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Medizingeräte Produktentwicklung
Oft erscheint das Zulassungsverfahren für Medizinprodukte
wie ein Hindernis bei der Entwicklung von innovativen Produk­
ten. Aber es geht auch anders – ein Erfahrungsbericht.
Gemeinsam zum Erfolg
1 Die Neurostimu­
latortherapie soll
dem Patienten zum
Beispiel nach einem
Schlaganfall wieder
seine Mobilität
zurückgeben
Kontakt
TQ-Group
82229 Seefeld / Gut Delling
Tel. +49 (0)8153 9308-475
Fax +49 (0)8153 9308-7475
www.tq-group.com
Compamed: Halle 08a/N20
www.med-eng.de/
646515
V
MEDengineering 11-12 2013
++ Produktbeschreibung (Varianten, Anwendung, Zubehör …)
++ Produktspezifikation (Normen/Vorschriften, Konstrukti­
ons-/Fertigungszeichnungen, Datenblätter, Herstellungs­
spezifikationen, Maßnahmen zur Qualitätssicherung,
Kennzeichnungen, Gebrauchsanweisung …)
++ Produktverifizierung (Berechnungen, Simulationsergeb­
nisse, Testergebnisse, Risikomanagement …)
++ Produktvalidierung (Herstellungsprozess, Verpackung,
Prozess der Anwendung, Software …)
Auf den einen oder anderen Entwickler wirkt dieser Dokumen­
tationsaufwand abschreckend. Zugegeben, auf den ersten Blick
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Alle Bilder: TQ-Group
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on der Idee zum fertigen Pro­
dukt liegt ein weiter Weg, und
in der Medizintechnik gilt es,
auf diesem Weg einiges zu beachten.
Zum Beispiel ist für Produkte aller Risi­
koklassen (I, IIa, IIb, III) eine technische
Dokumentation erforderlich. Die Eu­
ro­­pean Association for Medical Devi­
ces of Notified Bodies hat die Mindest­
anforderungen in dem Dokument
›Technical Documentation (NB-MED/
2.5.1/Rec.5 rev.4)‹ zusammengefasst:
wäre es einfacher, sich nur um die technischen Aufgaben zu kümmern, statt
Dokumentationen zu schreiben. Bei genauerer Betrachtung erkennt man
aber leicht, dass die Regularien auch Vorteile bringen. So gibt es wohl kaum
einen Programmierer, der noch nicht bereut hat, seinen Quellcode nicht
gleich bei der Programmierung ordentlich kommentiert zu haben.
Dass der Weg zur erfolgreichen Auditierung eines Medizinprodukts auch
anders verlaufen kann, zeigt die Entwicklung des Neurostimulators
›menta­stim‹ (Bild 1). TQ-Systems hat dieses Therapiegerät, mit dem Ner­
ven und Muskeln elektrisch stimuliert werden, neu entwickelt. Mit dem
Gerät (Bild 2) lassen sich Bewegungsabläufe, zum Beispiel nach einem
Schlaganfall, wieder oder neu erlernen. Das Gerät kann nach Einweisung
durch einen Arzt oder Therapeuten durch den Patienten selbstständig im
häuslichen Umfeld eingesetzt werden. Metastim arbeitet nach dem Prinzip
der EMG-gesteuerten Elektrostimulation. Hierbei wird durch die rein men­
tale Bewegungsvorstellung eine Steigerung des Muskelpotentials in Form
des sogenannten EMG­-Werts gemessen. Erreicht dieser Wert einen defi­
nierten Schwellwert, löst das Gerät eine elektrische Stimulation aus. Durch
diese Stimulation erhält das Gehirn die positive Rückmeldung einer erfolg­
reichen Ansteuerung.
