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12 | ExportManager | Finanzieren
Ausgabe 8 | 14. Oktober 2015
Chile – regionaler Spitzenreiter bekommt Schrammen
Ingo Gerding
Senior Regional Manager,
Financial Institutions,
BHF-BANK
Chile war das erste Land Lateinamerikas, das (bereits in den neunziger Jahren) ein „Investmentgraderating“ bekam und ist das
­einzige Land der Region, das von allen großen Ratingagenturen mit „single A plus“ oder besser bewertet wird. Doch das Ende des
Commodity-Booms macht sich wegen der hohen Abhängigkeit des Landes von Primärgütern negativ bemerkbar. Das Wachstum
ist stark zurückgegangen.
Wegen der hohen Abhängigkeit Chiles
von Primärgütern, insbesondere von Kupfer, hinterlässt der Rückgang der Rohstoffpreise in letzter Zeit jedoch deutliche Spuren. Das Wachstum ist im Laufe des Jahres
2014 eingebrochen. Der Ölpreisverfall ist
für Chile allerdings positiv, da das Land
Nettoimporteur von Energieträgern ist,
insbesondere auch von Erdöl.
Regierung Bachelet reformiert
­Bildungswesen
Am 11. März 2014 hat die zum zweiten
Mal gewählte Sozialistin (nach unserem
Verständnis: Sozialdemokratin) Michelle
Bachelet an der Spitze eines Mitte-linksBündnisses („Nueva Mayoria“) das Präsi-
© progat/iStock/Thinkstock/Getty Images
Chile hat das höchste Pro-Kopf-Einkommen der Region und schneidet mit
Abstand am besten ab bei Indikatoren
wie wirtschaftlicher Freiheit, globaler
Wettbewerbsfähigkeit, Solidität des Bankensystems und Korruptionsindex. Das
Andenland wurde inzwischen sogar in die
OECD aufgenommen und spielt somit in
einer anderen Liga als seine Nachbarn.
[email protected]
mensgewinne, gegenfinanziert. Die Körperschaftsteuer (Corporate Tax Rate) wird
schrittweise von 20% auf 25% angehoben, was heftige Proteste der Unternehmensverbände hervorgerufen hat, zumal
die Umsetzung bei rückläufiger Konjunktur kontraproduktiv, da prozyklisch wirkt.
Ein seit vergangenem Jahr zu beobachtender Rückgang der Investitionstätigkeit
wird von der Privatwirtschaft auf die Steuererhöhungen zurückgeführt, was sicherlich teilweise zutrifft, aber auch mit den
derzeit schlechteren Perspektiven des
Bergbausektors zu tun hat.
Hafen von Valparaíso: Die Verlangsamung der Weltkonjunktur macht sich auch hier bemerkbar.
Ende des Commodity-Booms
dentenamt für vier Jahre übernommen.
Ein zentrales Anliegen der Regierung
Bachelet ist eine grundlegende Reform
des Bildungswesens in Chile. Das Erziehungssystem wurde vor geraumer Zeit
weitgehend privatisiert und gilt seitdem
als teuer und trotzdem als qualitativ mangelhaft, was in den vergangenen Jahren
immer wieder zu massiven Protestbewegungen von Schülern und Studenten
geführt hat. Das Erziehungssystem soll
Chile erzielte in den Jahren 2010 bis 2012
ein jährliches BIP-Wachstum von 5,7%,
jedoch ist seitdem eine deutliche
Abschwächung dieser Wachstumsdynamik zu beobachten (2013: 4,1%, 2014:
1,9%). Im vergangenen Jahr war geradezu
ein Einbruch des BIP-Wachstums zu konstatieren, in diesem Jahr ist eine leichte
Erholung zu beobachten, die sich in 2016
fortsetzen sollte (Wachstumsprognose
des IWF: +3,3%).
nun durch den Ausbau staatlicher Einrichtungen ausgeweitet und dabei grundlegend reformiert und modernisiert werden.
Die Kosten der von der Regierung im vergangenen Jahr implementierten Reformen – allein die Reform des Bildungssystems kostet einen Betrag in Höhe von
1,5% bis 2,5% des BIP – werden mit Steuererhöhungen, vor allem auf Unterneh-
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Ausgabe 8 | 14. Oktober 2015
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Chile hat mit rund 36% die weltweit größten Reserven an Kupfer und ist mit 34%
auch der weltweit größte Exporteur. In den
Bergbausektor fließt zudem mit rund 50%
die Mehrheit aller Direktinvestitionen. Das
macht das Land sehr abhängig von Bergbauprodukten und insbesondere von
Kupfer. Allerdings liegen die Produktionskosten von Kupfer in Chile deutlich unter
dem langjährigen Weltmarktpreis.
