Gemeinsames Leben behinderter und nichtbehinderter Kinder

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GEMEINSAMES LEBEN
Gemeinsames Leben behinderter und
nichtbehinderter Kinder
Helga Brennenstuhl, Leiterin Kita OLGA BENARIO in Templin über eigene Erfahrungen
In der Stadt Templin mit etwa 12.000 Einwohnern gibt es fünf Kindertagesstätten.
Unser Kindergarten mit 85 Kindern im Alter
von drei bis sechs Jahren liegt in der Nähe
des Stadtzentrums und ist die einzige Integrationseinrichtung. Die tägliche Öffnungszeit beträgt zehn Stunden, bei Bedarf wird
verlängert.
Mitteilung des Vorhabens vor den Stadtverordneten sicherten uns die Unterstützung
durch die Kommune, den Träger unserer
Einrichtung. In Gruppenelternversammlungen, bei Elterngesprächen und schließlich im
Kita-Ausschuß brachten wir den Eltern
unser Anliegen nahe und waren über deren
aufgeschlossene Reaktion positiv überrascht.
Der Einstieg in die Integration
Auf Initiative von Frau Dr. Neumüller bildeten wir ein Beraterteam: eine Kinderärztin,
eine Fachärztin für Neuropsychiatrie, ein
Rehabilitationspädagoge, Sonderpädagogen, Fachschullehrer, Eltern und Erzieherinnen. In diesem Gremium wurden alle weiteren Sachfragen diskutiert.
Bereits vor der Wende hatten wir in Einzelfällen behinderte Kinder in der Kita zu
betreuen. Dennoch erlebten wir im Ort, wie
Menschen mit Behinderungen ausgesondert wurden, und seit längerem bewegte
uns die Frage, ob und wie eine gemeinsame
Erziehung behinderter und nichtbehinderter
Kinder gestaltet werden könnte.
Ein Berg von Hindernissen wird
abgetragen
Im Prozeß des Suchens trafen wir auf die
Fachschule für Sozialpädagogik in Templin.
Und hier unterstützte uns insbesondere Frau
Dr. Neumüller, engagiert und zuversichtlich,
auf unserem Weg in Richtung Integration.
In der Fachliteratur lesen wir: „Integration
ist in jedem Fall möglich, wenn die entsprechenden Bedingungen gegeben sind...“
Wir standen vor einem Berg von Hindernissen:
– Wir hatten kaum Fachwissen und Erfahrungen im heilpädagogischen, medizinischen Bereich;
– unser Haus mit damals sieben Gruppen
und 134 Kindern war voll; jede Gruppe
hatte nur einen Raum, d.h., es fehlte an
Rückzugs- und Ausweichsmöglichkeiten
u.a. für Kleingruppenarbeit;
Es begann eine intensive Auseinandersetzung jeder einzelnen Mitarbeiterin verbunden mit den Fragen: Möchte ich mit behinderten Kindern arbeiten? Kann ich es überhaupt? Bin ich den – mir noch weitgehend
unbekannten – Anforderungen gewachsen?
Mehrere Gespräche mit unserer Amtsleiterin, ein Termin beim Bürgermeister und die
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die sanitären Einrichtungen waren nicht
behindertengerecht; Zugänge zum Haus
für Rollstuhlfahrer kaum möglich;
eine therapeutische Betreuung war nicht
abgesichert, Heil- und Hilfsmittel standen nicht zur Verfügung;
außerdem fehlten uns Grundkenntnisse
für Antragsverfahren, Kostenübernahme und Leistungskataloge.
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In der gemeinsamen Erziehung liegt eine
große Herausforderung an die Erzieherpersönlichkeit.
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In der Vorbereitung auf diese neue,
anspruchsvolle Aufgabe führten wir eine
intensive Auseinandersetzung um folgende
Aussagen:
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Behinderte Kinder sind zunächst einmal
Kinder;
behinderte Kinder sollen nicht normalisiert, sondern individualisiert werden;
durch gemeinsames Leben können sie
auf dem Weg zur eigenen Lebensbewältigung unterstützt werden.
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Deutlich wurde uns, daß Behinderung
neben der ursprünglichen Schädigung, die
zu bestimmten Einschränkungen und Funktionsbeeinträchtigungen führt, auch eine
Beeinträchtigung im sozialen Bereich bedeutet. Behindert zu sein heißt, abhängiger
zu sein als ein nichtbehinderter Mensch.
