Einführung Mit einem scheinbar nachvollziehbaren Programm ausgestattet, ein wenig in Grösse variierend, entsteht ein Prozess, einen Ort zu besetzen. Je länger, desto mehr wird in unserem Kontext der Ort durch einen Import von Lebensvorstellungen, Wünschen, Erlebnissen und Ambitionen widersprüchlich geprägt. Solche Vorstellungen haben häufig kaum mit dem vorgefundenen Ort etwas zu tun. Das aus dem Vorgefundenen heraus Erdachte wird so zunehmend zum Widerspruch, häufig kaum vereinbar mit dem, was erwünscht oder ursprünglich erdacht wurde. Mit immer grösser werdender Komplexität wird auf das eigentliche Vorhaben architektonischer Prozesse von Aussen Einfluss genommen. Der Wunsch des Einzelnen wird auf die Akzeptanz des Umliegenden angepasst. Ein schmerzvoller Prozess für denjenigen, der an die Gutmütigkeit des Kontextes glaubt. So entstehen Widersprüche, Pannen und das Unvorhergesehene, das dem Projekt seine wahre Grundlage retroaktiv liefert. Man könnte vielleicht sagen, dass die Moderne die Sehnsucht nach einem idealen Kontext war, und die Geschichte der Moderne als eine Serie solcher idealer Kontexte verstanden werden kann. Das Unvereinbare wird heute zum Programm der architektonischen Disziplin, eine feine Grenze zwischen Traum und Realität, die sich als eine systematische Inkohärenz beschreiben lassen könnte. So bauen wir heute nicht mehr die perfekte Maschine, ein idealisiertes Gesellschaftsbild, sondern stellen der Arbeit unterschiedliche und diametrale Elemente entgegen, die sich vormals widersprachen. So entsteht eine Architektur, die durch ihre Entgegnung des ursprünglich nicht vereinbar Gehaltenen sich neu formuliert. Dabei lernen wir Architektur mit den Widerständigen zu verhandeln. Nicht alleine die Fähigkeit der Definition wird gefragt, sondern das strategische Antizipieren, das Wissen, wie man sich das verloren Geglaubte zurückholt und was man hierfür in die Waagschale legen darf. Als wären es unterschiedliche Architekturen in Einem. Wagen wir es, bei der einen präzise loszulassen, um beim der anderen stetig fordern zu können? In dieser Ausgangslage sind in den letzten fünf Jahren Architekturserien entstanden, die eigene Themenfelder spezifizieren, gewissermassen aus wiederkehrenden Widersprüchen Räume und Konstellationen bildeten. Piet und Wim Eckert 7 Heinrich Böll Stiftung, Berlin Der neue Hauptsitz der Stiftung in Berlin Mitte steht von Bäumen umgeben in einem Park. Damit eine möglichst grosse Freifläche erhalten bleibt, wurde das Gebäude an den Rand des Parks gesetzt und beansprucht wenig Grundfläche. Die Bürogeschosse sind effizient organisiert und weitgehend im Rohbau belassen; die Konferenzräume wurden in einem einzigen Geschoss, der Beletage, zusammengefasst. Die Gegensätzlichkeit der Raumtypen, Konferenz und Büro, offenbart sich nicht nur in der unterschiedlichen Materialisierung von Bürogeschossen und Konferenzgeschoss, sondern bestimmt auch den Ausdruck des Gebäudes. Die voll verglaste Beletage kragt auf drei Seiten aus, streckt sich in den Park und verdeutlicht so ihre Funktion als repräsentative Mitte des Gebäudes. Sie steht – entsprechend den Grundwerten der Heinrich Böll Stiftung - für die in einer Demokratie erwünschte Transparenz politischer Vorgänge. Neben Demokratieförderung zählt