PROJEKTE Am Bahnhof Hardbrücke, so ist sich die Stadt ­Zürich sicher, wird die Aufwertung des Viertels nicht spurlos vorbeigehen. Im Gegenteil: Sie wird Nr. 31, Freitag, 5. August 2011 afe Flu cke Hardbrücke Kein radikaler Bruch 0 Das Projekt «Change» lässt die Fahrspuren der Hardbrücke weiterhin offen. Nr. 31, Freitag, 5. August 2011 100 200 ➣ Erhöhte Personenströme erwartet zunehmende Passagierströme zur Folge haben. Schon heute zählt der Bahnhof mit 40 000 Zugreisenden täglich zu einer der am meistfrequentiertesten Stationen der Schweiz. Künftig sollen es um die 80 000 bis 90 000 Personen sein. «Der bestehende Bahnhof ist aber nicht auf solche Massen ausgelegt. Hinzu kommt, dass er ursprünglich für ein Industriequartier konzipiert wurde», sagt Projektleiter Christian Räber vom Tiefbauamt der Stadt Zürich. Zusammen mit den SBB, dem Zürcher Verkehrsverbund und der Vereinigung Grundeigentümer Zürich-West hat das Tiefbauamt einen Studienauftrag durchgeführt. Gewünscht war eine funktional überzeugende und sichere Gesamtlösung. Eine der Kernaufgaben bestand darin, die Zugänge zum Bahnhof und zu den Perrons zu verbessern. Fünf Projekte ­wurden zur Weiterbearbeitung empfohlen. Als Sieger ging das Planungsteam Gigon/Guyer, Walt + Galmarini, Basler + Partner hervor. Laut Jury überzeugt ihr Entwurf «Change» sowohl in funktionaler als auch in betrieblicher Hinsicht. ➝ 30 baublatt Und die Sanierung der Hardbrücke mitsamt dem Ausbau der Tramlinie Zürich-West befindet sich in der Endphase. Weitere Projekte wie die Neugestaltung des Maag-Areals machen die ­Umwandlung des ehemaligen Industriequartiers zum urbanen, durchmischten Stadtteil komplett. Escher-Wyss-Platz ur I m aufstrebenden Quartier Zürich-West macht der alte Bahnhof Hardbrücke keine gute Figur. Nicht nur, weil er mit seinen beengenden ­Dimensionen, verwinkelten Wegführungen und unterirdischen Erschliessungen die heutigen und künftigen Anforderungen nicht mehr erfüllen kann. Auch seine Architektur und Ausstrahlung passen nicht in das aktuelle Stadtbild des Viertels. In den letzten Monaten hat sich um den Bahnhof herum nämlich viel getan: Der EscherWyss-Platz wurde erneuert, die Skyline prägen nun die Hochhäuser Prime Tower und Mobimo. Auf baublatt.ch/hardbruecke finden Sie den Schlussbericht der Jury. Ch Von Florencia Figueroa linktipp iler-Brü Nach dem Prime Tower soll das Büro Gigon Guyer Architekten mit den Ingenieuren Walt + Galmarini und Basler + Partner nun den benachbarten Bahnhof Hardbrücke neu bauen. Das Projekt «Change» sieht einen übersichtlichen Bau vor, der durch seine Funktionalität besticht. at Duttwe Komposition für die Zukunft Limm gh Pläne: Gigon/Guyer, Zürich Bahnhof Hardbrücke Zürich n➝ Der Bahnhof Hardbrücke wurde so konzipiert, dass er das Wahrzeichen Prime Tower optisch nicht konkurriert. Besser hätte es die Jury mit ihrer Wahl nicht treffen können; hat das Büro Gigon/Guyer doch bereits mehrere Projekte im Quartier ZürichWest realisieren dürfen. Unter anderem auch das höchste Gebäude der Schweiz: den Prime baublatt 31 PROJEKTE 20 m Längsschnitt A–A 15 10 Halle 5 Café 0 Velos Visualisierungen: Raumgleiter, Zürich Querschnitt B–B Bahnhofshalle Ost Zwischenebene Das Zwischengeschoss unterhalb der Brücke verbindet die beiden Eingangstore miteinander. B A Kios k A Kios k Bah nhof halle Ost Haupttragkonstruktion 32 baublatt 0 10 20 30 40 50 m ➣ B Ha rdb rüc ke Wa rte be rei ch Bu s/ Tra m Bah nh Wes ofhalle t Lichter und grosszügiger Zugang Geplant ist ein zeitgemässer Umsteigebahnhof, dessen Zugänge in das Innere des Gebäudes ­parallel zueinander auf der Brücke liegen. Diese Eingangspforten bilden auch die Halte­stellen für Tram und Bus, die die Reisenden direkt an den Bahnhof fahren. Unterhalb der ­Brücke verbindet ein Zwischengeschoss die beiden Zugänge. Über diese gelangt man zudem zu zwei ­B ahnhofshallen, die zu den Perrons führen. ­E rschlossen sind die verschiedenen Etagen durch Treppen, Rolltreppen und Lifte. Ein Teil des Untergeschosses soll zur Velostation umgenutzt werden. Unterhalb der Brücke und des Bahnhofs liegt eine Strecke, die sich vom Escher-Wyss-Platz bis zum Bahnhof Hardbrücke erstreckt. Dieser soll künftig Nr. 31, Freitag, 5. August 2011 als städtischer Boulevard verstanden werden. Als Abschluss dieser Strecke und als gut sichtbarer Zugang steht das neue Bahnhofsgebäude mit ­einer grosszügig dimensionierten Eingangshalle. Im Gegensatz zum düsteren, schmuddeligen ­Eingang des heutigen Bahnhofs soll der k­ ünftige einen lichten, guten Zugang erhalten. Kosten bewegen sich im Mittelfeld Wie dem Jurybericht zu entnehmen ist, suchen ­weder das Äussere noch das Innere des Bahnhofs nach einem wirklich neuen architektonischen