Economic Research Allianz Group and Dresdner Bank

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Economic Research
Allianz Group
Dresdner Bank
Working Paper
Nr.: 49, 25. Juli 2005
Autor:
Werner Heß
_________________________________________________________________
Krankenhäuser im Spannungsfeld zwischen
Reformdruck und Finanznot
In Deutschland beanspruchen Krankenhäuser von den Gesundheitsausgaben der gesetzlichen
Krankenkassen den mit Abstand größten Anteil in Höhe von 35 %, der zudem im langjährigen
Trend kräftig gestiegen ist (siehe Tabelle 1). Mit Blick auf die künftig noch zunehmende Kapitalintensität von Krankenhausleistungen und die hohen Personalkosten der Kliniken ist es dringend
geboten, für gesetzliche Rahmenbedingungen zu sorgen, die den Krankenhäusern Anreize für
effizienteres Wirtschaften bieten. Bereits in den vergangenen Jahren war unter dem Druck notwendiger Reformen ein Prozess der Konsolidierung im Krankenhaussektor zu beobachten. Die nun
mit der Einführung von Fallpauschalen eingeleiteten Änderungen stellen allerdings die bisherigen
Maßnahmen zur Kostendämpfung weit in den Schatten und erfordern von Krankenhäusern eine
grundlegende Neuausrichtung.
Tabelle 1
Ausgabenanteile der Gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland
1970
1980
1990
2000
2005 1)
Krankenhausbehandlung
25,2
29,6
33,2
35,0
35,3
Apotheken, Arznei-, Hilfs- und Heilmittel
20,5
20,0
22,8
21,2
22,1
Ärztliche Behandlung
22,9
17,9
18,2
17,7
15,8
Zahnärztliche Behandlung, Zahnersatz
10,7
15,0
9,7
8,9
7,1
Sonstige Ausgaben
20,7
17,5
16,1
17,2
19,7
1) 1. Quartal.
Quellen: Sachverständigenrat für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, BMGS, eigene Berechnungen.
1
Wie funktioniert das neue Vergütungssystem für Krankenhäuser? Zu welchen Veränderungen von
Angebots- und Ablaufstrukturen im Krankenhaussektor führt der damit einhergehende Rationalisierungsdruck? Lässt sich das dafür erforderliche Investitionskapital weiterhin durch die Privatisierung
öffentlicher Krankenhäuser mobilisieren oder durchkreuzt das Bundeskartellamt die Expansionsstrategie privater Klinikbetreiber? Das vorliegende Working Paper versucht, auf diese Fragen eine
Antwort zu geben.
Krankenhausplanung aus den Fugen geraten
Um die Probleme der Krankenhäuser besser zu verstehen, ist es hilfreich, sich zunächst die
Grundzüge der Krankenhausplanung vor Augen zu führen. Zuständig dafür sind die Bundesländer,
die laut Verfassung eine ausreichende und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung der Bevölkerung sicherstellen müssen. Einbezogen in die Planung sind alle Trägertypen (Grundsatz der Trägervielfalt), also die öffentlichen Krankenhäuser im Besitz einer Kommune oder eines Bundeslandes (Universitätskliniken), die freigemeinnützigen Häuser in Händen von Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden und die von privaten Firmen geführten Kliniken (siehe auch Tabelle 2). Grundidee ist
eine hierarchische Versorgungsstruktur, in der Krankenhäuser drei Ebenen zugeordnet sind. Die
Grund- und Regelversorgung umfasst die wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung in Krankenhäusern mit etwa 250 Betten. Die nächst höhere Ebene der Zentralversorgung stellt über die
Grundversorgung hinaus spezielle Leistungen bereit. Krankenhäuser in dieser Kategorie haben
etwa 700 Betten und versorgen rund eine halbe Million Menschen. Die höchste Ebene der sogenannten Maximalversorgung deckt das gesamte Spektrum an Krankenhausleistungen ab. Typischerweise gehören hierzu Universitätskliniken, aber auch einige große kommunale Krankenhäuser erreichen die Versorgungsspitze.
Tabelle 2
Stationäre Versorgung in Deutschland
Veränderung in %
1991
2003
2003/1991
2003/2002
Zahl der Krankenhäuser
2.411
2.197
-8,9
-1,1
davon:
öffentliche
freigemeinnützige
private
1.110
943
358
796
856
545
-28,3
-9,2
52,2
-2,6
-2,4
3,4
665.565
541.901
-18,6
-1,0
14.557
17.296
18,8
-0,8
Bettenzahl
Fallzahl (in 1.000)
Belegungstage (in 1.000)
204.204
153.518
-34,8
-4,0
Durchschnittl. Verweildauer (in Tagen)
14,0
8,9
-36,4
-3,3
Durchschnittl. Bettenauslastung (in %)
84,1
77,6
-7,7
-3,1
Quellen: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen.