Nachhaltigkeit zu den Grundwerten der Stiftung: Wenig, aber innovative Technik sorgt in dem modernen Bürogebäude für ein angenehmes Raumklima. Der Energieverbrauch in Höhe von 55.7 kWh/m2NGF*a unterschreitet die gesetzlich vorgeschriebenen Werte der Energieeinsparverordnung um die Hälfte. Damit nimmt das Gebäude eine Vorreiterrolle im modernen Büro- und Konferenzgebäudebau ein. Mieseology, Montage 2006 Konferenzzentrum, Büros | Wettbewerb, 2005, 1. Preis | Projekt 2006-07, Ausführung 2007-08 | Auftraggeber: Heinrich Böll Stiftung, Berlin | Mitarbeit: Piet Eckert, Wim Eckert, Marc Drewes, Stefan Berle, Stefan Bernoulli, Daniel Bock, Christian Dürr, Tim Klauser, Oliver Weber | Kunst am Bau: Via Lewandowsky, Berlin | In Zusammenarbeit mit: Generalunternehmer: Hermann Kirchner Projektgesellschaft mbH, D-Bad Hersfeld. Bauleitung: Hermann Kirchner Hoch- und Ingenieurbau GmbH, Berlin. Tragwerk: RPB Rückert GmbH, Berlin. Fassadenplanung: Ingenieurbüro Franke, D-Glienicke. TGA: Basler & Hofmann Ingenieure und Planer AG, Zürich. Bauphysik: Basler & Hofmann Ingenieure und Planer AG, Zürich. Bauakustik: Basler & Hofmann Ingenieure und Planer AG, Zürich. Raumakustik: Akustik-Ingenieurbüro Moll GmbH, Berlin. Elektrotechnik: Basler & Hofmann Ingenieure und Planer AG, Zürich. Landschaftsarchitektur: Hendrikx Landschaftsarchitekten, Giessen (Ausführung) | Auszeichnungen: BDA Preis, Berlin (Anerkennung) 10 Lageplan 1:5000 11 Triangel Haus, Winterthur Lageplan 1:750 Auf einem Grundstück in einem Villenquartier Winterthurs besetzt die ehemalige Industriellenvilla aus dem letzten Jahrhundert den nördlichen Bereich. Der an die Villa angrenzende, nach Süden ausgedehnte Garten, bildet nicht nur einen privaten Erholungsraum – er stellt der Eigentümerfamilie auch rund 2’000 m2 Bauland. Die Platzierung der bestehenden Villa auf einem leicht erhöhten Plateau wird als klassische Setzung interpretiert, welche sich die maximale Gartenausdehnung nach Süden zu Nutzen macht. Frei nach Joseph Beuys’ 1982 konzipierter “Fettecke”, wurde das neue Mehrfamilienhaus dieser “präsidialen“ Setzung gegenübergestellt. Die dicht bewaldete, abfallende Ecke des Grundstückes, das weitgehend sich selbst überlassen war, wurde mit dem Neubau besetzt. Die gesetzlich vorgegebenen Baulinien bestimmten dabei die äussersten Begrenzungen des bebaubaren Bereiches. Der Garten blieb unberührt, die bestehende Villa wird in ihrer Anlage und räumlichen Ausdehnung minimal eingeschränkt. Beide Bauten sind so als unabhängige Einheiten nutzbar; in ihrer typologischen Erscheinung werden sie als eigenständige Gebäude wahrgenommen. Von aussen betrachtet zeigt das neue, dreieckige Gebäude ein, sich je nach Blickwinkel wandelnde, Erscheinung. 10 m Mehrfamilienhaus | Projekt 2005-06, Ausführung 2007-08 | Auftraggeber: privat | Mitarbeit: Wim Eckert, Piet Eckert, Sebastian Holzhausen | in Zusammenarbeit mit: Tragwerk: Urech Bärtschi Maurer AG, Zürich. HLKS: I. Gianotti AG, Winterthur. Elektrotechnik: Bürgin + Keller AG, Adliswil. Bauphysik: Leuthardt + Mäder, Brüttisellen | Auszeichnungen: best architects 09 54 1:2500 links oben: Grundriss Erdgeschoss, Forum links unten: Grundriss 1. Obergeschoss, Auditorien rechts oben: Grundriss 3./4. Obergeschoss, Laboratorium rechts unten: 5. Obergeschoss 118