Vertrauensbasierte Führung Frank Keuper • Tom Sommerlatte (Hrsg.) Vertrauensbasierte Führung Devise und Forschung Herausgeber Frank Keuper Steinbeis Center of Strategic Management Steinbeis-Hochschule Berlin Hamburg Deutschland Tom Sommerlatte TMI Trust Management Institut e.V. Wiesbaden Deutschland ISBN 978-3-662-48498-2 ISBN 978-3-662-48499-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-662-48499-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Gabler © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. 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Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Berlin Heidelberg ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com) Vorwort Vor dem Hintergrund der zunehmenden Wettbewerbsintensivierung, der voranschreitenden Globalisierung und der wachsenden Digitalisierung ist die Notwendigkeit einer zielund zweckorientierten Unternehmensführung unumstritten. Diese Umstände sind gepaart mit Folgeerscheinungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, die nachweislich demonstriert hat, dass trotz intensiven Risikomanagements und detaillierter Planung unvorhersehbare Ereignisse jederzeit zu Störungen des weltweiten Gleichgewichts führen und das bisherige unternehmerische Handeln beinahe vollständig in Frage stellen können. Ferner hat sich parallel hierzu in der Öffentlichkeit die Meinung manifestiert, dass die Grundwerte vertrauenswürdigen Verhaltens bei wirtschaftlichen Verantwortungsträgern aufgrund eines ausgeprägten Gewinnstrebens vernachlässigt werden. Die hier zugrunde liegenden Stimmen zum Vertrauensverlust unterstellen Unternehmen und Führungskräften ein neoliberales Wirtschaftsgebahren, in dem die kurzfristige Vorteilsnahme, rücksichtlose Übervorteilung und individuelle Bereicherung die Oberhand zu gewinnen scheinen. Dabei wird aber die wesentliche Tatsache ignoriert, dass die meisten erfolgreichen Unternehmen vertrauenswürdig geführt werden und insbesondere ihre Leistungsfähigkeit und resultierenden Erfolge ohne ein ihnen entgegengebrachtes Vertrauen und starkes unternehmensinternes Vertrauensklima gar nicht möglich gewesen wären. Letztendlich stellt das Thema vertrauensbasierte Führung ein wiederkehrendes Realphänomen dar, das sowohl die Praxis als auch die Wissenschaft kontinuierlich beschäftigt, damit Erkenntnisse für die Praxis bereitgestellt werden können. Mit dem Herausgeberwerk „Vertrauensbasierte Führung – Devise und Forschung“ soll über diesen Missstand aufgeklärt werden, indem Erkenntnisse zur konsequenten Implementierung eines leistungssteigernden Vertrauensklimas für Unternehmen dargelegt werden. Hierdurch soll einerseits gezeigt werden, dass Führungskräfte bereits durch ein ausgeprägtes Vertrauensbewusstsein hinsichtlich der Kultivierung einer soliden Vertrauensbasis geprägt sind. Andererseits soll demonstriert werden, dass auf Basis theoretischer Erkenntnisse das Führungsverhalten in der Praxis grundlegend zu verbessern und in ein unternehmensübergreifendes vertrauenswürdiges Verhalten zu transformieren ist. Nur mittels vertrauensvoller Beziehungen zu den relevanten Stakeholdern können UnternehV VI Vorwort men hervorragend koordinierte, effiziente und innovative Leistungen realisieren sowie flexible, leistungsbereite und loyale Führungskräfte und Mitarbeiter langfristig binden, sodass auch in Zeiten des organisatorischen und technischen Wandels die Wettbewerbsstellung des Unternehmens zu halten bzw. auszubauen ist. