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Einleitung
1.1 Zielsetzung
Embryonale Zellen zeichnen sich durch spezifische Eigenschaften bei Wachstum,
Differenzierung und Stoffwechsel aus. Untersuchungen an adulten Zellen oder
vordifferenzierten Zelllinien als In-vitro-Modelle haben zwar den Vorteil der hohen
Materialverfügbarkeit, ihre Ergebnisse sind aber meist nicht auf embryonale Zellen
übertragbar. Untersuchungen von frühen Differenzierungsprozessen werden deshalb häufig an
Embryonen durchgeführt. Embryonale Stammzelllinien bieten die Möglichkeit, embryonale
Zelleigenschaften wie Pluri- und Totipotenz in vitro zu untersuchen, ohne dabei
Einschränkungen in der Materialverfügbarkeit hinnehmen zu müssen. In dieser Arbeit wurden
embryonale Stammzellen der Maus als Modell der embryonalen Differenzierung gewählt.
Embryonalen Stammzellen durchlaufen bei der Bildung der embryoid bodies (EB)
verschiedene Differenzierungsstadien und dienen daher als Modell der embryonalen
Zelldifferenzierung. Zur Charakterisierung ihrer Entwicklung und Differenzierung werden
zwei unterschiedliche Funktionen untersucht, der Glukosemetabolismus und die zellulären
Reaktion auf TCDD!
Embryonen weisen ein stadien- und zellspezifisches Expressionmuster an
Glukosetransportern (GLUT) auf, welches ein idealer Ansatzpunkt zur Charakterisierung der
Differenzierung von embryonalen Stammzellen ist. GLUT1, 2, 3, 4, 8 werden bereits in
frühen Embryonalstadien exprimiert, obwohl Glukose erst ab dem Blastozystenstadium
erforderlich ist. Diese Transporter weisen in Trophoblast und Embryoblast ein jeweils
spezifisches Lokalisationsmuster auf. Warum so viele Transporter in der frühen
Embryogenese vorhanden sind, ist unbekannt.
In der vorliegenden Arbeit soll die Frage wie sich die Expression von Glukosetransportern in
den EBs verhält und ob es Parallelen zur frühen Embryonalentwicklung der Maus gibt,
geklärt werden. Weiterhin soll untersucht werden, ob Glukosetransporter Marker für Zellen
bestimmter Differenzierungsstadien sind.
Kontrovers diskutiert wird der Einfluss von Xenobiotika auf die frühe
Embryonalentwicklung. In dieser Studie soll der Einfluss des Dioxins TCDD auf
undifferenzierte EC-Zellen untersucht werden. Dabei soll geklärt werden, welchen Einfluss
TCDD auf das Wachstum und die spontane Differenzierung embryonaler Zellen ausübt, über
welchen Signalweg die Wirkung vermittelt wird und ob es einen Effekt auf den
Glukosemetabolismus gibt. Da TCDD ein Ligand des Arylhydrocarbonrezeptors ist, soll
geklärt werden, ob in P19-EC-Zellen die Wirkung von TCDD über die AhR-Signalkaskade
vermittelt wird.
P19-EC-Zellen besitzen die Fähigkeit, in spontan schlagende Kardiomyozyten zu
differenzieren. Da diese Differenzierung nie 100%ig ist, differenziert ein geringer Anteil der
Zellen in Skelettmuskelzellen und neuronale Zellen. Anhand der Expression Zelltypspezifischer Marker (MyoD, Mash-1, α-MHC) soll geklärt werden, ob TCDD zu Störungen in
der Differenzierung führt.
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1 Einleitung
1.2 TCDD (2,3,7,8 dibenzo-p-dioxin)
TCDD (2,3,7,8 dibenzo-p-dioxin) mit einem Toxizitätsäquivalenzfaktor (TEQ) von eins
gehört zur Gruppe der Dioxine, wozu auch die polychlorierten Dibenzo-p-Dioxine (75
Kongenere) und die polychlorierten Dibenzofurane (135 Kongenere) (PCDD/PCDFs) zählen.
Dioxine bestehen aus 2 Gruppen zyklischer aromatischer Verbindungen mit ähnlichen
chemischen und physikalischen Eigenschaften. Sie sind lipophil und schwer wasserlöslich.
Die Nummer der Chloratome (sie kann zwischen 1 und 8 variieren) und ihre Position ist für
das toxische Potential der verschiedenen Kongenere verantwortlich. Die 17 Kongenere mit
Chloratomen an den Positionen 2, 3, 7 und 8 zeichnen sich durch die höchste Toxizität,
Bioakkumulation und Persistenz im Vergleich zu den anderen Kongeneren aus, die diese 4
Chloratome nicht aufweisen.
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9
1
8
7
2
8
3
7
ClY
ClX
2
3
4
6
4
6
1
ClY
ClX
PCDD
PCDF
2,3,7,8-Tetrachlorodibenzo-p-dioxin (TCDD)
Abb. 1: Allgemeine chemische Struktur von PCDDs, PCDFs und TCDD
Alle 2,3,7,8 substituierten PCDDs und PCDFs wie auch die koplanaren polychlorierten
Biphenyle (PCBs) weisen einen ähnlichen Mechanismus in der biologischen und toxischen
Antwort auf. Die meisten PCDD/PCDFs wurden als Nebenprodukte bei verschiedenen
Prozessen (hauptsächlich Chlorierungen von organischen Verbindungen) produziert und
führten so zur Umweltkontamination. Faktoren, die die Bildung von PCDD/PCDFs
begünstigen, sind hohe Temperaturen >1000°C, alkalische Umgebungen, UV-Licht und freie
Radikale im Reaktionsmix bzw. chemischen Prozess (Fiedler, 1996; Hutzinger et al., 1985).
Die Hauptquellen der Emission sind stationäre Müllverbrennung, Stahlindustrie und
Recycling-Anlagen, während die diffusen Quellen im Verkehr, Haushaltsheizanlagen und in
Unfällen (Feuer, Waldbrände, Vulkanausbrüche) zu suchen sind (Fiedler, 1996).
PCDD/PCDFs sind stark persistente chemische Verbindungen, da sie intensiv an
Staubpartikeln, Erde und Sedimenten adsorbiert sind und in fetthaltigen Geweben
akkumulieren. In den letzten Jahren ist die Abgabe dieser Substanzen in die Umwelt durch
zahlreiche Restriktionen in der Produktion stark zurückgegangen, was auch in
Untersuchungen der menschlichen Muttermilch bestätigt werden konnte (Becher et al., 1995;
Brouwer et al., 1998). Die Inkorporation von TCDD in den Körper erfolgt durch Inhalation
2
1 Einleitung
von kontaminierter Luft, der Nahrungsaufnahme und folgender intestinaler Resorption (95%)
oder Adsorption durch die Haut. Die Aufnahme durch die Nahrung ist hauptsächlich auf
kontaminierte Lebensmittel tierischen Ursprungs zurückzuführen (Milch und Milchprodukte,
Eier, Fleisch und Fisch). In Untersuchungen an verschiedenen Tiermodellen konnte gezeigt
werden, dass die intestinale Aufnahme Kongener- und Vehikel-spezifisch ist. Kongenere mit
einer hohen Löslichkeit (z.B. 2, 3, 7, 8, TCDF) werden fast vollständig resorbiert im
Gegensatz zu schlecht löslichen Kongeneren. In einer Untersuchung am Menschen konnte
gezeigt werden, dass nach oraler Aufnahme von TCDD in Maisöl als Vehikel mehr als 87%
absorbiert wurden (Poiger und Schlatter, 1980). Eine weitere erhöhte Aufnahme (ca. 70fach
der WHO-Norm) von chlorierten Aromaten erfolgt durch die Muttermilch während des
Stillens von Säuglingen, was dazu führt, dass die mit Muttermilch gestillten Säuglinge eine
etwa 90% höhere Belastung aufwiesen als Säuglinge ernährt mit Formelnahrung (Abraham et
al., 1996).