2
Die Krankenhauspläne der Bundesländer, in die alle bedarfsgerechten Krankenhäuser aufzunehmen sind, weisen jedem einzelnen Krankenhaus seine Kapazität in Form von Fachabteilungen und
Planbetten zu. Nur die in den Krankenhausplan aufgenommenen Häuser – das sind rund 97% aller
Kliniken – haben Anspruch auf eine Vergütung ihrer Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen und auf Finanzierung ihrer Investitionen (z.B. Neubauten oder Installation von Medizintechnologie) aus Steuermitteln der Bundesländer. Während also die Krankenkassen die Kosten des
laufenden Betriebs tragen, kommen die Länder für die Investitionskosten der Krankenhäuser auf
(Prinzip der dualen Finanzierung). Das bedeutet, dass eine Veränderung der Kapazitäten nach
Umfang und Struktur nur über die jeweilige Planungs- und Förderbehörde eines Bundeslandes
möglich ist. Dies gilt auch für Krankenhäuser in privater Hand, die ebenfalls Anspruch auf eine
staatliche Förderung ihrer Investitionen haben, sofern sie in den Krankenhausplan aufgenommen
sind. Tatsächlich sind rund 80% aller privaten Krankenhäuser Plankrankenhäuser.
In den vergangenen 10 bis 15 Jahren hat das System der Krankenhausplanung erheblich an Koordinationskraft eingebüßt. Maßgeblich hierfür sind im Wesentlichen drei Gründe:
•
Zunächst erfüllen die Länder immer weniger ihre Verpflichtung, betrieblich notwendige Investitionen zu finanzieren. So hat sich im Zeitraum 1973 bis 2001 der Anteil der öffentlichen Investitionsmittel an den Ausgaben der Krankenkassen für die Krankenhausbehandlung von 25 auf
5½ % verringert. Der Anteil der Investitionskosten an den Gesamtkosten der Krankenhäuser ist
entsprechend von 17½ auf 8 % gesunken. Infolge des Rückzugs der öffentlichen Hand aus
der Investitionsförderung müssen Krankenhäuser ihre Investitionen zunehmend autonom
planen. Dies aber führt zu Investitionen, die nicht mehr im Einklang mit der Krankenhausplanung stehen.
•
Ein zweiter, noch wichtigerer Grund ist, dass Ärzte und Patienten sich bei der Wahl eines
Krankenhauses immer weniger an die vorgegebene Versorgungshierarchie halten. Gerade in
städtischen Ballungsgebieten, wo die Entfernung zum Krankenhaus kaum eine Rolle spielt,
bevorzugen Patienten ein Haus der Zentralversorgung gegenüber einem der Grundversorgung, weil sie dort bessere und umfangreichere Leistungen erwarten. Die einweisenden Ärzte
respektieren in der Regel die Wünsche der Patienten, da sie ansonsten möglicherweise Patienten verlieren.
•
Ein drittes Problem besteht darin, dass der Bedarf an Krankenhausbetten wegen der stärker
als erwartet zurückgegangen Verweildauer überschätzt wurde. Eine vorhandene Überkapazität
an Betten wieder abzubauen, ist grundsätzlich äußerst schwierig. Zum einen löst dies auf Seiten der Kommunen Abwehrreaktionen aus, denn Krankenhäuser sind gerade in kleineren
Städten ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Zum anderen sind von den aufgestellten Planbetten
auch staatliche Fördermittel abhängig. Es besteht somit eine Tendenz zu Überkapazitäten.
Infolgedessen findet unter den Krankenhäusern ein Wettbewerb um Patienten statt, der in erster Linie über Innovationen geführt wird. Hierfür wiederum sind Investitionen erforderlich, für die
3
allerdings die Bundesländer aufgrund ihrer angespannten Haushaltslage kaum noch Gelder
zur Verfügung stellen können. Nur Krankenhäuser, die Überschüsse erwirtschaften, sind in der
Lage, Investitionen selbst zu finanzieren. Dies erklärt unter anderem, warum private Klinikketten in den letzten Jahren so erfolgreich waren.
Vor dem Hintergrund dieser Problemlage ist das deutsche System der Krankenhausplanung stark
in die Kritik geraten. Kernproblem ist das Prinzip der dualen Finanzierung. Es führt einerseits
dazu, dass Investitionen unterbleiben, die aus Sicht der Krankenkassen rentabel wären, andererseits wird die Schaffung von Überkapazitäten begünstigt, weil sich die Länder über die von den
Krankenkassen zu tragenden Folgekosten ihrer Investitionsplanungen keine Gedanken machen
müssen. Gleichzeitig bot das in der Vergangenheit praktizierte Vergütungssystem von Krankenhausleistungen, dem überwiegend die Anzahl der Pflegetage zugrunde lag, starke Anreize, Patienten länger als medizinisch notwendig in Krankenhäusern zu halten, um die Auslastung der zu großen Bettenkapazitäten zu erhöhen.
Einführung von Fallpauschalen erhöht Rationalisierungsdruck
Um dieses Problem in Angriff zu nehmen, wurde im Jahr 2003 mit der Einführung sogenannter
Fallpauschalen ein grundlegender Systemwechsel in der Krankenhausfinanzierung eingeleitet und
damit die bislang umfassendste Reform im deutschen Krankenhauswesen in Gang gesetzt. Noch
bis Ende 1992 wurde jeder Behandlungstag pro Patient – unabhängig vom jeweiligen Behandlungsaufwand – pauschal vergütet und die Krankenhäuser hatten einen Anspruch darauf, dass ihre
laufenden Betriebskosten von den Krankenkassen gedeckt wurden. Dass dieses sogenannte Prinzip der Selbstkostendeckung Fehlentwicklungen im Krankenhaussektor begünstigte, liegt auf der
Hand.
