Kleider machen Städte

Werbung
Inhalt
Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1 Einleitung, Forschungsfrage und Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . 11
2Aktueller Forschungsstand, theoretische Grundlagen
der vorliegenden Untersuchung und eigene
Forschungsperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
2.1 Aktuelle Diskussionen in der sozialwissenschaftlichen
Stadtforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
2.2 Modesoziologie und Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
2.3 Zusammenfassung und eigene Forschungsperspektive . . . . . . . . 56
3Untersuchungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
3.1 Untersuchungsmethode und Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . 61
3.2 Städtevergleich und Untersuchungsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4Münchner Modeszene: Ergebnisse der empirischen
Untersuchung und Herausarbeitung modeszenespezifischer
Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4.1 Herausbildung der Münchner Modeszene . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
4.2 Die »Modestadt München« als Ziel aktiver
Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
Kunst und Mode: Eine besondere Initiative der Münchner
Stadtverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
6
Kleider machen Städte
4.3 Das Spektrum der Münchner Modeszene . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
4.4 Besonderheiten der Münchner Modeszene . . . . . . . . . . . . . . . . 119
4.5 Der Blick der Münchner Modeschaffenden (Interviews) . . . . . . 132
4.6 Fazit: Besondere Strukturen der Münchner Modeszene . . . . . . 139
5Frankfurter Modeszene: Ergebnisse der empirischen
Untersuchung und Herausarbeitung modeszenespezifischer
Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
5.1 Herausbildung der Frankfurter Modeszene . . . . . . . . . . . . . . . . 145
5.2 Die Modeszene entwickelt sich aufgrund privater
Initiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
5.3 Das Spektrum der Frankfurter Modeszene . . . . . . . . . . . . . . . . 156
5.4 Besonderheiten der Frankfurter Modeszene . . . . . . . . . . . . . . . 162
5.5 Die Sicht der interviewten Modeschaffenden . . . . . . . . . . . . . . 170
5.6 Fazit: Besondere Strukturen der Frankfurter Modeszene . . . . . . 179
6Suche nach eigenlogischen Mustern mithilfe
des Neoinstitutionalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
6.1 Die untersuchten Modeszenen aus neoinstitutionalistischer
Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
6.2 Versprachlichte gemeinsame Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . 200
6.3 Isomorphismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
6.4 Fazit: Unterschiedliche institutionelle Erwartungsstrukturen
in den Issue-Feldern »Mode« in München und Frankfurt
am Main . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
7Suche nach Homologien bezüglich der Eigenlogik
in Fallstudien zu München und Frankfurt am Main . . . . . . . . 211
7.1 München: Aktive Stadtverwaltung – gesamtstädtische
Planungen – langfristige Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
Inhalt
7
7.2 Frankfurt: Aktive Einzelakteure – stadtteilbezogene
Planungen – sachbezogene (Einzelfall-)Entscheidungen . . . . . . 220
7.3 Fazit: Übereinstimmungen zwischen den externen Studien . . . . 230
8 Zur Eigenlogik von München und Frankfurt am Main . . . . . . 231
8.1 Zusammenschau der Befunde zur Eigenlogik von München
und Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
8.2 Befunde zur und Rückschlüsse auf die Eigenlogik
von München und Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
8.3 Fazit: Entwicklung einer Hypothese zur Eigenlogik
von München und Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
9 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
9.1 Fazit der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
9.2 Zukünftiger Forschungsbedarf und Perspektiven . . . . . . . . . . . 259
Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261
Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
2Aktueller Forschungsstand,
theoretische Grundlagen
der vorliegenden Untersuchung
und eigene Forschungsperspektive
Die zentrale Fragestellung dieser Untersuchung zielt darauf ab, zu klären,
ob gegebenenfalls vorhandene eigenlogische Muster in den Untersuchungsstädten München und Frankfurt am Main erkennbar sind. Es soll mithilfe
eigener empirischer Forschungen zu den lokalen Modeszenen sowie mittels
Studien Dritter zu den Untersuchungsstädten gefragt werden, ob Homologien identifizierbar sind, die in der Handlungspraxis der Modeszenen ebenso
wie in weiteren Handlungsfeldern aufgespürt werden können – und wenn
dies der Fall sein sollte, welcher Art sind diese? »Homologie« wird dabei im
Sinne des französischen Soziologen Pierre Bourdieu verstanden als »Vielfalt
in Homogenität« (Bourdieu 1993: 113). Das heißt, es soll versucht werden,
in München und in Frankfurt in der Praxis vorkommende Strukturschemata
der Akteure der verschiedenen Handlungsfelder aufzudecken. Diese Studie
schließt damit an aktuelle Diskussionen der Stadtforschung an, und sie verbindet diesen Forschungsstrang mit der Soziologie der Mode.