Die Absorption in der Lunge beruht auf der Fähigkeit dieser Substanzen, sich an Staub-,
Erdpartikel und Flugasche zu binden. Die kontaminierten Partikel wurden hauptsächlich
durch Emission bei Verbrennungen von Müll aus Festabfällen und Sondermüll freigesetzt.
Heutzutage ist die Emission durch modernere Verbrennungsanlagen und die entsprechenden
Auflagen sehr gering. Die transpulmonale Aufnahme von TCDD wurde an Ratten untersucht.
Bei Exposition mit 0,55µg/kg zeigten sich, wie bei oraler Intoxikation, signifikante
dosisabhängige Effekte (Nessel et al., 1990; Nessel et al., 1992). Die pulmonale Aufnahme
von TCDD hat folglich den gleichen Stellenwert in der Vermittlung der Toxizität wie die
orale Aufnahme.
Um dermal absorbiert zu werden, müssen die PCDF/PCDDs zunächst das Stratum corneum
durchdringen. Die äußere Hautschicht wirkt jedoch in gesundem Zustand als Schutzschicht,
so dass TCDD nicht hindurchdringt und eine Aufnahme durch die Haut bei normal in der
Natur vorhandenen Mengen an PCDDs und PCDFs toxikologisch keine Relevanz besitzt
(Brewster et al., 1989; Weber et al., 1991c).
1.2.1 Wirkung von TCDD über die AhR-Signalkaskade
TCDD wirkt auf den menschlichen Organismus mit einer Vielzahl an spezies- und
gewebespezifischen Effekten wie Krebsentstehung, Immun-, hepatische- und dermale
Toxizität, Geburtsdefekte, endokrinologischen Störungen und einer Induktion vieler Enzyme.
Dazu gehört die Cytochrom P4501A1 und seine assoziierte Monooxygenaseaktivität, die
Arylhydrocarbonrezeptor Hydroxylase (AHH) (Poland und Knutson, 1982; Safe, 1986). Die
Aktivierung der Cytochrom P4501A1 (CYP1A1) Expression wird über den
Arylhydrocarbonrezeptor- (AhR) abhängigen Signalweg vermittelt.
1.2.1.1 AhR und AhR-Signalkaskade
Der AhR ist ein Ligand-aktivierter Transkriptionsfaktor. Zu den Liganden des AhR zählen die
Dioxine, polyhalogenierten aromatischen Kohlenwasserstoffe, Indole und endogenen
Trytophan-Derivate (Denison und Nagy, 2003). Der AhR kommt in allen Vertebraten vor
(Hahn, 2002). Der AhR nimmt auf die Zellzykluskontrolle und zell- oder gewebespezifisch
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1 Einleitung
auf die Apoptose Einfluss. Die AhR- (-/-) knock out Maus ist weniger lebensfähig, die
Fertilität ist eingeschränkt und es treten Defekte in der Leberentwickung auf (FernandezSalguero et al., 1995; Lahvis et al., 2000; Shimizu et al., 2000). Der AhR-knock out Maus
fehlt eine konstitutive Expression des CYP1A1 und es wird auch nicht durch TCDD
induzierbar (Fernandez-Salguero et al., 1996). Durch viele Studien an AhR-null Mäusen
konnte gezeigt werden, dass der AhR für viele toxischen Effekte des TCDD verantwortlich
ist, die meist auf der Induktion Dioxin-induzierbarer Gene beruhen (Mimura et al., 1997).
Die Expression von CYP1A1 wird durch eine Vielzahl an Enhancer- und Silencer-Elementen
reguliert. Die TCDD induzierte CYP1A1 Gen-Expression wird durch die xenobiotic response
elements (XRE) vermittelt. Die Consensus Sequenz ist 5`-TNGCGTG-3`und wird durch das
AhR/ARNT Heterodimer erkannt. Der Mechanismus zur Induktion von CYP1A1 ist in Abb. 2
dargestellt. Ohne Ligand liegt der AhR im Zytosol der Zelle komplexiert mit dem Heat shock
protein (HSP90), einem Co-Chaperon P23 und dem Immunophilin like Protein XAP2
(Kazlauskas et al., 1999; Meyer et al., 1998). XAP2 und P23 werden wahrscheinlich für die
Stabilisierung des HSP90 benötigt.
Ligand
Degradation
Pleiotropische Effekte
Zytoplasma
Phosphorylierung?
Kern
Abb. 2: AhR-Signalkaskade und Blockierung des AhR durch AhRR modifiziert nach (Mimura und FujiiKuriyama, 2003)
Durch Bindung des Liganden transloziert der AhR in den Kern und heterodimerisiert mit
seinem Partnermolekül Arylhydrocarbonreceptor nuclear translocator (ARNT). Dieser
Komplex bindet an die XRE-Elemente, die in der 5`upstream Region des CYP1A1 Gens
liegen (z.B. bei der Maus 6 XRE Kopien). Durch die DNA-Bindung kommt es zu einer
Konformationsänderung in der Chromatinstruktur und ermöglicht so anderen
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1 Einleitung
Transkriptionsfaktoren wie Sp1 die Bindung an die Erkennungssequenz in der
Promotorregion (Ko et al., 1996). Eine weitere Verstärkung erfolgt durch eine direkte
Bindung zwischen dem AhR/ARNT-Komplex und Sp1. Die Bindung von AhR/ARNT an die
DNA ist phosphorylierungsabhängig (Park et al., 2000). Der AhR-Repressor (AhRR) liegt
immer im Kern und dimerisiert mit ARNT (Mimura et al., 1999). Dieser Komplex bindet
auch die XRE-Elemente, unterdrückt aber die Expression der Gene. Folglich ist der AhRR ein
Kompetitor zum AhR zur Bindung mit ARNT an die XRE-Elemente. Das AhRR-Gen enthält
3 Kopien des XRE-Elementes und wird dadurch auch durch den AhR aktiviert, was zu einem
negativen Feedback führt. Der AhR wie auch sein Dimerisierungspartner ARNT und der
AhR-Repressor gehören zur Familie der basic helix-loop-helix Proteine. Das verbindende
Motiv besteht aus 250 Aminosäuren und liegt im Bereich des C-Terminus.
HSP90 interagiert mit dieser Region, da hier auch die nukleäre
Lokalisationssequenz des AhR liegt. Die DNA-Bindung des AhR kann
durch alpha-Naphtoflavon (α−NF) inhibiert werden. Alpha-Naphthoflavon,
α−NF
auch als 7, 8-Benzoflavon bezeichnet, gehört zur Gruppe der Flavone. Nach
Bindung an α−NF verändert der AhR seine Konformation, so dass die DNAErkennungssequenz (XRE) und das Andocken an die DNA teilweise blockiert werden
(Gasiewicz et al., 1996). α−NF unterdrückt die Induktion der CYP1A1-Expression unter
TCDD-Einfluss. Die Wirkung von α−NF ist konzentrationsabhängig. Bei einer Konzentration
von 1µM kann in Bindungsstudien mit dem AhR aus Hepatozyten der Ratte die Bindung an
das XRE vollständig blockiert werden (Gasiewicz und Rucci, 1991; Gasiewicz et al., 1996).
1.2.1.2 Cytochrom P450
Die Cytochrom-P450-Enzyme bilden eine Superfamilie von Hämproteinen. P450 steht für das
Absorptionsmaximum dieser Cytochrome bei einer Wellenlänge von 450nm. In der
Nomenklatur werden die P450-Hämproteine mit CYP abgekürzt, z.B. CYP1A1. Dabei
kennzeichnet die erste arabische Ziffer die Genfamilie, der nachfolgende Buchstabe die
Unterfamilie und die zweite Ziffer das einzelne Enzym. Die Expression der P450 Cytochrome
ist in vielen Spezies während der Entwicklung, durch den Ernährungsstatus und hormonale
Faktoren reguliert. Ihre zentrale Rolle liegt im oxidativen Stoffwechsel vieler endogener und
exogener Substanzen. Diese Enzyme sind an der Steroidhormon-Biosynthese, Oxidation
ungesättigter Fettsäuren und dem Stoffwechsel fettlöslicher Vitamine beteiligt. Die meisten
Fremdstoff-metabolisierenden Enzyme sind in der Leber lokalisiert. Intrazellulär sind CYP im
endoplasmatischen Retikulum (mikrosomale Fraktion) oder in Mitochondrien lokalisiert. Die
Expression der Cytochrome P450 1A1, 1A2 und 1B1 wird durch den AhR-Signalweg
reguliert.