Um die systembedingten Kostensteigerungen in den Griff zu bekommen, wurde Anfang 1993 eine
Obergrenze für die Ausgaben von Krankenhäusern festgelegt. Dabei hat man bei der Festlegung
der individuellen Budgets von Krankenhäusern deren jeweilige Kosten in einem bestimmten Basisjahr zugrundegelegt und den jährlichen Budgetzuwachs auf den jährlichen Anstieg der Beitragseinnahmen der Krankenkassen begrenzt. Durch diese sogenannte Budgetierung war also
der Erlös eines Krankenhauses – unabhängig von tatsächlich erbrachten Leistungen – begrenzt.
Die Krankenhäuser waren hiervon in unterschiedlicher Weise betroffen. Neben Häusern mit erheblichen Rationalisierungspotenzialen gab es solche, die bereits relativ effizient arbeiteten. Letzteren
gelang es kaum noch, ihre begrenzten Budgets durch entsprechende Kostensenkungen zu entlasten. Die Budgetierung hat damit gerade besonders gut geführte Häuser mit hoher Nachfrage und
optimaler Kostenstruktur bestraft.
Im Jahr 1996 wurden die tagesbezogenen Pflegesätze durch eine leistungsbezogene pauschale
Vergütung ergänzt. Da diese Vergütungsform jedoch nur rund ein Viertel der Krankenhausleistungen betraf, hielt der Trend steigender Kosten an. Die Kostensteigerungen lagen in der Folge deut4
lich über den Budgetzuwächsen der Krankenhäuser, so dass im Laufe der Jahre bereits ein erheblicher Rationalisierungsdruck entstanden war.
So verminderten sich im Zeitraum 1991 bis 2003 die Bettenkapazität um 18½ % und die Zahl der
Krankenhäuser um 9% – obwohl die Fallzahl um knapp 19 % zugenommen hat. Die durchschnittliche Verweildauer verkürzte sich sogar um 36½ % von 14 auf knapp 9 Tage (siehe Tabelle 2 und
Schaubild 1). Mit anderen Worten: Die Krankenhäuser versorgen mit immer weniger Betten immer
mehr Patienten, die infolge verbesserter Behandlungsmöglichkeiten immer früher entlassen werden können. Trotz dieser beachtlichen Leistungssteigerung liegen in Deutschland die Patienten im
Durchschnitt immer noch länger im Krankenhaus als in Ländern wie Österreich (8,1 Tage), den
USA (6,6) und Dänemark (5,7; siehe Schaubild 2), und zwar hauptsächlich deshalb, weil bisher die
Vergütung der Krankenhäuser vorwiegend an der Liegezeit der Patienten ausgerichtet war.
Schaubild 1
Leistungskennzahlen deutscher Krankenhäuser
140
1991 = 100
Fallzahl
120
100
Bettenzahl
80
durchschnittliche Verweildauer
60
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
Quellen: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen.
Dies ändert sich mit dem neuen Fallpauschalensystem. Danach wird je Behandlungsfall eine
Pauschale gezahlt, deren Höhe von der Art der Erkrankung abhängig ist. Dabei werden einzelne
Behandlungsfälle anhand bestimmter Kriterien zu diagnosebezogenen Fallgruppen (Diagnosis
Related Groups) zusammengefasst mit dem Ziel, gleiche Preise für die gleiche Leistung zu bezahlen und die Verweildauer in Krankenhäusern auf das medizinisch notwendige Maß zu beschränken. Während der Einführungsphase in den Jahren 2003 und 2004 hatte die Umstellung auf
das Fallpauschalensystem noch keine Auswirkungen auf die Budgets der einzelnen Krankenhäuser. Jedes Haus setzte die durchschnittlichen Fallkosten (unter Berücksichtigung der erfahrungs-
5
gemäß für bestimmte Krankheiten anfallenden Behandlungskosten) selbst fest. Mit der ab 2005
begonnenen sogenannten Konvergenzphase wird die krankenhausspezifische Vergütungshöhe
bis zum Jahr 2009 schrittweise auf ein je Bundesland einheitliches Vergütungsniveau angeglichen.
Die individuellen Krankenhausbudgets entfallen damit. Ab 2009 zahlen die Krankenkassen landesweit gleiche pauschale Preise für eine bestimmte Behandlung.
Schaubild 2
Durchschnittliche Verweildauer in Krankenhäusern 2002
- in Tagen -
S chw eiz
12,7
Finnland
10,4
D eutschland
9,2
U ngarn
8,5
Großbritannien
8,1
Österreich
8,1
P olen
7,9
Irland
7,6
USA
6,6
S chw eden
6,2
D änemark
5,7
0
2
4
6
8
10
12
14
Quellen: OECD, Statistisches Bundesamt.