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, besteht dieses Herausgeberwerk in der einzigartigen Kombination aus konzeptionellen Beiträgen und Best-Practice-Beispielen, die Unternehmen bei der erfolgreichen Umsetzung vertrauensbasierter Führung unterstützen sollen. Dabei gliedern sich die einzelnen Beiträge in die folgenden fünf Buchteile: I II III IV V Vertrauensbasierte Führung ist nachhaltiges Unternehmertum, nicht kurzfristiger Trend Vertrauensbasierte Führung bedeutet Veränderung in den Köpfen, nicht in der Professionalität Vertrauensbasierte Führung ist der Anker der Krise, nicht deren Treiber Vertrauensbasierte Führung bedingt qualifizierte Mitarbeiter, nicht verlängerte Wertbänke Vertrauensforschung generiert Erkenntnisse, nicht Hypothesen Der erste Teil des Herausgeberwerks fokussiert auf der langfristigen und nachhaltigen Ausrichtung vertrauensbasierter Führung und möglichen Auswirkungen auf die Innovations- und Kooperationsfähigkeit sowie Produktivität. Im ersten Beitrag konzipiert Keuper eindrucksvoll eine neue Managementphilosophie vertrauensbasierter Führung, die auf Basis konvergierender alter und neuer Denkweisen einen Leitfaden für vertrauensbasiertes Handeln im Zeitalter der Internet-Ökonomie bietet. Anschließend gibt von Keudel Einblick in die Notwendigkeit der unternehmerischen Schlüsselfähigkeit vertrauensbasierter Führung, um die Enabler für wirtschaftliches Wachstum langfristig im Unternehmen zu aktivieren. Abschließend hinterfragt Gräser die Begriffe Führung und Vertrauen kritisch und analysiert, inwiefern die systematische Lehre in einem vertrauensbasierten und damit ziel- und zweckorientierten Führungsverhalten resultiert. Im Rahmen von Teil II wird der aktuelle Stand der Vertrauensforschung vertiefend behandelt, um für die Praxis Erkenntnisse zur Kultivierung eines Vertrauensklimas abzuleiten. So konzentrieren sich Eberl und Möller auf die Führungsbeziehungen zu Mitarbeitern und insbesondere die Konsequenzen von Vertrauensbruch, damit hieraus konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet werden können. Im Anschluss behandelt Gilbert das Thema Vertrauen weitreichender, indem die Wirkungen von Vertrauen in Unternehmensnetzwerken und insbesondere die Grenzen eines inhärenten vertrauensbezogenen Managements umfassend und fundiert untersucht werden. Nach der Auseinandersetzung mit wichtigen, grundlegenden Erkenntnissen zur vertrauensbasierten Führung thematisiert Teil III die spezielle Herausforderung von Vertrauensbildung in Krisen. Das Fundament dieses Teils schaffen Pielken und Krystek, indem die wechselseitige Beziehung von Unternehmens- und Vertrauenskrisen abgegrenzt und Empfehlungen für die Wiederherstellung von Vertrauensbeziehungen aufgezeigt werden. Anknüpfend hieran untersuchen Hinzmann und Krystek umfassend den Zusammenhang von Kommunikation und Vertrauen und arbeiten die Notwendigkeit einer unternehmens- Vorwort VII internen Krisenkommunikation zur interpersonellen Vertrauensbildung anschaulich heraus. Im Fokus von Brandstetter steht dann die externe Perspektive. Er beschäftigt sich mit einem gesellschaftsorientierten Führungsverhalten und dem unternehmensseitigen Aufbau externer Vertrauensbeziehungen. Im Beitrag von Brühl et al. erfolgt dann die