CYP1A1 und CYP1B1 gehören zur Multigen-Familie der Xenobiotika metabolisierenden
Enzyme (XMEs) (Guengerich, 2000). In der Maus liegt CYP1A1 zusammen mit CYP3-450
auf dem Chromosom 9 zwischen dem Thy-1 und Pk-3 Locus (Hildebrand et al., 1985). Neben
der physiologischen Rolle dieses Cytochroms kann seine Dysregulation schwerwiegende
5
1 Einleitung
Folgen haben, da durch das Enzym mutagene Metabolite und Sauerstoffradikale gebildet
werden (Nebert et al., 2000). Die basale Expression von CYP1A1 ist vernachlässigbar gering.
Große Mengen von mRNA, Protein und Enzym werden nach Induktion durch polychlorierte
aromatische Kohlenwasserstoffe (polychlorated aromatic hydrocarbons PAHs) erreicht.
CYP1A1 Aktivität kommt in nahezu allen Geweben vor, auch im Embryo und Fötus. Im
Gegensatz zu CYP1A1 wird CYP1B1 meist konstitutiv exprimiert. Die CYP1A1 und
CYP1B1- (-/-) knock out Mäuse sind lebens- und vermehrungsfähig. Die CYP1B1-knock out
Maus ist verstärkt gegen 7, 12-dimethylbenzo[α] Anthrazen-induzierte Lymphome,
Knochenmarks-Toxizität und dibenzo [α, l]-Pyren induzierte Tumore geschützt (Buters et al.,
2003; Buters et al., 1999; Page et al., 2003).
Aufgrund ihrer AhR-abhängigen Regulation wird CYP1A1 als Indikator einer Aktivierung
der AhR-Signalkaskade genutzt. Nach Zugabe von TCDD konnte nach 24h Inkubation in
Mausblastozysten eine konzentrationsabhängige (0,01nM-10nM) Induktion der CYP1A1
Transkriptmenge gezeigt werden (Wu et al., 2002a). In der Hepatozytenzelllinie H4IIE der
Ratte ist eine Induktion mit 10nM TCDD gezeigt worden. Die Expression steigt bis 9h
kontinuierlich an und beginnt nach 12h sich zu verringern (Werlinder et al., 2001). In vielen
Studien wird TCDD in einer Konzentration von 10nM eingesetzt.
1.2.2 TCDD in der Reproduktionsbiologie
Die Wirkung von TCDD wird über den AhR vermittelt. Die physiologische Rolle des
Rezeptors ist immer noch unklar. Lange Zeit waren auch die physiologischen Liganden des
AhR nicht bekannt. Dioxine, die bekanntesten Liganden des AhR, wirken hormonähnlich und
werden daher als endocrine disrupter bezeichnet. Erst in den letzten Jahren konnten
verschiedene physiologische Liganden des AhR nachgewiesen werden. Schwache Liganden
des AhR sind verschiedene Prostaglandine (Seidel et al., 2001), während Indirubin und Indigo
ca. 50fach wirksamer wären als TCDD (Adachi et al., 2001). Dies wurde in weiterführenden
Arbeiten widerlegt. Obwohl das biologische Potential (ca. 1/10 des TCDD) nicht so hoch ist
wie bei Adachi et al. beschrieben, wurde die Wirkung der indolhaltigen-Pigmente als AhRAgonisten bestätigt. Interessant war, dass in vivo Löslichkeit, Verteilung und der
Metabolismus die Antwort auf diese Verbindungen entscheidend beeinflussen (Guengerich et
al., 2004). Indirubin aktiviert über den AhR-Signalweg CYP1A1, welches als
metabolisierendes Enzym die Aktivität von Indirubin deaktiviert. Dies ist ein wichtiger
Beweis, dass Indirubin ein physiologischer Ligand des AhR ist und über den AhR-Signalweg
seinen eigenen Metabolismus steuert (Adachi et al., 2004).
Exogene Umweltschadstoffe, die Hormonen ähnlich sind, können die Entwicklung
beeinflussen. Dioxine beeinflussen das Zellwachstum und die Differenzierung durch
Störungen der Homeostase und des Hormon-Stoffwechsels, durch Expressionsänderungen
von Enzymen, Wachstumsfaktoren, Hormonen und deren Rezeptoren. In Studien mit
Labortieren und Zellkulturen wurde gezeigt, dass durch TCDD die Expression des epidermal
growth factor receptors (Hudson et al., 1985; Madhukar et al., 1984; Madhukar et al., 1988;
Sewall et al., 1993), des Follikel stimulierenden Hormon- und luteinisierenden
6
1 Einleitung
Hormonrezeptors in in vitro kultivierten Granulosazellen beeinflusst (Hirakawa et al., 2000a;
Hirakawa et al., 2000b) und eine Verringerung in der Bindung des insulin like growth factors
(IGF1) an den IGF1 Rezeptor bewirkt wird (Liu et al., 1992). TCDD induziert die Expression
des transforming growth factor α (TGFα) in verschiedenen Zelllinien und die Expression von
TGFβ3 in der Zelllinie MCF-7 (Gaido et al., 1992; Vogel und Abel, 1995; Wang et al., 1997).
Folglich verändern die Liganden des AhR die Expression/Aktivität verschiedener
Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren. Eine weitere wichtige Verbindung besteht zum
Östrogenrezeptor (ERα) Signalweg. TCDD induziert die CYP1A1-Expression in ERα
positiven Zelllinien (T47D, ZR-75 und MCF-7) während in ERα negativen Zelllinien keine
TCDD vermittelte CYP1A1 Induktion nachweisbar ist (Harris et al., 1990; Jana et al., 1999;
Thomsen et al., 1994; Vickers et al., 1989; Wang et al., 1995; Wormke et al., 2000). Diese
Daten belegen einen cross talk zwischen AhR-und ERα-Signalweg.
Erst 1998 revidierte die WHO die Toleranzgrenze für die tägliche Aufnahme von TCDD mit
der Nahrung von 10 auf 1-4pg kg/Tag. Grund dafür waren neuere Untersuchungen, die
zeigten, dass es bei TCDD exponierten Rhesusaffen gehäufte Endometriosen und
Entwicklungsdefekte bei den Nachkommen gab (van Leeuwen et al., 2000). Das
neuroendokrine System ist während der Entwicklung ein sensitives Ziel für TCDD und
ähnliche Chemikalien. Eine mögliche Funktion des AhR für die normale Entwicklung
verschiedener Gewebe ist nicht auszuschliessen (Gasiewicz, 1997). In Studien mit Mäusen
konnte gezeigt werden, dass der Zeitpunkt der TCDD-Gabe einen wichtigen Einfluss hat. So
sterben die Embryonen, wenn die schwangeren Mäuse an Tag 6 der Schwangerschaft TCDD
erhalten hatten (Couture et al., 1990). Die embryotoxische Wirkung ist speziesabhängig. So
konnte gezeigt werden, dass Rhesusaffen und Meerschweinchen viel sensitiver auf TCDD
reagieren als Hamster und Maus. Durch Einwirkung von TCDD in der pränatalen Phase
kommt es abhängig von der exponierten Spezies (Maus, Meerschweinchen, Hamster, Ratte,
Hühnern und Affe) zu Atrophien in Thymus und Milz, subkutanen Ödemen, Verzögerungen
im Wachstum, Totgeburten, einer angeborenen Lippen-Kiefer-Spalte (Cheilognathoschisis)
und Hydronephrose (Couture-Haws et al., 1991). In Präimplantationsembryonen der Maus
(Peters und Wiley, 1995), des Kaninchens (Tscheudschilsuren et al., 1999) und des Rindes
(Pocar et al., 2001) sind sowohl der AhR als auch ARNT nachgewiesen worden, dabei ist die
Wirkung von TCDD vom Entwicklungsstadium der Embryonen abhängig. Beim Kaninchen
konnte die embryotoxische Wirkung von PCB bei Blastozysten nachgewiesen werden
(Küchenhoff et al., 1999). In Mausembryonen sind die AhR-Zielgene wie CYP1A1 erst im
Blastozystenstadium durch TCDD induzierbar (Tsutsumi et al., 1998; Wu et al., 2002a). Bis
zum Blastozystenstadium konnte CYP1A1 in vitro nicht durch TCDD induziert werden.