Zunächst werden in Kapitel 2.1 der Forschungsstand der Stadtforschung
und das stadtsoziologische Konzept »Eigenlogik der Städte« im Rahmen des
vorherrschenden Diskurses der Stadtforschung als theoretische Grundlage dieser Arbeit diskutiert. Anschließend werden das »traditionell« urbane
Phänomen »Mode« und ihre Beziehungen zu und Abhängigkeiten von der
Stadt aus soziologischer Perspektive beleuchtet (2.2). In Kapitel 2.3 wird
nach einer Zusammenfassung des relevanten Forschungsstands die eigene
Forschungsperspektive dargelegt.
20 Kleider machen Städte
2.1Aktuelle Diskussionen in der sozialwissenschaftlichen
Stadtforschung
Diese Studie folgt dem stadtsoziologischen Konzept der Eigenlogik der Städte, das den Versuch wagt, nicht länger und ausschließlich Einzelthemen in
einer Stadt zu erforschen, sondern die Stadt beispielhaft anhand einzelner
Handlungsfelder selbst zu betrachten und »›diese‹ [Stadt] im Unterschied
zu ›jener‹ [Stadt] zum Gegenstand der Analyse zu machen« (Berking/Löw
2008b: 7). Diese konzeptionelle Idee des Konzepts der Eigenlogik der Städte
ist zunächst als ein kritischer Einwand gegen die vorherrschenden Traditionen der Stadtforschung zu sehen (vgl. ebd.).
Die Absicht des von Martina Löw und Helmuth Berking initiierten interdisziplinär angelegten und seit 2008 bestehenden Projekts des LOEWESchwerpunkts »Eigenlogik der Städte« an der Technischen Universität Darmstadt, in dessen Kontext die vorliegende Studie entstand, lautet, die »Stadt als
distinktes Wissensobjekt der Sozialwissenschaften« zu etablieren (Löw/Berking 2008: 9). Die Bezeichnung »Eigenlogik der Städte« wurde erstmals im
Jahr 2005 in der Einleitung des Sonderbands »Die Wirklichkeit der Städte«
von den Herausgebern Berking und Löw verwendet (Berking/Löw 2005b:
12, 18; vgl. Frank 2012: 288). Die Autoren brachten drei Jahre später einen
Sammelband mit dem Titel »Die Eigenlogik der Städte« (2008) heraus, der
als ein erster Schritt zu einer Theorie der Eigenlogik der Städte gesehen werden kann. Die Annahmen zur Eigenlogik der Städte werden im Rahmen des
Darmstädter Stadtforschungsverbunds in verschiedenen Forschungsfeldern
und aus unterschiedlichen Perspektiven theoretisch und empirisch erforscht,
um somit die Möglichkeiten und Grenzen des Ansatzes auszuloten. Es ist
hervorzuheben, dass es sich bei dem Konzept der Eigenlogik der Städte zum
derzeitigen Forschungsstand nicht um eine »fertige« soziologische Theorie
handelt. Es gibt durchaus verschiedene Ansichten darüber, wie vermutete
eigenlogische Strukturen der Städte konzeptionell gefasst werden können,
wie sie sich reproduzieren beziehungsweise gegebenenfalls novellieren (vgl.
insbesondere die verschiedenen Beiträge in Berking/Löw 2008a).1
Ausgangspunkt der konzeptionellen Überlegungen zur Eigenlogik der
Städte ist der Ansatz, nicht länger und ausschließlich in Städten zu forschen,
1Die vorliegende Studie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ansätze von Martina Löw
(2008a, 2008b, 2011; Berking/Löw 2005b, 2008b) sowie auf Beiträge von Helmuth Berking (2008) und ergänzend Petra Gehring (2008).
Aktueller Forschungsstand
21
sondern Städte selbst mit ihren Besonderheiten zu erforschen (vgl. Berking/
Löw 2008b: 7f.). Das Interesse an der sozialen Organisationsform »Stadt«
ist für die Soziologie nicht neu. Schon seit den Anfängen der Soziologie
als wissenschaftliche Disziplin ist die Stadt von zentraler Bedeutung – was
zeitlich mit den Urbanisierungsschüben im 19. Jahrhundert einherging. Als
Gegenbild zur ländlichen Lebensweise wurde das »Städtische« insbesondere
im Zuge der Verstädterungsprozesse betrachtet und stellte sich als eine neue
Form des sozialen Zusammenlebens in europäischen und nordamerikanischen Städten dar (vgl. Keller/Ruhne 2011: 7).