Diese Therapie basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass das zen­
trale Nervensystem nach einer Schädigung von Gehirnarealen die verloren
gegangenen Bewegungsmuster in anderen, nicht geschädigte Arealen spei­
chern und somit neu erlernen kann. Dieser Effekt, der als Neuroplastizität
des Gehirns bezeichnet wird, wird durch die elektrische Stimulation messbar
verstärkt.
Eine der großen Herausforderungen besteht heutzutage darin, in immer
kürzeren Abständen immer komplexere Produkte auf den Markt zu bringen.
Dabei ist es entscheidend, sich im Vorfeld klar zu machen, wer wann wel­
chen Beitrag zum Projekt leistet und wie dieser Beitrag in das Gesamtprojekt
eingegliedert wird. Unterschiedliche Vorgehensmodelle haben sich als
Instru­mente etabliert, um diese Schlüsselfragen zu beantworten. Die Palette
reicht von den klassischen phasen­orientierten Modellen wie dem Wasser­
fall-, V-, Spiral- oder auch Stage-Gate­-Modell bis hin zu agilen Modellen wie
Adaptive Software Development (ASD) oder Scrum. Jedes Modell hat seine
eigene Sicht auf den Entwicklungsprozess mit den entsprechenden Vor- und
Nachteilen. Um das für ein Projekt am besten geeignete Modell zu finden,
muss man die Modelle kennen. Verabschieden Sie sich gleich am Anfang von
dem Irrglauben, dass es ein Modell gibt, das ein­
Individuelles mal von vorn bis hinten durchlaufen wird, um
Vorgehensmodell ein Projekt erfolgreich abzuschließen! Überlegen
Sie stattdessen, in welcher Phase Sie welche Pro­
zesse brauchen. Kombinieren Sie die Modelle
oder Teile davon, definieren Sie Iterationsschleifen, und schaffen Sie so Ihr
persönliches Vorgehensmodell. Dieses sollte dann von allen Projekt­
teilnehmern verstanden, akzeptiert und auch gelebt werden.
Bei der Entwicklung des Neurostimulators wurde am Ende jeder Phase ein
Review-Prozess durchgeführt. Außerdem wurden Gates definiert (Bild 3), an
denen eine Go- oder No-Go-Entscheidung getroffen werden konnte. Bei
­einem No-Go für die nächste Phase konnte die Entscheidung für eine Itera­
tionsschleife (Spiralmodell) fallen oder das gesamte Projekt abgebrochen
werden. Was zunächst drastisch klingt, kann sinnvoll sein. Wird nämlich
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Medizingeräte Produktentwicklung
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an einem Gate erkannt, dass ein Fortführen unwirtschaft­
lich ist, lässt sich viel Geld und Zeit sparen.
Die frühe Projektphase kann gar nicht hoch genug bewertet
werden. Hier wird der Grundstein für den Projekterfolg gelegt.
Alle Fehler, die am Anfang gemacht werden, müssen später mit
einem hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand ausgemerzt
werden. Folglich ist das erste nach den regulatorischen Vor­
gaben zu erstellende Dokument – das
Wohin geht Lastenheft mit der Zweck­bestimmung
die Reise? des Medizinprodukts – entscheidend
für den Projekterfolg. Auch im Hin­
blick auf die DIN EN 62366 (Anwen­
dung der Ge­brauchstauglichkeit auf Medizinprodukte) lohnt es
sich, die anstehenden Aufgaben ordentlich zu erfüllen.
Schließlich soll ein Produkt entstehen, das für eine bestimmte
Anwendung gedacht ist und von einer (oder mehreren) Nut­
zergruppe(n) in einem ganz bestimmten Umfeld eingesetzt
werden soll. Je genauer die folgenden Fragen beantwortet
werden können, umso besser wird das Produkt später beim
Kunden ankommen:
++ Wird das Produkt seine Bestimmung erfüllen?
++ Lassen sich Produktideen und Features entwerfen?
++ Können Entscheidungen im Entwicklungsprozess ­getroffen
werden?
++ Können Risiken identifiziert und vermieden werden?