Über die Wirkung von TCDD auf embryonale Zellen und deren Differenzierung in vitro ist
nichts bekannt.
7
1 Einleitung
1.2.3 Einfluss von TCDD auf den Glukosemetabolismus
Ein Symptom von TCDD Vergiftungen ist der Verlust von Körpergewicht, selbst bei
gewaltsamer Nahrungszufuhr (wasting syndrom) (Seefeld et al., 1984; Tuomisto et al., 1999).
Dabei kommt es zur Reduktion von Körperfett, wobei der zugrundeliegende Mechanismus
noch unbekannt ist. Dieser Verlust des Körpergewichtes konnte in verschiedenen Spezies
(Meerschweinchen, Maus, Kaninchen und Affen) gezeigt werden (Gupta et al., 1973;
McConnell et al., 1978). Beim Menschen führt TCDD im Serum zu einer Hyperlipidämie und
Hypertriglycerinämie. Bei Dioxin-exponierten Soldaten (Kontakt zum chemischen
Kampfstoff Agent Orange während des Vietnamkrieges) kommt es des Weiteren zu einer
statistisch signifikanten Zunahme an Hyperinsulinämie und einer Insulin-Resistenz (Cranmer
et al., 2000). Die statistischen Auswertungen zeigen, dass TCDD auf die Glukoneogenese,
den Fettstoffwechsel und die Insulin-abhängige Regulation des Energiestoffwechsels Einfluss
nimmt.
Der Gewichtsverlust beruht nicht auf einer Verschlechterung der generellen
Nahrungsresorption im Darm oder einer Steigerung des Energiebedarfs des Körpers (Neal et
al., 1979). Dagegen verringert TCDD die Aufnahme von C14-markierter Glukose signifikant
und reguliert die Enzyme der Glukoneogenese. In Ratten der Linie Sprague Dawley wird
durch TCDD die Glukose-6-Phosphatase (G-6-Pase), Phosphoenolpyruvatcarboxykinase
(PEPCK) und Pyruvatcarboxylase (PC) beeinflusst (Weber et al., 1987; Weber et al., 1991a;
Weber et al., 1991b). Die Ratten wurden für 2 oder 8 Tage mit TCDD in Dosierungen von 5125µg/kg Körpergewicht gefüttert und dann die Leber untersucht. Während die Verringerung
der G-6-Pase variabel und nicht konzentrationsabhängig war, war die Aktivität der PEPCK
schon nach 2 Tagen verringert und nach 8 Tagen noch stärker (56% zur Kontrolle). Der
Verlust an Enzymaktivität der PC betrug nach 8 Tagen 49%, während nur eine schwache
Verringerung nach 2 Tagen gezeigt werden konnte (Weber et al., 1991a).
Einer der kritischen Punkte im Glukosemetabolismus ist der Transport von Glukose durch die
Zellmembran. In Säugetierzellen gibt es dafür zwei Mechanismen, den aktive Transport durch
SGLT und den passiven Transport durch Glukosetransporter (GLUT) (vgl. 1.3). In
Adipozyten greift TCDD direkt in die Regulation des Glukosetransportes ein, indem es zu
einer drastischen Abnahme der GLUT4-mRNA und der GLUT1-Proteinmenge (um 40%)
kommt (Liu und Matsumura, 1995; Phillips et al., 1995). TCDD verringert die
Glukoseaufnahme und danach die Lipoproteinlipase-Aktivität in Fettzellen, was als die
Hauptursache für das wasting syndrom (Verlust des Körpergewichtes) angesehen wird (Enan
et al., 1992a, b). Über die Auswirkung von TCDD auf den Stoffwechsel während der
Entwicklung ist bis jetzt nichts bekannt.
Glukose besitzt im Stoffwechsel der Säugetiere eine zentrale Position. Ohne Glukose können
die Prozesse der Glykolyse, Pentosephosphatzyklus und die oxidative ATP-Produktion nicht
stattfinden. Glukose ist auch ein wichtiger Grundbaustein vieler Makromoleküle und damit
Voraussetzung z.B. für die Fettsäuresynthese oder Glykogensynthese. Deshalb ist die
Glukoseaufnahme und Homeostase ein notwendiger und bestimmender Prozess des
Stoffwechsels.
8
1 Einleitung
1.3 Klassifikation der Glukosetransporter
Bei Säugern unterscheidet man nach der Art des Glukosetransportes: den aktiven Transport
durch sodium dependent glucose transporters (SGLT) oder den passiven Glukosetransport
mittels Glukosetransporter-Isoformen (GLUT). Der aktive Glukosetransport erfolgt durch
einen Energie-abhängigen Natrium-Cotransport. Diese Transporter werden als SGLT (sodium
dependent glucose transporter) bezeichnet. Es sind zurzeit 2 Isoformen (SGLT1 und SGLT2)
bekannt. Der transepitheliale Glukosetransport im Dünndarmepithel oder der Niere ist in Abb.
5D gezeigt. Die Aufnahme in die Zellen erfolgt meist aktiv gegen den Glukosegradienten
über die SGLT1 bzw. 2. Da dadurch die Glukosekonzentration in den Zellen höher ist als im
innenliegenden Gewebe, kann die Glukose durch die diffusionsabhängigen GLUT basal
wieder aus den Zellen ausgeschleust werden.
Die erleichterte Diffusion von Glukose durch die Plasmamembran wird durch die Energieunabhängigen Glukosetransporterproteine (GLUT) vermittelt. Der Substrattransport erfolgt
durch erleichterte Diffusion und wird durch eine Michaelis-Menten-Kinetik beschrieben
(Mueckler, 1994). GLUT werden oft auch als passive Transporter bezeichnet, da der
Transport stets in Richtung des Konzentrationsgradienten verläuft. Die GLUT gehören zu den
am besten untersuchten diffusionsgesteuerten Transportmolekülen. Neben Glukose werden
auch Fruktose und Galaktose als Substrate transportiert. Die Substratspezifität und
Transportgeschwindigkeit sind von der GLUT-Isoform abhängig.
1.3.1 Diffusionsabhängige Glukosetransporterisoformen (GLUT)
Die Glukosetransporterproteinfamilie umfasst 13 verschiedene Transporter GLUT1-12 und
den H+-myo-Inositol Cotransporter HMIT (Doege et al., 2001; Phay et al., 2000b; Uldry und
Thorens, 2004). Bis zum Jahr 2000 waren nur die Glukosetransporter 1-4 und der
Fruktosetransporter GLUT5 bekannt. Die anderen Isoformen wurden in den letzten Jahren
hauptsächlich durch die Erfolge in der Genomsequenzierung entdeckt. Nach einigen
Doppelbennungen der Transporter wurden sie 2002 in die neue Nomenklatur aufgenommen.
Der humane Genname für die Familie dieser Transporter ist SLC2. Aufgrund ihrer
Sequenzhomologien wurden die GLUT in 3 Klassen eingeteilt. Zur Klasse I gehören GLUT1,
2, 3, 4, zur Klasse II GLUT5, 7, 9, 11 und zur Klasse III GLUT6, 8, 10, 12 und HMIT (Joost
et al., 2002) (vgl. Abb. 4). Die Glukosetransporter werden als Isoformen bezeichnet, da sie in
der DNA-Sequenz, der Proteinsequenz und Struktur sehr homolog sind. Unterschiede gibt es
in den Km-Werten, den chemischen Transporteigenschaften und der Gewebsspezifität.