Es gibt eine Vielzahl relevanter und erkenntnisreicher Untersuchungen
in den Sozialwissenschaften zum Thema »Stadt«. Dennoch gebe es bis heute,
so Berking/Löw (2008b: 8), nur ein vergleichsweise geringes Wissen über
»das Spezifische der Vergesellschaftungsform Stadt« auf der einen und »über
die Differenz zwischen Städten und ›die Besonderheit dieser Stadt‹« auf der
anderen Seite (Frank 2012: 189). Während niemand aus seiner Alltagserfahrung heraus anzweifeln würde, dass München anders »tickt« als New York
oder Paris, so gibt es bisher kaum sozialwissenschaftlich fundierte Antworten
auf die Frage, warum Städte »als voneinander unterscheidbare und jeweils
eigene soziale Gebilde imaginiert und erfahren« werden (Frank 2012: 189).
Das sozialwissenschaftliche Wissen über die »Differenz zwischen Städten,
über die Bedeutung materialer Konstellationen für den städtischen Alltag,
über die Relevanz lokaler Sinnkontexte ist bis heute nur fragmentarisch«
(Berking/Löw 2005b: 12). Absicht des Forschungsprojekts »Eigenlogik der
Städte« ist es, diese Forschungslücke zu schließen. Die Zielsetzung ist nicht
nur von wissenschaftlicher Relevanz, sondern auch von Bedeutung für die
praktische Arbeit an, in und mit Städten (vgl. Terizakis 2011: 17ff.).
Obwohl es für die Planungspraxis unerlässlich ist, um die Besonderheiten einer jeweiligen Stadt zu wissen und daran angepasst Konzeptionen zu
erarbeiten, ist das Wissen darüber, welche Strategien in welchen Städten erfolgreich sein können, kaum systematisiert (vgl. Löw 2008b: 11; Löw/Terizakis 2011). Das Herausstellen des Eigenen wie auch die Unterscheidbarkeit in
Differenz zu anderen Städten scheint gerade im Zuge des Globalisierungswettbewerbs für die Kommunen von zentraler und aktueller Bedeutung zu
sein (vgl. Löw 2008b: 12; Rodenstein 2006: 14; Trommer 2006: 42). Die
Ergebnisse der Eigenlogik-Forschung können hierbei bedeutsame Ergebnisse für die praktische Arbeit liefern.
Die zeitgenössische Stadtforschung bietet mehrere »Klassiker« wie beispielsweise die »Unwirtlichkeit der Städte« von Alexander Mitscherlich (org.
22 Kleider machen Städte
1965/1996) oder »Tod und Leben großer amerikanischer Städte« von Jane
Jacobs (org. 1961/1976). Mitscherlich (1965/1996) beklagt, dass im Zuge
des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg die Bewohner ihrer Stadt,
die früher einmal ein »Herz« besaß und mehr gewesen sei als die Summe
von Häusern, Plätzen und Straßen, jetzt kaum mehr eine Bindung an ihre
Heimatstadt entwickeln könnten (vgl. 1996: 19). Gemeinsam ist den Texten der Vorwurf, die Stadtplanung und -entwicklung plane »an den Menschen vorbei«, schränke die Freiheit ein und werde dem Organismus »Stadt«
nicht gerecht (vgl. Terizakis 2011: 17). Diese Kritik nimmt die Forschung
der Eigenlogik der Städte auf. Denn One-size-fits-all-Lösungen sind nicht
(mehr?) ausreichend für die praktische Stadtplanung. Stattdessen setzt die
Eigenlogik-Perspektive auf die Besonderung und das Eigene einer Stadt und
versucht passgenaue, stadtspezifische Lösungen zu generieren (vgl. ebd.: 17f.;
siehe die einzelnen Beiträge in Löw/Terizakis 2011).
Grund für das bisher geringe Wissen über die Stadt als »distinktes Wissensobjekt« liegt Berking und Löw zufolge in zwei Entwicklungslinien, die
die sozialwissenschaftliche Forschung stark geprägt haben (Berking/Löw
2005b: 12; vgl. Frank 2012: 289): Erstens sei die Tendenz zu beobachten,
dass »Stadt« als »ein Unterfall von Gesellschaft« konzipiert werde (subsumptionslogische Perspektive). Zweitens würden »Lebensverhältnisse und Orte
sozialer Gruppen in Städten in den Blick« genommen (konkretionslogische
Perspektive) (vgl. Berking/Löw 2005b; Frank 2012).