Ursachen dafür liegen jedoch nicht ausschließlich in der Schädigung, sondern vielfach im Verhalten der umgebenden Menschen, der Umwelt. Ein sorgsames Ausbalancieren von Abhängigkeit und Selbständigkeit mit jedem einzelnen Kind schien uns
notwendig.
jedem Kind, unabhängig von seinem
äußeren Erscheinungsbild, eine persönliche Zuwendung zuteil werden muß,
die es braucht;
Situationen in der Gruppe so gestaltet
werden müssen, daß sich für alle Kinder
geeignete Kontakt- und Spielmöglichkeiten ergeben;
auch in ersten Ansätzen sich entwickelnde Fähigkeiten wahrgenommen
und unterstützt werden müssen;
eine positive, gelassene Atmosphäre hergestellt und aufrechterhalten werden
muß trotz besonderer Anspannungen,
wie sie sich u.a. durch schwer ertragbares
Verhalten (Bewegungsunruhe, Stereotypien, Aggressionen) ergeben können;
Kindern nach Bedarf Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten angeboten werden
müssen;
regelmäßig die notwendigen Pflegemaßnahmen wahrgenommen werden
müssen;
Kinder mit erheblicher körperlicher
Behinderung regelmäßig getragen werden müssen;
erforderliche Hilfs- und Stützfunktionen
im Alltag beachtet werden müssen, sie
sind von außerordentlicher gesundheitlicher Bedeutung (vgl. Dichans, Wolfgang: Der Kindergarten als Lebensraum
für behinderte und nicht behinderte Kinder; Köln 1993).
Wir kamen zu der Einsicht, daß die genannten Anforderungen weitgehend auch in
Regelgruppen Gültigkeit haben. Die Chance, die sich allen Beteiligten im gleichberechtigten Zusammenleben bietet, wurde
uns noch bewußter. Seit 1991 nehmen alle
pädagogischen Mitarbeiterinnen unseres
Kindergartens an einer langfristigen Fortbildung zum Thema „Integration“ teil, und
eine Vertiefung und Qualifizierung unserer
pädagogischen Arbeit finden statt.
Als grundlegende Anforderung an jede
Erzieherin in ihrer Gruppenarbeit erkannten
wir, daß
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Unsere Konzeption für die
gemeinsame Erziehung
entsteht
Die Anerkennung als
teilstationäre Einrichtung
Vom Landessozialamt wurden vor Ort die
Voraussetzungen überprüft und folgende
Rahmenbedingungen für die Anerkennung
gefordert:
Unser Kindergarten soll als integrativer
Lebensraum gestaltet werden. Hier können
sich Menschen angstfrei begegnen, eine
Akzeptanz der jeweiligen Besonderheit
gegenüber entwickeln und soziale Integration als wechselseitigen Prozeß erfahren.
Das behinderte Kind lernt sogenannte Normalität und das nichtbehinderte Kind
wesentliches Sozialverhalten. Die Familien
mit behinderten Kindern erleben Teilnahme
am öffentlichen, gemeinschaftlichen Leben.
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Wir formulierten folgende Ziele:
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Selbstvertrauen, Selbständigkeit und
Kreativität jedes einzelnen Kindes stehen im Mittelpunkt unserer Pädagogik.
die Fähigkeiten der Kinder, nicht ihre
Defizite sind richtungsweisend.
die jeweiligen Fähigkeiten und Erfahrungen im Verstehen der Umwelt werden erprobt.
Projekte mit der Möglichkeit zu je spezifischer Beteiligung werden entwickelt.
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Die Arbeit an der Konzeption und die damit
verbundene Situationsanalyse vollzogen
sich in mühevoller, monatelanger Arbeit im
Streitgespräch mit allen Mitarbeiterinnen
und unter Einbeziehung der Eltern. Wir
dachten über viele Dinge nach, die sonst im
Alltag untergingen, und kamen zu neuen
Einsichten, deren Umsetzung uns nicht
immer leichtfiel. Es zeichneten sich Probleme ab, die noch gelöst werden wollten.
Im März 1991 reichten wir über unseren
Träger einen Antrag zur Anerkennung als
„teilstationäre Einrichtung“ beim Landesamt für Soziales und Versorgung/Cottbus
und beim zuständigen Jugendamt ein.