Abhängig von der Stoffwechselaktivität der Gewebe und der Einzelzelle kommen die GLUTIsoformen in einer gewebs- und zellspezifischen Verteilung vor (Mueckler, 1994).
Das verbindende Strukturmotiv sind 12 transmembrane Helices mit zyptoplasmatischem Cund N-Terminus. Zwischen den Helices 6 und 7 liegt eine größere intrazytoplasmatische
Domäne. Wichtig für die Substratbindung ist eine extrazytoplasmatische N-glykosylierte
Domäne (Asano et al., 1993). Diese liegt bei den Transportern der Klassen I und II zwischen
den Helices 1 und 2 (Abb.3A). Bei den Klasse III Transportern ist sie zwischen den Helices 9
und 10 angeordnet (Abb.3B).
9
1 Einleitung
A
B
Abb. 3: Sekundärstruktur der Glukosetransporter
Schematisches Modell der GLUT. Die Struktur der GLUT Klassen I und II ist oben, die der Klasse III
unten dargestellt. (Uldry und Thorens, 2004)
Abb. 4: Multiples Alignment aller GLUT-Isoformen als Baumstruktur (Uldry und Thorens, 2004)
Das Alignment wurde mit dem Programm clustalW des EMBL European Bioinformatics Institute
konstruiert. Die 3 Subklassen sind deutlich zu erkennen (Klasse I: GLUT1-4; Klasse II: GLUT5, 7, 9
und 11; Klasse III: GLUT6, 8, 10, 12 und HMIT)
10
1 Einleitung
Die zell- und gewebsspezifische Verteilung der GLUT Klasse I ist gut untersucht. Durch
knock out Modelle konnte gezeigt werden, dass diesen Molekülen eine wichtige Funktion in
der Glukoseaufnahme, der Speicherung von Glukose und als Glukosesensor zukommt. Eine
generelle Übersicht über das Vorkommen und die biologische Funktion der bisher bekannten
GLUT-Isoformen wurde in Tab. 1 zusammengestellt.
Tab. 1: Übersicht über die GLUT-Isoformen in humanen Geweben (Brown, 2000; Uldry und Thorens,
2004)
Transporter Gewebs-Lokalisation
Km-Werte Biologische Funktion
GLUT1
Ubiquitär vorkommend
3mM
GLUT2
Hepatozyten, pankreatische β17mM
Zellen, Dünndarm, Niere
Dünndarmabsorption, renale
Reabsorption; pankreatische und
hepatische Kontrolle des
Glukosestoffwechsels
GLUT3
Neuronen
1.4mM
Transport in die Neuronen des
Gehirns
GLUT4
Skelettmuskel, Herzmuskel,
Fettzellen
5mM
Insulin-abhängiger
Glukosetransport
GLUT5
Dünndarm, Niere
6mM
Transportiert hauptsächlich
Fruktose
GLUT6
Gehirn, Milz, Leukozyten
5mM
Früher auch als GLUT9 bezeichnet
Unbekannt
Wahrscheinlich ähnlich GLUT5
GLUT8
Testis, weniger im
Skelettmuskel, Herz,
Dünndarm, Gehirn
2mM
Hormonell regulierte Funktion im
Testis (Unterdrückung durch
Östrogenbehandlung); Insulinabhängig in der Blastozyste
GLUT9
Niere, Leber, Dünndarm,
Plazenta, Lunge, Leukozyten
Unbekannt
Früher auch als GLUTX bezeichnet
GLUT7
GLUT10
GLUT11
GLUT12
Herz, Lunge, Gehirn, Leber,
Skelettmuskel, Pankreas,
Plazenta und Niere
Herz, Muskel
Brustkrebszellen, Herz,
Skelettmuskel, braunes
Fettgewebe, Prostata
Transport über die Blut-HirnSchranke; genereller
Glukosetransport
0.3mM
Unbekannt
Unbekannt
11
1 Einleitung
1.3.2
Klasse I Glukosetransporterisoformen
1.3.2.1 GLUT1 (SLC2A1)
GLUT1 ist die erstbeschriebene Isoform und wurde 1971 von Jung et al. an Erythrozyten
entdeckt (Jung et al., 1971). GLUT1 kommt ubiquitär in allen Geweben vor. Besonders
wichtig ist er beim Transport durch die endothel- und epithelähnlichen Zellbarrieren des
Gehirns, beim Auge, den peripheren Nerven und der Plazenta (Takata et al., 1990). Die
GLUT1-Expression wird durch den Grundstoffwechsel (höherer Energiebedarf für den
Aufbau neuer Makromoleküle mit Glukose als Grundbaustein) und durch Glukosemangel
beeinflusst. Seine Expressionsrate korrelliert mit dem zellulären Glukosemetabolismus. Eine
Stress-bedingte Erhöhung des Glukosebedarfs wird hauptsächlich durch Steigerung der
GLUT1-Expression realisiert (Flier et al., 1987; Kumar et al., 2004). Ein Mangel an GLUT1
beeinträchtigt den Glukosetransport über die Blut-Hirn-Schranke. Das Hauptmerkmal ist eine
verminderte Glukosekonzentration in der cerebrospinalen Flüssigkeit (Hypoglycorrhachia)
und resultiert in weiteren variablen klinischen Symptomen wie: Wachstumsverzögerung,
Mirkozephalie, Hypotonie und motorische Beeinträchtigungen durch Elemente von Ataxien,
Dystonien und spastischen Störungen (Klepper und Voit, 2002).
1.3.2.2 GLUT2 (SLC2A2)
GLUT2 ist der wichtigste Transporter in sinusoidalen Membranen der Hepatozyten, βpankreatischen Zellen, epithelialen Zellen des Dünndarms und im proximalen Tubulus der
Niere (Fukumoto et al., 1988; Thorens, 1992). Dieser Transporter zeichnet sich durch einen
hohen Km-Wert (15-20mM), ähnlich dem der Glukokinase in Hepatozyten und β-Zellen des
Pankreas, aus (Gould et al., 1991). In pankreatischen Zellen ist GLUT2 an der
Glukoseerkennung und -sensitivität beteiligt, die für die Regulation der Insulinproduktion
notwendig sind. Durch den besonders hohen Km-Wert ist die Eintrittsgeschwindigkeit der
Glukose in diese Gewebe proportional zum Blutglukosespiegel. Ohne funktionelles GLUT2Protein bildet sich ein Diabetes Typ2 aus (Johnson et al., 1990; Orci et al., 1990). Versuche
mit GLUT2-/- Mäusen zeigten, dass dieser Transporter als Glukosesensor in pankreatischen
und hepatischen Zellen fungiert. Weitere Sensoren, deren genaue Lage noch nicht bekannt ist,
kontrollieren die Aktivität des autonomen Nervensystems und stimulieren die
Glukagonsekretion (Thorens, 2001). GLUT werden in der Glukose-Homeostase
verschiedener Gewebe (Muskel, Fettgewebe, Leber, β-pankreatischen Zellen und Gehirn)
benötigt. Veränderungen in der Expression wirken zudem pathophysiologisch. So besteht z.B.
ein Zusammenhang zwischen GLUT2 und Diabetes mellitus. Einige Beispiele, bei denen
GLUT eine wichtige Rolle im Glukose-Sensing spielen, sind in Abb. 5 gezeigt. In βpankreatischen Zellen wird die Glukose über GLUT2 in die Zellen eingeschleust. Durch
Reduktion der Glukose zu Pyruvat in der Glykolyse wird ATP gebildet, welches den ATPabhängigen Transport von Kalium aus der Zelle aktiviert. Dadurch kommt es zu einer
Ionenumverteilung und durch die Depolarisation der Plasmamembran zu einem aktiven
Einstrom von Kalziumionen. Kalzium aktiviert in der Zelle die Exozytose der Insulingranula
(vgl. Abb. 5A).