Das neue System schafft vor allem mehr Transparenz und sorgt für weiterhin hohen Rationalisierungsdruck. Das gilt vor allem für jene Krankenhäuser, die oberhalb der durchschnittlichen Fallkosten liegen, denn sie machen Verlust. Aber auch Häuser, die unter den Durchschnittskosten
bleiben, haben einen starken Anreiz, ihre Kosten weiter zu senken, denn die Differenz zwischen
hausinternen Fallkosten und Fallpauschale verbleibt ihnen als Überschuss. Um künftig wirtschaftlicher zu arbeiten und wettbewerbsfähiger zu werden, müssen sich Krankenhäuser vor allem auf
folgende Punkte konzentrieren:
•
Das Krankenhausmanagement ist konsequent an modernen betriebswirtschaftlichen Konzepten auszurichten. Prozessoptimierung, Standardisierung, Spezialisierung, strikte Kostenkontrolle, Outsourcing und Kooperation – beispielsweise im Bereich der Beschaffung – alle diese
Maßnahmen sind künftig stärker gefragt.
•
Da in einem Fallpauschalensystem der Preis je Diagnose gleich ist, wird die Anzahl der Diagnosen bzw. Behandlungen zur entscheidenden Größe der Ertragssteuerung. Krankenhäuser
6
müssen also bestrebt sein, ihre Erlöse durch eine Steigerung der Fallzahl zu verbessern. Sie
werden künftig nicht mehr um Budgets konkurrieren, sondern vielmehr um die tatsächlich
durchgeführten, möglichst vielen und hochwertigen Behandlungen. Dies wiederum erfordert
ein attraktives Leistungsportfolio und hohe Qualitätsstandards.
•
Gleichzeitig verlangt die Logik von Fallpauschalen eine möglichst kurze Verweildauer. Es ist
daher zweckmäßig, die „Produktionseinheit“ Krankenhaus in die Erstellung von Kernleistungen
und in hierfür notwendige ergänzende Arbeitsvorgänge aufzuspalten. Aus dem Krankenhaus
auszugliedern sind damit sowohl Leistungen, die vorstationär möglich sind, als auch solche,
die nachstationär erbracht werden können. Krankenhausleistungen werden also zunehmend
vom Krankenhausbett gelöst und in eine tagesklinische und ambulante Versorgung übergeführt. Dabei entwickeln sich Krankenhäuser immer mehr zu Gesundheitszentren, die verschiedene Leistungen um sich herum gruppieren und integrieren.
•
Der weiter zunehmende Rationalisierungsdruck wird auch die Konzentration im Krankenhaussektor forcieren, also die Neigung oder den Zwang zu Kooperationen, Fusionen und zur
Bildung von Klinikketten. Auch dieser Weg eröffnet zum Teil erhebliche Rationalisierungspotenziale und führt überdies zu größerer Einkaufs- und Verhandlungsmacht.
•
Die meisten der erwähnten Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit erfordern
erhebliche Investitionen. Neben Rationalisierungsinvestitionen zur Bewältigung des zunehmenden Kostendrucks sind auch Modernisierungsinvestitionen erforderlich. Wer zum Beispiel
Prozesse optimieren möchte, der muss in die bauliche Ausstattung und die Informationstechnik
eines Krankenhauses investieren. Auch der medizinische und medizinisch-technische Fortschritt sind wirtschaftlich zu nutzen. Grundsätzlich gilt, dass die Kapitalintensität von Krankenhausleistungen ständig zunimmt.
Erheblich verstärkt wird der Investitionsbedarf im Krankenhaussektor noch dadurch, dass sich die
Bundesländer aufgrund ihrer angespannten Haushaltslage immer mehr aus der Finanzierung von
Krankenhausinvestitionen zurückgezogen haben. Diese Entwicklung hat inzwischen dramatische
Ausmaße erreicht und Schätzungen zufolge bei Krankenhäusern zu einem Investitionsstau in der
Größenordnung von 30 Mrd. EUR geführt.
Fehlende öffentliche Gelder als Triebfeder der Privatisierung
Fest steht: Ohne umfangreiche Rationalisierungs- und Modernisierungsinvestitionen werden die
Probleme im Krankenhaussektor nicht zu lösen sein. Deshalb wird das für Krankenhäuser verfügbare Investitionskapital zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor. Da allerdings auf die staatliche
Investitionsfinanzierung im Krankenhauswesen offenbar kein Verlass mehr ist, sind Kliniken gezwungen, sich alternative Finanzierungsquellen zu erschließen.