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zwei ausgebildete Erzieherinnen pro
Gruppe, die zur Fortbildung zum Thema
„Gemeinsame Erziehung“ bereit sind;
mindestens fünf behinderte Kinder müssen aufgenommen werden;
die therapeutischen Maßnahmen finden
in der Einrichtung statt;
vor der Aufnahme ist ein amtsärztliches
Gutachten einzuholen, das zusammen
mit dem Aufnahmeantrag der Eltern an
das Landesamt für Soziales und Versorgung in Cottbus eingereicht wird;
eine Zusatzfinanzierung des überörtlichen Trägers erfolgt nur bei Anerkennung der Behinderung nach 39/40
KJHG;
für die Förderung bei sogenannter „seelischer Behinderung“ ist seit 1995 die
Jugendhilfe, d.h. das Jugendamt zuständig;
Hilfsmittel müssen von den Eltern selbst
entsprechend § 45 BSHG beantragt
werden;
für jedes Kind ist ein Förderplan zu
erstellen, der halbjährlich fortgeschrieben wird und die Grundlage für die
Abrechnung darstellt;
kommen Kinder aus umliegenden
Orten, gibt es die Möglichkeit des
Behindertentransports (den in Ausnahmefällen auch die Eltern selbst übernehmen können); er wird ebenfalls finanziert; Kostenvoranschläge müssen eingereicht werden;
die räumlichen Bedingungen und die
sanitären Voraussetzungen müssen im
Kindergarten verbessert werden.
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Stellen wurde von einer Aufnahme abgeraten, mit Ausnahme einer Therapeutin (ihr
Kommentar: es wäre einen Versuch wert,
würde aber sehr schwer werden).
Nach zwei Jahren erhielten wir rückwirkend
zum Januar 1993 die Anerkennung als teilstationäre Einrichtung. Zwei Jahre intensiver
Arbeit, und d.h. auch Verbesserung der
Rahmenbedingungen lagen hinter uns:
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Zusammen mit der potentiellen Gruppenerzieherin besuchten wir Julia zu Hause. Wir
erlebten, daß Julia kommunikationsfähig ist:
mit Blicken und Mimik konnte sie Freude
oder Unbehagen ausdrüken, und sie reagierte auf Sprache. Wir entschlossen uns,
mit Einverständnis der Mutter, zur probeweisen Aufnahme. Julia besuchte dann
stundenweise zusammen mit den Eltern den
Kindergarten, und die Familie erlebte ihre
Tochter im Kindergartenalltag. Die Kinder
der Gruppe waren vorbereitet. Sie nahmen
Julia an, akzeptierten, daß sie nicht sprechen und laufen konnte und begannen, sie
in ihrer Art in das Gruppenleben mit einzubeziehen: Sie erzählten ihr, zeigten ihr
Bücher, brachten weiches Spielzeug an, sie
trafen Absprachen für ein gemeinsames
Spiel ... Julia blieb in unserem Kindergarten.
Ein Rückgang der angemeldeten Kinder
ermöglichte eine Reduzierung der Gruppen; die verbliebenen fünf Gruppen
wurden auf je 15 Kinder reduziert.
In jeder Integrationsgruppe arbeiten
zwei Fachkräfte (denen nach Möglichkeit eine Studentin zugeordnet ist).
Jeder Integrationsgruppe stehen zwei
Räume zur Verfügung.
In jeder Integrationsgruppe sind fünf
Kinder mit den unterschiedlichsten
Behinderungen.
Schrägen sichern die Zufahrt für Rollstuhlfahrer, die Sanitäranlagen wurden
behindertengerecht saniert.
Von den Eltern beantragte Hilfsmittel
stehen zur Verfügung.
Wir haben ein ganzes Stück des Berges
abgetragen und kommen unserem Anliegen, integrativ und situationsorientiert zu
arbeiten, immer näher.
Wie dieses Beispiel zeigt, brauchen wir vor
der Aufnahme eines Kindes fundierte Informationen und die Möglichkeit, mit dem
Kind selbst Kontakt aufzunehmen. Hier sind
einmal die Fachleute, wie Kinderärzte und
Therapeuten, gefragt, dann aber insbesondere die Eltern – sie kennen ihr Kind am
besten – und die Gruppenerzieherinnen.