12
1 Einleitung
1.3.2.3 GLUT3 (SLC2A3)
Für GLUT3 ist ein niedriger Km-Wert (1mM) und eine hohe Glukoseaffinität charakteristisch
(Gould et al., 1992). Er ist der spezifische Transporter im Gehirn bei Maus und Ratte,
während das Protein im humanen Organismus auch in den langsamen Muskelfasern
nachgewiesen wird. Im Gegensatz zu dieser spezifischen Proteinlokalisation von GLUT3
kann die mRNA beim Menschen ubiquitär nachgewiesen werden, aber bei der Maus nur im
Gehirn (Kayano et al., 1988; Stuart et al., 1999). In Abb. 5C ist der Transport über die BlutHirn-Schranke dargestellt. An diesem Prozess sind vor allem GLUT1 und GLUT3 beteiligt.
Für das Ausschleusen von Glukose aus den Blutgefäßen und die Aufnahme in die Astrozyten
ist GLUT1 verantwortlich. Die Aufnahme von Glukose in die Neuronen wird über den
sensiblen GLUT3 reguliert, der eine hohe Affinität für Glukose aufweist. Welche Bedeutung
GLUT8 in den Neuronen und GLUT2 in den Astrozyten zukommt, ist noch nicht bekannt.
1.3.2.4 GLUT4 (SLC2A4)
GLUT4 hat eine Km-Wert von 5mM und vermittelt den Eintritt von Glukose in Muskel- und
Fettzellen. GLUT4 ist ein Insulin-sensitiver Transporter, der nach Insulineinwirkung von
seiner zytoplasmatischen Lagerung in speziellen Vesikeln in die Plasmamembran
ausgeschleust wird (vgl. Abb. 5B).
Bei GLUT4-knock in Modellen wurden transgene Mäuse mit einem GLUT4-Minigen
produziert. Das GLUT4-Minigen ist 14kb groß und enthält 7 kb der 5' und 1 kb der 3'
flankierenden Region, alle Exons, Introns von GLUT4 und eine kleine Fremd-DNA in der 3'
untranslatierten Region zur besseren Identifikation des Minigens (Ezaki et al., 1993). Die
Wachstumsrate, das Gewicht und das Verhältnis an Fettgewebe der GLUT4-knock in Mäuse
waren normal. Das transfizierte GLUT4-Minigen lag in ca. 28-30 Kopien im Genom vor. Die
stärkste mRNA Expression wurde im Herzen, Skelettmuskel und braunen Fettgewebe
nachgewiesen, keine Expression in Leber und Gehirn. Das Protein war 2fach erhöht. Die
knock in Mäuse wiesen einen schnellen Blutglukose-Umsatz nach Gabe von oraler Glukose
auf. Das zeigt, dass GLUT4 eine zentrale Stellung in der Glukose-Homeostase in vivo
einnimmt (Ikemoto et al., 1995). GLUT4 heterozygote Mäuse (+/-) zeigen eine verringerte
Expression des GLUT4 in Adipozyten und Skelettmuskelzellen. Die GLUT4 (+/-) Mäuse
haben einen i) erhöhten Serum-Glukose- und Insulinspiegel, ii) eine reduzierte Aufnahme von
Glukose in den Muskel, iii) mit morphologischen Veränderungen am Herz und in der Leber
ähnlich des humanen Typ 2 Diabetes (Stenbit et al., 1997). GLUT4-knock out Mäuse (-/-)
zeigen einen annähernd normalen Glukosespiegel im Blut. Die GLUT4-knock out Mäuse
zeigten nach der Mahlzeit eine Hyperinsulinämie, was auf eine Insulin-Resistenz hinweist.
Die Expression von GLUT2 in der Leber und GLUT1 im Herz ist erhöht. Die Mäuse zeigen
in Glukosetoleranztests, dass sie weniger Insulin-sensitiv sind, aber der Stoffwechsel nicht
gestört ist. GLUT4 ist für ein normales Wachstum und einen normalen zellulären Glukoseund Fett-Metabolismus essentiell (Katz et al., 1995; Katz et al., 1996). GLUT4-knock out
Mäuse zeichnen sich durch eine geringere Insulin-Sensitivität, eine kürzere Lebenserwartung
und ein vergrößertes Herz aus, sind aber ansonsten unauffällig.
13
1 Einleitung
Abb. 5: Verschiedene physiologische Aufgaben der GLUT (Uldry und Thorens, 2004)
A: Glukose Sensing in β-pankreatischen Zellen durch GLUT2 B: Glukoseaufnahme in Insulin
sensitiven Zellen durch GLUT4 C: Beteiligung von GLUT1 und GLUT3 am Glukosetransport über die
Blut-Hirn Schranke D: Transepitheliale Absorption von Hexose und Reabsorption im Dünndarm und
den Tubuli der Niere.
1.3.3
Klasse II und III der Glukosetransporterisoformen
1.3.3.1 Klasse II
GLUT5 ist ein Fruktosetransporter und befindet sich in der apikalen Zellmembran des
Dünndarmepithels, wo er eine wichtige Funktion bei der Aufnahme von Fruktose ausübt.
GLUT5 ist in geringen Mengen in der Niere, dem Muskel, dem Gehirn und im Fettgewebe
nachweisbar (Mantych et al., 1993). GLUT7 wurde durch einen Homologie-Vergleich
gefunden und könnte, da er große Ähnlichkeiten mit GLUT5 aufweist, ebenfalls ein
Fruktosetransporter sein (Joost und Thorens, 2001). Über GLUT9 ist bis jetzt nur die mRNAExpression bekannt. Der Transporter kommt in der Niere und der Leber, aber auch in
geringem Umfang im Dünndarm, der Plazenta, Lunge und den Leukozyten vor (Phay et al.,
2000a). GLUT11, 2001 isoliert, nimmt eine besondere Stellung ein, da dieser Transporter in 3
Splice-Varianten vorkommt (Doege et al., 2001). Die Splice-Formen unterscheiden sich durch
die N-terminalen Aminosäuren (7, 14 oder 10 AS) (Wu et al., 2002b).
14
1 Einleitung
1.3.3.2 Klasse III
GLUT6 ist seit der neuen Nomenklatur der ehemalige Transporter GLUT9. Bis jetzt ist nur
die mRNA-Expression im Menschen untersucht worden. Transkripte konnten im Gehirn, der
Milz und peripheren Leukozyten nachgewiesen werden (Doege et al., 2000a).
GLUT8 ist in geringen Mengen in vielen Geweben vorhanden (Doege et al., 2000b). Eine
besonders hohe Expression von GLUT8 wurde im Testis nachgewiesen. GLUT8-mRNA wird
in Leydigzellen durch Zytokine, Interleukin-1alpha, TNF-alpha und inflammantory-gamma
verringert, aber durch IGF-1 und humanes Choriongonadotropin erhöht (Chen et al., 2003). In
Muskelzellen ist die GLUT8 mRNA nachweisbar, das Protein aber nicht detektierbar. Die
Expression im Muskel wurde unter pathophysiologischen Bedingungen nicht induziert, so
dass GLUT8 keine wichtige Funktion im Muskel zukommt (Gaster et al., 2004). Das GLUT8Protein konnte im Zytoplasma neuronaler N2A Neuroblastomazellen der Maus nachgewiesen
werden. Es konnte keine Translokation des Proteins in die Plasmamembran nach Insulin, IGF1 und KCl Zugabe gezeigt werden, so dass der Stimulus für den vesikulären Transport von
GLUT8 in diesen Zellen unbekannt bleibt (Shin et al., 2004).
GLUT10 besitzt eine sehr hohe Affinität für den Transport von Glukose. Die mRNA ist in
Herz, Lunge, Gehirn, Leber, Skelettmuskel, Pankreas, Plazenta und Niere vorhanden. Dieser
Transporter liegt in der Diabetes-Typ2-Region des humanen Chromosoms 20q12-13.1
(Dawson et al., 2001).