7
Eine davon ist die Ausweitung der Kreditfinanzierung über Banken. Krankenhäuser sollten daher
auf eine möglichst gute Bonität hinarbeiten, um über ein gutes Rating für günstigere Finanzierungskosten zu sorgen. Dies gilt besonders im Hinblick auf die Regelungen von Basel II, die von
Banken ab 2007 eine Eigenkapitalhinterlegung verlangen, die das individuelle Kreditrisiko des Kreditnehmers widerspiegelt. Für risikoreiche Kreditnehmer – zu denen die meisten Krankenhäuser
zweifelsohne zählen – bedeutet dies tendenziell steigende Finanzierungskosten. Gleichzeitig müssen sich aber auch Banken auf die Besonderheiten des Kreditgeschäfts mit Krankenhäusern einstellen. Da deren Rechnungslegung häufig zu wünschen übrig lässt und auch die Ausstattung mit
Eigenkapital oft unzureichend ist, kommt beim Rating von Krankenhäusern den „weichen“ Faktoren (z.B. Wettbewerbsposition eines Krankenhauses oder dessen Management) ein sehr hoher
Stellenwert zu. Wie das Rating-Urteil letztendlich ausfällt, wird sehr stark von der spezifischen Situation einer Klinik abhängen. Auch Faktoren wie das politische Umfeld und die Eigentümerstruktur
werden eine Rolle spielen.
Eine weitere mögliche Finanzierungsquelle für Krankenhäuser ist der Kapitalmarkt. Hier haben
aber private gegenüber öffentlichen Häusern klare Vorteile beim Zugang. Deshalb war und ist der
staatliche Rückzug aus der Investitionsfinanzierung bei dem gleichzeitig enorm hohem Kapitalbedarf für Investitionen die wesentliche Triebfeder für die Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser. Durch die Möglichkeit der Kapitalmarktfinanzierung können private Klinikketten mit kostensparenden Innovationen und einer wettbewerbsfähigen Krankenhaus-Infrastruktur aufwarten. Weitere
Vorteile privater Anbieter liegen in der Zentralisierung des Einkaufs wichtiger Kernkompetenzen
wie z.B. des Managements, Controllings und der Qualitätssicherung. Ihre oft weit verzweigte Vernetzung ermöglicht die Integration von Akutkrankenhäusern, Rehabilitations- und Pflegeeinrichtungen. Dieses Komplettangebot eröffnet zusätzliche Vorteile bei der Einführung integrierter Versorgungsformen. Die Größe der Komplettanbieter ist wiederum die Grundlage für direkte Vertragsverhandlungen mit Krankenkassen, was nochmals Kosteneinsparungen ermöglicht. Dieses aus der
integrierten Versorgung für private Klinikketten erwachsende Rationalisierungspotenzial bleibt öffentlichen Krankenhäusern in aller Regel selbst dann verschlossen, wenn sie sich auf Verbundstrategien einigen.
Infolgedessen haben sich in der Vergangenheit die Marktanteile bereits stark zugunsten privater
Anbieter verschoben (siehe Schaubild 3). Zu den bedeutendsten unter ihnen zählen Asklepios,
Fresenius ProServe, Helios, Marseille, MediClin, Paracelsus, Rhön und Sana (siehe Tabelle 3).
Während vor allem diese privaten Klinikketten kräftig expandierten, wurden bislang vorwiegend
kleinere kommunale Krankenhäuser in der Größenklasse bis 200 Betten aus dem Markt gedrängt.
Zunehmend erwerben private Träger aber auch größere Krankenhäuser. So soll der Landesbetrieb
Krankenhäuser in Hamburg (LBK Hamburg) mehrheitlich auf Asklepios übertragen werden und die
Universitätskliniken in Marburg und Gießen stehen ebenfalls vor der Privatisierung.
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Schaubild 3
Krankenhäuser in Deutschland nach Trägern
- Anteile in % -
60
50
40
30
20
10
0
1991
2003
öffentliche
freigem einnützige
2020
private
Quellen: Statistisches Bundesamt, eigene Prognose.
Auch in Zukunft wird eine Restrukturierung des Krankenhaussektors, die sich nicht nachteilig auf
die bedarfsgerechte Versorgung mit Krankenhausleistungen auswirkt, ohne umfangreiches privates Kapital nicht zu bewältigen sein. Allerdings gestaltet sich die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen oft nicht gerade einfach. So bestehen aufgrund verschiedener Interessenlagen grundsätzliche Bedenken: etwa die Angst der Arbeitnehmer vor dem Abbau ihrer Arbeitsplätze, die Sorge der
Allgemeinheit um die Aufrechterhaltung der Versorgung in der Fläche oder die Angst der bisherigen Krankenhausträger vor Verlust an Einflussmöglichkeiten. Außerdem wird es aufgrund des
zunehmenden Angebots an Privatisierungsobjekten bei nahezu gleichbleibender Anzahl möglicher Käufer tendenziell schwieriger, einen attraktiven Kaufpreis zu erzielen. Das gilt insbesondere
für kleine und mittelgroße Häuser der Grund- und Regelversorgung in ländlichen Regionen, bei
denen inzwischen ein Überangebot besteht. An diesem Kliniktyp zeigen namhafte private Klinikbetreiber nur noch sehr geringes Interesse, entsprechend stark rückläufig sind die erzielbaren
Kaufpreise (Käufermarkt). Dagegen sind Häuser der Zentral- und Maximalversorgung (Akutkrankenhäuser in Ballungszentren, Fachkliniken, Universitätskliniken) nach wie vor sehr gefragt (Verkäufermarkt).