Bild. Die leicht technoid anmutende Architektur gebe schlicht und einfach die Stimmung zeitgemässer Umsteigebahnhöfe wieder. Die künftige Identität des Bahnhofs bleibe deshalb offen. ­Dafür seien die funktionalen und betrieblichen Abläufe klar definiert worden. Die Führung der Personenströme sei durchdacht und die Orientierung ­einfach. Zudem ist der Bahnhof im Gegensatz zu früher übersichtlich und überschaubar. Das sei auch die grosse Stärke des Projekts und der Grund, weshalb es den Wettbewerb gewonnen habe. «In einer Nachbearbeitungsphase wird der Entwurf nun optimiert», sagt Projektleiter Räber. Die Bauarbeiten beginnen 2015/16. Andauern werden sie rund vier Jahre. Das ist eine grosse Herausforderung, weil der Betrieb auf dem ­Bahnhof aufrechterhalten werden muss. An die 600 Züge passieren den Bahnhof täglich. Über die Kosten war nichts Konkretes zu erfahren. Nur, dass sie sich im Mittelfeld bewegen. Zu erwarten ist aber, dass der künftige Bahnhof ­höhere Betriebskosten verursachen wird als der heutige, weil er neben Aufzügen und Treppen auch Rolltreppen hat. Dafür werden die Stadtzürcher bald über einen Bahnhof verfügen, der nicht mehr aus dem urbanen (Bild-)Rahmen fällt. n «Im Vordergrund stand der Dialog mit dem Umfeld» Bei der Planung des neuen Bahnhofs Hardbrücke stand für das Architekturbüro Gigon/Guyer die Einbindung des neuen Gebäudes in das Stadtbild im Vordergrund. «Eine Unterbrechung des Strassenraums, zum Beispiel mit einem übergreifenden Dach über die Hardbrücke, galt es zu vermeiden. Denn der durchgehende Strassenraum auf der Hardbrücke entlang den neu entstehenden Bauten von Zürich West stellt heute eine stadträumliche Qualität dar», erklärt die Architektin Annette Gigon. Mike Guyer fügt an: «Dennoch sollte der Bahnhof ein eigenständiger Bau sein, der mit dem Prime Tower eine prägnante und gleichzeitig gelassene Komposition im Stadtraum schafft.» Erfüllt habe man diese Ansprüche, indem man ein lang gestrecktes, wellenförmiges Gebäude erschaffen habe, das wegen seiner eigenwilligen Form zwar selbständig funktionieren kann, durch seine Sichtbezüge ermöglicht es aber auch eine gewisse Zusammengehörigkeit mit dem Hochhaus. Nr. 31, Freitag, 5. August 2011 Bild: Christian Scholz, Zürich Grundriss Niveau Hardbrücke Tower. Er befindet sich gleich neben dem Bahnhof Hardbrücke und musste deshalb in die ­Planung miteinbezogen werden. Das Preisgericht hatte wegen des hochrangigen Teilnehmerfeldes (Valerio Olgiati, KCAP, Dürig AG und EM2N) keine leichte Aufgabe und musste über unterschiedlichste Projekte befinden – sowohl über solche mit mehr formaler als auch über solche mit mehr funktionaler Gewichtung, sowie mit lautstarkem und zurückhaltendem Auftritt. Das Projekt «Change» obsiegte, weil es mit funktionalen, aber auch mit städteräumlichen Qualitäten auftrumpft und weil es keinen radikalen Bruch zum Bestand sucht. Das hat zur Folge, dass ein mimetischer Bahnhofskörper entsteht, der seinen Ausdruck aus der Funktion gewinnt und das Wahrzeichen-Potenzial seines Nachbarn, des Prime Tower, nicht streitig ­machen will. Allerdings ist sich die Jury nicht sicher, ob «der von den Autoren gesuchte Verbund mit dem Prime Tower zu einer kraftvollen Komposition zusammenfindet». Die Architekten Annette Gigon und Mike Guyer haben den neuen Bahnhof Hardbrücke geplant. Die Einbindung in das bestehende Stadtbild gelingt dadurch, dass der Bahnhof als sichtbares Verbindungselement konzipiert wurde. Dieses fügt dank einem unter dem Bahnhof befindlichen städtischen Boulevard die Stadt- und Brückenebene sowohl in städtebaulicher als auch erschliessungstechnischer Hinsicht zusammen. «Man betritt den Bahnhof neu ebenerdig, steigt in der Eingangshalle unter der Hardbrücke über Rolltreppen, Treppen und Liften hinauf, passiert die Zwischenebene und erreicht auf der Brü- ckenebene zwei Bahnhofshallen, die einerseits die Perrons, anderseits die Haltestellen der Tram und Busse erschliessen», so Gigon. Mehrere Treppen Die Kernaufgabe bestand darin, die prognostizierten Passagiermassen in die Bahnen zu leiten. «Um diese Aufgabe zu lösen, haben wir die Personenführung mit einer zusätzlichen hoch liegenden Verteilebene entflochten und die unterirdische Halle aufheben können», sagt Guyer. Dadurch habe man eine gute Übersichtlichkeit und eine einfache Orientierung geschaffen. Um eine möglichst hohe Kapazität vom Perron hinauf zur Plattform zu erreichen, wird eine Kombination von jeweils zwei Treppen und einer nach oben führenden Rolltreppe vorgeschlagen. Jedes Perron hat somit neben den Unterführungen Ost/West oberirdisch vier Treppen und zwei Rolltreppen. Damit können die Personenmassen effizient und sicher geführt werden. (ffi) baublatt 33