Hausbesuche geben uns die Möglichkeit,
das Kind in seinem vertrauten Umfeld kennenzulernen und Ansatzpunkte für die Kontaktaufnahme zu finden.
Hier fällt es Eltern oft auch leichter, über ihre
Bedenken und Ängste zu sprechen und Fragen zu stellen. So wünschen zwar die meisten Eltern für ihr Kind den Spielkontakt zu
anderen Kindern, doch fällt es ihnen meist
sehr schwer, nach einer Zeit intensiver
Betreuung sich auf die Trennung einzulassen. Sie äußern Zweifel, ob im Kindergarten
Die pädagogische Praxis
unseres Kindergartens –
integrativ und situationsorientiert
Die Zusammenarbeit mit den Eltern beginnt
vor der Aufnahme eines Kindes. Die Mutter
eines schwerbehinderten Mädchens stellte
in unserem Kindergarten einen Aufnahmeantrag. Julia kann nicht laufen, sich nicht
allein setzen, nicht sprechen und nur
bedingt greifen. Ihr war ein Platz in einer
Einrichtung für geistig behinderte Kinder
angeboten worden. Von den zuständigen
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auch genügend Zeit für ihr Kind ist, ob es
genug Zuwendung bekommt usw. Klärende
Gespräche, aber auch die stundenweisen
Besuche von Kind und Eltern in der Einrichtung, vor der Aufnahme und in der Eingewöhnungszeit helfen den Eltern, eine positive Einstellung zum Kindergarten zu entwikeln. Sie erfahren, daß soziales Lernen in der
Kindergemeinschaft besser möglich ist, und
daß die medizinische Betreuung alleine nicht
zu einer befriedigenden Lebensbewältigung
und Entwicklung führt.
hen einzelne Kinder und manchmal die
ganze Gruppe mit in das Geschehen ein. Die
Gruppentherapie erleben die Kinder als
Höhepunkt: Sie sind mit Freude dabei und
erleben, was jeder einzelne kann, was ihm
schwerfällt. Anstelle eines defekt-orientierten Therapieverständnisses sind erste Ansätze einer ganzheitlichen pädagogischen Therapie getreten. Werden Erziehung und Therapie getrennt und isoliert voneinander
gehandhabt, geht das Bemühen weitgehend am Kind vorbei.
Therapie in der Gemeinschaft
der Kindergruppe
Alles, was fährt und fliegt –
gemeinsames Lernen im Projekt
Unsere Kinder werden in der Regel von
Sprach- und Physiotherapeuten (zwei- bis
dreimal wöchentlich) im Kindergarten
betreut. Anfangs bekamen einige Kinder
zusätzlich noch Spiel- und Beschäftigungstherapie. Diese wurde dann von der
Therapeutin in einem gesonderten Raum,
teilweise ein – bis eineinhalb Stunden, mit
jeweils nur einem Kind durchgeführt. Hier
wurden die Kinder, losgelöst vom Gruppenleben, therapiert. Aktuelle Befindlichkeiten
des Kindes fanden keine Berücksichtigung,
und das Kind entwickelte Unlust und Widerstand. Für uns zeichnete sich ab, daß die
ständige Aussonderung und „Übertherapie“ der Entwicklung des Kindes nicht entgegenkommt. Eine Neuorientierung, insbesondere auch bei den therapeutischen und
medizinischen Fachkräften, ist notwendig.
Wir führten in unserem Haus eine intensive
Auseinandersetzung mit den beteiligten
Therapeuten, werteten unsere Erfahrungen
aus, studierten Fachliteratur und einigten
uns auf folgendes Vorgehen:
Die Therapeuten versuchen, die Therapie in
den Gruppenalltag einzubetten. Sie bleiben
mit den Kindern im Gruppenbereich, bezie-
Ich möchte nicht verschweigen, wie schwierig sich anfangs die planmäßige Gruppenarbeit gestaltet hat und noch immer gestaltet.
Wir waren oft unzufrieden und dachten,
nicht genug zu leisten.
Es fehlte uns ein Gefühl dafür, was dem einzelnen Kind zugemutet werden kann und
wieviel Zeit es für ganz alltägliche Handlungen benötigt. Unsere Beobachtungen sind
manchmal noch zu oberflächlich. wir sind
dabei zu lernen, differenzierte Beobachtungsergebnisse den jeweiligen Aufgaben
voranzustellen und diese dann genau zu
strukturieren: Was kann jedes Kind, was
können wir fordern und wo, in welchem
Bereich kann es gefördert werden.