9
Tabelle 3
Private Klinikbetreiber in Deutschland
Anzahl der Kliniken
Umsatz 2004
Millionen Euro
Rendite 2) 2003
%
Asklepios Kliniken GmbH
52
1.900,0 1)
9,0
Fresenius ProServe GmbH
32
813,0
1,9
Helios Kliniken GmbH
25
1.161,4
11,8
Marseille Kliniken AG
58
200,1
-
MediClin AG
29
357,9
3,3
Paracelsus-Kliniken GmbH
28
260,2 1)
8,1
Rhön-Klinikum AG
30
Sana Kliniken GmbH & Co. KGaA
21
1.044,8
478,0
18,3
1)
18,0
1) 2003. 2) EBITDA.
Quellen: Unternehmensangaben, Handelsblatt.
Bundeskartellamt bremst private Klinikketten
Einen Dämpfer erhielten die Privatisierungsbestrebungen zuletzt allerdings durch das Bundeskartellamt, das im Frühjahr 2005 erstmals die Übernahme eines öffentlichen Krankenhauses durch
eine private Klinikkette (Rhön-Klinikum) aus Gründen des Wettbewerbsrechts untersagte. Da das
Kartellamt nach eigenen Aussagen grundsätzlich begrüßt, dass sich private Investoren angesichts
der schwierigen finanziellen Situation vieler Krankenhäuser für deren Sanierung einsetzen, hatte
es in den letzten Jahren bereits eine große Zahl von Übernahmen genehmigt. Gleichwohl sei die
Expansion privater Kliniken dann zu beschränken, wenn sie zur Marktbeherrschung auf den betroffenen Märkten führe.
Das Kartellamt hat allerdings für den lokalen Markt, der für die untersagte Klinikübernahme relevant war, eine enge geografische Abgrenzung gewählt und dies damit begründet, dass erfahrungsgemäß ein Großteil der Patienten Krankenhäuser in einem relativ begrenzten Raum aufsuche. Diesen eng gefassten regionalen Radius halten Rechtsexperten aber für anfechtbar. Fraglich
sei außerdem, ob eine marktbeherrschende Stellung den Patienten überhaupt schaden könne.
Jedenfalls sei eine missbräuchliche Anhebung von Preisen aufgrund von Marktmacht gar nicht
möglich, da die Preise für Krankenhausleistungen gesetzlich festgelegt seien. Dem hält das Kartellamt entgegen, dass private Klinikbetreiber im Hinblick auf einen Qualitätswettbewerb um medizinische Leistung, Ausstattung und Verpflegung klar im Vorteil seien, da sie im Gegensatz zu ihren
öffentlichen Konkurrenten über genügend finanzielle Mittel für die dafür notwendigen Investitionen
verfügten.
Sollte die Entscheidung des Kartellamts rechtskräftig werden, wäre damit die Expansionsstrategie privater Klinikketten grundsätzlich in Frage gestellt. Seit infolge der Maßnahmen zur Kostendämpfung die Übernahme von öffentlichen Krankenhäusern weniger renditeträchtig ist, setzen
private Betreiber zunehmend auf Synergieeffekte durch die regionale Konzentration ihrer Kapazi10
täten. Leitgedanke ist, dass eine große spezialisierte Klinik der höchsten Versorgungsstufe mit
mehreren kleinen bis mittleren Krankenhäusern der Region vernetzt wird. Für kostenintensive Spezialleistungen kann so die Auslastung optimiert werden. Außerdem ist ein zentraler Einkauf von
Dienstleistungen wie Küche, Gebäudereinigung und Wäscherei möglich. Um die Strategie der regionalen Konzentration umzusetzen, müssen private Klinikketten also gerade in jenen Regionen
zukaufen, in denen sie bereits große Häuser besitzen. Dieses Vorgehen steht im Übrigen bestens
im Einklang mit den von der Gesundheitspolitik ins Leben gerufenen Konzepten der Medizinischen
Versorgungszentren und der Integrierten Versorgung.
Um so erstaunlicher ist, dass das Kartellamt die Geschäftsstrategie privater Klinikbetreiber durch
eine „kleinräumige“ Interpretation des Begriffs der Marktbeherrschung offensichtlich durchkreuzt.
Zumindest sind Synergieeffekte schwerer zu erzielen, wenn sich die privaten Klinikbetreiber in
Zukunft geografisch weiträumiger aufstellen müssen. Inwieweit dies deren Bereitschaft hemmt, das
für den Strukturwandel im Krankenhaussektor dringend benötigte private Kapital bereitzustellen,
bleibt abzuwarten. Jedenfalls gefährdet eine Politik, die sich einerseits aus der Investitionsfinanzierung von Krankenhäusern zurückzieht, andererseits aber durch eine restriktive Auslegung des
Wettbewerbsrechts die Expansionsmöglichkeiten privater Klinikketten begrenzt, eine ausreichende
Krankenhausversorgung in Deutschland. Denn die Absicht des Kartellamts, regionale Monopole
privater Anbieter zu verhindern, dürfte in vielen Fällen dazu führen, dass Kommunen und Landkreise ihre defizitären Krankenhäuser schließen müssen.