integrierte Betrachtung von Stakeholdergruppen, indem anhand eines Praxisbeispiels analysiert wird, welche taktischen Möglichkeiten für Unternehmen zur Bewältigung von Vertrauenskrisen bereitstehen, damit Unternehmenskrisen vermieden werden können. Gegenstand von Teil IV sind die unternehmensseitigen Mitarbeiter und die Wechselwirkungen zwischen Vertrauensklima und Leistungsfähigkeit. Zunächst behandeln Huchler und Sauer die Zusammenhänge zwischen Mitarbeitern und Vertrauen, um dann die unternehmensseitige Gestaltung eines informellen Regulationsmechanismus als vertrauensbasiertes Führungsverhalten zu explorieren. Anschließend untersuchen Porschen-Hueck und Neumar intensiv den Führungsansatz des Shopfloor Management in Bezug auf Vertrauen, damit nach einer umfangreichen Analyse konkretisierende Handlungsempfehlungen für seine Transformation in einen vertrauensbasierten Führungsansatz abgeleitet werden können. Greve bietet zum Abschluss einen praxisbeispielbasierten Einblick in das wachsende Praxisproblem des Organizational Burnout und untersucht den Lösungsansatz des Organizational Flow in Abhängigkeit von der Vertrauensbildung. Der finale Teil V schließt das Herausgeberwerk mit Implikationen für die Praxis ab. Sommerlatte stellt die wesentlichen Erkenntnisse aus den zuvor dargelegten konzeptionellen Beiträgen und Best-Practice-Beispielen zusammenfassend dar, um aus den wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis abzuleiten. Unser Dank gebührt in erster Linie den Autorinnen und Autoren, die trotz der herausfordernden und aktuellen Thematik äußerst fundierte und für den Leser nutzbringende Beiträge für das Herausgeberwerk verfasst haben. Nur durch eine Vielzahl an engagierten Helfern konnte dieses ambitionierte Publikationsprojekt realisiert werden. Diesen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Besonderen Dank schulden die Herausgeber Linda Isabell Sikora, die als Mitarbeiterin des Steinbeis Center of Strategic Management für das Projektmanagement des vorliegenden Werks verantwortlich war. Darüber hinaus danken die Herausgeber auch Herrn Michael Bursik vom Springer-Verlag für die hervorragende Zusammenarbeit bei der Publikation dieses Herausgeberwerks. Hamburg, im Mai 2015 Prof. Dr. Frank Keuper Prof. Dr. Tom Sommerlatte Inhaltsverzeichnis Teil I Vertrauensbasierte Führung ist nachhaltiges Unternehmertum, nicht kurzfristiger Trend 1 Denkweisen vertrauensbasierter Führung vor dem Hintergrund der digitalen Ökonomie – eine äußerst pragmatische Betrachtung �������������������� 3 Frank Keuper 2 Vertrauen in stürmischen Zeiten �������������������������������������������������������������������� 27 Robert von Keudell 3 Führung und Vertrauen ���������������������������������������������������������������������������������� 39 Peter Gräser Teil II Vertrauensbasierte Führung bedeutet Veränderung in den Köpfen, nicht in der Professionalität 4 Zum Stand der führungsbezogenen Vertrauensforschung �������������������������� 73 Peter Eberl und Malte Frederik Möller 5 Vertrauensbasierte Führung in Unternehmensnetzwerken: Eigenschaften, Bedeutung und kritische Anmerkungen zu einem „Management“ von Vertrauen ������������������������������������������������������������������������ 89 Dirk Ulrich Gilbert IX X Inhaltsverzeichnis Teil III Vertrauensbasierte Führung ist der Anker der Krise, nicht deren Treiber 6 