Ich möchte ein Beispiel voranstellen: Unser
Kindergarten liegt in der Nähe des Krankenhauses. die Kinder erleben häufig, wie Kranken-, Feuerwehr- und Polizeiautos und Rettungshubschrauber im Einsatz sind. Viele
unserer Kinder haben an den Fahrzeugen
und an dem Geschehen großes Interesse,
viele Gespräche und Spiele finden zu diesem
Thema statt.
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durch den Raum, bewegt sich mit seinem
Rollstuhl geschickt durch das Haus und
äußert auch mal den Wunsch, in einer anderen Gruppe spielen zu wollen. Er fühlt sich
gleichberechtigt.
Einigen Kindern fiel es schwer, einzusehen,
daß Christian - ein Kind mit Querschnittlähmung, Wasserkopf und Nierenschädigung diese Autos nicht bezeichnen kann, während Julian – ein geistig und sprachlich
behinderter Junge – sich außerordentlich
gut zu diesem Thema mitteilen kann. Die
Erzieherin stieg vermittelnd ein, ein gemeinsames Thema „Alles was fährt und fliegt“
stand im Raum; wir machten uns auf den
Weg, gemeinsam, entsprechend den individuellen Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes,
tätig zu werden. Die Kinder freuten sich,
brachten ihre Lieblingsfahrzeuge von zu
Hause mit, plazierten sie im Raum und es
entstanden je spezifische Arbeitsschritte.
Einige Kinder fotografierten ihre Autos,
andere malten und schnitten aus. Alexander
konnte diese Feinarbeit aufgrund seiner
Spastik nicht. Er übernahme die Klebearbeit
in einer Auto-Mappe und auf dem Wandfries. Alle Kinder erlebten, daß sie gebraucht
wurden und stolz zeigten sie ihren Eltern die
entstandenen Werke.
Ergebnisse, Erkenntnisse und
offene Probleme
Nimmt man „Gemeinsame Erziehung“
ernst, so wird in vielen Situationen deutlich,
wie wichtig es ist, Ansprechpartner zu
haben, mit den Problemen nicht allein zu
bleiben. Das Zusammenwirken von Eltern,
Kindergarten, Therapeuten und Ärzten ist
grundlegend für eine erfolgreiche Integration. Fachkompetenz und damit ständige
Fortbildung sind gefordert. Die Zusammenarbeit mit medizinischen Fachkräften ist
wichtig, die pädagogischen Mitarbeiter
müssen lernen,wie man beispielsweise
einem querschnittsgelähmten und nierenkranken Kind die Blase ausdrückt, daß sich
unkontrolliertes Eßverhalten bei einem an
Mukoviszidose erkrankten Kind sehr negativ auswirkt bzw. welche Hilfestellung gegeben werden muß, wenn ein spastisches Kind
krampft. Die Art der Hilfestellung muß mit
jedem Kind spezifisch erlernt werden.
Als nächster Schritt stand eine gemeinsame
Busfahrt an. Einige Kinder befragten den
Busfahrer, ob er Platz für Christians Rollstuhl
hätte, ansonsten würden sie mit dem Zug
fahren. Die Busfahrt konnte stattfinden. Die
Kinder erlebten, daß ein Rollstuhlfahrer
nicht ohne fremde Hilfe in den Bus kommt
und empörten sich darüber. Autobus-Lieder
wurden gesungen, und die Kinder stellten
beeindruckt fest: „Christian sitzt in zwei
Fahrzeugen gleichzeitig – im Rollstuhl und
im Bus“. Diese Busfahrt war ein schönes
Erlebnis, und Christian brachte mit dem Satz
„Ihr seid alle lieb zu mir!“ seine Freude über
das Erlebte zum Ausdruck.
Zusammenfassend nun einige Ergebnisse
und Erkenntnisse unserer Arbeit:
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Wir erinnerten uns an seinen Anfang in der
Gruppe: Er hatte kein Selbstvertrauen und
gebrauchte seine Hände nicht. Heute möchte er alles selbst machen, robbt eigenständig
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Bei entsprechenden Bedingungen ist
die Aufnahme auch schwerbehinderter
Kinder möglich.
