Zahlen sind Teil der HEKS-Jahresrechnung, die von der KPMG geprüft wurde. Zahlen ohne Verwaltungskostenentschädigung. 14 Herzlichen Dank! Team Bern Bürenpark. Vorne v.l.: Christin Bölsterli, Therese Käppeli, Ronald Baeriswyl. Hinten v.l.: Dorothea Leimeroth, Katrin Schmidt, Prisca Schweizer, Susanna Schär, Sinah Siegfried, Therese Quaile, Rita Guerrero, Frank Wünsche, Sabrina Hendry, Santi Guerrero. Nicht auf dem Bild: Marianne Reinhard. Team Burgdorf «KICK». Vorne v.l.: Erich Zbinden, Dimitri Hadorn, Angela Ziegler. Mitte v.l.: Elian Portmann, Ursula Lang, Monika Minder, Marlies Hirschi, Amanda Hänni, Barbara Maurer. Hinten v.l.: Yasmine Moser, Ginard Willi, Regina Brand, Bruno Bühlmann. Nicht auf dem Bild: Monika Schüpbach, Nadine Grädel. Viele Hundert TeilnehmerInnen konnten 2016 von den Programmen der HEKS-Regionalstelle Bern profitieren. Möglich wurde dies dank breiter Unterstützung und dank der wertvollen Zusammenarbeit mit zahlreichen Menschen und Organisa­tionen. Unser spezieller Dank geht an die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, an private SpenderInnen, an Kirchgemeinden und politische Gemeinden, an verschiedene Di­ rek­tionen des Kantons Bern, an die mitfinanzierenden Bundesämter sowie an verschiedene Stiftungen, insbesondere an die Otto Erich Heynau-Stiftung, die Ernst Göhner Stiftung und die Ferster-Stiftung. Unser Dank gebührt auch den verschie­ denen Gartenvereinen, Partnerhilfswerken sowie den zahlreichen Betrieben, die bei den Arbeits­integrationsmassnahmen tatkräftig mithelfen. Damit HEKS Bern weiterhin möglichst vielen sozial benachteiligten Menschen eine Perspektive bieten kann, sind wir auch im laufenden Jahr auf Ihre finanzielle und ideelle Unterstützung angewiesen. HEKS-Spendenkonto: PC 80-1115-1, Vermerk «zugunsten Regionalstelle Bern 303530» Mit speziellem Dank an: Team Burgdorf «Stellennetz», «Visio» und «Coaching». V.l.: Elisabeth Güdel, Martin Niederhauser, Alice Tillmann, Anita Schneuwly, Jacqueline Wyss, Martina Guler, Rufije Rushiti, Franziska Schäppi, Lorenzo Wirz, Andrea Christen, Brigitte Lobsiger, Michèle Pauli. Nicht auf dem Bild: einige BeraterInnen, Coachs und Mitarbeitende der Administration (11 Personen). HILFSWERK DER EVANGELISCHEN KIRCHEN SCHWEIZ Regionalstelle Bern Bürenstrasse 12 3007 Bern Tel. 031 385 18 40 [email protected] www.heks.ch PC 80-1115-1, Vermerk «zugunsten Regionalstelle Bern 303530»