2.1.1»Traditionelle« Ansätze in der sozialwissenschaftlichen
Stadtforschung
Die subsumptionslogische Perspektive der Stadtforschung
Die Tendenz des subsumptionslogischen Ansatzes der Stadtforschung, das
heißt »Stadt« als Ort zu betrachten, um »Krisenphänomene des Kapitalismus, der Moderne oder Postmoderne, der Globalisierung oder Unterentwicklung« zu lokalisieren (Berking 2008: 16), habe ihren Ursprung in der
Gesellschaftstheorie von Karl Marx, so Berking und Löw (vgl. 2005). Diese
Sicht der Entwicklung finde sich in den Arbeiten der Soziologen Georg Simmel, Max Weber, Émile Durkheim und reiche bis zur Tradition der »Chicago
School« und der »New Urban Sociology« (vgl. Lindner 2004, 2005; Frank
2012: 290).
Aktueller Forschungsstand
23
Bei Karl Marx und Friedrich Engels steht die Stadt insbesondere als »Ort
und Ausdruck der neuen kapitalistischen Produktionsweise im Zentrum des
Interesses« (Keller/Ruhne 2011: 7f.). Fokussiert wird hierbei der Gegensatz
zwischen den sich herausbildenden kapitalistischen Klassen in den industrialisierten Städten und dem von Grundbesitz geprägten Feudalsystem auf
dem Land.
Auch der deutsche Soziologe Georg Simmel beschäftigt sich in seinem
Essay über »Die Großstädte und das Geistesleben« (org. 1903/1984a) mit der
Urbanität und den sozialen Folgen der Urbanisierung.2 Simmel verdeutlicht,
»dass die Großstadt der Schauplatz der Moderne ist, der Ort, an dem die gesellschaftlichen, in der Geldwirtschaft angelegten Tendenzen ihren Ausdruck
finden« (Lindner 2004: 175f.). Er arbeitet die Besonderheit und die Notwendigkeit einer »blasierten« Lebensweise heraus, die »einen tiefen Gegensatz«
bildet gegenüber der Lebensweise einer Kleinstadt und dem Landleben mit
ihrem »langsameren, gewohnteren, gleichmäßiger fließenden Rhythmus ihres sinnlich-geistigen Lebensbildes« (Simmel org. 1903/1984b).
Die Betrachtung des Forschungsgegenstands »Stadt« unter dem Blickwinkel der Abgrenzung gegenüber »Land« findet sich ebenfalls beim deutschen
Soziologen und Ökonom Max Weber wieder, der die Stadt im ökonomischen Sinne als »Marktort« fokussiert. Das heißt, sie »hat einen Lokalmarkt
als ökonomischen Mittelpunkt der Ansiedlung, auf welchem […] auch die
nicht städtische Bevölkerung ihren Bedarf an gewerblichen Erzeugnissen
oder Handelsartikeln oder an beidem deckt […]« (Weber 1985: 728).
Der französische Soziologie Émile Durkheim wiederum macht beispielsweise »auf Prozesse der Ausdifferenzierung in modernen (Groß-) Städten«
aufmerksam (Keller/Ruhne 2011: 8). Seine Betrachtungen sind eingebettet
in den »theoretischen Kontext des Wandels von einer traditionellen, segmentär differenzierten hin zu einer modernen, funktional differenzierten
Gesellschaft« und sind somit im Kern auch gesellschaftstheoretisch angelegt
(Schrorer/Wilde 2012: 59). Besonders deutlich ist dies darin zu erkennen,
dass Durkheim die Begriffe »Stadt« und »Moderne« letztlich synonym gebraucht (vgl. ebd.).3 Damit tritt zum einen die Stadt als eigenständiger Ge 2Es ist eine Verschriftlichung eines Vortrages, den Simmel 1903 anlässlich der Städteausstellung in Dresden hielt. Dieser Vortrag basiert auf Überlegungen aus Simmels Werk »Die
Philosophie des Geldes« von 1900.
3Je moderner die Gesellschaft werde, desto eher werde »sie selber einer großen Stadt ähnlich
[sein], die in ihren Mauern das ganze Volk umfasst« (Durkheim org. 1893/1992: 362; vgl.
Schroer/Wilde 2011).
Herunterladen