Unternehmenskrisen und Vertrauenskrisen – Konzeptionelle Abgrenzung, Vertrauensbrüche und Wiederherstellungsmechanismen ����� 117 Adrian Pielken und Ulrich Krystek 7 Kommunikation und Vertrauen als wechselseitige Einflussbeziehung in Unternehmenskrisen – Eine Betrachtung der Perspektive interner Stakeholder ������������������������������������������������������������ 143 Marcel Hinzmann und Ulrich Krystek 8 Leadership for the Common Good ���������������������������������������������������������������� 165 Clemens Brandstetter und Dirk Sander 9 Vertrauensbildung durch Kommunikation – die Rolle von Verantwortung und Rechenschaft ������������������������������������������������������������������ 179 Rolf Brühl, Jörn S. Basel und Max Kury Teil IV Vertrauensbasierte Führung bedingt qualifizierte Mitarbeiter, nicht verlängerte Wertbänke 10 Vertrauen in unsicheren Zeiten. Die Regulation des Informellen in Unternehmen �������������������������������������������������������������������� 199 Norbert Huchler und Stefan Sauer 11 Vertrauensbasiertes Shopfloor Management ������������������������������������������������� 221 Stephanie Porschen-Hueck und Judith Neumer 12 Vom Organizational Burnout zum Organizational Flow – Eine Frage des Vertrauens! Ein authentischer Bericht �������������������� 251 Gustav Greve Teil V Vertraungsforschung generiert Erkenntnisse, nicht Hypothesen 13 Was sagen uns die Erkenntnisse der Vertrauensforschung für die unternehmerische Praxis? ������������������������������������������������������������������ 267 Tom Sommerlatte Teil I Vertrauensbasierte Führung ist nachhaltiges Unternehmertum, nicht kurzfristiger Trend 1 Denkweisen vertrauensbasierter Führung vor dem Hintergrund der digitalen Ökonomie – eine äußerst pragmatische Betrachtung Frank Keuper Inhaltsverzeichnis 1.1 Denkweisen vertrauensbasierter Führung���������������������������������������������������������������������������� 3 1.1.1 Designorientiertes Denken als Bestandteil vertrauensbasierter Führung ���������������� 4 1.1.2 Zielorientiertes Denken als Bestandteil vertrauensbasierter Führung���������������������� 7 1.1.3 Schlankes Denken als Bestandteil vertrauensbasierter Führung������������������������������ 12 1.1.4 Digitales Denken als Bestandteil vertrauensbasierter Führung�������������������������������� 19 1.2 Konvergenzmodell vertrauensbasierter Führung������������������������������������������������������������������ 24 Literatur������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������ 25 1.1 Denkweisen vertrauensbasierter Führung Die Herausforderungen für Unternehmen der Internet-Ökonomie sind enorm. So sind internetgeprägte Märkte stark konvergierende Branchen mit extrem diskontinuierlichen, äußerst dynamischen, innovationsgetriebenen, schwer planbaren Entwicklungen. Damit einher geht die Frage nach dem in solchen Märkten umzusetzenden Führungsstil bzw. der anzuwendenden Führungsphilosophie. Nur eine Führungsphilosophie, die den skizzierten Rahmenbedingungen gerecht wird, hat dabei Aussicht auf Erfolg. Eine Führungsphilosophie ist dabei immer die Klammer, die die „digitale Strategie“ mit der „digitalen Unternehmenskultur“, der „digitalen Unternehmensorganisation“ und der „digitalen Technologie“ verbindet. Ziel dabei ist es, die Unternehmen bestmöglich F. Keuper () Steinbeis Center of Strategic Management, Steinbeis-Hochschule