Institut vernetzt Traudl Solleder „Thoraxchirurgie als Zugpferd“ Die Abteilung Chirurgie der Missionsärztlichen Klinik In Heft 3/2010 haben wir mit der Vorstellung der medizinischen Abteilungen der Missionsärztlichen Klinik begonnen. In diesem Heft setzen wir die Darstellung mit der Abteilung „Chirurgie“ fort. Sie besteht seit der Gründung der Missionsärztlichen Klinik im Jahr 1952. Seit 2004 ist Professor Dr. HansGünter Koebe Chefarzt der chirurgischen Abteilung. Die bestehenden Schwerpunkte Allgemein-, Visceral- und Unfallchirurgie hat er um die Thoraxchirurgie erweitert. Laut Prof. Koebe hat sich diese als wichtiger Schwerpunkt der Abteilung entwickelt. Dazu trägt unter anderem bei, dass die Thoraxchirurgie seit etwa einem Jahr in der hiesigen Universitätsklinik infolge des Ausscheidens zuständiger Fachärzte nur eingeschränkt vertreten ist und deshalb entsprechende Operationen aller Schweregrade in Würzburg derzeit nur an der Missionsärztlichen Klinik möglich sind. Die ausgezeichnete Mitbetreuung der Patienten durch das Team der Anästhesie und durch das Pflegepersonal ist laut Koebe eine Voraussetzung für die Erfolge in der Thoraxchirurgie. durch verschiedene Stichinzisionen („Knopfloch-Chirurgie“) eingebracht werden. Auf diese Weise werden die Verletzung der Körperoberfläche und die damit verbundenen postoperativen Schmerzen und sonstigen Beschwerden erheblich vermindert. Außerdem ist die gewebeschonende Vorgehensweise eine Hauptbedingung für die heutzutage gebotene Verkürzung der „Minimal-invasive Chirurgie“ Prof. Hans-Günter Koebe Foto: Missionsärztliche Klinik „Insgesamt hat sich das chirurgische Betätigungsfeld in den letzten Jahren erheblich geändert“ stellt Prof. Koebe fest. „Früher wurden Operationen hauptsächlich als offene Verfahren durchgeführt. Heute wird die Chirurgie mit kleinem Zugangstrauma auf höchstem Entwicklungsstand für etwa 65 Prozent der Operationen im Brustund Bauchbereich angeboten.“ Praktisch heißt dies, dass große Schnitte für den Zugang zum Bauch- und Brustraum weitgehend vermieden werden. Das Operationsfeld wird über eine Kamera sichtbar gemacht, die ebenso wie die notwendigen Instrumente stationären Behandlungszeit, die unter anderem zur Kostenersparnis beiträgt. Es ist wichtig, dass Patientinnen und Patienten, die sich einer Operation unterziehen müssen und die sie einweisenden Haus- und Fachärzte über den bevorzugten Einsatz minimal-invasiver Verfahren Bescheid wissen. Die Missionsärztliche Klinik ist nach Koebe im Würzburger und unterfränkischem Bereich als „omnipotentes Familienkrankenhaus“ bekannt und wird als Überweisungsadresse umso mehr geschätzt, wenn neben der bekannten pflegerischen Höchstleistung auch die medizinische Ver- Heilung und Heil 1/2011 sorgung in den unterschiedlichen Schwerpunkten höchsten medizinischen Anforderungen gerecht wird. „Sämtliche modernen Operationsverfahren stehen daher für eine schonende Therapie der uns anvertrauten Patienten zur Verfügung“ berichtet der Chefarzt. Prof. Koebe sieht im Raum Würzburg für einige Bereiche der chirurgischen Versorgung ein überlappendes Angebot seitens der ansässigen Kliniken. In der aus dieser Situation zwangsläufig resultierenden Konkurrenz wird sich die Missionsärztliche Klinik am besten durch eine zuverlässige Präsenz, verbunden mit einer sehr guten Qualität behaupten können. Der visceralchirurgische Schwerpunkt, der durch Dr. Sabine Glöckler seit einem halben Jahr bedeutsam verstärkt wird, leidet durch das Fehlen eines Gastroenterologischen Schwerpunktes in der Abteilung für Innere Medizin des Hauses. So kann sich die Missionsärztliche Klinik auch nicht als „Darmzentrum“ zertifizieren lassen, wie dies für andere Kliniken im Raum Würzburg medienwirksam berichtet wurde. „Die Haus- und Fachärzte wissen aber auch ohne behördliche Stempel um die Qualität unserer Arbeit von der Speiseröhre bis zum Anus“, so verweist Koebe auf die hohen Einweisungszahlen und schmunzelt über den allerorts zu beobachtenden Trend zur Spezialisierung, den er am liebsten von der Missio fernhalten würde: „Die Menschen fühlen sich in unserer Klinik in aller Regel als Gesamtpersönlichkeit angenommen und nicht reduziert auf ein erkranktes Organ.