GLUT12 cDNA wurde 2002 aus einer humanen embryonalen cDNA-Bibliothek amplifiziert
und in Brutskrebszellen detektiert (Rogers et al., 2002). Durch funktionelle Studien konnte
gezeigt werden, dass GLUT12 hauptsächlich Glukose transportiert und durch seine hohe
Expression in verschiedenen Tumoren wahrscheinlich eine Funktion in der Versorgung der
Krebszellen mit erhöhtem Glukosebedarf hat (Rogers et al., 2003a; Rogers et al., 2003b).
1.4 Glukosetransporter in der Präimplantationsentwicklung der Maus
Der Präimplantationsembryo nutzt bis zur Kompaktierung der Morula Pyruvat und Laktat als
Energiesubstrat (Leese, 1995). Die Zygoten benötigen für die erste Reifeteilung hauptsächlich
Pyruvat, während die zweite Teilung gleichermaßen von Pyruvat und Laktat unterstützt wird
(Leese, 1995). Dies überrascht, da bereits Präimplantationsembryonen in der Lage sind,
Glukose zu metabolisieren, wenn Glukose im Milieu ausreichend zur Verfügung steht. Eine
mögliche Ursache dafür ist, dass der Embryo in diesen frühem Stadium nicht zum
Glukosetransport befähigt sein könnte (Pantaleon et al., 1997). Glukose wird erst ab der
Kompaktierung der Morula nach dem 8-Zell Stadium das bevorzugte Substrat. Jedoch ist für
die Blastozystenbildung, einem sehr energieaufwendigen Prozess, Glukose essentiell. Diese
Energie wird hauptsächlich für die Na+, K+-ATPasen bereitgestellt. Schon eine einminütige
Exposition des 4-Zell-Embryos ist ausreichend, um den durch Glukosemangel bedingten
Arrest der Morula aufzuheben und die Blastozystenbildung einzuleiten (Chatot et al., 1994;
Martin und Leese, 1995). Die Glukosekonzentration der Uterusflüssigkeit liegt in
pseudograviden Mäusen bei 1mM. Im Gegensatz dazu ist die Konzentration an Laktat
variabel. Das Maximum liegt an Tag 2 der Pseudogravidität mit 4mM und die
15
1 Einleitung
Pyruvatkonzentration beträgt immer 10% der Laktatkonzentration (Wales und Edirisinghe,
1989). Um Glukose aufnehmen zu können, muss der Embryo einen geeigneten hochaffinen
Glukosetransporter exprimieren. Dies ist GLUT3 mit einem Km-Wert von ca. 1.4mM. GLUT3
ist apikal im Trophektoderm lokalisiert und versorgt zusammen mit dem basolateral
lokalisierten GLUT1 die kompaktierende Morula und Blastozyste mit mütterlicher Glukose
(Abb. 6) (Pantaleon et al., 1997; Pantaleon und Kaye, 1998). Welche Funktion Glukose in der
befruchteten Zygote bzw. bei den ersten Reifeteilungen hat, ist unklar. Obwohl sie als
Energiesubstrat nicht notwendig ist, kann ohne Glukose die Gametenfusion und Befruchtung
der Eizelle nicht stattfinden (Urner und Sakkas, 1996).
Die Expression des SGLT1 konnte in der Mausblastozyste gezeigt werden, aber nicht seine
Funktionalität (Gardner und Leese, 1988; Gardner und Kaye, 1995; Wiley et al., 1991). Auch
im Rinderembryo ist SGLT1 mRNA während der Präimplantationsentwicklung nachweisbar
(Augustin et al., 2001).
GLUT1 wurde erstmalig 1991 in Mäuseembryonen beschrieben (Hogan et al., 1991; Morita
et al., 1992). Das Protein liegt in der Zygote und im 2-4 Zell Stadium bis zur Kompaktierung
der Morula im Kern, danach in der basolateralen Zellmembran vor (Pantaleon et al., 2001).
Die Expression von GLUT3 beginnt ab dem 4-8 Zell Stadium und wird ab dem 8-Zell
Stadium von GLUT2 unterstützt (Aghayan et al., 1992). GLUT2 ist basal in den Membranen
der Trophoblastzellen lokalisiert.
Die Expression von GLUT2 und GLUT4 wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Während
ältere Arbeiten von Aghayan et al. (1992) eine Expression von GLUT2 ab dem 8-Zell
Stadium beschrieben, ist in anderen Arbeiten eine Expression bis zum späten
Blastozystenstadium nicht nachweisbar (Pantaleon und Kaye, 1998; Tonack et al., 2004).
GLUT4 konnte im Zytoplasma und im Kern von Embryoblast- und Trophoblastzellen 2004
erstmalig nachgewiesen werden (Tonack et al., 2004).
GLUT8 wird ab dem Blastozystenstadium im Trophoblast und im primitiven Endoderm
exprimiert (vgl. Abb. 6) (Carayannopoulos et al., 2000).
GLUT9 kommt in 3 Splice-Varianten vor. Nur die kürzere Variante von GLUT9 ist während
der frühen Embryonalentwicklung exprimiert. Dieser Transporter ist im Gegensatz zu GLUT1
in den frühen Teilungsstadien in der Zellmembran, in der Blastozyste aber perinukleär
lokalisiert (vgl. Abb. 6). Möglicherweise ist dieser Transporter in den frühen Teilungsstadien
am Pyruvat-/ Laktattransport beteiligt (Carayannopoulos et al., 2004).
1.5
Embryonale Stammzelldifferenzierung als Modellobjekt der
Reproduktionsbiologie
Allgemeiner Überblick
Aus einer befruchteten Eizelle entsteht der gesamte Organismus. Dieser setzt sich aus mehr
als 200 terminal differenzierten und hoch spezialisierten Zelltypen zusammen. Bis zum 8-Zell
Stadium der Morula sind alle Zellen totipotent und haben damit das Potenzial, in alle
Zelltypen des adulten Organismus zu differenzieren. Die erste Differenzierung in 2
16
1 Einleitung
A
B
GLUT1
GLUT3
GLUT4
GLUT8
GLUT9
Embryoblast
Apikal
Zellkern
Glukose
Trophoblast
C
GLUT8
GLUT9
?
?
GLUT4
Abb. 6: Anordnung der GLUT-Proteine in der Mäuseblastozyste (modifiziert nach Pantaleon et al. 1998)
In (A) sind die Originalabbildungen der GLUT-Lokalisation in Mäuseblastozysten dargestellt. GLUT1
(Pantaleon et al., 2001) und GLUT3 (Pantaleon et al., 1997) in weiss, GLUT4 (Tonack et al., 2004) in
braun, GLUT8 (Carayannopoulos et al., 2000) und GLUT9 (Carayannopoulos et al., 2004) in grün
(Kerne rot). Schematische Darstellung einer gesamten (B) und eines Ausschnittes (C) einer Blastozyste
der Maus.
TE- Trophektoderm; ICM- Inner Cell Mass
17
1 Einleitung
unterschiedliche Zelltypen findet während der Blastozystenbildung statt. Hier entsteht der
Trophoblast und Embryoblast. Ab diesem Zeitpunkt sind die Zellen des Embryo- (ICM, inner
cell mass) und Trophoblasten pluripotent. Zu den totipotente Zellen bei der Entwicklung
zählen die befruchtete Eizelle, die einzelnen Blastomeren des 2-8-Zell-Stadiums und die
primordialen Keimzellen in den Genitalleisten der Mäusefoeten. Während der Gastrulation
entwickeln sich aus dem Embryoblasten die drei Keimblätter Ektoderm, Endoderm und
Mesoderm. Während dieser Entwicklungs- und Differenzierungsprozesse sinkt die
Pluripotenz und die Proliferationsfähigkeit der einzelnen Zellen ab. Frühe undifferenzierte
Zellen kommen dadurch nur in sehr geringer Zahl vor und es ist recht schwierig, genügend
Material für Untersuchungen zu gewinnen. Aus diesem Grund versuchte man schon früh,
undifferenzierte Zellen in Form von Teratokarzinomzellen zu kultivieren (Stevens, 1970).