Berlin, Hamburg, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016 F. Keuper, T. Sommerlatte (Hrsg.), Vertrauensbasierte Führung, DOI 10.1007/978-3-662-48499-9_1 3 4 F. Keuper zu positionieren, um mittels strategischer Erfolgsfaktoren langfristig erfolgreich zu sein. Ein zentrales Instrument der Führungsphilosophie in konvergierenden Märkten muss dabei die vertrauensbasierte Führung im Sinne einer Managementphilosophie sein, weil ein Denken in Klein-Klein mit hierarchischen Führungsstrukturen in solchen Umweltsituationen scheitern muss und wird. Nachfolgend wird die Bedeutung schlanker Denkweisen, digitaler Denkweisen und der Prinzipien guten Designs für die vertrauensbasierte Führung in der digitalen Ökonomie skizzenhaft dargestellt und deren Konvergenz expliziert. Dabei handelt es sich bewusst um keinen wissenschaftlichen, sondern vielmehr um einen pragmatischen Beitrag und Ansatz, der der Bewusstmachung bestimmter Grundprinzipien dienen soll. 1.1.1 Designorientiertes Denken als Bestandteil vertrauensbasierter Führung Aus sozioökonomischer Sicht grenzen Mitarbeiter und das Management von Unternehmen bestimmte, zukünftig mögliche Alternativen freiwillig aus ihrem Erwartungshorizont aus und reduzieren dadurch die Komplexität der Entscheidungssituation.1 Vertrauen reduziert somit Entscheidungsfeldkomplexität und ermöglicht zudem bestimmte Transaktionen, die ohne Vertrauen nicht möglich wären.2 Insofern beschleunigt Vertrauen bzw. eine vertrauensbasierte Führung Entscheidungen und steigert die Improvisationsfähigkeit sowie die Innovationsfähigkeit von Mitarbeitern, Gruppen und Unternehmen nachhaltig, was fundamental für den ökomischen Erfolg von Unternehmen in extrem dynamischen Umfeldern ist. Insofern ist eine vertrauensbasierte Führung für die Umsetzung der digitalen Transformation von Unternehmen der Old Economy, aber auch für originär internetbasierte Unternehmen unerlässlich. In concreto hat vertrauensbasierte Führung z. B. eine positive Wirkung auf die wahrgenommene Qualität von Informationen.3 Zudem hat eine vertrauensbasierte Führung auch einen positiven Einfluss auf die Einstellungen von Mitarbeitern, Gruppen oder Geschäftspartnern z. B. zu Commitments, auf die Entscheidungsakzeptanz oder auf die Zufriedenheit mit Kommunikationsprozessen.4 Aber auch das Verhalten von Mitarbeitern und Vorgesetzten wird konkret durch eine vertrauensbasierte Führung positiv beeinflusst.5 So entstehen weniger Konflikte, und die Koordination von Aktivitäten erfolgt reibungsloser als bei einem Führungsstil, der weniger von Vertrauen gekennzeichnet ist.6 Letztendlich zahlt eine vertrauensbasierte Führung signifikant positiv Vgl. Gilbert (2007), S. 67. Vgl. Gilbert (2007), S. 71. 3 Vgl. Gilbert (2007), S. 77. 4 Vgl. Gilbert (2007), S. 77 f. 5 Vgl. Gilbert (2007), S. 78. 6 Vgl. Gilbert (2007), S. 78. 1 2 1 Denkweisen vertrauensbasierter Führung 5 3ULQ]LSLHQJXWHQ'HVLJQV *XWHV'HVLJQLVWLQQRYDWLY *XWHV'HVLJQPDFKWHLQ3URGXNWEUDXFKEDU *XWHV'HVLJQLVWlVWKHWLVFK *XWHV'HVLJQPDFKWHLQ3URGXNWYHUVWlQGOLFK HUK|KWVHLQH6HOEVWHUNOlUXQJVTXDOLWlW *XWHV'HVLJQLVWXQDXIGULQJOLFK *XWHV'HVLJQLVWHKUOLFK *XWHV'HVLJQLVWODQJOHELJ *XWHV'HVLJQLVWNRQVHTXHQWELVLQVOHW]WH'HWDLO *XWHV'HVLJQLVWXPZHOWIUHXQGOLFK *XWHV'HVLJQLVWVRZHQLJ'HVLJQZLHP|JOLFK 'HVLJQSKLORVRSKLH Abb. 1.1 Prinzipien guten Designs im Sinne vertrauensbasierter Führung als umfassende