“ Tägliche Sorgen bereitet dem ChirurgieChef die begrenzte Operationskapazität, die sich die chirurgische Abteilung mit den ebenfalls sehr erfolgreich arbeitenden Kollegen der Urologie und Gynäkologie teilen muss. Da für die gesamte 19 Institut vernetzt Chirurgische Abteilung der Missionsärztlichen Klinik Chefarzt: Prof. Dr. Hans-Günter Koebe, Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurg Fünf Oberärzte, von denen OA Dr. Selbach und OA Dr. Planner selbständig die Unfallchirurgische Abteilung betreuen. Elf Assistenzärzte. Insgesamt 64 Betten auf zwei Stationen plus sechs Betten auf der Intensiv- und der Kurzliegestation. Schwerpunkte: Allgemein-, Visceral-, Thoraxund Unfallchirurgie Visceralchirurgie: Allgemeine V.: Operationen an Schilddrüse, Gallenblase, gutartige Veränderungen am MagenDarm-Trakt, Refluxerkrankungen der Speiseröhre, Hernien, und Spezifische V.: Vorgehen bei bösartigen Tumorerkrankungen oberhalb und unterhalb des Zwerchfells in Zusammenarbeit mit Kollegen der beteiligten Nachbardisziplinen Chirurgie mit sämtlichen Schwerpunkten nur zwei Operationstische vorhanden sind und der Wechsel zwischen zwei Operationen mindestens 45 Minuten dauert, sind die Operationssäle auch bei moderatem Programm den ganzen Tag über besetzt. Die Geschäftsführung und die Operationskoordination bemühen sich zwar nach Kräften dem gestiegenen Bedarf nach Operationskapazität Rechnung zu tragen, aber die starke Anspannung, die aus dem Missverhältnis von Bedarf und Kapazität resultiert, ist täglich spürbar. Schon häufig wurde über die Notwendigkeit baulicher Maßnahmen im Operationsbereich gesprochen, aber die Wartezeiten für Operationstermine werden unterdessen immer länger! „Aber wir machen weiter das Beste aus der Situation“, freut sich Koebe über die starke Inanspruchnahme seiner Abteilung. - auch Vertreter der Gynäkologie oder Urologie der Missionsärztlichen Klinik. Was die chirurgische Behandlung von Metastasen betrifft, so hält sich Prof. Koebe strikt an bestehende Konzepte: Zweitoperationen zur Metastasenentfernung werden nur durchgeführt, wenn lokale Komplikationen dies erfordern oder es nach Erstoperation und Chemotherapie nicht zu einer Vermehrung vorhandener Metastasen gekommen ist. Manchmal wird auch nur eine Metastase entfernt, um eine zweite Tumorerkrankung auszuschließen. In jedem Fall wird die operative Behandlung des Tumorleidens eingebettet in ein umfassendes Behandlungskonzept: Jeder „Fall“ gehört zu einem Menschen, der einen Ausweg aus der Krankheitsbedrohung sucht. Es bleibt unsere Aufgabe, bei aller notwendigen Standardisierung auf Thoraxchirurgie: Eingriffe an Lunge, Atemwegen, Brustwand und Mittelfeldraum mit den Schwerpunkten bösartige und gutartige Lungentumore, Metastasen, Tumore im Bereich der Thoraxwand, des Rippenfels und Mediastinums, Pneumothorax, Lungenemphysem, Infektionen des Brustraums und kosmetische Korrekturen im Bereich des Brustkorbs, vermehrtes Schwitzen der Hände (Hyperhidrosis) Unfallchirurgie Behandlung von Unfallverletzten, Diagnostik und Therapie von Verschleißerscheinungen an Gelenken, frühfunktionelle Behandlung von Sportverletzungen an Bändern, Sehnen und Gelenken, Handchirurgie, schnelle Wiederherstellung der Arbeits- und Sportfähigkeit, Notfallambulanz und Notfalldienst 20 Operationsteam Für eine strukturierte Behandlung von Patienten mit Tumorleiden nimmt die chirurgische Abteilung teil an der wöchentlichen interdisziplinären Tumorkonferenz im Hause. Jeder Patient mit einer malignen Erkrankung ganz gleich welchen Organursprungs wird hier vorgestellt, damit die bestmögliche Therapiekombination gemeinsam bestimmt werden kann. Zum beratenden Team gehören der zuständige Chirurg, der Onkologe der Inneren Abteilung, Vertreter von Strahlentherapie und Pathologie der Universität und - je nach Fall Foto: Missionsärztliche Klinik die Sorgen und Nöte des Einzelnen einzugehen, der sich uns anvertraut. Erfolgreicher „Case-Mix-Index“ Im Jahr 2010 wurden insgesamt 3000 Operationen durchgeführt, davon etwa 1100 im Bereich Unfallchirurgie. Der sogenannte Case Mix Index (CMI) dient der Messung der Schwere der Erkrankung der behandelten Patienten und liegt umso höher, je komplexer das Gesamtgut der Fälle ist. Für die Chirurgie liegt er mit 1,45 im oberen Segment, Heilung und Heil 1/2011 Institut vernetzt weitgehend auf Grund der Thorax- und Visceralchirurgie. Die