++ Kann das Produkt verifiziert und validiert werden?
2 Der Neurostimulator mentasim wurde für zwei verschiedene
Benutzergruppen entwickelt
Es gibt zahlreiche Erhebungstechniken, mit denen sich
Produktanfor­derungen erarbeiten lassen. Beispiele sind die
Exper­tenbefragung, Einzel- oder Gruppeninterviews, Frage­­­bo­gen­­techniken oder die Beobachtung vor Ort. Wenn Vor­
gängermodelle oder erste Funktionsprototypen existieren,
sollte man sie für die Anforderungs­analyse nutzen. Das kann
beispielsweise im Rahmen von Vergleichen oder Benchmarks,
Usability-Tests oder Fokusgruppen stattfinden. Gleich welche
Technik man wählt, die generierten Informationen müssen
MEDengineering 11-12 2013
ausgewertet und gewichtet werden. Aber gerade bei den
Befra­gungstechniken braucht man Übung, um den Kern der
Problemstellung zu erfassen. Oft tendieren die Befragten dazu,
über mögliche Lösungen nachzudenken, ohne sich der
Problem­stellung bewusst zu werden. Ein gutes Beispiel hierfür
ist ein Zitat von Henry Ford. Er soll einmal gesagt haben: »Wenn
ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt‚
schnellere Pferde.«
Bei dem Neurostimulator handelt es sich um ein Home-Care­Produkt. Der Hauptnutzer ist also der Patient. Er/Sie bekommt
das Gerät von einem Arzt oder Therapeuten verordnet. Außer­
dem soll der Arzt oder Therapeut das Gerät für den Patienten
individuell einstellen können, und er braucht die Möglichkeit,
Therapieprotokolle abzuspeichern, um den Therapieerfolg und
die Einstellungen zu überprüfen. Das Gerät muss also zwei
Nutzer­
gruppen mit unterschiedlichem Bildungsstand, Vor­
kenntnissen und Fähigkeiten gerecht werden. Zum einen der
Klinik und dem Therapeuten und zum anderen dem Patienten
im häuslichen Umfeld. Aufgrund der unterschiedlichen Anfor­
derungen wurden daher auch verschiedene Nutzerprofile im­
plementiert.
Neben den Patienten gibt es weitere Stakeholder. So kommen
bei Home-Care-Geräten auch Mitbewohner oder Angehörige
mit dem Gerät in Kontakt. Ein weiteres Beispiel ist das Vorberei­
ten oder Reinigen des Geräts durch Pflegepersonal. Hier lohnt
es sich im Hinblick auf Usability und
Risikominimierung,
unterschied­ Alle Stakeholder
liche Szenarien durchzugehen und abgeholt?
die gewonnenen Erkenntnisse früh
in den Entwicklungsprozess einflie­
ßen zu lassen. Soll das Gerät später in den Leistungskatalog der
gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden, sollte man
die entsprechenden Anforderungen und Erfolgschancen in Er­
fahrung bringen. Vergessen Sie nicht die Stakeholder im eige­
nen Unternehmen. Je nach Dienstleistungsmodell könnte die
Ser­viceabteilung Forderungen an die Wartbarkeit oder eine
Ferndiagnose stellen. Soll das Gerät langfristig in unterschied­
lichen Ländern auf den Markt gebracht werden, lohnt es sich,
die Anforderungen von Vertrieb und Marketing zu erfragen.
Besonders wichtige Stakeholder sind die Benannten Stellen. Sie
müssen sich intensiv mit dem Produkt auseinandersetzen und
alle Dokumente auf Herz und Nieren prüfen. Häufig ruft die
Audi­tierung bei Entwicklern und Projektverantwortlichen eine
Art Prüfungsangst hervor. Daher entsteht ein Mindset, die Ent­
wicklungsdokumente „für die Benannte Stelle“ zu erstellen
und nicht, um den Entwicklungsprozess sauber zu dokumen­
tieren. Am Projektende hängt dann die finale Zulassung des
Medizinprodukts wie ein Damoklesschwert über dem Team.