Managementphilosophie. [Vgl. Rams (1995), S. 6 f.] auf den RoI bzw. die Performance eines Unternehmens ein:7 zum einen durch geringere Transaktions- und Koordinationskosten, zum anderen durch gesteigerte Innovationskraft der vertrauensbasiert geführten Einheiten. Problematisch dabei ist, dass der Begriff und die Ausgestaltung vertrauensbasierter Führung nicht einheitlich und klar definiert sind. Daher sei an dieser Stelle transdisziplinär auf die zehn Thesen zu gutem Design von Dieter Rams, dem „Godfather of Industrial Design“, verwiesen,8 weil die Design-Philosophie ähnlich wie die Biologie, die Physik, die Systemtheorie und Kybernetik oder viele andere Wissenschaftsdisziplinen der Betriebswirtschaftslehre sinnvolle Impulse und Erkenntnisse liefern kann (Abb. 1.1).9 Vertrauensbasierte Führung ist innovativ im Sinne guten Designs, wenn bekannte Führungsprinzipien nicht ständig wiederholt werden. Auch erzeugt vertrauensbasierte Führung Neuartigkeit nicht als Selbstzweck.10 Vertrauensbasierte Führung versucht somit ein Innovationsklima zu schaffen, indem die Mitarbeiter und Organisationen große Handlungsspielräume erhalten, um so die Autopoiesis des Systems Unternehmen zu stärken und damit die Innovationskraft und Flexibilität des Unternehmens zu steigern. GleichVgl. Gilbert (2007), S. 80 f. Vgl. Rams (1995), S. 6 f. 9 Vgl. Keuper et al. (2009a). 10 Vgl. Rams (1995), S. 6. 7 8 6 F. Keuper zeitig passt sich vertrauensbasierte Führung instrumentell neuen Gegebenheiten in sich schnell ändernden, z. B. konvergierenden Märkten an – ohne dabei jedoch in Hektik zu verfallen oder ins Chaos abzugleiten. Dies schafft Vertrauen. Vertrauensbasierte Führung steigert die Nutzung des Handlungsspielraums von Mitarbeitern, Organisationen und Strukturen im Sinne guten Designs („Gutes Design macht ein Produkt brauchbar.“11), wenn deutlich wird, welchen bestimmten Zwecken der jeweilige Handlungsspielraum von Mitarbeitern, Gruppen oder Organisationseinheiten dient und wie diese Handlungsspielräume zu nutzen sind, um ein unternehmensweites Gesamtoptimum zu erzielen – und nicht etwa einzelne Bereichsoptima. Gerade Unternehmen die sich in einer digitalen Transformation befinden oder aber als originäre Internet-Unternehmen stark wachsen bzw. vor großen Herausforderungen stehen, neigen zur Schaffung von Bereichsoptima, die mitunter den Untergang des Unternehmens herbeiführen können. Vertrauensbasierte Führung ist klar und nuanciert im Sinne ästhetischen guten Designs,12 wenn die Spielregeln vertrauensbasierter Führung allen Mitarbeitern, Gruppen und Organisationen klar, nicht verwirrend und einheitlich sind. Gleichzeitig geht es bei vertrauensbasierter Führung um die Berücksichtigung von Nuancen, um die Wahrnehmung feiner Abstufungen sowie um die Schaffung eines Gleichklangs und die Generierung eines subtilen Gleichgewichts von einer Vielzahl an Bedürfnissen, Wünschen und Zielen der psychischen Elemente des Systems Unternehmen.13 Auch dies ist vor dem Hintergrund der Generation Y und Z und den damit verbundenen Führungsherausforderungen eine wichtige Kompetenz erfolgreicher Internet-Unternehmen. Vertrauensbasierte Führung macht Führung verständlich und erhöht ihre Selbsterklärungsqualität im Sinne guten Designs,14 wenn auf einleuchtende Weise die Ziele, Motive und Instrumente der Führung verdeutlicht werden. Im optimalen Fall erklärt