Es gibt verschiedene Möglichkeiten zur Gewinnung von Stammzellen. Die älteste und erste
Methode zur Isolierung bestand in der Etablierung von embryonalen Karzinomzellen (ECC,
EC Zellen). Um die Embryoblastzellen zu vermehren, wurden sie in Mäuse extrauterin
transplantiert. Die entstandenen Teratokarzinomzellen konnten dann in genügender Zahl
isoliert werden. Der Nachteil dieser Methode ist, dass durch den Transfer der
Embryoblastzellen die Pluripotenz der ECC geringer ist. Sie sind meist nicht mehr in der
Lage, in alle Zelltypen zu differenzieren. Diese Methode wurde vor allem in den 70er Jahren
angewendet. Zu dieser Zellart gehören auch die P19-ECC, die in dieser Arbeit untersucht
wurden.
Anfang der 80er Jahre wurden dann permanente Linien undifferenzierter embryonaler
Stammzellen (ESC) etabliert. Diese Zellen stammen aus der ICM von Blastozysten, von
einzelnen Blastomeren der Morula oder von einzelnen Blastomeren des 8-Zell Stadiums (vgl.
Abb. 7).
Durch bestimmte Kultivierungsbedingungen wird die Pluripotenz dieser Zellen
aufrechterhalten und die Differenzierung blockiert. Dazu gehören: Kultivierung auf „feederlayer“ embryonaler Maus-Fibroblasten (Evans und Kaufman, 1981; Wobus et al., 1984),
Kultivierung in konditionierten Medien (Smith et al., 1988; Wiles, 1993) und Kultivierung
mit dem Hemmfaktor DIA/LIF (Gearing, 1989; Smith et al., 1988; Williams et al., 1988).
Das 3. Modell umfasst die Isolation von pluripotenten embryonalen Keimzellen (EGC) aus
den Genitalleisten 9-13 Tage alter Mäusefoeten.
Charakteristika von Stammzellen:
Im allgemeinen Überblick wurden 3 Arten von Stammzelllinien besprochen. Diese
Stammzellen lassen sich anhand bestimmter Eigenschaften charakterisieren, um sie als
pluripotente Zellen einzustufen (nach Wobus, 1997):
• Nach Reimplantation in die Blastozyste müssen sie an der weiteren Differenzierung
wieder teilnehmen.
• In vitro müssen diese Zellen die Fähigkeit besitzen, sich in alle drei Keimblätter zu
differenzieren.
• Die Zellen müssen über ein hohes Kern-Zytoplasma-Verhältnis verfügen.
18
1 Einleitung
•
•
•
•
•
Die Zellen weisen eine hohe alkalische Phosphatase-Aktivität auf.
Der Keimbahn-spezifische Transkriptionsfaktor Oct-4 wird exprimiert.
Die DNA ist hypomethyliert.
Das Stage Specific Embryonic Antigen SSEA-1 wird exprimiert (Rohwedel et al., 1996;
Solter und Knowles, 1978).
Die Zellzyklus-Phasenlängen besitzen eine kurze G1-Phase im Vergleich zu
differenzierten Zellen.
1.5.1 Modell embryoid bodies
ES-Zellen bilden, wenn sie in dreidimensionalen Zellaggregaten kultiviert werden, die sog.
embryoid bodies. Die Aggregation der Zellen kann durch Kultivierung in hängenden Tropfen
bzw. in Suspension (Spinner-Kulturen) erreicht werden. Durch den Kontakt der Zellen
zueinander in den Aggregaten differenzieren die Zellen spontan in Abkömmlinge aller drei
Keimblätter. Die Differenzierungsleistung ist von vielen Faktoren abhängig:
• von der Differenzierungsfähigkeit der ES- oder EC-Zelllinie
• von den verwendeten Kulturmedien und Supplementen
• von der Qualität und Charge des fötalen Kälberserums
• von der verwendeten Zellzahl bei der Aggregation der EBs
• von der Kulturdauer (EB-Phase, Zeitpunkt des Plattierens)
Vergleicht man die Entwicklung der EBs mit der frühen Embryonalentwicklung, dann können
folgende Parallelen aufgezeigt werden (Robertson et. al. 1987). Man kann einen 4-5 Tage
alten EB mit einem Embryo im Blastozystenstadium vergleichen. Die äußere Schicht des EBs
ist endodermal, während innen die undifferenzierten ES Zellen liegen. Im Alter von 7-8
Tagen ähnelt der EB einem Embryo im Eizylinderstadium. Hier sind neben endodermalen
auch ektodermale und mesodermale Zellen vorhanden (vgl. Abb. 7) (Robertson, 1987).
1.5.2 P19-ECC als in vitro Modell der Reproduktionstoxikologie
Die Differenzierung der ESC und ECC erfolgt z.B. über die Bildung von EBs. Es konnten
mittlerweile viele verschiedene Zelltypen differenziert werden: Herzmuskelzellen (Maltsev et
al., 1993; Maltsev et al., 1994; Miller-Hance et al., 1993; Wobus et al., 1991),
Skelettmuskelzellen (Miller-Hance et al., 1993; Rohwedel et al., 1994; Rose et al., 1994),
neuronale Zellen (Bain et al., 1995; Fraichard et al., 1995; Okabe et al., 1996; Strubing et al.,
1995), hämatopoetische Zellen (Keller, 1995; Wiles und Keller, 1991), Adipozyten (Dani et
al., 1997), Chondrozyten (Kramer et al., 2000), Epithelzellen (Bagutti et al., 1996),
Endothelzellen (Risau et al., 1988) und glatte Gefäßmuskelzellen (Drab et al., 1997; Risau et
al., 1988; Weitzer et al., 1995). Bei der Differenzierung werden verschiedene
entwicklungsspezifische Gene und Proteine exprimiert. Die Expression dieser Gene ist
ähnlich der embryonalen Differenzierung reguliert und ist dadurch ein geeignetes Modell zur
Untersuchung von Differenzierungsprozessen (Rohwedel et al., 1994; Schmitt et al., 1991).
Die Differenzierung der Zellen kann durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden wie
Überexpression oder knock out Mutationen und durch Modifikation von Wachstums- und
19
1 Einleitung
Abb. 7: Herkunft und Differenzierungspotential totipotenter/pluripotenter embryonaler Zellen der Maus:
ECC, ESC und PGC/EGC (Wobus, 1997)
Differenzierungsfaktoren. Eine der ersten toxikologische Untersuchungen an Stammzellen
galt dem Einfluss von Retinsäure (RA), einem Derivat des Vitamins A. RA führt in hohen
Dosen zu Missbildungen bei Embryonen. Als Ursache bei der Embryogenese in vivo wurde
ein Einfluss von RA auf die Bildung der Anterior-Posterior Achse beschrieben. Die
Ergebnisse an ESC konnten diese Befunde bestätigen und unterstützen (Rohwedel et al.,
2001; Wobus et al., 1997). Der Einfluss embryotoxischer Substanzen kann vor allem während
der Differenzierungsphase der EBs gut untersucht werden. Solche Studien zur Untersuchung
embryotoxischer Substanzen umfassen z.B. die Wirkung von RA (Wobus et al., 1997), NEthyl-N-Nitrosoharnstoff (ENU) (Sehlmeyer und Wobus, 1994), Lithium (Schmidt et al.,
2001). Durch Laschinski (1991) wurde das erste Testverfahren zur Untersuchung der
Toxizität von Substanzen auf ES Zellen etabliert, das auf dem MTT-Test basiert (vgl. 2.6)
(Laschinski et al., 1991). 1997 wurde von Spielmann der sog. embryonale Stammzelltest EST
etabliert. Dazu wird ein MTT-Test durchgeführt. Weiterhin wird der Einfluss der
Testsubstanz auf die Differenzierung von Herzmuskelzellen untersucht (mikroskopische
Auswertung der Kontraktion). Die erhaltenen Daten werden dann mit dem Einfluss der
Testsubstanz auf 3T3 Mäuse Fibroblasten verglichen. Danach kann die Wirkung der
Testsubstanz klassifiziert werden (Scholz et al., 1998; Spielmann und Liebsch, 2001).
20
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