Alles in allem wird wohl vor diesem Hintergrund die Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser in
den nächsten Jahren eher schleppend vorankommen, zumal auch die Aufnahmefähigkeit des
Marktes für Krankenhausprivatisierungen aufgrund der überwiegend mittelständischen Marktteilnehmer auf der Nachfrageseite beschränkt ist. Doch spätestens wenn die Umstellung auf Fallpauschalen bis Ende 2009 vollständig abgeschlossen ist, dürften die dann stärker zum Tragen kommenden marktwirtschaftlichen Anreize ebenso wie die höhere Markttransparenz dazu führen, dass
auch ausländische Klinikbetreiber auf den deutschen Krankenhausmarkt drängen und damit der
Privatisierung neuen Schwung verleihen. Hierfür in Frage kommen z.B. die britischen Klinikketten
BMI Healthcare, BUFA und Nuffield Hospitals sowie die amerikanischen Krankenhausbetreiber
HCA, Tenet und UHS. Da allerdings die Eintrittsbarrieren auf dem deutschen Markt wegen des
erforderlichen umfangreichen Detailwissens relativ hoch liegen, sind nicht nur Übernahmen öffentlicher Häuser, sondern auch privater Klinikketten mit entsprechender Management-Kompetenz
denkbar.
Zudem hat der Erwerb der Wittgensteiner Kliniken AG durch die Fresenius AG verdeutlicht, dass
der deutsche Krankenhausmarkt auch Industrieunternehmen ein attraktives Geschäftsfeld bietet.
Die Strategie des weltweit tätigen Gesundheitskonzerns mit Produkten und Dienstleistungen für die
Dialyse und die ambulante medizinische Versorgung ist auf weitere Zukäufe großer Kliniken ausgerichtet. Auch für Pharmakonzerne, Krankenversicherungen und Hersteller von Medizinprodukten
könnte der Einstieg in den Krankenhausmarkt ein Schritt auf dem Weg zu einem integrierten Ge11
sundheitsdienstleister sein. Es ist daher zu erwarten, dass sich der Marktanteil privat betriebener
Krankenhäuser – gemessen an der Zahl der Einrichtungen – von derzeit 25 % bis zum Jahr 2020
auf etwa 40 % erhöhen wird (siehe Schaubild 3).
Steigende Insolvenzgefahr kommunaler Krankenhäuser
Grundsätzlich wird der Krankenhaussektor auch in Zukunft durch Leistungssteigerung bei gleichzeitig sinkenden Kapazitäten geprägt sein. Wir halten bis zum Jahr 2020 eine weitere Verkürzung
der durchschnittlichen Verweildauer in Kliniken um 20% auf rund 7 Tage für möglich. Damit
könnte sich die Zahl der Krankenhausbetten und Krankenhäuser ebenfalls um jeweils rund 20%
vermindern. Dieser Marktbereinigung werden in erster Linie öffentliche Krankenhäuser zum Opfer
fallen, die im Vergleich zu privaten Häusern mit einer Reihe von Nachteilen zu kämpfen haben.
So betrachten manche öffentlichen Betreiber ein Krankenhaus immer noch zu sehr aus dem Blickwinkel der Verwaltung und weniger als Wirtschaftsbetrieb. Da betriebliche Entscheidungen hier oft
aus lokal- oder regionalpolitischen Erwägungen getroffen werden, ist eine dem Ziel der Wirtschaftlichkeit verpflichtete unabhängige Unternehmensführung in der Regel nicht gewährleistet. Derartige
Zielkonflikte könnten die öffentlichen Träger jedoch – wenn der politische Wille vorhanden ist –
grundsätzlich lösen. Weniger politische Einmischung und die Stärkung der unternehmerischen
Verantwortung für Krankenhäuser sind unverzichtbare Voraussetzungen, um die Effizienz der öffentlichen Krankenhausversorgung zu steigern.
Machtlos sind öffentliche Träger dagegen im Hinblick auf Wettbewerbsnachteile, die auf die unterschiedliche rechtliche Behandlung von öffentlichen und privaten Häusern zurückzuführen sind. Ein
gutes Beispiel dafür ist das Vergaberecht, dessen Einhaltung für öffentliche Häuser nicht nur zeitund kostenintensiv ist, sondern auch zu Einschränkungen bei der Aushandlung niedriger Preise
führt. Dazu kommt die Bindung öffentlicher Häuser an den Bundesangestelltentarif, der eine leistungsorientierte Bezahlung, die Berücksichtigung neuer Berufsbilder und eine flexible Lohnpolitik
verhindert. Hier sind neue Tarifmodelle notwendig.
All die genannten Faktoren – eingeschränkte Managementorientierung, Abhängigkeiten bei der
Unternehmensführung, Vergaberecht und Tarifpolitik – erschweren es öffentlichen Krankenhäusern
im Vergleich zu privaten Häusern, dem zunehmenden Rationalisierungsdruck standzuhalten. Das
Ergebnis sind häufig betriebswirtschaftliche Verluste. Zahlreiche öffentliche Krankenhäuser sind
bereits finanziell so angeschlagen, dass ihnen die Möglichkeit der Privatisierung verwehrt bleiben
wird. Schon seit Jahren hatte sich bei steigenden Fallzahlen die Schere zwischen den nach oben
begrenzten Einnahmen und den steigenden Kosten immer weiter geöffnet. Durch die Einführung
von Fallpauschalen spitzt sich der Kostendruck für viele Kliniken noch zu. Dabei dürfte sich die
Ertragslage von Krankenhäusern mit derzeit relativ hohen Behandlungskosten tendenziell verschlechtern, sollten sie nicht in der Lage sein, ihre überhöhten Kosten entsprechend zu senken.