Chirurgie weist den höchsten CMI innerhalb der Abteilungen der Missionsärztlichen Klinik auf. „Unfallchirurgie“ – ein weites Feld Geschlossene und offene Knochenbrüche, Luxationen und Prellungen, große und kleine Wunden, zerrissene Bänder, durchschnittene Sehnen, verletzte Nerven, Sportschäden und abgenützte Gelenke – dies und vieles mehr gehören zur Unfallchirurgie. Die Oberärzte Dr. Klaus-Dieter Selbach und Dr. Manfred Planner haben die unfallchirurgische Arbeit seit Mitte der achtziger Jahre weiter entwickelt und sind selbständig für dieses Gebiet verantwortlich. Neben einer Bettenstation stehen dafür die Räume der Notfallambulanz im Untergeschoss zur Verfügung – dort läuft der Betrieb ganztägig und natürlich auch nachts. Die Abteilung gehört zur Stufe 2 im Traumanetzwerk Nordbayern der Deutschen Gesellschaft für Unfallheilkunde, das zuständig ist für die Versorgung von Polytraumatisierten, d.h. von Patienten mit gleichzeitiger Verletzung multipler Organe. Voraussetzung dafür sind ein Schockraum mit Röntgen- und Ultraschallgeräten, ein Computertomogramm und die Anwesenheit von Bauch- und Unfallchirurgen, Anästhesist und Internist, so dass wichtige Basisuntersuchungen und Therapien ohne Zeitverlust möglich sind und das weitere Vorgehen beschlossen werden kann. Natürlich sind alle Instrumentensysteme für die Behandlung von Knochenbrüchen und für den Gelenkersatz (Endoprothetik) bei Arthrosen im Bereich von Hüftund Kniegelenk vorhanden. Ein wichtiger Punkt ist, dass Operationen an Knie-, Schulter-, Ellbogen- und oberem Sprunggelenk arthroskopisch durchgeführt werden. Patienten, die auf Grund ihrer Erkrankung/Operation für eine Nachbehandlung in einer Reha-Einrichtung qualifiziert sind, werden rechtzeitig dorthin verlegt. Nach Heilung und Heil 1/2011 Anmeldung über den Sozialdienst der Klinik, meist in Bad Kissingen oder Bad Mergentheim, wird der Patient frühzeitig mobilisiert. Auch nach Hüft- oder Kniegelenk­ ersatz wird der Patient am Tag nach der Operation aus dem Bett geholt. Dank der Kompetenz und Tatkraft der Physiotherapeuten der Abteilung Physikalische Therapie – so OA Planner - gelingt dies immer; auch die ältesten Patienten sind nach zehn Tagen fähig, sich mit Gehstützen fortzubewegen. Sprechstunden- und Notfalldienst Das sogenannte Durchgangsarztverfahren ist eine wichtige Komponente der Unfallchirurgie. OA Dr. Selbach ist zuständig für die Untersuchung und Betreuung aller berufsgenossenschaftlich versicherten Patienten, die sich Verletzungen bei der Arbeit, auf dem Weg zur Arbeit oder zurück oder bei Schulunfällen zuziehen. Laut Selbach wurden im letzten Jahr 15.500 Notfall- und Durchgangsarztpatienten durchgeschleust und 1.350 unfallchirurgische Patienten aus der Notfallambulanz stationär aufgenommen. Neben der Sprechstunde des Durchgangsarztes gibt es auch ambulante Behandlung in der Sportund Gelenksprechstunde, was die prä- und postoperative Betreuung erleichtert. Viele Patienten sind dankbar, wenn sie sich nach einer Operation nochmals hier vorstellen können. Die Missionsärztliche Klinik nimmt alle vier Wochen am Notfalldienst im Raum Würzburg teil. Daran beteiligt sind nur Ärzte, die die Anerkennung als Notarzt erworben und die kassenärztliche Zulassung haben; etwa ein Dutzend Ärzte der Missionsärztlichen Klinik sind entsprechend qualifiziert. Jeweils zwei Ärzte müssen für eine Woche zur Verfügung stehen. Dieser Dienst ist nicht Teil der Klinikleistung, sondern wird in der (aus Nacht- und Wochenenddiensten stammenden) Freizeit geleistet und direkt bezahlt. Weiterbildung Neben der Pflichtausbildung in Chirurgie für alle Studierenden im Rahmen des „Praktischen Jahres“ (PJ) bietet die Abteilung verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten im Rahmen der Weiterbildungsordnung von 2004. Dazu gehört die vorgeschriebene zweijährige Basisweiterbildung in Chirurgie, die als sog. „common trunk“ Voraussetzung ist für alle chirurgischen Fachgebiete. Außerdem ist eine dreijährige Teilweiterbildung als Thoraxchirurg möglich sowie eine einjährige Teilweiterbildung als Unfallchirurg/Orthopäde. Mehr Informationen zur Abteilung Chirurgie der Missionsärztlichen Klinik unter www.missioklinik.de. Team für den Notfalldienst, in der Mitte stehend Oberarzt Dr. Selbach Foto: Missionsärztliche Klinik 21