sich das Führungsverhalten von selbst – ohne das frustrierende Studium von schriftlichen Anweisungen. Dies fördert die Reaktionsfähigkeit, Flexibilität und Innovationsfähigkeit von Unternehmen. Vertrauensbasierte Führung ist unaufdringlich im Sinne guten Designs,15 wenn der Führende sich in die zweite oder dritte Reihe stellt. Der Führende tritt zurück und gibt seinen Mitarbeitern Raum. Vertrauensbasierte Führung ist ehrlich im Sinne guten Designs,16 wenn sowohl positive als auch negative Aspekte klar und so objektiv wie nur möglich diskutiert werden. Vertrauensbasierte Führung manipuliert das Gegenüber nicht, sondern überzeugt. Rams (1995), S. 6. Vgl. Rams (1995), S. 6 f. 13 Vgl. Rams (1995), S. 6 f. 14 Vgl. Rams (1995), S. 7. 15 Vgl. Rams (1995), S. 7. 16 Vgl. Rams (1995), S. 7. 11 12 1 Denkweisen vertrauensbasierter Führung 7 Vertrauensbasierte Führung ist langlebig im Sinne guten Designs,17 wenn das Führungskonzept nachhaltig gelebt sowie auch und gerade in Phasen wirtschaftlicher Herausforderungen, wie z. B. im Zuge einer digitalen Transformation, umgesetzt und beibehalten wird. Damit unterscheidet sich vertrauensbasierte Führung tiefgreifend von kurzlebigen Führungstrends und -instrumenten. Vertrauensbasierte Führung ist ganzheitlich im Sinne guten Designs,18 wenn weite Bereiche eines Unternehmens nach diesem Ansatz geführt werden. Es macht wenig Sinn, nur die Bereiche vertrauensbasiert zu führen, die innovativ sein sollen, um so der Kreativität Raum zu ermöglichen. Dies führt zu kulturellen Spannungen im System Unternehmen und unterstellt, dass in nicht kreativen Bereichen vertrauensbasierte Führung zu Ineffizienzen und ineffektivem Handeln führt, was nicht der Fall ist.19 Zudem bedeutet vertrauensbasierte Führung auch die Beibehaltung dieses Führungsanspruchs bei spezifischen Herausforderungen. Ein Führungsstilwechsel bei Problemen oder bei nichtvorhersehbaren Herausforderungen ist nicht opportun. Dies bedeutet auch, konsequent zu sein. Vertrauensbasierte Führung ist nachhaltig im Sinne guten Designs,20 wenn konsequent auf die physische und vor allem auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiter sowie auf die „Gesundheit“ von Organisationen geachtet wird. Nur so kann die Mitarbeiterfluktuation gesenkt und die Motivation der Belegschaft gesteigert werden, was insbesondere in dynamischen, hektischen und innovativen Branchen wie z. B. der TIME-Branche unerlässlich ist. Vertrauensbasierte Führung bedeutet im Sinne guten Designs21, so wenig wie möglich zu führen. Die skizzierten und angewandten Prinzipien guten Designs im Rahmen vertrauensbasierter Führung im Sinne einer Managementphilosophie zeigen deutlich, dass vertrauensbasierte Führung Treiber eines umfassenden Konvergenzmanagements im Sinne der Schaffung von Ökosystemen und digitalen Innovationen ist. Gleichzeitig zeigt sich, dass vertrauensbasierte Führung ohne ein zielorientiertes Denken nur einem Selbstzweck dient. 1.1.2 Zielorientiertes Denken als Bestandteil vertrauensbasierter Führung Damit vertrauensbasierte Führung im Sinne einer umfassenden Managementphilosophie nicht nur einem Selbstzweck dient, bedarf es eines zielorientierten Denkens als einem weiteren Baustein vertrauensbasierter Führung. Vgl. Rams (1995), S. 7. Vgl. Rams (1995), S. 7. 19 Vgl. Gilbert (2007), S. 79 f. 20 Vgl. Rams (1995), S. 7. 21 Vgl. Rams (1995), S. 7. 17 18