Die Verbesserung des Sozialverhaltens
beim gesunden Kind ist nachweisbar;
Stärken und Schwächen der eigenen
Person und des anderen werden bewußter erlebt.
Das behinderte Kind wird im Zusammenleben mit gesunden Kindern besser
GEMEINSAMES LEBEN
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auf die Bewältigung des alltäglichen
Lebens vorbereitet.
Das Sozial- und Leistungsverhalten
wird positiv beeinflußt, z.B. die Kontaktfreudigkeit, die Selbständigkeit,
Kommunikationsfähigkeit, die geistige
Ansprechbarkeit und die Vielfalt in
Gestaltungsmöglichkeiten.
Eltern erfahren Begleitung auf dem
schwierigen Weg, die Behinderung
ihres Kindes anzunehmen, sie fühlen
sich angenommen und entwickeln
einen offeneren Kontakt zu ihren Mitmenschen.
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Dieser Beitrag „Gemeinsames Leben behinderter und nichtbehinderter Kinder“ wurde
von Helga Brennenstuhl bei dem 2. Pädagogischen Forum 1996 im Sozialpädagogischen Fortbildungswerk Brandenburg
(SPFW) in Blankensee vorgetragen. Nach
dem Vortrag erfolgte in einer Arbeitsgruppe eine lebhafte Diskussion. Die in der
nachfolgenden Übersicht zusammengefaßten Diskussionssplitter belegen die intensiven Gespräche.
Offene Probleme, die engagierte Mitarbeit
verlangen:
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die betreuungsfreie Zeit im Kindergarten ist unzureichend, Planung und
Reflexion der pädagogischen Arbeit
kommen zu kurz;
überregionale und regionale Weiterbildungsveranstaltungen sind zur Zeit
unzureichend.
Die Integrationstheorie ist anerkannt,
die Praxis braucht Hilfe in der Umsetzung;
Therapeuten sollten sich dem integrativen Moment noch mehr öffnen und ihre
Arbeit in die Integrationsgruppe verlegen;
Therapien müssen gut ausbalanciert
sein, um eine Therapiemündigkeit des
Kindes zu vermeiden;
Gesundheits- und Krankenkassen müssen einen Angebotskatalog über mögliche Therapien erstellen;
aufgeschlossene Sponsoren sind gefragt;
mehr Augenmerk für behindertengerechte Begehbarkeit öffentlicher Wege
und Einrichtungen;
arbeitsfähige, interdisziplinäre Arbeitsund Beratungsteams sind notwendig;
Konkurrenzdenken ist nicht zum Wohle des Kindes und verhindert integratives Arbeiten;
Erzieherinnen müssen sich auf den Weg
machen, gemeinsam zu planen, zu gestalten und Konflikte zu lösen;
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Diskussionssplitter
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Integrative Erziehung kann nicht von oben diktiert werden, die positive Einstellung jeder einzelnen Erzieherin ist die Grundlage für erfolgreiche Integration;
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Unterstützung für die Erzieherinnen ist notwendig: so wird aus dem Wollen
tatsächlich Können: Fachliteratur, Fortbildung in Theorie und Praxis und ein sorgsames Ausbalancieren der Arbeitszeit in Betreuungszeit und kinderfreie Zeit zum
Vorbereiten, Planen, Reflektieren und für die Zusammenarbeit mit den Eltern;
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Behinderte Kinder dürfen nicht ausgegrenzt werden. Das Zusammenleben von
anfang an ist notwendig, um Berührungsängste erst gar nicht aufzubauen;
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Abschiednehmen vom Defizit-Denken! Genau hinschauen und hinfühlen - was
kann das Kind, das ist die entscheidende Frage;
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Auf Eltern behutsam zugehen; Können wir uns in Eltern hineinversetzen, die mit
einem behinderten Kind leben? Geduld und Einfühlungsvermögen sind wichtig:
die Eltern kennen ihr Kind am besten, wir brauchen ihre Mitarbeit;
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Verhaltensauffälligkeit? – Wo beginnt sie?
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Integration erfordert ein gutes Zusammenspiel von Eltern, Erzieherinnen, Träger,
Ämtern, Therapeuten und Ärzten;
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Integration verlangt, Ressourcen in jeder Beziehung ausfindig zu machen und
kooperativ zu nutzen.
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