Fiskalpolitischer Spielraum
Die Fiskalpolitik Chiles – vor allem die der
Zentralregierung – ist immer konservativ
gewesen und unterliegt strikten Haushaltsregeln, die zwar antizyklische Ansätze
erlauben, aber grundsätzlich auf nach­
haltige Überschüsse ausgelegt sind. Die
Budgetüberschüsse und gebildete Reserven (es gibt einen Kupfer-Reservefonds
zusätzlich zu den offiziellen Devi-senre­
serven) können somit in Krisensituationen zur antizyklischen Finanzpolitik eingesetzt werden, was auch getan wird.
Der infolge des Wiederaufbauprogramms
nach dem schweren Erdbeben von 2010
ausgelöste Importsog führte zu einer
leicht defizitären Leistungsbilanz. Danach
hat sich die Dynamik von Importen und
Exporten in etwa angeglichen, und es
wird ein geringer Handelsbilanzüberschuss erzielt. Die Leistungsbilanz ist nach
wie vor defizitär, jedoch mit abnehmender Tendenz (–3,4% des BIP 2013, –0,4%
des BIP 2015), und das Defizit wird durch
ausländische Direktinvestitionen gedeckt.
Als reformbedürftig gilt in Chile der
Arbeitsmarkt, der flexibilisiert werden
müsste, ferner das Bildungssystem, dessen Qualität nicht auf A-Land-Niveau liegt.
Zudem gilt die Einkommens- und Vermögensverteilung als sehr ungleich (GiniKoeffizient: 0,5, OECD-Durchschnitt: 0,31).
Als Schwächen gelten auch die hohe Auslandsabhängigkeit in der Energieversorgung (vor allem bei fossilen Brennstoffen)
und die damit verbundenen hohen Energie- und Produktionskosten.
„Pazifik-Allianz“ gibt neue
­Handelsimpulse
Deutschland und Chile unterhalten traditionell gute Beziehungen, aber der bilaterale Handelsaustausch ist nicht sehr
bedeutend (Chile belegt Rang 30 unter
den deutschen Abnehmerländern und
Rang 32 unter den deutschen Lieferländern). Deutsche Firmen sind allerdings
oftmals über ihre Auslandsniederlassungen am Chile-Geschäft beteiligt, etwa via
Brasilien oder USA, in Zukunft eventuell
auch verstärkt über die Integrationspartner Peru, Kolumbien und Mexiko im Rahmen der „Pazifik-Allianz“. Die EU hat noch
einen Anteil von etwa 15% am gesamten
Außenhandelsvolumen Chiles, Deutschland ist dabei innerhalb der EU der wichtigste Handelspartner. Die Importe Chiles
insgesamt sind im bisherigen Verlauf des
Jahres 2015 rückläufig gewesen.
Die deutschen Exporte nach Chile bestehen hauptsächlich aus Fahrzeugen, chemischen und pharmazeutischen Produkten
sowie Industriemaschinen. Wie fast überall
in der Region genießen deutsche Produkte auch in Chile hohes Ansehen und
werden als qualitativ hochwertig betrachtet. Seit 2005 ist ein Freihandelsabkommen zwischen Chile und der EU in Kraft.
Impulse könnten künftig von dem sich gut
entwickelnden Integrationsverbund „Pazifik-Allianz“ ausgehen, zu dem Peru, Chile,
Kolumbien und Mexiko gehören, allesamt
Länder mit eindeutig marktwirtschaftlich
ausgerichteter Wirtschaftspolitik.
Die BHF-BANK hat traditionell gute Kontakte zu allen größeren chilenischen Banken und unterstützt deutsche Exporteure
bei der Abwicklung ihrer Außenhandelsgeschäfte mit diesem Land.
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Das Land ist stark außenhandelsorientiert
und eine wesentlich offenere Volkswirtschaft als der Nachbar Argentinien. Chile
hat mit allen größeren Handelsblöcken
der Welt (einschl. EU und NAFTA) bilaterale Freihandelsabkommen abgeschlossen (insgesamt mit 63 Ländern). Wie alle
offenen Volkswirtschaften wird auch Chile
von externen Faktoren wie der weltweiten Finanzkrise 2009 oder dem seit zwei
bis drei Jahren zu beobachtenden Ende
des Commodity-Booms und der Verlangsamung der Weltkonjunktur besonders
hart getroffen. Allerdings profitiert das
Land vom Ölpreisverfall, da Energieträger
importiert werden müssen.
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