12
Hinzu kommen weitere finanzielle Belastungen, weil die öffentliche Hand angesichts ihrer angespannten Finanzlage die finanziellen Mittel zur Finanzierung der Krankenhäuser weiterhin einschränkt. Gleichzeitig erhöht sich der Druck zum Abbau des entstandenen Investitionsstaus, weil
private Klinikketten ihre Investitionstätigkeit verstärken und das Fallpauschalensystem den Rationalisierungsdruck noch erhöht. In Bedrängnis kommen die Kliniken auch durch die künftig zu erwartenden höheren Personalkosten. In einigen Regionen herrscht bereits ein Mangel an medizinischem Personal, insbesondere an hochqualifizierten Spezialisten, der sich angesichts der rückläufigen Absolventenzahlen weiter verstärken wird.
Vor dem Hintergrund der schlechten wirtschaftlichen Situation vieler Krankenhäuser und des wachsenden Wettbewerbsdrucks erwarten wir, dass sich die Zahl der insolvenzgefährdeten Krankenhäuser in den kommenden Jahren (bei einer geschätzten Insolvenzquote von derzeit rund 1 %)
weiter erhöhen wird. Dies gilt vor allem für öffentliche Krankenhäuser. Diese können zwar prinzipiell aufgrund der Gewährträgerhaftung nicht insolvent werden. Doch aufgrund der finanziellen
Schwäche vieler Kommunen ist davon auszugehen, dass diese immer weniger die Haftung übernehmen können und die Gewährträgerhaftung in der bisherigen Form mittelfristig keinen Bestand
haben wird. Sie verzerrt zudem den Wettbewerb zu Lasten der privaten und der freigemeinnützigen Kliniken und ist deshalb mit dem EU-Recht wahrscheinlich nicht vereinbar.
Resümee und Ausblick
Der durch das Fallpauschalensystem stärker in Gang kommende Leistungs- und Qualitätswettbewerb der Krankenhäuser wird deren Angebot und Organisation tiefgreifend verändern. Die Kliniken
entwickeln sich zunehmend in Richtung integrierter Behandlungszentren mit aufeinander abgestimmten ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen. Unabdingbare Voraussetzung
zur Schaffung moderner Versorgungsstrukturen ist die Mobilisierung von umfangreichen Investitionsmitteln. Da die Bundesländer den enormen Investitionsbedarf angesichts ihrer angespannten
Haushaltslage immer weniger befriedigen können, wird sich die bereits seit Jahren anhaltende
Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser über kurz oder lang noch beschleunigen. Diese Entwicklung ist vorgezeichnet, obwohl das Bundeskartellamt der Expansionsstrategie privater Klinikketten
vor kurzem einen Dämpfer versetzt hat.
Grundsätzlich erweist sich die duale Krankenhausfinanzierung in Verbindung mit der staatlichen
Krankenhausplanung immer mehr als Hindernis für ein nachhaltig effizientes Krankenhauswesen.
Die Gesundheitspolitik muss deshalb eine grundlegende Neuordnung der stationären Versorgung anstreben. Dabei ist zunächst der Wettbewerb der Krankenkassen adäquat zu berücksichtigen, indem man diesen das Recht zu bilateralen Budgetverhandlungen mit Krankenhäusern
einräumt und das derzeitige Prinzip gemeinsamer und einheitlicher Verhandlungen aufgibt. Es
passt nicht zusammen, dass man von den Krankenkassen einerseits Wettbewerb um mehr Wirtschaftlichkeit erwartet, andererseits aber die Krankenhausleistungen als deren größter Ausgabenblock nur gemeinschaftlich verhandelt werden dürfen.
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Zweitens ist die Krankenhausplanung neu zu regeln. Derzeit liegt ein zu großes Gewicht bei den
Landesbehörden und damit in politischer Hand. Um eine bedarfsgerechte Versorgung zu gewährleisten, müssten Krankenkassen und Krankenhausträger stärker eingebunden werden. Dabei gibt
es zwei Grundmodelle: Das sogenannte Konsensmodell, bei dem sich die Spitzenverbände der
Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenhausgesellschaften auf die
Angebotsplanung im stationären Bereich einigen, und das wettbewerblich ausgerichtete „Einkaufsmodell“, bei dem die Krankenkassen allein die Kapazitäten planen und entsprechende Verträge abschließen. Das Einkaufsmodell setzt als dritten wichtigen Schritt voraus, dass die Finanzierung von Krankenhäusern nicht länger zweigleisig erfolgt, sondern die Krankenkassen neben den
laufenden Betriebskosten auch die Investitionskosten tragen (monistische Finanzierung). Diese
wettbewerbsorientierte Lösung wird in Deutschland für den Bereich der Rehabilitationskliniken
bereits erfolgreich praktiziert.
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