Besser ist es, die Benannte Stelle als Entwicklungspartner zu
sehen. Am Beispiel des Neurostimulators zeigt sich, dass es
sich lohnen kann, frühzeitig und offen zu kommunizieren. So
einigte man sich bei diesem Projekt auf eine Art kumulative
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KABEL
SPEZIAL
SPEZIAL
SPEZIAL
KABEL
SPEZIAL
KABEL
SPEZIAL
KABEL
KABEL
KABEL
FÜR DIE
FÜR
DIE
FÜR
MEDIZINTECHNIK
FÜRDIE
DIE
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KABEL
KABEL
KABEL
FÜR
DIE
FÜR
MEDIZINTECHNIK
FÜRDIE
DIE
FÜR
DIE
MEDIZINTECHNIK
FÜR
DIE
MEDIZINTECHNIK
FÜR
DIE
MEDIZINTECHNIK
MEDIZINTECHNIK
MEDIZINTECHNIK
MEDIZINTECHNIK
MEDIZINTECHNIK
Wasserfallmodell
Stage-GateModell
Spiral-Modell
V-Modell
STOPP
STOPP
© MEDengineering
STOPP
STOPP
3 Aus der
Kombination
von vier Vor­
gehensmodellen
entstand ein
individuelles
Modell, mit
dem der Neuro­
stimulator
erfolgreich
entwickelt
worden ist
FÜR DIE
MEDIZINTECHNIK
FÜR DIE
DIE
FÜR
MEDIZINTECHNIK
MEDIZINTECHNIK
MEDIZINTECHNIK
angepasstes Vorgehensmodell
Zertifizierung. Zuerst wurde ein Funktionsprototyp auf elektrische Basissicher­
heit geprüft und abgenommen. Dann wurden Umgebungstests (EMV, Tempera­
turbereich, erste Softwarekomponenten) durchgeführt. In der dritten Prüfung
erfolgte die Endabnahme des Geräts inklusive aller mechanischen Komponen­
ten. Die Vorteile dieses Vorgehens sind:
++ Kritische Dokumente wie Risiko­­be­wertung, Anwendung rele­vanter Normen
etc. werden in einer frühen Phase geprüft und bestätigt
++ Abweichungen werden frühzeitig erkannt und können bis zur nächsten Prü­
fung im Rahmen des normalen Entwicklungsprozesses beseitigt werden
++ Schlanke Qualitätsregelkreise werden geschaffen
++ Böse Überraschungen bei der finalen Auditierung bleiben erspart
Die Benannte Stelle hat dieses eher seltene Vorgehen als sehr positiv wahr­
genommen. Die Prüfer konnten sich auf die relevanten Bereiche fokussieren
und die Prüfung leichter in ihren vollen Terminkalendern einplanen. Es lohnt
sich also, seine Stake­holder zu identifizieren und mit ihnen zu kommunizieren.
Als erfahrener, zertifizierter Medizinproduktehersteller bietet die TQ-­
Group
E2MS-Dienstleistung bei der Entwicklung und Zulassung von Medizinprodukten
an und hilft dabei, Steine aus dem Weg zu räumen und das Produkt schneller auf
den Markt zu bringen. Die TQ-Group steht während des gesamten Produkt­
lebenszyklus zur Seite: angefangen bei der Produkt­idee und der Anforderungs­
klärung über die Planung und die Entwicklung bis hin zur Fertigung, Wartung
und Pflege des Medizinprodukts. So hat der Medizintechnikhersteller den
Rücken frei, um sich auf die klinischen oder medizinischen Anwendungen zu
konzentrieren.
SPEZIAL
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Hybridaufbau
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EMV-optimiert
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Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Theresa Stary
ist im Produktmanagement bei TQ-Systems tätig.
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